Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 Ws 328/16

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Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 25. Oktober 2016 aufgehoben.

2. Die durch das Urteil der 1. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Kaiserslautern vom 25. Mai 2004 angeordnete Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird für erledigt erklärt.

3. Der nach Anrechnung der Zeit der Unterbringung verbleibende Rest der im vorgenannten Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wird nach Vollstreckung von 2/3 der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.

4. Der Untergebrachte ist aus dem Vollzug der Maßregel zu entlassen und in die zuständige Justizvollzugsanstalt zu überstellen.

5. Die Dauer der kraft Gesetzes mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 5 S. 2 StGB) beträgt fünf Jahre. Für die Zeit der Führungsaufsicht wird der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt (§ 68a Abs. 1 Halbs. 2 StGB).

6. Der Verurteilte hat Weisungen und Ladungen, die von Seiten der Führungsaufsichtsstelle ergehen, Folge zu leisten.

7. Dem Verurteilten werden folgende Weisungen, soweit er sich in Freiheit befindet, erteilt:

a. Er hat nach Entlassung aus der Strafhaft seine Wohnanschrift unverzüglich der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen sowie jeden Wechsel des Wohnsitzes und/oder des Arbeitsplatzes der Führungsaufsichtsstelle binnen drei Tagen anzuzeigen (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 8 StGB).

b. Er hat spätestens bis zum dritten Werktag nach der Entlassung aus der Strafhaft mit der Bewährungshilfe Kontakt aufzunehmen und sich mindestens einmal monatlich, jeweils in der ersten Woche des Monats, bei seinem Bewährungshelfer/seiner Bewährungshelferin zu melden (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB).

8. Die weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht bleibt der nach § 462a Abs. 1 StPO zuständigen Strafvollstreckungskammer vorbehalten.

9. Die Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung der Führungsaufsicht und die Folgen eines Weisungsverstoßes wird der Leiterin der Unterbringungseinrichtung übertragen. Die Belehrung hat sich auch darauf zu erstrecken, dass es sich bei den Weisungen gemäß § 68b Abs. 1 StGB um solche Weisungen handelt, die gemäß § 145a StGB strafbewehrt sind.

10. Das weitergehende Rechtsmittel des Verurteilten wird verworfen.

11. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels, allerdings wird die Gerichtsgebühr um 2/3 ermäßigt; in diesem Umfang trägt die Landeskasse auch die im Beschwerderechtszug angefallenen notwendigen Auslagen des Verurteilten.

Gründe

1

Die 1. Strafkammer - Große Jugendkammer - des Landgerichts Kaiserslautern hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 25. Mai 2004 des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in elf Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt. Daneben hat sie die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Maßregel wurde vom 20. Oktober 2004 bis zum 16. Juli 2015 und wird - aufgrund Anordnung einer Krisenintervention gem. § 67h StGB und Widerruf der Bewährungsaussetzung - erneut seit dem 29. Juli 2015 in der Forensischen Klinik des Pfalzklinikums Klingenmünster vollstreckt.

2

Die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat mit Beschluss vom 25. Oktober 2016 erneut die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers angeordnet. Gegen diese, seinem Verteidiger am 10. November 2016 zugestellte Entscheidung wendet sich der Verurteilte mit seiner am 11. November 2016 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

3

Das in verfahrensrechtlicher Sicht unbedenkliche Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; soweit es auf eine unmittelbare Entlassung des Verurteilten in Freiheit gerichtet ist, ist es indes nicht begründet.

I.

1.

4

a) Nach den im Anlassverfahren getroffenen Feststellungen fühlte sich der Verurteilte bereits ab dem Alter von ca. zehn Jahren sexuell zu jüngeren bzw. gleichaltrigen Jungen hingezogen. An dieser Präferenz hatte sich, auch was das Alter der Kinder betrifft, bis zum Zeitpunkt der Verurteilung nichts geändert. Erste sexualbezogene Kontakte zu unter 14 Jahre alten Jungen nahm der Verurteilte im Alter von ca. 13 Jahren auf. Auch im weiteren Lebensverlauf nahmen homo- oder heterosexuelle Beziehungen zu jeweils gleichaltrigen oder älteren Partnern in der sexuellen Ausrichtung des Verurteilten keinen wesentlichen Raum ein. Im Alter von ca. 20 Jahren verstärkte sich vielmehr der Drang, Beziehungen zu präpubertären Knaben aufzubauen und in diesem Rahmen nicht nur eine vermeintlich gleichberechtigte Partnerschaft zu erfahren, sondern darin auch sexuelle Wünsche und Begierden auszuleben.

5

b) Im Oktober des Jahres 2002 lernte der Verurteilte den damals 11-jährigen Sonderschüler S. H. über ein 15 bzw. 16 Jahre altes Bruderpaar kennen. Der Verurteilte unternahm mit S. H. und den beiden Jugendlichen zahlreiche Freizeitaktivitäten. Wiederholt kam es in der Wohnung des Verurteilten auch zu gegenseitigen sexuellen Handlungen, die sowohl manuellen, als auch oralen und analen Verkehr umfassten. Im Laufe der Zeit nahm die Häufigkeit der Besuche des Kindes bei dem Verurteilten zu, teilweise verbrachte es gesamte Wochenenden in dessen Wohnung. Erst als ihm seine Eltern im Januar 2003 den Umgang mit dem Verurteilten verboten, brach S. H. den Kontakt ab. Der Verurteilte reagierte auf die erzwungene Trennung mit depressiven Verstimmungen und übermäßigem Alkoholkonsum. Vom 18. Januar 2003 bis 18. Februar 2003 unterzog er sich deshalb einer stationären Behandlung im Pfalzklinikum, wo er gegenüber den dortigen Behandlern seine pädophilen Neigungen offenbarte. Nach der Entlassung suchte und fand der Verurteilte den erneuten Kontakt zu S. H. Obwohl er mittlerweile von der Polizei wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs vernommen worden war, gestaltete der Verurteilte die Beziehung zu dem Kind in gleicher Weise wie zuvor. Es kam zu weiteren sexuellen Handlungen zum Nachteil des S. H., wobei der Verurteilte teilweise noch einen gleichaltrigen Schulfreund des Kindes mit einbezog.

