Urteil vom Sozialgericht Freiburg - S 14 KR 3452/09

Tenor

1. Der Bescheid vom 25.3.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.6.2009 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger seit 4.12.2008 pflichtversichertes Mitglied der Beklagte ist.

2. Die Beklagt trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Kläger in der gesetzlichen Krankenversicherung als nicht anderweitig Versicherter.
Der 1963 geborene Kläger beantragte am 20.03.2009 die Feststellung seiner Versicherungspflicht bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse. Er befand sich in diesem Zeitpunkt in einer therapeutischen Einrichtung zur stationären Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen (Therapiezentrum B.). Seit Oktober 2004 bezieht er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 244,- EUR monatlich. Ein Krankenversicherungsverhältnis mit einer anderen Krankenkasse oder privaten Krankenversicherung besteht nicht.
Der Kläger war zuletzt vom 20.06.2006 bis 09.08.2006 als Teilnehmer einer berufsfördernden Maßnahme des Rentenversicherungsträgers bei der Beklagten pflichtversichert. Ab 10.08.2006 bezog er Sozialhilfe. Leistungsträger war die Stadt Stuttgart. Die Krankenbehandlung wurde gegen Kostenerstattung durch die Beklagte übernommen. Vom 03.03.2008 bis 03.12.2008 befand sich der Kläger in Haft mit Anspruch auf Krankenbehandlung nach dem Strafvollzugsgesetz. Nach der Entlassung wurde die Krankenbehandlung wiederum auf Kosten des Sozialhilfeträgers durch die Beklagte übernommen. Ab 07.03.2009 meldete der Sozialhilfeträger den Kläger aus der Übernahme der Krankenbehandlung ab (Schreiben vom 18.03.2009). Gleichzeitig vertrat er die Auffassung, dass der Kläger seit der Haftentlassung zum Kreis der Pflichtversicherten gehöre.
Mit Bescheid vom 25.03.2009 lehnte die Beklagte die Feststellung der Versicherungspflicht ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Kläger sei zuletzt während der Inhaftierung über die freie Heilfürsorge versichert gewesen. Hierbei habe es sich nicht um eine gesetzliche Versicherung gehandelt. Der Kläger erhob Widerspruch, zu dessen Begründung er ausführte, dass derzeit keine Krankenversicherung bestehe. Die freie Heilfürsorge während der Haft könne nicht als solche angesehen werden. Er legte ein Schreiben der Stadt Stuttgart vor, in dem diese bestätigte, dass er seit Beginn der Haft keine laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mehr beziehe. Während der Therapie sei sein Lebensunterhalt durch die Erwerbsminderungsrente ausreichend gedeckt. Sie habe ihn nur versehentlich erst im März 2009 abgemeldet, die Abmeldung sei aber zum 3.3.2008 erfolgt (Tag der Inhaftierung).
Der Kläger hat am 07.04.2009 die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Mit Beschluss vom 5.5.2009 verurteilte das Gericht die Beklagte vorläufig zur Erbringung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, weil der Kläger nach summarischer Prüfung des Sachverhalts wahrscheinlich bei der Beklagten pflichtversichert sei (S 14 KR 1754/09 ER).
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.6.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei nicht zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen. Vielmehr habe zuletzt ein Anspruch auf Heilfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz bestanden. Selbst wenn man diesen Anspruch nicht als anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bezeichnen wolle, wäre der Kläger jedenfalls nicht zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen. Unmittelbar vor der Inhaftierung sei er auch nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen, vielmehr liege die letzte Versicherung bei der Beklagten bereits mehr als 19 Monate zurück. Insofern liege der Fall auch anders als im vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) entschiedenen Fall ( Beschl.v.25.2.2009 - L 11 KR 497/09 ER-B ). Es sei vielmehr dem SG Aachen ( Beschl.v.31.3.2008 - S 20 SO 25/08 ER ) und dem SG Nürnberg ( Urt.v.10.9.2008 - S 7 KR 530/07 ) zu folgen, die jeweils die freie Heilfürsorge als anderweitige Absicherung im Krankheitsfall angesehen hätten.
Am 14.7.2009 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren und dem Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz wiederholt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 25.3.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.6.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen der Krankenversicherung ab Antragstellung zu gewähren.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids und ein Urteil des SG Nürnberg ( v.10.9.2008 - S 7 KR 530/07 ).
