Urteil vom Verwaltungsgericht Ansbach - AN 4 K 17.00562

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum Grundbeitrag zur beklagten Industrie- und Handelskammer (IHK) für das Jahr 2017.

Die Klägerin ist eine Unternehmergesellschaft (UG) (haftungsbeschränkt), die seit dem … 2015 im Handelsregister beim Amtsgericht … (…) mit dem Unternehmensgegenstand „Vermögensverwaltung und Handel mit Immobilien“ geführt wird. Ausweislich der Handelsregisterbekanntmachung vom 1. Dezember 2015 (www.h...de) ist als Sitz und Geschäftsanschrift „…“ angegeben. Eine Gewerbeanmeldung ist nicht erfolgt.

Ausweislich Handelsregisterbekanntmachungen gründete die Klägerin in der Folgezeit - zusammen mit dem … … (Amtsgericht … - …) - zwei Aktiengesellschaften, namentlich die … (…, Neueintragung am 28.04.2016, Satzung vom 18.01.2016) und die … AG (…, Neueintragung am 18.07.2016, Satzung vom 18.01.2016 mit Nachtrag vom 07.07.2016), die beide mit Sitz und Geschäftsanschrift „… …“ im Handelsregister beim Amtsgericht … geführt werden. Zudem ist sie persönlich haftende Gesellschafterin der … … … - … UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, die mit Sitz und Geschäftsanschrift „…“ im Handelsregister des Amtsgerichts … geführt wird (…, Neueintragung am 23.08.2016).

Mit Bescheiden vom 26. Oktober 2016 (Belegnummer: …) und 24. Februar 2017 (Belegnummer: …) veranlagte die Beklagte die Klägerin vorläufig zu IHK-Grundbeiträgen in Höhe von jeweils 120,00 EUR für die Jahre 2016 und 2017. Beide Bescheide wurden zu Händen des Geschäftsführers der Klägerin, … …, an dessen Privatanschrift „…“ übersandt.

Mit Schreiben vom 4. März 2017 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Änderung bzw. Aufhebung des Bescheides* … Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 8. März 2017 ab.

Mit bei Gericht am 24. März 2017 eingegangenem Schreiben ihres Geschäftsführers und Prozessvertreters hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt,

den Beitragsbescheid Beleg … der Beklagten aufzuheben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin eine Vorratsgesellschaft ohne aktiven Geschäftsbetrieb sei bzw. nur ihr eigenes Vermögen verwalte. Sie habe zur Eintragung einen Sitz gebraucht. Eine Gewerbetätigkeit finde nicht statt. Sie habe ein virtuelles Büro ohne Büroeinrichtung, Telefon und Personal. Beim Finanzamt werde die Befreiung von der Gewerbesteuerpflicht beantragt. Die Klägerin habe im Bereich der Beklagten zwar ihren Sitz, aber keine Betriebsstätte. Dies werde von der Beklagten selbst bestätigt, indem sie den Bescheid nach … an die Privatanschrift des Klägervertreters gesandt habe. … … liege im Bereich der IHK … Nach einer Vereinbarung des DIHT würden bei Firmen ohne Umsatz und Gewinn keine Beiträge erhoben. Außerdem sei aus dem Bescheid nicht erkennbar, für welche Jahre die Beiträge aus anderen Beitragsjahren gefordert werden.