6

c) Die durch die Sachverständige Dr. S. sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Schuldfähigkeit des Verurteilten bei Begehung dieser Taten aufgrund einer sog. Kernpädophilie erheblich eingeschränkt gewesen war. Diese sei nicht allein durch das verfestigte Bestreben des Verurteilten gekennzeichnet, sexuelle Befriedigung durch Intimverkehr mit kindlichen Partnern zu erlangen. Ihm sei es vielmehr auch darum gegangen, in die kindliche Erlebniswelt "einzutauchen". Könne er aufgrund fehlender Möglichkeiten diese Bedürfnisse nicht stillen, reagiere er mit depressiven Verstimmungszuständen. Diese Persönlichkeitsstörung in Form einer sexuellen Deviation stelle in juristischer Hinsicht eine andere seelische Abartigkeit dar, die den Grad einer krankhaften seelischen Störung erreicht habe. Dass es dem Verurteilten erheblich schwerer falle, seinen Impulsen zu widerstehen, werde eindrücklich durch den Umstand belegt, dass er trotz Kenntnis des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens seine sexuelle Ausrichtung weiterhin mit S. H. und letztlich auch mit dessen Schulfreund ausgelebt habe. Dieser Einschätzung stehe das mit dem Anbahnen entsprechender Kontakte verbundene Planungsvermögen und koordinierte Vorgehen nicht entgegen. Zu verweisen sei auf die in zeitlicher Hinsicht langfristige Übung und Gewöhnung des Verurteilten entgegen seiner vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln und hierfür in rationalisierender Weise entschuldigende Erklärungsmodelle zur Rechtfertigung seiner Verhaltensweisen zu finden. Angesichts dessen, dass es dem Verurteilten ohnehin vergleichsweise schwerer falle, seinen Impulsen zu widerstehen, zeige sein ambivalentes Verhältnis zu seinen Handlungen, dass es ihm nicht gelungen sei, rationale Kontrollmechanismen aufzubauen, um eine zukünftige Wiederholung des gezeigten Verhaltens zu verhindern. In Folge dessen sei mit gleich gelagerten und damit erheblichen Straftaten des Verurteilten zu rechnen.

7

d) Das im Anlassverfahren erstattete schriftliche Gutachten der Sachverständigen Dr. S. vom 7. November 2003 (dort S. 38 f.) enthält zur psychiatrischen Einschätzung folgende Ausführungen:

8

"Insbesondere ist deutlich geworden, dass der Angeklagte sich in der kindlichen Erlebniswelt wohlfühlt, Kinder als ebenbürtig erlebt und dabei selber den Eindruck eines unreifen und auf seine egozentrische Bedürfnisbefriedigung fixierten jungen Mannes vermittelt. (..) Die pädosexuellen Neigungen sind seit sehr langer Zeit bei dem Probanden bekannt und haben früh dazu geführt, dass er mit dem Gesetz in Konflikt kam und dass er psychische Auffälligkeiten in Form von depressiven Verstimmungszuständen und Auffälligkeiten in der Impulskontrolle, wie bei den Brandstiftungsdelikten, und in Form eines Konflikttrinkens zeigte. Insofern ist aus psychiatrischer Sicht diese Erkrankung unter das Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB einer anderen schweren seelischen Abartigkeit zu subsumieren. Aus psychiatrischer Sicht liegen keine anderen Erkrankungen vor, durch die eines der anderen Eingangsmerkmale als erfüllt anzusehen wäre. (...) Im Hinblick auf die Steuerungsfähigkeit ergibt sich folgende Einschätzung: Sicherlich wird man einerseits annehmen können, dass das Herstellen der Kontakte zu den Kindern auch ein gewisses Planungsvermögen erfordert. Andererseits wird deutlich, dass man es hier mit einem devianten Verhalten zu tun hat, das bereits präpubertär bestand und sich in den letzten Jahren fixiert hat. Herr X selber erlebte sich als ohnmächtig gegenüber seinen pädophilen Neigungen, und hat mehrfach bekundet, dass er diese wie eine "Sucht" erlebt und bei sexuellen Kontakten mit Kindern "über Konsequenzen nicht mehr nachgedacht" hat. (..) Zu berücksichtigen ist insgesamt, dass bei Herrn X ein erhebliches Maß an Impulsivität vorliegt (...). Man wird davon ausgehen können, dass es ihm schwerer als der Durchschnittsbevölkerung fällt, seinen Impulsen zu widerstehen. Die Sachverständigen haben hier den Eindruck gewonnen, dass der Proband nicht in der Lage war, genügend Hemmungen aufzubauen, die ihn an der Ausübung seiner sexuellen Neigung hinderte."

2.