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
15 
Das Sozialgericht Freiburg ist auch das örtlich zuständige Gericht. Die Zuständigkeit des Sozialgerichts Freiburg ergibt sich nicht unmittelbar aus § 57 SGG, denn diese Vorschrift trifft keine Regelung für den vorliegenden Fall. Es fehlt im SGG eine ausdrückliche Regelung, welches Gericht örtlich zuständig ist, wenn der gegenwärtige Beschäftigungsort, Wohnsitz oder Aufenthaltsort des als Versicherter klagenden Beteiligten, auf die für die Zuständigkeit abzustellen ist, unbekannt sind. Dagegen enthalten andere das Gerichtsverfahren regelnde Gesetze auch für diesen Fall entsprechende Vorschriften (vgl § 52 Nr 5 der Verwaltungsgerichtsordnung zur durch den letzten Wohnsitz oder Aufenthalt bestimmten örtlichen Zuständigkeit, § 16 ZPO zum allgemeinen Gerichtsstand einer Person an ihrem letzten Wohnsitz bei unbekanntem Wohnsitz und Aufenthalt, vgl auch § 46 Abs 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) iVm § 16 ZPO, § 48 Abs 1a ArbGG sowie § 38 Finanzgerichtsordnung).Für den hier vorliegenden Fall, dass ein Beschäftigungsort, der Wohnsitz und auch der Aufenthaltsort des als möglicher Versicherter Klagenden unbekannt sind, ist gemäß § 202 SGG in entsprechender Anwendung des § 16 ZPO auf den letzten Wohnsitz des Klägers abzustellen. Nach § 202 SGG gelten die Vorschriften der ZPO subsidiär für das Gerichtsverfahren und sind heranzuziehen, wenn eine abschließende Regelung im SGG fehlt und die Lücke nicht durch Heranziehung anderer Vorschriften des SGG geschlossen werden kann. Dabei kann auch eine modifizierende Anwendung notwendig sein (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 202 RdNr 2). Nach § 16 ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand einer Person, die keinen Wohnsitz hat, durch den Aufenthaltsort im Inland und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, durch den letzten Wohnort bestimmt, sodass gemäß § 12 ZPO das für den letzten Wohnsitz zuständige Gericht zur Entscheidung berufen ist. Da im sozialgerichtlichen Verfahren nach den Regelungen des § 57 SGG grundsätzlich bei der Klage eines Versicherten auf dessen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen auf seinen Aufenthaltsort abgestellt wird, ist § 16 ZPO insoweit entsprechend anzuwenden, als auf den letzten Wohnsitz des klagenden Versicherten abzustellen ist, wenn der gegenwärtige Wohnsitz und Aufenthaltsort nicht bekannt sind ( BSG, Beschl.v.2.4.2009 – B 12 SF 8/08 S, Juris Rn. 6 ). Nach diesen Grundsätzen ist das Sozialgericht Freiburg zuständig. Der letzte bekannte Wohnsitz des Klägers war B., das der örtlichen Zuständigkeit des SG Freiburg unterfällt.
16 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Soweit der Klageantrag als Leistungsantrag formuliert ist, legt das Gericht ihn nach dem wirklichen Begehren des Klägers aus. Der Kläger begehrt in der Sache die Feststellung, dass er bei der Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist. Anders als Eilverfahren möchte er nicht lediglich (vorläufig) Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern er möchte unabhängig von einem eventuellen Anspruch auf Sozialhilfe gegen einen Sozialhilfeträger bei der Beklagten versichert sein. Das kann er allein durch die Feststellung der Versicherungspflicht erreichen. Durch die Verurteilung der Beklagten zur Leistung ist noch nicht abschließend geklärt, ob er pflichtversichert ist, denn einen Anspruch auf Leistungen hat der Kläger auch bei Bezug von Sozialhilfe, § 264 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Solche Leistungen möchte der Kläger mit seiner Klage aber gerade nicht erreichen.
17 
Das Gericht kann gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben.
18 
Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt. Es ist festzustellen, dass der Kläger bei der Beklagten pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB V sind versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. Diese Voraussetzungen sind in der Person des Klägers erfüllt. Ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht nicht. Der Kläger hat nach der Haftentlassung keinen Anspruch auf Heilfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz mehr. Er hat auch keinen Anspruch auf die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 8a SGB V ausschließende Leistungen der Beklagten zu Lasten des Sozialhilfeträgers nach § 264 Abs. 2 SGB V, denn er bezieht keine Leistungen nach dem dritten bis neunten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe und Grundsicherung bei Alter und Erwerbsminderung – (SGB XII) und hatte zumindest im Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch keinen Anspruch darauf.
