Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (6. Zivilsenat) - 6 U 68/20
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 08.10.2020, Aktenzeichen 3 O 249/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird für die erste Instanz unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 08.10.2020 und für das Berufungsverfahren auf jeweils bis zu 3.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Gegenstand des Rechtsstreits ist die Feststellung einer auf mangelhafte Umsetzung europarechtlicher Vorgaben gestützten Schadensersatzpflicht der Beklagten, wegen eines im Dezember 2014 von dem Kläger zu einem Kaufpreis in Höhe von 14.250,00 € gebraucht erworbenen VW Golf mit einer Laufleistung von 35.500 km, dessen Motor von dem sogenannten „VW-Dieselabgasskandal“ betroffen war.
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Den Hersteller des Fahrzeugs hat der Kläger in einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht Frankenthal (Pfalz), Aktenzeichen 2 O 40/19, auf Feststellung der Schadensersatzpflicht hinsichtlich dieses Fahrzeugs in Anspruch genommen. Diese Klage hat der Kläger letztlich auf Basis eines Vergleichs zurückgenommen.
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Erstinstanzlich hat der Kläger behauptet,
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bei dem PKW seien wegen des herstellerseits aufgespielten Softwareupdate ein höherer Verbrauch, Leistungseinbußen sowie eine geringere Dauer der Haltbarkeit gegeben. Zudem sei angesichts des Dieselskandals ein Minderwert von mindestens 10 % gegeben. Ferner seien Steuernachforderungen zu besorgen. Die Beklagte habe es versäumt, wirksame und abschreckende Sanktionen im Sinne von Art. 46 RL 46/2007 EG zu etablieren. Sie hätte die Typengenehmigung für das Fahrzeug nicht erteilen dürfen, die Übereinstimmung der hergestellten Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ habe sie nicht hinreichend geprüft. Da es lange vor dem eigentlichen Bekanntwerden des Skandals gewichtige Anhaltspunkte für Manipulationen gegeben habe, hätte sie diesen Hinweisen nachgehen müssen. Die einschlägigen europarechtlichen Vorschriften erachtet der Kläger als individualschützend.
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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
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1. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klagepartei bezüglich des Fahrzeugs VW Golf mit der FIN .... die Schäden zu ersetzen, die ihr daraus entstehen,
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a) dass es die Beklagtenpartei unterlassen hat, aufgrund Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu erlassen und dass die Beklagtenpartei leichtfertig die Erteilung der Typengenehmigung vom 03.02.2011 mit der EG-Typengenehmigungsnummer e1*2001/116*0328*21 zugelassen und das entsprechende Verfahren unzureichend überwacht hat.
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b) hilfsweise: dass die Beklagtenpartei die Typengenehmigung vom 21.04.2009 mit der Typengenehmigungsnummer e1*2001/116*0328*21 erteilt hat.
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c) hilfsweise: dass die Beklagtenpartei entgegen Art. 46 der Richtlinie 46/2007 für Verstöße gegen diese Richtlinie keine wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen vorsieht.
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d) hilfsweise: dass die Beklagtenpartei es unterlassen hat, das Typengenehmigungsverfahren mit der EG-Typengenehmigungsnummer e1*2001/116*0328*21 ausreichend zu überwachen.
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2. Hilfsweise: es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für die Schäden, die ihr aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Golf mit der FIN .... entstehen.
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Die Beklagte hat beantragt:
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Die Klage wird abgewiesen.
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Sie hat den Klageabweisungsantrag im Wesentlichen damit begründet, dass das Typengenehmigungsrecht nicht dafür bestimmt sei, die Käufer von Fahrzeugen vor Vermögensschäden zu schützen. Der Beklagten könne zudem keine Pflichtverletzung zur Last gelegt werden.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist dabei von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen, hat den von dem Kläger verfolgten Anspruch aber als nicht gegeben angesehen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch ausscheide, da die klägerseits angeführten Vorschriften der Art. 8, 12 und 46 der Richtlinie 2007/46/EG nicht dem Schutz des Einzelnen dienten, sondern nur dem Allgemeininteresse. Auch fehle es an einem erforderlichen qualifizierten Verstoß gegen unionsrechtliche Vorschriften. Ein Amtshaftungsanspruch scheitere schon daran, dass mit der Haftung der Herstellerin gemäß § 826 BGB eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht komme.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Mit seiner Berufung begehrt der Kläger eine Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) im Sinne seiner erstinstanzlichen Anträge, die er unverändert weiterverfolgt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend.