9

Die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat nach Einholung und unter Verwertung eines externen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K. (vom 18. Mai 2015) mit Beschluss vom 1. Juli 2015 die Maßregel zur Bewährung ausgesetzt und dem Verurteilten Führungsaufsichtsweisungen erteilt. Unter anderem wurde dem Verurteilten untersagt, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen, der über das im Alltag übliche Maß hinausgeht, sowie mit ihnen zu verkehren, insbesondere Minderjährige persönlich anzusprechen oder mit ihnen über soziale Netzwerke zu kommunizieren. Nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug am 20. Juli 2015 nahm der Verurteilte zunächst Wohnung bei seiner Mutter. Bereits am 25. Juli 2015 bot der Verurteilte im Stadtbereich von Kaiserslautern einem 12-jährigen Jungen Geld an, wenn dieser ihn in seine Wohnung begleiten und sich von ihm fotografieren lassen würde. Noch am selben Tag sprach der Verurteilte einen 14-jährigen Jungen an und bot diesem ebenfalls Geld, wenn er mit zu ihm nach Hause komme. Der Verurteilte hat im Rahmen eines am 22. September 2015 durchgeführten Anhörungstermins gegenüber der Strafvollstreckungskammer die beiden Vorfälle eingeräumt und erklärt, er habe seine "Erfolgsaussichten ausloten" wollen. Am 28. Juli 2015 wurde der Verurteilte aufgrund eines Sicherungsunterbringungsbefehls der Strafvollstreckungskammer erneut in das Pfalzklinikum verbracht. Dort wird die Maßregel seitdem - zunächst auf Grundlage von § 67h Abs. 1 StGB und anschließend nach Widerruf der Bewährungsaussetzung - erneut ununterbrochen vollstreckt.

10

Am 25. Oktober 2016 hat die Große Strafvollstreckungskammer den Verurteilten durch den beauftragen Richter angehört und am selben Tag die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, es sei auch in Zukunft mit ähnlichen Verhaltensweisen zu rechnen, wie sie der Verurteilte im Juli 2015 gezeigt habe. Bei einer Entlassung in Freiheit sei davon auszugehen, dass seine emotionalen Bedürfnisse früher oder später wieder Oberhand gewönnen und rationale Aspekte immer weniger handlungsleitend würden. Es seien deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit erneute einschlägige Taten zu erwarten. Für eine Rückfallgefahr spreche das Vorliegen einer fixierten sexuellen Devianz, sexuelle Seriendelikte, falsche Selbsteinschätzung bezüglich Risikosituationen, die Unfähigkeit, angemessene stabile Partnerschaften einzugehen und ein früher Beginn der sexuellen Entwicklung.

11

Der Senat hat mit Beschluss vom 15. März 2017 ein schriftliches forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Schwerpunkt Forensische Psychiatrie, Prof. Dr. S. eingeholt. Am 28. März 2018 hat der Senat den Sachverständigen mündlich angehört; auf den Vermerk des Senatsvorsitzenden vom 28. März 2018 wird Bezug genommen.

II.

12

Die Voraussetzungen des § 63 StGB für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus liegen nicht mehr vor, weshalb die Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 S. 1 StGB für erledigt zu erklären ist.

1.

13

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 63 StGB) ist nach § 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB für erledigt zu erklären, wenn im Vollstreckungsverfahren die Feststellung getroffen werden kann, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen. Die Erledigung setzt daher voraus, dass sich nach Beginn der Unterbringungsvollstreckung herausstellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen ihrer Anordnung entweder von Anfang an nicht bestanden haben oder nachträglich weggefallen sind (OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 21; Rissing-van Saan/Peglau in LK-StGB, 12. Aufl., § 67d Rn. 49). Dies kann darauf beruhen, dass der Defektzustand, auf Grund dessen die Unterbringung angeordnet worden ist, überhaupt nicht vorgelegen hat oder (jedenfalls) im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr besteht, oder dass die von § 63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeit des Untergebrachten nicht (mehr) besteht. Eine Erledigung wegen Fehlens der materiellen Unterbringungsvoraussetzungen hat jedoch nur zu erfolgen, wenn mit Sicherheit festgestellt werden kann, dass der im Anlassurteil zugrunde gelegte Zustand oder die hieraus gefolgerte Gefährlichkeit von Anfang an nicht bestanden haben oder jedenfalls im Überprüfungszeitpunkt nicht mehr bestehen. Ist dies dagegen lediglich zweifelhaft, kommt eine Erledigung nicht in Betracht (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 08.02.2007 - I Ws 438/06, juris Rn. 5; OLG Braunschweig, Beschluss vom 29.06.2015 - 1 Ws 133/15, juris Rn. 12 sowie nachfolgend: BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.08.2017 - 2 BvR 1496/15, juris). Gleiches gilt, wenn im Unterbringungsverlauf lediglich eine graduelle Besserung des Zustandes mit der Folge entsprechend geringerer Gefährlichkeit eingetreten ist, der die Maßregelanordnung rechtfertigende Zustand dem Grunde nach aber fortbesteht (Senat, Beschluss vom 28. Juli 2010, 1 Ws 195/10, juris Rn. 6; Veh in MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 67d Rn. 27). In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob der Zustand nach geänderter Wertung noch von einer Art und Dauer ist, dass er die Anordnung der Maßregel rechtfertigen kann bzw. gerechtfertigt hätte (Rissing-van Saan/Peglau aaO. § 67d Rn. 53). Auch eine Fehleinweisung, die allein auf Rechtsfehlern des Tatgerichts, nicht aber (zugleich) auf einer fehlerhaften Tatsachengrundlage fußt, kann nach der - jedenfalls überwiegenden - obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Rissing-van Saan/Peglau aaO. § 67d Rn. 56 Fn. 97 sowie Veh aaO. § 67d Rn. 30 Rn. 145, dort auch zur Gegenansicht; s.a. EuGH, Urteil vom 16.05.2013 - 20084/07, NJW 2014, 369 sowie BVerfG, Beschluss vom 19.10.2006 - 2 BvR 1486/06, NStZ-RR 2007, 29, 30) eine Erledigung nach § 67d Abs. 6 StGB nicht tragen. Das Vollstreckungsgericht darf eine unveränderte Tatsachengrundlage nicht neu bewerten und so zu der Annahme gelangen, dass ein Defektzustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB oder eine die Unterbringung rechtfertigende Gefährlichkeit nie bestanden haben (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 14; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 22). Denn bei der rechtlichen Zuordnung der tatsächlichen Feststellungen zu den Merkmalen der §§ 20, 21 StGB handelt es sich um einen juristischen Subsumtionsvorgang, der der Rechtskraft fähig ist (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 20.11.2014 - 2 BvR 2774/12, juris Rn. 41 f. und vom 16.08.2017 - 2 BvR 1496/15, juris Rn. 25). Eine nachträgliche Korrektur solcher, auf rein rechtlichem Gebiet liegender Fehler im Anlassurteil erlaubt die Vorschrift bei im Wesentlichen unverändert gebliebener Tatsachengrundlage daher nicht.