19 
Der Kläger war auch zuletzt bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Das letzte Versicherungsverhältnis zu einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung bestand im Jahre 2006 zur Beklagten. Dieses bestand auch „zuletzt“ im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass zwischenzeitlich ein anderer Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfalle bestand, nämlich zunächst auf Krankenhilfe während des Bezugs von Sozialhilfe und später auf freie Heilfürsorge während der Inhaftierung. Entscheidend ist alleine, dass zwischenzeitlich kein Versicherungsverhältnis mit einem Träger der privaten Krankenversicherung (PKV) bestand. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat im Beschluss vom 25.02.2009 ( L 11 KR 497/09 ER-B ) zu der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „zuletzt“ in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V folgendes ausgeführt.
20 
„(...). Zwar wird insoweit angenommen, die (gesetzliche Kranken-)Versicherung müsse unmittelbar vorausgehen ( Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 5 Rn. 80 ). Nach Auffassung des Senats ist es jedoch unschädlich, wenn nach dem Ende einer Versicherung der gesetzlichen Krankenversicherung zeitweise ein Zustand bestanden hat, in dem der Kläger nicht privat krankenversichert war, aber einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatte ( vgl. Peters in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB V Rn. 166; Just in Becker/Kingreen, SGB V, § 5 Rn. 66 ). Das Tatbestandsmerkmal „zuletzt gesetzlich krankenversichert“ ist damit nicht so zu verstehen, dass eine Person, die zuvor Leistungen der Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz bezogen hat, ausscheidet ( so aber SG Aachen, Beschluss vom 31.03.2008, S 20 SO 25/08 ER, juris ). Es dient vielmehr allein dazu Personen, die bisher kein Bezug zur GKV aufweisen, etwa weil sie vor Verlust der Absicherung im Krankheitsfall als Beamte oder beamtenähnlich abgesichert oder selbständig tätig und privat krankenversichert waren, vom Versicherungsschutz der GKV auszunehmen (siehe BT-Drs. 16/3100, S. 94). Dieser Personenkreis ist der neu geschaffenen Verpflichtung zum Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrags („Basistarif“, § 178 a Abs. 5 VVG) zuzuordnen. Hierzu gehört der Kläger nicht.“
21 
Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht an. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V dient lediglich der Abgrenzung der Systeme der GKV einerseits und der PKV andererseits im Hinblick auf Personen ohne anderweitige Absicherung im Krankheitsfalle. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es für die Frage, ob jemand eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall hat auf die Gegenwart an. Die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V wird durch jegliche anderweitige Absicherung im Krankheitsfall, wie z.B. ein Anspruch auf Beihilfe, Beamtenfürsorge oder aber die freie Heilfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz ausgeschlossen. Liegt eine solche andere Absicherung im Krankheitsfall gegenwärtig nicht vor, so ist auf die letzte Versicherung abzustellen. Insofern ist der Blick in die Vergangenheit zu werfen und die letzte Versicherung, die der Betroffene hatte, quasi wiederzubeleben bzw. fortzuführen. Wer zuletzt gesetzlich krankenversichert war, soll als Pflichtversicherter in die GKV zurückkehren können. Wer hingegen zuletzt privat krankenversichert war, erhält Zugang zum Basistarif der PKV. Die gesetzliche Vorschrift dient hingegen nicht der Abgrenzung einer weiteren Personengruppe, nämlich derjenigen, die zwar bereits gesetzlich oder privat krankenversichert waren, aber in einem Zwischenzeitraum andere Absicherungsansprüche (beispielsweise freie Heilfürsorge während einer Inhaftierung oder Anspruch auf Krankenhilfe) hatten. Dies liefe dem sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden gesetzgeberischen Ziel der Schaffung einer Bürgerversicherung für jedermann (außer den Beziehern laufender Sozialhilfeleistungen <§ 5 Abs. 8a SGB V> und den hauptberuflich Selbständigen <§ 5 Abs. 5 SGB V>) zuwider ( vgl. Peters a.a.O., Rn. 158 ). Dieser Zusammenhang wird im Urteil des SG Nürnberg vom 10.09.2008 ( S 7 KR 530/07 ), das sich mit diesem Gesichtspunkt nicht auseinandersetzt, verkannt.
22 
Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten beginnt am 4.12.2006, § 184 Abs. 11 SGB V.
23 
Selbst wenn der Kläger inzwischen wieder einen Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII hätte und diese ihm auch bewilligt worden wären, würde das die Versicherungspflicht nicht mehr ausschließen, § 190 Abs. 13 S. 2 SGB V.
