Beschluss vom Verwaltungsgericht Aachen - 7 L 1431/19.A
Tenor
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 10.12.2019 - 7 K 3554/19.A wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums - 7 K 3554/19.A - vom 10.12.2019 gegen die unter Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22.11.2019 verfügte Abschiebungsanordnung anzuordnen,
4ist unzulässig.
5Zwar ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nummer 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antrag ist jedoch verfristet. Gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen.
7Der Bescheid des Bundesamts vom 22. November 2019 ist dem Antragsteller ausweislich der im Verwaltungsvorgang des Bundesamts enthaltenen Empfangsbestätigung am 2. Dezember 2019 bekanntgegeben worden. Der Antragsteller hat mit seiner Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis bestätigt, dass ihm der streitgegenständliche Bescheid ausgehändigt wurde.
8Der Bescheid enthält eine den gesetzlichen Erfordernissen genügende Rechtsbehelfsbelehrung, denn darin wird auf den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem die Klage bzw. ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu erheben ist, dessen Sitz und auf die einzuhaltende Frist hingewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft ist, liegen nicht vor. Für die Frage, ob die Rechtsbehelfsbelehrung den gesetzlichen Erfordernissen genügt, ist allein auf die deutsche Rechtsbehelfsbelehrung abzustellen, da die Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 58 VwGO i.V.m. § 23 VwVfG in deutscher Sprache zu erfolgen hat. § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG enthält keine von § 58 VwGO abweichende Regelung zur Sprache, in der die Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen ist, sondern statuiert lediglich das Erfordernis, dass eine Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen ist. Der Wortlaut von § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylG unterscheidet zwischen der Rechtsbehelfsbelehrung auf der einen Seite und der Übersetzung auf der anderen Seite. Die Rechtsbehelfsbelehrung und die Übersetzung sind daher getrennt zu betrachten; dies unterstreicht das Wort „beifügen“.
9Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6/18 -, juris, Rn. 22.
10Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, wonach diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sein soll, überzeugt nicht. Zwar trifft es zu, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sich mit der Vereinbarkeit der oben ausgeführten rechtlichen Ausführungen mit Art. 12 Abs. 1 lit. f der Richtlinie 2013/32/EU auseinandersetzt. Dies zwingt jedoch nicht zu dem Schluss, dass die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts auf die in Art. 26 Abs. 3 der Dublin-III Verordnung, die unmittelbar anwendbar ist und keiner Umsetzung in nationales Recht bedarf, nicht übertragbar ist. Art. 12 Abs. 1 lit. f der Richtlinie 2013/32/EU sieht vor, dass Antragsteller von der Asylbehörde über das Ergebnis der Entscheidung in einer Sprache unterrichtet werden, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, sofern sie nicht von einem Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsberater unterstützt oder vertreten werden und die Mitteilung auch Informationen darüber enthalten muss, wie eine ablehnende Entscheidung gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie 2013/32/EU angefochten werden kann. Art. 26 Abs. 3 Dublin-III Verordnung sieht eine "Information" über die wesentlichen Elemente der Entscheidung, darunter stets über mögliche Rechtsbehelfe und deren Fristen, vor. Während Art. 12 Abs. 1 lit. f der Richtlinie 2013/32/EU somit eine "Mitteilung" bzw. "Unterrichtung" vorsieht, verwendet Art. 26 Abs. 3 Dublin-III Verordnung den Begriff der "Information". Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, wonach zwischen einer "Information" und einer für den Fristlauf maßgeblichen "schriftlichen Belehrung" unterschieden werden kann und eine schriftliche Belehrung nicht in einer Sprache erfolgen muss, deren Kenntnis vernünftigerweise erwartet werden kann, auf das Informationserfordernis des Art. 26 Abs. 3 Dublin-III Verordnung nicht übertragbar sein sollte. Die Begriffe "Mitteilung", "Information" und "Unterrichtung" haben alle gemein, dass der Adressat über einen bestimmten Sachverhalt in Kenntnis gesetzt wird. Es handelt sich nicht um Rechtsbegriffe, sondern um Begrifflichkeiten des allgemeinen Sprachgebrauchs. Hiervon zu unterscheiden ist eine Belehrung im Rechtssinne, die rechtsverbindliche Aussagen trifft. Es ist nicht ersichtlich, warum die Aussage des Bundesverwaltungsgerichts, wonach es fern liege, dass der europäische Gesetzgeber auf die dem mitgliedsstaatlichen Gesetzgeber belassene Befugnis zur Gestaltung nationalen Verfahrensrechts habe einwirken wollen,
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6/18 -, juris, Rn. 27,
12auf den Bereich der Richtlinien beschränkt sein soll und für unmittelbar geltende Verordnungen keine Gültigkeit beanspruchen sollte.
13Die einwöchige Antragsfrist begann demnach gemäß §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO und 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) am 3. Dezember 2019 zu laufen und endete gemäß §§ 57 Abs. 2 VwGO, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 9. Dezember 2019.
14Der Antragsteller hat jedoch erst am 10. Dezember 2019 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner am selben Tag erhobenen Klage beantragt.
15Es kommt auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist in Betracht, da die Voraussetzungen nach § 60 VwGO nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (Abs. 1). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (Abs. 2 S. 1 u. 2). Die Antragsfrist gilt auch für die Geltendmachung der Wiedereinsetzungsgründe und für den Vortrag der Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller nach Wegfall des Hindernisses die Wiedereinsetzung rechtzeitig beantragt hat.