2.

14

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Maßregel nicht vor. Denn es steht unter Berücksichtigung der überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. K. sowie den Äußerungen der Unterbringungseinrichtung fest, dass der von der Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern der Unterbringungsanordnung tragend zugrunde gelegte Defektzustand nicht mehr besteht.

15

a) Zwar haben sämtliche der im Verfahren hinzugezogenen forensisch-psychiatrischen Sachverständigen einhellig hervorgehoben, dass an der im Anlassurteil festgestellten Diagnose einer Pädophilie (ICD-10: F65.4) mit homosexueller Ausrichtung und stabiler Präferenz für Jungen in der Pubertät festzuhalten ist (vgl. die schriftlichen Gutachten Dr. S. vom 31.07.2006, S. 54, Dr. L. vom 05.02.2010, S. 44 sowie Prof. Dr. K. vom 18.05.2015, S. 65 ff.). Diese hat auch gegenüber dem Umstand bestand, dass der Verurteilte - jedenfalls nach seinen Angaben - sporadische Beziehungen zu jüngeren, wenn auch erwachsenen Männern unterhalten und weibliche Prostituierte aufgesucht hat. Denn dass präpubertäre Jungen im Vordergrund seiner sexuellen Ausrichtung stehen, wird nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. sowohl durch die Eigenschilderungen des Verurteilten, als auch den Rückfall in alte Verhaltensweisen nur wenige Tage nach der Bewährungsentlassung belegt.

16

b) Die Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern hat in ihrem Urteil vom 25. April 2004 die Steuerungsfähigkeit des Verurteilten jedoch nicht (allein) wegen dessen sexueller Disposition und Fixierung auf präpubertäre Knaben für erheblich eingeschränkt gehalten. Den Gründen des Urteils und - dies noch in stärkerem Maße - den hierbei verwerteten Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. im schriftlichen Gutachten vom 7. November 2003 ist vielmehr zu entnehmen, dass die Strafkammer die Annahme einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens maßgeblich auf die im Tatzeitpunkt vorhandenen unreifen Persönlichkeitszüge des Verurteilten sowie dessen herabgesetzte Fähigkeit zur Impulskontrolle gestützt hat. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 21. Januar 2018 in überzeugender Weise erläutert, dass diese im Anlassurteil tragend herangezogenen Einschränkungen im Persönlichkeitsgefüge des Verurteilten in Bezug auf Reife und Impulskontrolle heute nicht mehr feststellbar sind. Auch im Übrigen ergäben sich aus der gegenwärtigen Analyse über die bei dem Verurteilten gegebene, recht tief eingeschliffene, dauerhafte und als ich-synton empfundene Pädophilie hinaus keine wesentlichen Deformierungen des Persönlichkeitsgefüges, welche die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB tragen könnten. An dieser Auffassung hat der Sachverständigen auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung festgehalten.

17

c) Diesen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. schließt sich der Senat an. Sie beinhalten nicht lediglich eine geänderte diagnostische Bewertung derjenigen Anknüpfungstatsachen, die bereits dem Anlassurteil zugrunde gelegen haben.

18

aa) Ob bei ansonsten unveränderter Tatsachengrundlage eine gegenüber dem im Anlassverfahren erstatteten Gutachten geänderte diagnostische Bewertung der damals zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen für sich genommen bereits eine Erledigung rechtfertigen kann, erscheint - soweit ersichtlich - in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwar nicht abschließend geklärt (verneinend: Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 24.09.2010 - Ws 90/10; inzident bejahend: OLG Rostock, Beschluss vom 16.01.2017 - 20 Ws 173/16, juris Rn. 27; OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2017 - 4 Ws 305/16, juris Rn. 12 sowie ähnlich: Thüringer OLG, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 15 und OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 22). Der Senat neigt insoweit der Auffassung zu, dass es nicht darauf ankommt, ob die im Anlassurteil zugrunde gelegte diagnostische Bewertung zutreffend ist. Denn die diagnostische Einschätzung allein kann niemals Grundlage für die Beurteilung sein, ob die Schuldfähigkeit des Täters in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt gewesen war. Entscheidend sind vielmehr der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluss der dadurch bedingten psychopathologischen Verhaltensmuster auf die psychische Funktionsfähigkeit des Verurteilten bei Tatbegehung (st. Rspr. vgl. BGH, Beschluss vom 29.05.2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306; Urteil vom 25.03.2015 − 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688). Nimmt das Gericht im Erkenntnisverfahren auf Grund einer - auch gegenüber neueren Erkenntnissen im Vollstreckungsverfahren - hinsichtlich Art und Umfang der Auswirkungen zutreffend erfassten Tatsachengrundlage einen Zustand im Sinne von §§ 20, 21 StGB an, so handelt es sich hierbei um eine Rechtsfrage, die im Vollstreckungsverfahren nicht abweichend beurteilt werden kann (Hanseatisches OLG Bremen aaO. Rn. 25; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.10.2002 - 2 Ws 572/02, NStZ 2003, 222, 223). Die Frage kann letztlich aber dahinstehen. Denn das Zustandsbild des Verurteilten hat gegenüber dem Zeitpunkt der Anlasstaten signifikante Änderungen erfahren. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat seine gegenüber der im Anlassverfahren gehörten Sachverständigen abweichende forensisch-psychiatrische Beurteilung maßgeblich auf die im langjährigen Unterbringungsverlauf gezeigte Entwicklung des Verurteilten und die von der Maßregelvollzugseinrichtung in diesem Zusammenhang erhobenen Befunde gestützt.