24 
Der Klage war deshalb stattzugeben. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe

 
14 
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
15 
Das Sozialgericht Freiburg ist auch das örtlich zuständige Gericht. Die Zuständigkeit des Sozialgerichts Freiburg ergibt sich nicht unmittelbar aus § 57 SGG, denn diese Vorschrift trifft keine Regelung für den vorliegenden Fall. Es fehlt im SGG eine ausdrückliche Regelung, welches Gericht örtlich zuständig ist, wenn der gegenwärtige Beschäftigungsort, Wohnsitz oder Aufenthaltsort des als Versicherter klagenden Beteiligten, auf die für die Zuständigkeit abzustellen ist, unbekannt sind. Dagegen enthalten andere das Gerichtsverfahren regelnde Gesetze auch für diesen Fall entsprechende Vorschriften (vgl § 52 Nr 5 der Verwaltungsgerichtsordnung zur durch den letzten Wohnsitz oder Aufenthalt bestimmten örtlichen Zuständigkeit, § 16 ZPO zum allgemeinen Gerichtsstand einer Person an ihrem letzten Wohnsitz bei unbekanntem Wohnsitz und Aufenthalt, vgl auch § 46 Abs 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) iVm § 16 ZPO, § 48 Abs 1a ArbGG sowie § 38 Finanzgerichtsordnung).Für den hier vorliegenden Fall, dass ein Beschäftigungsort, der Wohnsitz und auch der Aufenthaltsort des als möglicher Versicherter Klagenden unbekannt sind, ist gemäß § 202 SGG in entsprechender Anwendung des § 16 ZPO auf den letzten Wohnsitz des Klägers abzustellen. Nach § 202 SGG gelten die Vorschriften der ZPO subsidiär für das Gerichtsverfahren und sind heranzuziehen, wenn eine abschließende Regelung im SGG fehlt und die Lücke nicht durch Heranziehung anderer Vorschriften des SGG geschlossen werden kann. Dabei kann auch eine modifizierende Anwendung notwendig sein (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 202 RdNr 2). Nach § 16 ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand einer Person, die keinen Wohnsitz hat, durch den Aufenthaltsort im Inland und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, durch den letzten Wohnort bestimmt, sodass gemäß § 12 ZPO das für den letzten Wohnsitz zuständige Gericht zur Entscheidung berufen ist. Da im sozialgerichtlichen Verfahren nach den Regelungen des § 57 SGG grundsätzlich bei der Klage eines Versicherten auf dessen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen auf seinen Aufenthaltsort abgestellt wird, ist § 16 ZPO insoweit entsprechend anzuwenden, als auf den letzten Wohnsitz des klagenden Versicherten abzustellen ist, wenn der gegenwärtige Wohnsitz und Aufenthaltsort nicht bekannt sind ( BSG, Beschl.v.2.4.2009 – B 12 SF 8/08 S, Juris Rn. 6 ). Nach diesen Grundsätzen ist das Sozialgericht Freiburg zuständig. Der letzte bekannte Wohnsitz des Klägers war B., das der örtlichen Zuständigkeit des SG Freiburg unterfällt.
16 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Soweit der Klageantrag als Leistungsantrag formuliert ist, legt das Gericht ihn nach dem wirklichen Begehren des Klägers aus. Der Kläger begehrt in der Sache die Feststellung, dass er bei der Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist. Anders als Eilverfahren möchte er nicht lediglich (vorläufig) Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern er möchte unabhängig von einem eventuellen Anspruch auf Sozialhilfe gegen einen Sozialhilfeträger bei der Beklagten versichert sein. Das kann er allein durch die Feststellung der Versicherungspflicht erreichen. Durch die Verurteilung der Beklagten zur Leistung ist noch nicht abschließend geklärt, ob er pflichtversichert ist, denn einen Anspruch auf Leistungen hat der Kläger auch bei Bezug von Sozialhilfe, § 264 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Solche Leistungen möchte der Kläger mit seiner Klage aber gerade nicht erreichen.
17 
Das Gericht kann gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben.
18 
Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt. Es ist festzustellen, dass der Kläger bei der Beklagten pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB V sind versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. Diese Voraussetzungen sind in der Person des Klägers erfüllt. Ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht nicht. Der Kläger hat nach der Haftentlassung keinen Anspruch auf Heilfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz mehr. Er hat auch keinen Anspruch auf die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 8a SGB V ausschließende Leistungen der Beklagten zu Lasten des Sozialhilfeträgers nach § 264 Abs. 2 SGB V, denn er bezieht keine Leistungen nach dem dritten bis neunten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe und Grundsicherung bei Alter und Erwerbsminderung – (SGB XII) und hatte zumindest im Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch keinen Anspruch darauf.