16Vorliegend hat der Antragsteller geltend gemacht, er sei nicht in einer Sprache, die er versteht oder von der vernünftigerweise angenommen werden konnte, dass er sie versteht, über die wesentlichen Elemente des Bescheides informiert worden. Dieser Einwand verfängt nicht. Zwar kann in dem Versäumnis einer fristgerechten Antragstellung, das darin begründet lag, dass der Antragsteller aufgrund mangelnder deutscher Sprachkenntnisse nicht erkennen konnte, bis wann der Antrag zu stellen war, eine unverschuldete Versäumung der Klagfrist vorliegen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen kann.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6/18 -, juris, Rn. 32.
18Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumnis auf einem mangelnden Verständnis der Rechtsbehelfsbelehrung beruhte. Gemäß Art. 26 Abs. 3 Dublin-III VO ist ein anwaltlich nicht vertretener Antragsteller in einer Sprache, die er versteht oder bei der vernünftigerweise angenommen werden kann, dass er sie versteht, über die wesentlichen Elemente der Entscheidung, darunter stets über möglich Rechtsbehelfe und die Fristen zur Einlegung solcher Rechtsbehelfe zu belehren. Eine ähnliche Verpflichtung enthält § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG, wonach in Fällen, in denen kein Bevollmächtigter für das Asylverfahren bestellt wurde, eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen ist, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Diese Vorgaben wurden vorliegend eingehalten. Dem Bescheid des Bundesamtes war eine englischsprachige Übersetzung sowohl des Bescheidtenors als auch der Rechtsbehelfsbelehrung in Englisch beigefügt. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller der englischen Sprache mächtig ist, da er im Rahmen seiner Befragung beim Bundesamt angegeben hat, über Kenntnisse der portugiesischen und englischen Sprache zu verfügen. Anhaltspunkte dafür, hieran zu zweifeln, bestehen nicht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller bei der Befragung angegeben hat, seit 2002 in Südafrika gelebt zu haben, wo Englisch einer der offiziellen Amtssprache ist.
19Es ist nicht ersichtlich, dass die englische Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft oder unvollständig ist. Auch der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, die Tatsache, dass die englische Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung in der Akte des Bundesamtes nicht unmittelbar auf den Bescheid folgte und sich - anders als der deutschsprachige Bescheid - auch nur einmal in der Akte befinde, lässt nicht den Schluss zu, das Bundesamt habe die Rechtsbehelfsbelehrung dem Bescheid überhaupt nicht beigefügt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Bundesamt die in seinen Akten befindlichen Übersetzungen nicht zusammen mit dem Bescheid an den Antragsteller übermittelt hat. Darüber hinaus spricht das Verhalten des Antragstellers gegen eine Kausalität zwischen der Fristversäumnis und der behaupteten fehlerhaften Belehrung des Antragstellers. Der Antragsteller hat in seiner eidesstattlichen Versicherung erklärt, dass er unmittelbar nach Aushändigung des streitgegenständlichen Bescheides einen Sprachmittler aufgesucht habe, damit dieser für ihn einen Termin bei seinem nunmehr bestellten Prozessbevollmächtigten vereinbare. Ausweislich der eidesstaatlichen Versicherung fand die Terminvereinbarung bereits am 3. Dezember 2019 statt. Dies spricht dafür, dass der Antragsteller verstanden hat und sich dessen bewusst war, dass eine Anfechtung des Bescheides so schnell wie möglich erfolgen sollte. Warum der Prozessbevollmächtigte dennoch erst unter dem 10. Dezember 2019 Klage erhoben und den streitgegenständlichen Antrag gestellt hat, ist nicht ersichtlich. Zumindest der Prozessbevollmächtigte hätte erkennen und wissen müssen, dass die Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG mit der Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheids zu laufen begann. Eine möglicherweise fehlerhafte Belehrung des Antragstellers über das Dublin-Verfahren als solches, wie der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers sie in seinen Schriftsätzen rügt, ist jedenfalls nicht ursächlich für die Versäumung der Antragsfrist durch den Prozessbevollmächtigten und bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Aufklärung. Eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung liegt, wie bereits festgestellt, ebenfalls nicht vor. Es kann letztlich dahinstehen, ob der Antragsteller sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss oder ob er die Fristversäumung selbst zu vertreten hat. Für den Fall, dass vor Ablauf der Frist am 9. Dezember 2019 bereits ein Mandatsverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem jetzigen Prozessbevollmächtigten bestand, spricht vieles dafür, dass dem Prozessbevollmächtigten die Fristversäumnis zur Last gelegt werden muss und der Antragsteller sich dieses Verschulden zurechnen lassen muss. Sofern ein Mandatsverhältnis noch nicht bestand, fehlt es dennoch an einem schlüssigen Vortrag dahingehend, dass eine etwa unzureichende Übersetzung bzw. unvollständige Information ursächlich für die Versäumung der Antragsfrist gewesen sein soll.
20Eine über die Mitteilung der Entscheidung hinausgehende Verpflichtung der Beklagten, auch die tragenden Gründe für die Entscheidung zu übersetzen, lässt sich der Regelung des Art. 27 Abs.3 Dublin-III VO nicht entnehmen.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
22Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
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Referenzen
- VwGO § 58 2x
- VwGO § 173 1x
- BGB § 188 Fristende 1x
- VwGO § 60 1x
- ZPO § 222 Fristberechnung 1x
- VwGO § 80 1x
- § 83b AsylVfG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 C 6/18 3x (nicht zugeordnet)
- § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- § 80 AsylVfG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 85 Wirkung der Prozessvollmacht 1x
- VwVfG § 23 Amtssprache 1x
- § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- 7 K 3554/19 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 57 2x
- § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG 2x (nicht zugeordnet)