19

bb) Der Senat hat seiner Entscheidung die im Ausgangsurteil getroffene Wertung zugrunde zu legen, dass es dem Verurteilten im Zeitpunkt der Anlasstaten "erheblich schwerer" fiel, seinen Impulsen zu widerstehen. Diese ist, in Verbund mit dem von der Sachverständigen Dr. S. im Gutachten vom 7. November 2003 beschriebenen Eindruck eines unreifen und egozentrisch fixierten Persönlichkeitsgefüges - aus der damaligen Perspektive -, auch durchaus nachvollziehbar und jedenfalls nicht mit Sicherheit widerlegbar. Auch der Sachverständige Prof. Dr. S. hat mit Blick auf die Sachbeschädigungs- und Brandlegungsdelikte der späteren Jugendzeit des Verurteilten, die zum Zeitpunkt der Taten erst vergleichsweise kurz zurücklagen, das im Anlassurteil zugrunde gelegte Störungsbild für zwar nicht überzeugend begründet, dennoch aber - aus der damaligen Perspektive heraus - für jedenfalls nicht "deutlich fehlerhaft" gehalten.

20

cc) Der Sachverständige hat unter sorgfältiger Auswertung der im Rahmen des langjährigen Unterbringungsverlaufs gefertigten Stellungnahmen der Maßregelvollzugseinrichtung aber auch zutreffend darauf hingewiesen, dass sich im Rahmen des mittlerweile über 13 Jahre dauernden Vollzugs bei dem Verurteilten keine Hinweise auf den Fortbestand einer relevanten Störung der Impulskontrolle in Bezug auf sexuelle Verhaltensweisen ergeben haben. Weder im Rahmen klinischer Beobachtungen noch bei den jeweils ausführlichen Erhebungen der mit dem Verurteilten befasst gewesenen externen Gutachter sind Auffälligkeiten zu Tage getreten, die die Annahme einer für die Schuldfähigkeit relevanten Persönlichkeitsstörung noch länger begründen können. Insbesondere ist der Verurteilte - trotz erkennbarer Schwierigkeiten im sozialen Umgang mit Dritten - befähigt, soziale Normen zu erkennen und einzuhalten. Anhaltspunkte für eine generelle Einschränkung der Impulskontrolle haben sich im Unterbringungsverlauf nicht gezeigt. Auch im Rahmen der sexuellen Kontakte, die der Verurteilte zu jüngeren Mitpatienten unterhalten hat, sind keine impulsiven bzw. ungesteuerten sexuellen Verhaltensweisen berichtet oder beobachtet worden (vgl. u.a. die Stellungnahme der Unterbringungseinrichtung vom 22.08.2006, Bl. 138 ff. d.A.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem - allerdings auffälligen - Umstand, dass der Verurteilte nur wenige Tage nach seiner Bewährungsentlassung den Versuch unternommen hat, ein Kind in seine Wohnung zu locken. Sein diesbezügliches Verhalten war geprägt von einem planvollen, gesteuerten und zielgerichteten Vorgehen. Der Verurteilte war durchaus in der Lage, die Ablehnung des ersten von ihm angesprochenen Kindes zu akzeptieren und zuzuwarten, bis sich ihm eine günstigere Gelegenheit bot. Hinweise darauf, dass er bei diesen Handlungen einschießende Impulse nicht in ausreichendem Maß hat steuern können, lassen sich diesem Verhalten nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. nicht entnehmen. Diese Einschätzung korreliert mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. (Gutachten vom 18.05.2015, S. 69 ff.), der mit Blick auf das kontrollierte und zielgerichtet-manipulativ gefärbte Vorgehen des Verurteilten im Rahmen des Tatgeschehens abweichend von der Bewertung der Sachverständigen Dr. S. bereits für den Tatzeitpunkt eine Störung der Fähigkeit zur Impulskontrolle ausgeschlossen hat. Vor diesem Hintergrund bedurfte es der Einholung eines neurobiologischen Sachverständigengutachtens, wie vom Verurteilten in seiner Eingabe vom 28. November 2017 beantragt, nicht.

21

Soweit im Anlassurteil depressive Verstimmungszustände des Verurteilten beschrieben sind, ist im Verlauf der Unterbringung deutlich geworden, dass diesen nicht eine besondere emotionale Labilität zugrunde gelegen hat. Nachdem im Rahmen des Unterbringungsverlaufs solche Gemütszustände bei dem Verurteilten nicht mehr beobachtet werden konnten, sind sie aus heutiger Sicht als lediglich reaktive, rein situativ veranlasste Stimmungszustände zu bewerten, die nunmehr keinen Einfluss auf die Fähigkeit zur Selbstregulation des Verurteilten haben. Bereits der Sachverständige Dr. S. hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass den vom Verurteilten geäußerten depressiv-anmutenden Gedanken ebenso wie den im späteren Freiheitsentzug gezeigten Agieren mit Suizidalität eine demonstrative Komponente beiwohnte (Gutachten vom 31.07.2006, S. 64). Bei dem Verurteilten ist damit im Laufe der Unterbringung mittlerweile ein Zustand eingetreten, der ihn gegenüber der im Anlassurteil beschriebenen Psychopathologie deutlich reifer, gefestigter, zielstrebiger und leistungsorientierter erscheinen lässt.

