Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Senat für Bußgeldsachen) - 1 OWi 2 Ss Rs 131/18

Tenor

1. Der Betroffenen wird auf ihren Antrag und ihre Kosten Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung ihres Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 25. Oktober 2018 gewährt.

2. Der Antrag der Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das vorgenannte Urteil zuzulassen, wird als unbegründet verworfen.

3. Die Rechtsbeschwerde gilt als zurückgenommen (§ 80 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 4 OWiG).

4. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden der Betroffenen auferlegt (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO).

Gründe

1

Mit Urteil vom 25. Oktober 2018 hat das Amtsgericht Landau in der Pfalz die Betroffene wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit einem Kraftfahrzeug außerhalb geschlossener Ortschaft um 29 km/h zu einer Geldbuße von 140,-- EUR verurteilt. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer durch ihren Verteidiger am 26. Oktober 2018 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs beim Amtsgericht eingegangenen Rechtsbeschwerde, die sie mit einem Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels verbunden hat. Nach der Zustellung des schriftlichen Urteils an ihren Verteidiger am 28. November 2018 hat dieser am 5. Dezember 2018 das Rechtsmittel begründet. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist – nach Gewährung von Wiedereinsetzung – zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

I.

1.

2

Der am 26. Oktober 2018 über das besondere Anwaltspostfach nach § 31a BRAO (beA) übermittelte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist formunwirksam, weil der Schriftsatz nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist. Er ist daher nicht geeignet, die Wochenfrist des § 341 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG zu wahren (vgl. auch: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.04.2006 – 10 A 11741/05, juris Rn. 3). Zwar sieht § 32a Abs. 3 StPO vor, dass ein elektronisches Dokument nicht mit einer solchermaßen qualifizierten Signatur versehen sein muss, wenn es von der verantwortenden Person signiert und auf einem der in § 32a Abs. 4 genannten sicheren Übermittlungswege, zu dem auch die Übermittlung zwischen dem beA und der elektronischen Poststelle des Gerichts gehört (§ 32a Abs. 4 S. 2 StPO), eingereicht wird.

3

Der Bundesgesetzgeber hat jedoch den Landesregierungen in § 15 S. 1 EGStPO ermöglicht, durch Rechtsverordnung die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs hinauszuschieben und zu bestimmen, dass die Einreichung elektronischer Dokumente abweichend von § 32a StPO erst zum 1. Januar 2019 oder 2020 möglich und bis dahin § 41a StPO in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung [nachfolgend: a.F.] weiter anzuwenden ist (sog. „Opt-out“-Lösung; hierzu: BT-Drs. 18/9416, S. 71 und BT-Drs. 18/1330 S. 75). Hiervon hat das Land Rheinland-Pfalz Gebrauch gemacht und durch § 1 der Verordnung zur Ausführung des § 15 EGStPO und des § 134 OWiG festgelegt, dass die Einreichung elektronischer Dokumente nach Maßgabe des § 32a StPO in Verfahren nach der StPO, dem OWiG und solchen Gesetzen, die auf die Anwendung dieser Vorschriften verweisen, erst ab dem 1. Januar 2020 möglich ist. Bis zu diesem Zeitpunkt sind elektronische Dokumente im gerichtlichen Bußgeldverfahren nach dem OWiG daher weiterhin nach den Bedingungen des § 41a StPO a.F. einzureichen (Pfälzisches OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.03.2019 – 1 Ws 314/18 Vollz, juris Rn. 9).

4

Aufgrund des im Zeitpunkt des Eingangs der Rechtsbeschwerdeschrift bei der elektronischen Poststelle des Landgerichts danach weiterhin anzuwendenden § 41a Abs. 1 StPO a.F. hätte das am 26. Oktober 2018 eingereichte elektronische Dokument nur dann das Schriftformerfordernis des § 341 Abs. 1 StPO wahren können, wenn es mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen gewesen wäre (§ 41a Abs. 1 S. 1 StPO a.F.). Die von § 32a Abs. 3 und 4 StPO vorgesehenen Erleichterungen bei Wahl eines sicheren Übermittlungsweges waren in § 41a StPO a.F. nicht vorgesehen. Auch die auf Grundlage von § 41a Abs. 2, Abs. 1 S. 2 StPO a.F. erlassene Landesverordnung sieht eine solche erleichterte Übermittlung nicht vor (vgl. § 2 der VO über den elektronischen Rechtsverkehr in Rheinland-Pfalz [ERVLVO] vom 10.07.2015 [GVGBl. 2015, 175]).