Das Finanzamt … teilte der Beklagten mit Schreiben vom 25. April 2017 mit, dass die objektive Gewerbesteuerpflicht der Klägerin weiterhin bestehe.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2017 beantragt die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin eine Kapitalgesellschaft sei und ihre Tätigkeit somit gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG als dem Grunde nach gewerbesteuerpflichtig gelte. Für die Kammerzugehörigkeit sei unerheblich, ob ihre Tätigkeit der Art nach gewerblich sei oder unter den sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG falle, und ob sie tatsächlich Gewerbesteuer zahle oder dazu veranlagt werde. Das Finanzamt … habe das Bestehen der Gewerbesteuerpflicht bestätigt. Die Klägerin unterhalte im Bezirk der Beklagten auch eine Betriebsstätte, da sich ihr satzungsmäßiger Sitz unstreitig in … befinde. Vorliegend spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass am Sitz der Gesellschaft die Stätte der Geschäftsleitung existiere, weil nach dem klägerischen Vortrag gar keine Geschäftsaktivitäten, also weder am Gesellschaftssitz noch am Wohnort des Geschäftsführers stattfinden würden. Die Klägerin habe die allgemeinen Dienstleistungen der Beklagten auch in Anspruch nehmen können. Die Möglichkeit einer Beitragsbefreiung für Existenzgründer gelte nur für natürliche Personen und Personengesellschaften.

Ausweislich der BayBIS-Auskunft vom 7. Juni 2019 wohnte der Klägervertreter vom 5. April 2016 bis 15. September 2018 unter der Anschrift „…“.

Das Finanzamt … teilte auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 28. Juni 2019 mit, dass heberechtliche Gemeinde für den für die Klägerin übermittelten Gewerbeertrag für das Jahr 2016 die Stadt … sei.

Mit Beschluss der Kammer vom 25. November 2019 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen worden. Mit Verfügung der Einzelrichterin vom 26. November 2019 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. Dezember 2019, 9:00 Uhr, bestimmt. Die Ladung ist der Klägerin am 28. November 2019 zugestellt worden. Ihr war ein gerichtliches Anhörungsschreiben vom 22. November 2019 beigefügt, worin der Klägerin Gelegenheit gegeben wurde, bis 6. Dezember 2019 u.a. mitzuteilen, wo ihr Geschäftsführer im Zeitraum 2016/2017 die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, welche die Verwaltung ihrer Gesellschaftsbeteiligungen gewöhnlicher Weise mit sich brachte, jeweils vorgenommen hat.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2019 teilte die Beklagte u.a. mit, dass ihr durch das Finanzamt … die Gewerbeerträge 2016 und 2017 (0,00 EUR) für die Klägerin im automatisierten Verfahren übermittelt worden sei. Der Bescheid vom 24. Februar 2017 sei unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift der Klägerin unzustellbar gewesen, d.h. als Postrückläufer zurückgekommen. Daraufhin habe sie die zustellfähige Privatanschrift des Klägervertreters recherchiert und die Anschrift entsprechend angepasst. Nach den IHK-Daten und der telefonischen Auskunft der IHK … vom 6. Dezember 2019 habe die Klägerin dort kein Mitglieds- und Beitragskonto.

Die mündliche Verhandlung fand am 19. Dezember 2019 von 9:04 Uhr bis 9:23 Uhr statt. Die erschienene Beklagtenvertreterin führte ergänzend aus: Es sei nur einmal versucht worden, an die Geschäftsanschrift der Klägerin zuzustellen. Ihrer Erfahrung nach bedeute die einmalige Unzustellbarkeit nicht zwingend, dass die Klägerin unter ihrer Geschäftsanschrift schlechthin postalisch nicht erreichbar sei. Von den ca. 35.000 Beitragsbescheiden, die jedes Jahr zugestellt werden, kämen viele als Postrückläufer zurück. Dieses Phänomen tauche vor allem bei Unternehmergesellschaften auf. Manche würden um den Veranlagungszeitpunkt (Februar) herum auch einfach ihre Schilder herunternehmen. Die Postboten würden heutzutage keine besonderen Nachprüfungen vor Ort mehr anstellen und Zustellungen bereits dann als Postrückläufer zurücksenden, wenn sie außen an den Briefkästen kein entsprechendes Schild vorfinden. Da es sich bei der Beitragserhebung um ein Massengeschäft handele, werde bei Unzustellbarkeit üblicherweise versucht, an die Anschrift des Geschäftsführers zuzustellen. In der Vergangenheit habe es aber auch schon Fälle gegeben, in denen ein zu Testzwecken vorgenommener zweiter Zustellungsversuch an die Geschäftsanschrift erfolgreich gewesen sei. Eine Ortsbegehung habe vorliegend nicht stattgefunden.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2019, bei Gericht eingegangen am 19. Dezember 2019 und bei der Kammergeschäftsstellenverwalterin abgegeben um 10:00 Uhr, hat der Klägervertreter Terminsverlegung um ca. vier Wochen beantragt, weil er derzeit im Krankenhaus sei. Außerdem wurde mitgeteilt, dass er das Anhörungsschreiben schnellstmöglich nachreichen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2019 sowie die Gerichts- und beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Gründe