22

cc) Das damit einzig noch verbleibende Störungsbild einer Paraphilie rechtfertigt nicht die rechtliche Einordnung als schwere andere seelische Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB.

23

(a) Ob eine sexuelle Devianz - hier in Form einer Pädophilie - einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25.03.2015 - 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26.05.2010 - 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10.10.2000 - 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (BGH, Urteil vom 15.03.2016 - 1 StR 526/15, juris Rn. 14; Beschluss vom 12.12.2017 - 2 StR 414/17, juris Rn. 2; OLG Braunschweig, Beschluss vom 29.06.2015 - 1 Ws 133/15, juris Rn. 14; OLG Hamm, Beschluss vom 04.04.2016 - III-4 Ws 69/16, juris Rn. 26). Daher ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten, selbst wenn es zwangsläufig nur unter Verletzung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter umgesetzt werden kann, ohne Weiteres gleichzusetzen mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Es ist vielmehr abzugrenzen von einer lediglich gestörten sexuellen Entwicklung, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Hingegen kann die Steuerungsfähigkeit etwa dann beeinträchtigt sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (BGH, Beschluss vom 06. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; vgl. a. Boetticher/Nedopil/Saß NStZ 2005, 57, 61).

24

(b) Solche, im Ausprägungsgrad mit den Folgen psychischer Krankheit vergleichbare massive Störungen im Persönlichkeitsgefüge, hat der Sachverständige mit überzeugenden Gründen verneint. Weder ist noch war eine zunehmende Beherrschung des Erlebens durch eine progrediente Zunahme und "Überflutung" aufgrund dranghaft erlebter paraphiler Impulse mit einem Ausbleiben der Satisfaktion zu erkennen, noch fehlt es dem Verurteilten an anderen Formen der soziosexuellen Befriedigung. Der Alltag des Verurteilten war und ist nicht auf die Erfüllung der devianten Sexualität fixiert. Er war vor der Inhaftierung in der Lage, eine Ausbildung erfolgreich zu beenden und einer Berufstätigkeit nachzugehen. Auch im Vollzug war der Verurteilte nicht in auffallender Weise auf die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse eingeengt. Er war vielmehr in der Lage, im Vollzug die mittlere Reife und das Abitur zu erlangen sowie ein zeitintensives Fernstudium aufzunehmen. Jenseits des Umgangs mit devianten Phantasien zeigt der Verurteilte damit eine durchaus adäquate und in großen Teilen realistische Zukunftsplanung. Dass bei dem Verurteilten eine krankheitswertige Deformierung der Persönlichkeitsstruktur besteht, kann der Senat daher in Übereinstimmung mit den Ausführungen der externen Sachverständigen und der Maßregelvollzugseinrichtung ausschließen.

III.

1.

25

Mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Vollzug der Unterbringung tritt von Gesetz wegen (§ 67d Abs. 6 S. 4 StGB) Führungsaufsicht ein. Die Anordnung ihres Nichteintritts kam nicht in Betracht. Denn es ist nicht zu erwarten, dass der Betroffene auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten begehen wird (hierzu unten III.3). Es handelt sich auch nicht um einen Fall der "von Anfang an" gegebenen Fehleinweisung, bei der die gesetzliche Führungsaufsicht nach § 67d Abs. 6 Satz 4 StGB nicht eintritt (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 23 mwN.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 25). Denn das der im Anlassurteil beschriebene Defektzustand von Anfang an nicht bestanden hat, steht - wie oben dargestellt - nicht sicher fest.

2.

26

Die Zeit des Vollzugs der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist gem. § 67 Abs. 4 StGB auf die Freiheitsstrafe anzurechnen, bis 2/3 der Strafe infolge der Anrechnung erledigt ist. Eine darüber hinausreichende Anrechnung kommt nicht in Betracht.

27

Zwar wird verbreitet vertreten, dass die Zeit der Maßregelunterbrechung analog § 51 Abs. 1 S. 1 StGB vollständig auf eine im selben Erkenntnis verhängte Strafe anzurechnen ist, wenn die Erledigung wegen einer anfänglichen Fehleinweisung erklärt worden ist (KG Berlin, Beschluss vom 27.01.2015 - 2 Ws 3/15, juris Rn. 28; s.a. Maier in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 67 Rn. 124 sowie Fischer, StGB, 65. Aufl., § 67d Rn. 24a). Dies gilt jedoch nicht in Fällen, in denen die Maßregel aus anderen Gründen, etwa wegen Unverhältnismäßigkeit ihres weiteren Vollzugs (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2013 - III-2 Ws 576-577/13, juris Rn. 17) oder wegen Wegfalls ihrer Voraussetzungen (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris) ihre Erledigung gefunden hat. Letzteres ist hier der Fall. Denn der Erledigung liegt nicht die Feststellung zu Grunde, dass die Anordnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt des Anlassurteils nicht vorgelegen hätten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Anordnungsvoraussetzungen im Laufe der Unterbringungszeit - naheliegend aufgrund Nachreifung - nachträglich in Wegfall geraten sind.