2.

5

Der Betroffenen ist jedoch auf den Antrag ihres Verteidigers vom 15. März 2019 hin, mit dem dieser die Rechtsmittelschrift vom 26. Oktober 2018 erneut eingereicht und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist rechtzeitig innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 S. 1 StPO, die mit dem Zugang des Hinweises des Senats auf die Zulässigkeitsbedenken in Gang gesetzt wurde, eingereicht und enthält die nach § 45 Abs. 2 StPO erforderlichen Angaben. Der Senat hat auf der Grundlage des Vorbringens keinen Anlass daran zu zweifeln, dass der Verteidiger von der Betroffenen mit der Rechtsmitteleinlegung rechtzeitig beauftragt worden war (hierzu: OLG Bamberg, Beschluss vom 23.03.2017 – 3 Ss OWi 330/17, juris Rn. 4 mit Anm. Riedel, jurisPR-StrafR 17/2017 Anm. 5; OLG Bamberg, Beschluss vom 24.10.2017 – 3 Ss OWi 1254/17, juris Rn. 6). Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet. Der Rechtsirrtum des Verteidigers über Anforderungen, die bei der Einreichung elektronischer Dokumente zu beachten sind, kann der Betroffenen nicht zugerechnet werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. § 44 Rn. 18; vgl. a.: BGH, Beschluss vom 09.07. 2003 – 2 StR 146/03, NStZ 2003, 615).

II.

6

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 80 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 OWiG nicht vorliegen.

1.

7

Die Rüge einer Versagung rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) dringt nicht durch. Der Senat muss nicht entscheiden, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnung eines Antrages auf Aussetzung der Hauptverhandlung einen Gehörsverstoß überhaupt bedingen kann. Denn die Gehörsrüge ist bereits nicht in zulässiger Weise erhoben.

8

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

9

Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2018 hatte der Verteidiger bei der Bußgeldbehörde beantragt, die Akteneinsicht auf verschiedene, in dem vorgenannten Schriftsatz näher konkretisierte Unterlagen zu erstrecken. Mit Schreiben vom 8. März 2018 bewilligte die Bußgeldbehörde weitere Akteneinsicht; die Ermittlungsakte ging am 13. März 2018 bei dem Verteidiger ein. Mit Schriftsatz vom 16. März 2018 monierte der Verteidiger gegenüber der Bußgeldbehörde die Unvollständigkeit der Akten, weil ihm die digitalen Messdaten nicht zur Verfügung gestellt worden seien. Zugleich beantragte er, die Akten dem zuständigen Gericht zur Entscheidung vorzulegen. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2018 übersandte die Bußgeldbehörde dem Verteidiger fünf Datenträger mit insgesamt 3166 Falldateien, die am 19. Oktober 2018 bei dem Verteidiger eingingen. In der Hauptverhandlung vom 25. Oktober 2018 beantragte der Verteidiger, das Verfahren auszusetzen. Zur Begründung führte der Unterbevollmächtigte des Verteidigers folgendes aus:

10

„Dem Beschluss vom 20. September 2018 ist die Behörde erst mit Schreiben vom 12. Oktober 2018 nachgekommen, welches am 19. Oktober 2018 beim Hauptbevollmächtigten eingegangen ist. Es war dem Hauptbevollmächtigten innerhalb von sechs Tagen mit dazwischenliegendem Wochenende nicht möglich, eine Stellungnahme des Sachverständigen zu erhalten.“

11

Das Amtsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Daten seien übersandt worden; der Verteidiger habe nicht vorgetragen, wann diese an den Sachverständigen übersandt worden seien, warum keine Begutachtung möglich gewesen sei und weshalb „im Vorfeld“ kein Terminsverlegungsantrag gestellt worden sei.