I.

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Klägerin verhandelt und entschieden werden, da sie auf diese Möglichkeit in der ordnungsgemäßen Ladung vom 26. November 2019 hingewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 VwGO. Da das erkennende Gericht von dem Terminsverlegungsantrag des Klägervertreters erst nach der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangte, konnte über diesen nicht mehr vor der Verhandlung entschieden werden. Unabhängig davon, ob der Verlegungsantrag bereits verspätet eingegangen war, ergibt sich daraus keine Pflicht des Gerichts zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO), weil ein Anspruch der Klägerin auf Terminsverlegung nicht bestand. Denn der Verlegungsantrag wäre jedenfalls abzulehnen gewesen, weil der Klägervertreter einen erheblichen Grund i.S.d. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO nicht schlüssig und substantiiert dargelegt hat.

Zu berücksichtigen sind bei der Entscheidung über einen Terminverlegungsantrag einerseits das Gebot der Verfahrenskonzentration und -beschleunigung, andererseits der Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör (BVerwG, B.v. 25.9.2013 - 1 B 8/13 - juris Rn. 13). Zwar kann die krankheitsbedingte Verhinderung eines nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten eine Terminsverlegung regelmäßig rechtfertigen (vgl. Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 227 Rn. 4). Dem verhinderten Beteiligten obliegt es indes, die Hinderungsgründe, auf die er sich berufen will, schlüssig und substantiiert darzulegen, sodass das Gericht in die Lage versetzt wird, das Vorliegen eines erheblichen Grundes zu beurteilen und ggf. eine (weitere) Glaubhaftmachung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO) zu verlangen (BayVGH, B.v. 18.6.2018 - 11 ZB 17.1696 - juris Rn. 16 m.w.N.). Wird ein Terminsverlegungsantrag - wie vorliegend - erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer Erkrankung begründet, muss der Hinderungsgrund wegen der damit verbundenen Missbrauchsgefahr so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit besteht (BayVGH, B.v. 25.4.2018 - 12 ZB 17.1072 - juris Rn. 3).

Gemessen daran wäre das gerichtliche Ermessen vorliegend zugunsten der Prozessökonomie auszuüben und der Terminsverlegungsantrag abzulehnen gewesen. Der schlichte Hinweis des Klägervertreters auf einen gegenwärtigen Krankenhausaufenthalt lässt weder die Art und Schwere seiner Erkrankung noch das Maß etwaiger Beeinträchtigungen seiner Verhandlungs- und/oder Reisefähigkeit erkennen. Hinzu kommt, dass der Klägervertreter ausweislich des Datums des Verlegungsantrags mindestens bereits seit dem 9. Dezember 2019 wusste, dass er den anberaumten Termin nicht wahrnehmen wird. Inwiefern es ihm - entsprechend seiner Prozessförderungspflicht und dem Hinweis in der Ladung vom 26. November 2019 - unmöglich oder unzumutbar war, den Verlegungsantrag unverzüglich, etwa telefonisch oder per Telefax zu stellen, ist nicht ersichtlich. Wegen der Kurzfristigkeit der Antragstellung bestand jedenfalls Anlass, von sich aus telefonischen Kontakt mit dem Gericht aufzunehmen und sich durch eine Rückfrage über die Entscheidung seines Antrags zu informieren. Er konnte nicht darauf vertrauen, dass dem Antrag stillschweigend stattgegeben werden würde (vgl. BGH, B.v. 23.9.2016 - AnwZ (Brfg) 34/16 - juris Rn. 15; BFH, B.v. 20.9.2010 - V B 105/09 - juris Rn. 7).