19 
Der Kläger war auch zuletzt bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Das letzte Versicherungsverhältnis zu einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung bestand im Jahre 2006 zur Beklagten. Dieses bestand auch „zuletzt“ im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass zwischenzeitlich ein anderer Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfalle bestand, nämlich zunächst auf Krankenhilfe während des Bezugs von Sozialhilfe und später auf freie Heilfürsorge während der Inhaftierung. Entscheidend ist alleine, dass zwischenzeitlich kein Versicherungsverhältnis mit einem Träger der privaten Krankenversicherung (PKV) bestand. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat im Beschluss vom 25.02.2009 ( L 11 KR 497/09 ER-B ) zu der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „zuletzt“ in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V folgendes ausgeführt.
20 
„(...). Zwar wird insoweit angenommen, die (gesetzliche Kranken-)Versicherung müsse unmittelbar vorausgehen ( Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 5 Rn. 80 ). Nach Auffassung des Senats ist es jedoch unschädlich, wenn nach dem Ende einer Versicherung der gesetzlichen Krankenversicherung zeitweise ein Zustand bestanden hat, in dem der Kläger nicht privat krankenversichert war, aber einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatte ( vgl. Peters in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB V Rn. 166; Just in Becker/Kingreen, SGB V, § 5 Rn. 66 ). Das Tatbestandsmerkmal „zuletzt gesetzlich krankenversichert“ ist damit nicht so zu verstehen, dass eine Person, die zuvor Leistungen der Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz bezogen hat, ausscheidet ( so aber SG Aachen, Beschluss vom 31.03.2008, S 20 SO 25/08 ER, juris ). Es dient vielmehr allein dazu Personen, die bisher kein Bezug zur GKV aufweisen, etwa weil sie vor Verlust der Absicherung im Krankheitsfall als Beamte oder beamtenähnlich abgesichert oder selbständig tätig und privat krankenversichert waren, vom Versicherungsschutz der GKV auszunehmen (siehe BT-Drs. 16/3100, S. 94). Dieser Personenkreis ist der neu geschaffenen Verpflichtung zum Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrags („Basistarif“, § 178 a Abs. 5 VVG) zuzuordnen. Hierzu gehört der Kläger nicht.“
21 
Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht an. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V dient lediglich der Abgrenzung der Systeme der GKV einerseits und der PKV andererseits im Hinblick auf Personen ohne anderweitige Absicherung im Krankheitsfalle. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es für die Frage, ob jemand eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall hat auf die Gegenwart an. Die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V wird durch jegliche anderweitige Absicherung im Krankheitsfall, wie z.B. ein Anspruch auf Beihilfe, Beamtenfürsorge oder aber die freie Heilfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz ausgeschlossen. Liegt eine solche andere Absicherung im Krankheitsfall gegenwärtig nicht vor, so ist auf die letzte Versicherung abzustellen. Insofern ist der Blick in die Vergangenheit zu werfen und die letzte Versicherung, die der Betroffene hatte, quasi wiederzubeleben bzw. fortzuführen. Wer zuletzt gesetzlich krankenversichert war, soll als Pflichtversicherter in die GKV zurückkehren können. Wer hingegen zuletzt privat krankenversichert war, erhält Zugang zum Basistarif der PKV. Die gesetzliche Vorschrift dient hingegen nicht der Abgrenzung einer weiteren Personengruppe, nämlich derjenigen, die zwar bereits gesetzlich oder privat krankenversichert waren, aber in einem Zwischenzeitraum andere Absicherungsansprüche (beispielsweise freie Heilfürsorge während einer Inhaftierung oder Anspruch auf Krankenhilfe) hatten. Dies liefe dem sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden gesetzgeberischen Ziel der Schaffung einer Bürgerversicherung für jedermann (außer den Beziehern laufender Sozialhilfeleistungen <§ 5 Abs. 8a SGB V> und den hauptberuflich Selbständigen <§ 5 Abs. 5 SGB V>) zuwider ( vgl. Peters a.a.O., Rn. 158 ). Dieser Zusammenhang wird im Urteil des SG Nürnberg vom 10.09.2008 ( S 7 KR 530/07 ), das sich mit diesem Gesichtspunkt nicht auseinandersetzt, verkannt.
22 
Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten beginnt am 4.12.2006, § 184 Abs. 11 SGB V.
23 
Selbst wenn der Kläger inzwischen wieder einen Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII hätte und diese ihm auch bewilligt worden wären, würde das die Versicherungspflicht nicht mehr ausschließen, § 190 Abs. 13 S. 2 SGB V.
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Der Klage war deshalb stattzugeben. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

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