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Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und wegen dessen näheren Inhalts auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
II.
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1. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats mit Beschluss vom 02.07.2021 Bezug genommen. Die Stellungnahme des Klägers vom 22.07.2021 verweist lediglich pauschal auf sein Vorbringen in erster und zweiter Instanz und setzt sich mit den erteilten Hinweisen inhaltlich nicht auseinander. Entgegen der klägerseits vertretenen Auffassung liegen auch keine Gründe vor, die eine der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO entgegenstehende Zulassung der Revision erfordern würden.
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Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO liegt nicht wie klägerseits angenommen allein deshalb vor, weil eine Vielzahl von Personen betroffen sind und der Sachverhalt eine große öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat. Eine Sache hat vielmehr dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne der Vorschrift, wenn sie entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen aufwirft, die über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen relevant werden können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (vgl. BeckOK ZPO, 41. Ed. 1.7.2021, § 543 Rn. 19 m.w.N.). Derartige Rechtsfragen stellen sich hier nicht. Die Frage des Individualschutzes der klägerseits in Anspruch genommenen unionsrechtlichen Normen wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig verneint (vgl. BGH NJW 2020, 1962, Rn. 76 f.; NJW 2020, 2798, Rn. 10 ff; BeckRS 2020, 36326, Rn. 20; und z.B. OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.02.2021 u. 16.03.2021 4 U 466/20 -juris-; OLG Karlsruhe BeckRS 2021, 10385 + 12573; OLG Köln, Beschluss vom 29.12.2020 - 7 U 86/20 -, juris). Insoweit ist auch eine Abweichung von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht gegeben (vgl. Urt. EuGH 04.10.2018, C - 668/16, BeckRS 2018, 23568, Rn. 88). Die klägerseits angeführten Vorabentscheidungsersuchen einzelner Landgerichte vermögen ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen (vgl. BGH NJW 2020, 2798, Rn. 16). Gleiches gilt für die zitierte Stellungnahme des juristischen Dienstes der Europäischen Kommission vom 19.12.2019 (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.) Zudem ist diese Frage des Individualschutzes angesichts der gegebenen Unzulässigkeit der Klage und der Unbegründetheit unter anderen Gesichtspunkten nicht entscheidungserheblich. Insbesondere auf das im Hinweisbeschluss des Senats aufgezeigte Fehlen eines qualifizierten Verstoßes und eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen den geltend gemachten Vermögensschäden und den behaupteten Verstößen gegen Unionsrecht geht die klägerische Stellungnahme mit keinem Wort ein.
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Die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO ist ebenfalls nicht geboten. Die zugrundeliegenden Rechtsfragen sind geklärt und werden in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte einhellig behandelt (vgl. OLG Hamm BeckRS 2021, 8234; OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.02.2021 u. 16.03.2021 4 U 466/20 -juris-; OLG Karlsruhe BeckRS 2021, 10385 + 12573; OLG Oldenburg Beschl. v. 06.10.2020, Az. 6 U 4/20; OLG Köln, Beschlüsse v. 17.12.2020, 7 U 50/20; v. 21.12.2020, 7 U 53/20; v. 21.12.2020, 7 U 86/20 - juris-; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.01.2021, 2 U 102/20 - juris-; OLG München Beschlüsse v. 25.08.2020 und 05.11.2020, 1 U 3827/20 und 07.10.2020, 8 U 172/20 - juris-; Thüringer Oberlandesgericht, Beschl. v. 10.11.2020, 4 U 364/20; OLG Frankfurt, Beschlüsse v. 05.11.2015 - 3 U 119/15 und 05.11.2015 3 U 123/15, -juris-; OLG Dresden, Beschl. v. 31.01.2018 4 U 750/17 - juris-; KG, Beschl. v. 03.11.2020, 9 U 1033/20; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.09.2017, 5 U 427/17 - juris-). Eine abweichend obergerichtliche Entscheidung ist bislang nicht bekannt geworden.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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3. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
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4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt. Hinsichtlich des Streitwerts für die erste Instanz hat der Senat von der Möglichkeit des § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG Gebrauch gemacht. Insoweit folgt die Entscheidung zum Streitwert aus § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § ZPO § 3 ZPO. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschlusses vom 02.07.2021 wird verwiesen.
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