II.

Die Klage hat keinen Erfolg.

Streitgegenständlich ist nach Auslegung des Klagebegehrens (§ 88 Halbs. 1 VwGO) der in dem Klageantrag ausdrücklich bezeichnete und der Klageschrift beigefügte Beitragsbescheid der Beklagten vom 24. Februar 2017 (Belegnummer: …*). Sofern darin die „mit früheren Bescheiden festgesetzt[en]“ „offenen Beträge aus anderen Beitragsjahren“ aufgeführt sind, enthält der Bescheid diesbezüglich keine neue anfechtbare Regelung. Durch die lediglich nachrichtliche Erwähnung dieser Beträge, zumal ohne nähere Spezifizierung, wird der Rechtsweg nicht bzw. nicht erneut eröffnet (vgl. VG Ansbach, U.v. 8.11.2017 - AN 4 K 15.1648 - BeckRS 2017, 133084 Rn. 31; U.v. 13.12.2005 - AN 4 K 05.00465 - juris Rn. 15). Mangels anderweitiger Anhaltpunkte ist davon auszugehen, dass der Beitragsbescheid vom 26. Oktober 2016 (Belegnummer: …) bereits bestandskräftig geworden ist. Der Bescheid vom 24. Februar 2017 weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass frühere Beitragsbescheide durch ihn nicht aufgehoben werden. Da zur Klagebegründung diesbezüglich lediglich ausgeführt wurde, dass aus dem Bescheid vom 24. Februar 2017 nicht erkennbar sei, für welche anderen Beitragsjahre die weitere Summe gefordert wird, kann auch nicht darauf geschlossen werden, dass die Beklagte verpflichtet werden soll, den Beitragsbescheid vom 26. Oktober 2016 nach Art. 48, 49 BayVwVfG aufzuheben.

Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid vom 24. Februar 2017 ist nicht rechtswidrig und die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Beitragsbescheid ist § 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 IHKG i.V.m. § 1 der Beitragsordnung der Beklagten und der Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2017. Demnach erhebt die Beklagte von ihren Kammerzugehörigen Beiträge (Grundbeiträge und Umlagen). Zur IHK gehören, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, u.a. juristische Personen des privaten Rechts, welche im Bezirk der IHK eine Betriebsstätte unterhalten, § 2 Abs. 1 IHKG. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Die Klägerin ist als Unternehmergesellschaft, die eine Sonderform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bildet, eine juristische Person des Privatrechts, §§ 5a, 13 Abs. 1 GmbHG. Als solche unterliegt sie bereits kraft ihrer - frei gewählten - Rechtsform der Gewebesteuer, weil die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb i.S.d. Gewerbesteuerrechts gilt, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GewStG. Die Gewerbesteuerpflicht trat zum Zeitpunkt der Handelsregistereintragung (30. November 2015) ein, unabhängig davon, ob die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit ihrer Art nach gewerblich ist (vgl. Drüen in Blümich, 148. EL Juli 2019, GewStG § 2 Rn. 121, 241 m.w.N.). Einschlägige Befreiungstatbestände nach § 3 GewStG sind nicht ersichtlich. Eine tatsächliche Befreiung von der Gewerbesteuerpflicht auf Antrag der Klägerin ist ausweislich der Mitteilung des Finanzamts … vom 25. April 2017 nicht erfolgt. Da die Steuerbehörden über die Veranlagung zur Gewerbesteuer befinden, entfalten ihre Entscheidungen insoweit Tatbestandswirkung und binden die IHK und demgemäß im Streitfall auch die Verwaltungsgerichte (BVerwG, U.v. 27.10.1998 - 1 C 19/97 - juris Rn. 13).