28

Soweit der Beschwerdeführer eine vollständige Anrechnung einfordert und dabei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. März 2012 (2 BvR 2258/09, juris Rn. 65 ff. = BVerfGE 130, 372) Bezug nimmt, geht dieser Hinweis fehl. Das Bundesverfassungsgericht hat in der zu § 67 Abs. 4 StGB in der bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung ergangenen Entscheidung festgestellt, dass diese Vorschrift insoweit verfassungswidrig war, als sie generell eine Anrechnung der Unterbringungszeit auf verfahrensfremde Strafhaft auch in Härtefällen nicht ermöglichte. Dass die Vorschrift eine Anrechnung grundsätzlich nur bis zum 2/3-Zeitpunkt erlaubte, hat das Bundesverfassungsgericht hingegen ausdrücklich nicht beanstandet (BVerfG aaO. Rn. 63). Auch der Gesetzgeber hat bei der Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des StGB und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl. I 1610) keinen Anlass gesehen, entsprechende Ausnahmen von der nur teilweisen Anrechnung der Unterbringungszeit einzuführen (BT-Drs. 18/7244, S. 27).

3.

29

Die Vollstreckung des nach Anrechnung verbleibenden Strafrests der Gesamtfreiheitsstrafe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.

30

a) Nach § 57 Abs. 1 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn es unter Abwägung der Persönlichkeit der verurteilten Person, ihres Vorlebens, der Umstände ihrer Tat, des Gewichts des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, des Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und der Wirkungen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind, dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Bei dieser wertenden Entscheidung kommt in Fällen eines bereits langandauernden Vollzugs dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zu (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2013 - III-2 Ws 576-577/13, juris Rn. 21). Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 22.06.2012 - 2 BvR 22/12, juris Rn. 17 ff. = NStZ-RR 2012, 384) ist bei lang andauernden Unterbringungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Rahmen der Prüfung der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung gem. § 57 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen. Im Rahmen einer "integrativen Betrachtung" hat der Tatrichter nicht nur bei der Frage, ob die Maßregel mit Blick auf deren Dauer für erledigt zu erklären ist, sondern auch bei der Prüfung der Aussetzungsvoraussetzungen von Unterbringung und Freiheitsstrafe eine wertende Entscheidung unter Gesamtwürdigung der vom Täter ausgehenden Gefahren und der (bisherigen) Dauer des Freiheitsentzugs vorzunehmen. In Fällen langandauernden Freiheitsentzuges kann unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit die negative Legalprognose allein die Ablehnung einer Bewährungsaussetzung nicht rechtfertigen. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus mit Blick auf ihre bisherige Dauer erledigt, ist eine Strafrestaussetzung aber keineswegs obligatorisch (OLG Düsseldorf aaO. Rn. 22). Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Untergebrachten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen verlangt vielmehr nach einem gerechten und vertretbaren Ausgleich. Bei dieser Abwägung der widerstreitenden Interessen hängt das erforderliche Maß an Gewissheit für künftig straffreies Verhalten einerseits wesentlich vom Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ab. Diese Gewissheit wird andererseits durch die Dauer der Unterbringung wieder dahin relativiert, dass bei einem bereits langdauernden Freiheitsentzug etwaige Zweifel an einer günstigen Kriminalprognose leichter überwunden und Risiken in Kauf genommen werden müssen, um damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris Rn. 34).

31

b) Die Prognose des Verurteilten ist negativ. Der Senat sieht keine realistische Chance, dass der Verurteilte bei Entlassung in Freiheit keine erheblichen Straftaten mehr begehen wird.