12

Die Rechtsbeschwerdeführerin ist der Auffassung, diese Begründung sei willkürlich und verletze sie in ihrem Recht auf rechtliches Gehör. Denn es sei als gerichtsbekannt zu unterstellen, dass die Begutachtung digitaler Messdateien nicht innerhalb von sechs Tagen möglich sei. Durch die beanstandete Verfahrensweise sei ihr die Möglichkeit genommen worden, die digitalen Daten auswerten zu lassen und in der Hauptverhandlung Messfehler konkret vorzutragen.

13

b) Die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist in Form einer Verfahrensrüge geltend zu machen, die den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügen muss (Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 80 Rn. 16a; Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, 4. Aufl., § 80 Rn. 26 jew. m.w.N.). Der Betroffene muss bei einer entsprechenden Rüge insbesondere darlegen, was er im Fall seiner Anhörung geltend gemacht hätte (Hadamitzky in KK-OWiG, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 40c m.w.N.). Denn nur so wird das Rechtsbeschwerdegericht in die Lage versetzt zu prüfen und zu entscheiden, ob die angegriffene Entscheidung auf dem behaupteten Verstoß beruhen kann (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.04.2015 – 2 (7) SsRs 76/15, juris Rn. 17).

14

aa) Auf dieser Grundlage ist anerkannt, dass dann, wenn der Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs mit der Versagung von Akteneinsicht begründet werden soll, der Betroffene sich auch noch nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens und bis zum Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist um Einsicht in die von ihm begehrten Unterlagen bemühen muss, um aufgrund dann zu gewinnender Erkenntnisse konkret darzulegen, was in der Hauptverhandlung vorgetragen worden wäre. Beruft sich der Beschwerdeführer darauf, dass ihm wegen verweigerter Akteneinsicht ein solcher Vortrag nicht möglich ist, muss er sich bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung von Verfahrensrügen weiter um die betreffenden Unterlagen bemühen und dies dem Rechtsbeschwerdegericht dartun (OLG Celle, Beschluss vom 21.03.2016 – 2 Ss (OWi) 77/16, StraFo 2017, 32; KG Berlin, Beschluss vom 15.05.2017 – 3 Ws (B) 96/17, ZfSch 2017, 529, 530 jew. m.w.N.).

15

bb) Nichts anderes hat zu gelten, wenn der Beschwerdeführer den Gehörsverstoß - wie hier - nicht mit einer versagten, sondern mit einer nicht rechtzeitig erfolgten Akteneinsicht bzw. Überlassung von Unterlagen begründet. Das Urteil kann auch in einer solchen Konstellation nur auf dem Gehörsverstoß beruhen, wenn bei einer durch den Betroffenen veranlassten Auswertung der verspätet überlassenen Daten Besonderheiten zu Tage getreten wären die geeignet sind, im konkreten Fall die Zuverlässigkeit der mit einem standardisierten Verfahren vorgenommenen Messung in Frage zu stellen. Denn nur dann hätte sich die Ablehnung des Aussetzungsantrages auf das Urteil auswirken können. Begründet der Rechtsbeschwerdeführer den Gehörsverstoß mit der Ablehnung eines Aussetzungsantrages, der mit der Behauptung nicht rechtzeitig erfolgter Überlassung von Messdaten begründet worden ist, bedarf es regelmäßig der Darlegung, welches Ergebnis die Auswertung der Messdaten erbracht hätte. Dies wird regelmäßig voraussetzen, dass der Beschwerdeführer ein solches Gutachten nach Erhalt der digitalen Messdaten in Auftrag gibt und das Ergebnis bis zum Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 StPO dem Rechtsbeschwerdegericht mitteilt. Entsprechenden Vortrag enthält die Rechtsbeschwerdebegründungsschrift nicht.

2.

16

Die von der Betroffenen erhobenen weiteren Verfahrensbeanstandungen sowie die nur allgemein ausgeführte Sachrüge gebieten es nicht, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG); von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 80 Abs. 4 S. 3 OWiG).

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