Unbeachtlich ist, ob die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen hat bzw. ob ihre bisherige Tätigkeit den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschreitet. Denn für die Begründung der Mitgliedschaft in der IHK kommt es allein auf die dem Grunde nach bestehende Gewerbesteuerpflicht an (stRspr BVerwG, U.v. 7.12.2016 - 10 C 11/15 - GewArch 2017, 193 - juris Rn. 12; U.v. 19.1.2005 - 6 C 10/04 - BVerwGE 122, 344 - juris Rn. 20 m.w.N.). Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmensgegenstand der Klägerin überhaupt gewerblicher Natur ist. Denn § 2 Abs. 1 IHKG ist nach Wortlaut und Sinngehalt, der sich erst im Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 IHKG erschließt, nicht auf gewerbliche Tätigkeiten beschränkt (BVerwG, U.v. 7.12.2016 - 10 C 11/15 - GewArch 2017, 193 - juris Rn. 24; U.v. 25.10.1977 - I C 35.73 - BVerwGE 55, 1 - juris Rn. 31; Jahn, GewArch 2005, 169/177 m.w.N.). Sofern die Klägerin ausweislich der Handelsregistereintragung einen Zweck verfolgt, die ihr die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit erlaubt („Handel mit Immobilien“), ist auch unerheblich, ob und in welchem Umfang diese gewerbliche Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird (vgl. BVerwG, B.v. 21.10.2004 - 6 B 60/04 - GewArch 2005, 24 - juris Rn. 8 m.w.N.; VG Gelsenkirchen, U.v. 11.1.1995 - 7 K 6723/93 - GewArch 1995, 481). Denn die Zweckverfolgung ist für Dritte nur aufgrund der auf den Angaben der Klägerin beruhenden und für den Geschäftsverkehr maßgeblichen Handelsregistereintragung verlässlich nachprüfbar bzw. zu entnehmen, zumal die Beklagte keine Möglichkeit hat, festzustellen, ob und in welchem Umfang ihre Mitglieder sich tatsächlich gewerblich betätigen (VG Magdeburg, U.v. 1.7.2004 - 3 A 109/04 MD - juris Rn. 27; BVerwG, U.v. 25.10.1977 - I C 35.73 - BVerwGE 55, 1 - juris Rn. 30; Jahn, GewArch 2005, 169/177 m.w.N.). Wer von gesellschafts- und steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch macht und sich einer Organisationsform bedient, die auf gewerbliche Betätigung zugeschnitten ist, muss die damit verbundenen Rechtsfolgen vollständig und nicht nur selektiv hinnehmen (BVerwG, U.v. 19.1.2005 - 6 C 10/04 - BVerwGE 122, 344 - juris Rn. 26). Für die Klägerin als sogenannte Vorratsgesellschaft gilt nichts anderes (vgl. zur Mantelgesellschaft: VG Ansbach, U.v. 13.12.2005 - AN 4 K 05.00465 - juris Rn. 21).

b) Die Klägerin unterhält auch eine Betriebsstätte im Bezirk der Beklagten.

Nachdem das IHKG den Begriff der Betriebsstätte nicht eigens definiert, ist - im Hinblick auf die im Interesse einer möglichst einfachen Ausgestaltung und Handhabung des Kammerrechts erfolgte Anknüpfung der Kammerzugehörigkeit u.a. an die Veranlagung zur Gewerbesteuer und damit ermöglichte Nutzbarmachung der entsprechenden Feststellung der Steuerbehörden - insoweit auf den steuerrechtlichen Betriebsstättenbegriff des § 12 AO abzustellen (BVerwG, U.v. 19.1.2005 - 6 C 10/04 - BVerwGE 122, 344 - juris Rn. 22 m.w.N.). Demnach ist Betriebstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, § 12 Satz 1 AO. Als Betriebsstätte ist insbesondere die Stätte der Geschäftsleitung, d.h. der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung, anzusehen, § 12 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 10 AO. Dieser ist dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird. Folglich kommt es darauf an, an welchem Ort die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Bei einer Körperschaft ist das regelmäßig der Ort, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit entfalten, d.h. an dem sie die tatsächlichen, organisatorischen und rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (sog. Tagesgeschäfte). Eine feste eigene Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient, ist hierfür nicht erforderlich (zum Ganzen: BFH, U.v. 16.12.1998 - I R 138/97 - BFHE 188, 251 - juris Rn. 13 m.w.N.). Bei einer an mehreren Orten tätigen Geschäftsführung ist die Geschäftsleitung dort, wo sich die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollste Stelle befindet (BFH, B.v. 7.9.1993 - VII B 169/93 - juris Rn. 8). Vorliegend liegt die Stätte der Geschäftsleitung der Klägerin, somit auch eine Betriebsstätte im Bezirk der Beklagten.