32

Aus den Berichten der Maßregelvollzugseinrichtung ergeben sich keine Hinweise darauf, dass im Rahmen des mehrjährigen Vollzugs ein erfolgsversprechender therapeutischer Prozess in Gang gesetzt worden wäre. Der Verurteilte hat zu keinem Zeitpunkt eine hinreichend stabile Motivation entwickelt, an problematischen eigenen Verhaltensweisen zu arbeiten. Durch die nur wenige Tage nach der Bewährungsentlassung gezeigten Weisungsverstöße (Ansprechen eines männlichen Kindes sowie eines Jugendlichen) hat er zudem nachdrücklich bewiesen, dass er nicht willens ist, sich an Kontaktverbote in Bezug auf Kinder und Jugendliche zu halten, und dazu neigt, pseudo-rationale Erklärungsmodelle für sein deliktrelevantes Verhalten zu suchen. Diese erachtet er als "schicksalhafte" Ereignisse und negiert Anteile eigener Verantwortlichkeit. Auch die mit der erneuten Inhaftierung verbundenen Einschränkungen haben dem Verurteilten nach den Ausführungen des behandelnden Therapeuten Dr. A. (Anhörung vom 14.12.2015, Bl. 1312 d.A.) nicht im Sinne eines "heilsamen Schocks" zu tieferer Einsicht in ein Behandlungserfordernis gebracht. An dieser, die Erfordernisse therapeutischer Einflussnahmen ablehnenden Grundhaltung des Verurteilten hat sich auch im weiteren Unterbringungsverlauf nichts geändert. Der Verurteilte hat sich lediglich dazu bereitgefunden, das Medikament Sertralin einzunehmen, dessen triebdämpfende (Neben-)Wirkung von Seiten der Maßregelvollzugseinrichtung aber als nicht ausreichend erachtet wird. Die Leiterin der Unterbringungseinrichtung hat im Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. S. am 28. März 2018 bestätigt, dass der Verurteilte seine gegenüber einer therapeutischen Bearbeitung ablehnende Haltung bis zuletzt nicht aufgegeben hat. Dass es dem Verurteilten an einer tieferen Einsicht und Bereitschaft mangelt, sich mit seinen deliktsrelevanten Persönlichkeitsanteilen auseinanderzusetzen, zeigt sich ferner darin, dass er in einem an das Landgericht Kaiserslautern gerichteten Schreiben vom 5. Februar 2016 (Bl. 1358 d.A.) sein im Anlassverfahren erklärtes Geständnis teilweise widerrufen und dem damaligen Tatopfer eine Falschbeschuldigung unterstellt hat. Ferner hat er in der von ihm persönlich verfassten Beschwerdebegründung vom 24. November 2016 ausgeführt, er halte sexuelle Handlungen mit Kindern und Jugendlichen nur bedingt für verwerflich; gegen die ihm auferlegten Bewährungsweisungen habe er "aus einer substanziierten und vertretbaren inneren Haltung heraus" verstoßen. Diese Ausführungen sind zwar ersichtlich von dem Bestreben motiviert, hierdurch die in dem angefochtenen Beschluss getroffene Annahme weiterhin beeinträchtigter Steuerungsfähigkeit entkräften zu wollen. Sie zeigen jedoch eindrücklich, dass der Verurteilte weiterhin nicht bereit ist, sich ernsthaft mit dem bei ihm vorhandenen Störungsbild auseinanderzusetzen und dazu neigt, Äußerungen zu seiner inneren Haltung vordergründig in manipulativer und zweckgerichteter Weise vorzubringen. Gleiches gilt für das Bemühen des Verurteilten, die mit dem sexuellen Missbrauch verbundenen Folgen für die Tatopfer gänzlich in Abrede zu stellen oder zumindest zu relativieren (vgl. die Eingaben des Verurteilten vom 9. Juni 2017, mit denen er die Einholung von "psychotraumatischen Sachverständigengutachten" bezüglich der Geschädigten H. und H. beantragt hat). Der Verurteilte hat nach wie vor nicht verinnerlicht, dass Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern - auch ohne Gewaltanwendung - regelmäßig und typischerweise eine schwerwiegende Beeinträchtigung von deren sexueller Entwicklung besorgen lassen (vgl. BT-Drs. 18/7244, S. 34 m.w.N.) und es nicht darauf ankommt, ob solche Folgen im Einzelfall tatsächlich auch eingetreten sind. Prognostisch ungünstig fällt ferner ins Gewicht, dass - worauf bereits die Strafvollstreckungskammer zutreffend hingewiesen hat - zahlreiche allgemein risikoerhöhende Umstände vorhanden sind, wie das Vorliegen einer fixierten sexuellen Devianz, eine falsche Selbsteinschätzung in Bezug auf Risikosituationen, die Begehung sexueller Seriendelikte und die Unfähigkeit, angemessene stabile Partnerschaften einzugehen, wie auch der frühe Beginn sexueller Devianz.

33

c) Der Senat schließt sich daher der überzeugend begründeten Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. S. an, die in Einklang steht mit den Empfehlungen der Unterbringungseinrichtung, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Verurteilte in Freiheit innerhalb weniger Wochen im Rahmen seiner ausgeprägten pädophilen Neigungen in gleichartige Verhaltensweisen zurückfallen wird, wie sie der Anlassverurteilung zugrunde lagen. Im Ergebnis der gebotenen Abwägung der bisherigen Dauer des Freiheitsentzugs von ca. 14 Jahren mit dem Umstand, dass ein Rückfall in hohem Maße wahrscheinlich ist sowie dem hohen Gewicht der dabei bedrohten Rechtsgütern, der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, überwiegen die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit an einer Vollstreckung (auch) der restlichen Freiheitsstrafe. Mildere Maßnahmen in Form von Führungsaufsichtsweisungen reichen auch unter Beachtung der bisherigen Dauer des Freiheitsentzugs nicht aus. Der Verurteilte hat im Rahmen der Bewährungsphase eindrücklich gezeigt, dass er nicht gewillt ist, sich an Kontaktverbote oder andere geeignete Weisungen zu halten.

4.

34

Die Vollstreckung der Reststrafe hat in der Justizvollzugsanstalt zu erfolgen. Zwar ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, ob in Fällen der Erledigung der Maßregel eine (ggfs. entsprechende) Anwendung von § 67 Abs. 5 StGB erfolgen kann. Der Senat schließt sich aber der Rechtsansicht des OLG Koblenz (Beschluss vom 09.03.2015 - 1 Ws 91/15, juris Rn. 5 f.; s.a. OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris Rn. 16 ff., jew. auch zum Meinungsstand) sowie des OLG Celle (Beschluss vom 10.05.2017 - 3 Ws 240/17, juris Rn. 4) an, dass jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation einer wegen Wegfalls der tatsächlichen Anordnungsvoraussetzungen erfolgenden Erledigung eine Fortsetzung des "Vollzugs der Maßregel" nicht in Betracht kommt. Im Übrigen würden es auch Umstände, die in der Person des Verurteilten liegen, angezeigt erscheinen lassen, dass die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe im Strafvollzug erfolgt. Mit Blick auf die seit Jahren verfestigte ablehnende Haltung des Verurteilten gegenüber therapeutischen Bemühungen wäre durch eine Weiterbehandlung im Maßregelvollzug eine Besserung der Legalprognose nicht zu erwarten. Der Umstand, dass der Verurteilte die Vorzüge des Maßregelvollzugs im Hinblick auf das von ihm aufgenommene Fernstudium nicht verlieren möchte, ist in diesem Zusammenhang nicht von entscheidender Relevanz. Auch im Strafvollzug kann den Anforderungen der Berufsausbildung des Verurteilten angemessen Rechnung getragen werden.

IV.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 S. 1 StPO. Im Hinblick auf den Teilerfolg des Rechtsmittels wäre es unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten.

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