aa) Dies ergibt sich daraus, dass im Handelsregister als Sitz und Geschäftsanschrift „… …“ eingetragen ist. Zwar ist der bei der Anmeldung zum Handelsregister anzugebende Sitz und die inländische Geschäftsanschrift der Gesellschaft (§ 106 Abs. 2 Nr. 2 HGB) nicht zwingend identisch mit der Stätte ihrer Geschäftsleitung. Auch das Steuerrecht unterscheidet zwischen Verwaltungssitz („Geschäftsleitung“, § 10 AO) und Satzungssitz („Sitz“, § 11 AO) einer Gesellschaft und knüpft für die Bestimmung der Betriebsstätte ausdrücklich nur an die Stätte der Geschäftsleitung an. Der eingetragene Sitz stellt aber ein gewichtiges Indiz für die Feststellung der Stätte der Geschäftsleitung dar, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gesellschaft an anderen Orten Anlagen unterhält, die der Tätigkeit ihres Unternehmens dienen (OVG NW, B.v. 1.12.2010 - 17 A 2689/09 - juris Rn. 12; i.E. auch: OVG RhPf, U.v. 3.11.2010 - 6 A 10884/10 - juris Rn. 29; VG Stuttgart, U.v. 12.7.2007 - 4 K 3493/07 - juris Rn. 21; VG Magdeburg, U.v. 1.7.2004 - 3 A 109/04 MD - juris Rn. 26). Denn jedes Unternehmen muss einen Ort der Geschäftsleitung haben (BFH, U.v. 16.12.1998 - I R 138/97 - BFHE 188, 251 - juris Rn. 13 m.w.N.).

Hierfür spricht zudem, dass hebeberechtigte Gemeinde i.S.d. § 4 GewStG ausweislich der Mitteilung des Finanzamts … vom 28. Juni 2019 die Stadt … ist. Das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte ist von den Steuerbehörden für die Veranlagung zur Gewerbesteuer ebenfalls zu prüfen, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG. Mangels gesetzlicher Anordnung kommt den steuerrechtlichen Entscheidungen insoweit zwar weder Tatbestands- noch Feststellungswirkung zu, mag auch regelmäßig kein Anlass zu einer abweichenden Beurteilung bestehen (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 1 C 19/97 - juris Rn. 13). Sie begründen jedoch eine widerlegbare Vermutung, dass auch eine Betriebsstätte i.S.d. § 2 Abs. 1 IHKG vorliegt (VGH BW, U.v. 20.4.1990 - 14 S 586/89 - juris Rn. 18; VG Aachen, U.v. 19.3.2004 - 7 K 480/04 - juris Rn. 30).

bb) Dem steht nicht entgegen, dass die erste Zustellung an die Geschäftsanschrift der Klägerin als Postrückläufer zurückgesandt wurde. Die Beklagte legte in der mündlichen Verhandlung am 19. Dezember 2019 nachvollziehbar dar, dass die einmalige Unzustellbarkeit kein verlässlicher Beleg für die fehlende postalische Erreichbarkeit der Klägerin unter ihrer Geschäftsanschrift ist. Die weiteren Zustellungen an die Privatanschrift des Klägervertreters sind in erster Linie aus Praktikabilitätsgründen erfolgt.

Auch die Klägerin selbst trug nicht vor, dass die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit an anderen Orten als ihrem Sitz angeordnet werden. Vielmehr sei die Klägerin eigenen Angaben zufolge eine Vorratsgesellschaft ohne aktiven Geschäftsbetrieb bzw. verwalte nur ihr eigenes Vermögen. Jedenfalls bei einer Kapitalgesellschaft ohne Geschäftstätigkeit ist der im Handelsregister eingetragene satzungsmäßige Sitz die nach außen erkennbare regionale Zuordnung der Gesellschaft, der für die Annahme einer Betriebsstätte i.S.d. § 2 Abs. 1 IHKG genügt (vgl. VG Ansbach, U.v. 15.11.2017 - AN 4 K 17.00581 - juris Rn. 18). Sofern die Klägerin sich nur vermögensverwaltend betätigt, kann die Geschäftsleitung auch dort liegen, wo sie die laufende Kontrolle über ihr Vermögen ausübt, d.h. wo sie ihre Wertpapiere verwahrt oder ihre Steuererklärungen anfertigt bzw. unterschreibt, wenn sie nur an keinem anderen Ort gewichtigere Entscheidungen trifft (vgl. BFH, U.v. 7.12.1994 - I K 1/93 - BFHE 176, 253 - juris Rn. 30). Den tatsächlichen Feststellungen des Gerichts lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass die Privatwohnung des Klägervertreters zugleich als Stätte der Geschäftsleitung diente. Zwar ist die Klägerin einerseits persönlich haftende Gesellschafterin einer UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, deren Geschäftsanschrift identisch ist mit der Privatanschrift des Klägervertreters (…). Sie ist aber andererseits Mitgründerin zweier Aktiengesellschaften, deren Geschäftsanschrift identisch ist mit ihrer eigenen Geschäftsanschrift (…). Es ist daher zumindest nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die laufende Kontrolle über die Beteiligung der Klägerin an den Aktiengesellschaften, die in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvoller ist (Mindest-Grundkapital: 50.000,00 EUR, § 7 AktG), in der Privatwohnung des Klägervertreters ausgeübt wird. Eine (gegenteilige) Stellungnahme der Klägerin auf das gerichtliche Anhörungsschreiben vom 22. November 2019 ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht eingegangen.

Dass die Klägerin im gerichtlichen Verfahren die jeweilige Privatanschrift des Klägervertreters als ladungsfähige Anschrift angegeben hat, stellt vor diesem Hintergrund ebenfalls kein erhebliches Gegenindiz dar.

c) Die Höhe des vorläufig veranlagten Beitrags von 120,00 EUR ergibt sich aus Ziff. II.2.2 Buchst. a der Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2017. Sie steht nicht im Missverhältnis zu dem Vorteil, der durch den Beitrag abgegolten werden soll (Äquivalenzprinzip). Die Beitragspflicht besteht unabhängig von einer konkreten Gegenleistung der Beklagten. Der beitragsrechtliche Vorteil braucht nur abstrakt und mittelbar zu sein und besteht in der Erfüllung der der Beklagten zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben (vgl. VG München, U.v. 15.7.2003 - M 16 K 02.326 - juris Rn. 35 m.w.N.).

Die Möglichkeit der Freistellung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 IHKG besteht nur bei natürlichen Personen und Personengesellschaften sowie eingetragene Vereine. Die Vorschrift ist auf Unternehmergesellschaften nicht entsprechend anwendbar (NdsOVG, B.v. 24.7.2013 - 8 LA 16/13 - GewArch 2014, 175 - juris Rn. 17-23).

Nach alledem war die Klage abzuweisen. Aus denselben Gründen hätte die Klägerin auch keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 26. Oktober 2016 nach Art. 48, 49 BayVwVfG, sofern ihr Klagebegehren weiter auszulegen gewesen wäre.

2. Die Klägerin trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO.

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