Urteil vom Verwaltungsgericht Ansbach - AN 4 K 21.30866

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger, moldauischer Staatsangehöriger, nach eigenen Angaben dem Volk der Roma zugehörig und christlich-orthodoxen Glaubens, reiste nach eigenen Angaben am 30. Juli 2021 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 27. September 2021 einen Asylantrag.

Im Rahmen der persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 21. Oktober 2021 trug der Kläger im Wesentlichen vor, dass er in der Ukraine und in Usbekistan als Erntehelfer gearbeitet habe. Vor der Ausreise aus Moldau habe er in … im Haus seiner Großmutter zusammen mit seinen Eltern, seinem Bruder und dessen Frau, seinen Großeltern und seinem Onkel väterlicherseits mit dessen Familie gelebt. Fünf Tage vor der Ausreise habe der Onkel sie aus dem Haus der Großmutter geworfen und den Platz für sich beansprucht. In Moldau lebten noch die Großeltern, der Onkel mit seiner Familie und die Großmutter mütterlicherseits. Die Schwester des Klägers sei in der Ukraine. Eine Schule habe der Kläger nicht besucht. Es gebe zwar eine Schulpflicht in Moldau, die Roma würden aber diskriminiert. Warum er im Gegensatz zu seinem Bruder nicht zur Schule gegangen sei, wisse er nicht. Er wisse nur, dass Roma in der Schule nicht gerne angenommen würden. Er habe sich selbst etwas Lesen auf Russisch beigebracht, schreiben könne er nur seinen Namen. Romani könne er lesen, aber nicht schreiben. In Moldau habe er bei der Apfel- und Kartoffelernte geholfen und dafür am Tag 250 MDL (ca. 10 EUR) erhalten.

Nach seinen Asylgründen befragt führte der Kläger aus, dass er in Moldau nach dem Rauswurf durch den Onkel keine Unterkunft gehabt habe. In Moldau sei es sehr schwierig als Roma eine Arbeit zu finden. Roma würden in Moldau diskriminiert. Auf weitere Nachfragen ergänzte der Kläger, dass Roma in Moldau beleidigt und beschimpft würden und ihnen z.B. von Passanten auf der Straße oder in Läden nicht erlaubt werde, Russisch zu sprechen. Der Kläger spreche aber kein Moldauisch. Ihm selbst sei nichts passiert. Früher sei die Diskriminierung nicht so extrem gewesen. Seit Präsidentin Maia Sandu an der Macht sei, sei es schlimmer geworden. Die Bevölkerung von Moldau gehe extremer mit Roma um. Die Anfeindungen gegenüber Roma hätten zugenommen. Der Kläger habe Angst vor den Leuten, die gegenüber Roma feindlich eingestellt seien. Sie könnten sie schlagen. Er könne sich zwar an die Polizei wenden, aber es würde dennoch weiterlaufen. Bisher habe er sich noch nie an die Polizei gewendet. Die Moldauer würden einfach weitermachen, weil sie die Roma nicht akzeptierten. Der Kläger könne sich mit seinen Eltern und seinem Bruder keine eigene Unterkunft suchen, da sie keine finanziellen Mittel hätten.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2021, dem Kläger zugestellt am 3. November 2021, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1 bis 3), stellte das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG fest (Ziffer 4), drohte unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung des Klägers - in erster Linie - in die Republik Moldau an (Ziffer 5) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Auf den weiteren Inhalt des Bescheides wird ergänzend Bezug genommen.

Der Kläger hat am 9. November 2021 Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 27. Oktober 2021 erhoben und beantragt,

  • 1.Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Oktober 2021 wird aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ihn als Asylberechtigten anzuerkennen,

  • 3.Hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.

  • 4.Hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2021,

die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung bezog sie sich auf den angefochtenen Bescheid.

In der mündlichen Verhandlung am 12. September 2022 führte der Kläger ergänzend aus, dass sie in Moldau als Zigeuner diskriminiert würden. Sie würden immer von den anderen beleidigt und beschimpft werden. Wenn sie unterwegs seien, würde man Steine auf sie werfen und sie verfolgen.

Mit Beschluss der Kammer vom 27. Juli 2022 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 12. September 2022 Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten verhandelt und entschieden werden, da sie hierauf bei der Ladung hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.), die Anerkennung als Asylberechtigter (2.) oder auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes (3.). Soweit die hierauf gerichteten Anträge des Klägers vom Bundesamt als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurden, bestehen keine rechtlichen Bedenken (4.). Weiter hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (5. und 6.). Auch im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig (7.).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG.

a) Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten die in § 3a Abs. 1 AsylG genannten Handlungen. Die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe werden in § 3b Abs. 1 AsylG konkretisiert. Zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Die Verfolgung kann ausgehen (Nr. 1) von dem Staat, (Nr. 2) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (Nr. 3) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c AsylG). Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG) oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zu den Rechten, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK in keinem Fall abgewichen werden darf, gehört Art. 3 EMRK, der Folter und unmenschliche oder erniedrigende Strafen und Behandlungen verbietet. Eine Behandlung ist unmenschlich, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wird und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht; sie ist erniedrigend, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen (EGMR, U.v. 21.1.2011 - 30696/09 - M.S.S./Belgien u. Griechenland - NVwZ 2011, 413 Rn. 220). Um unter Art. 3 EMRK zu fallen, muss die Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen, das unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Falles zu beurteilen ist, wie der Dauer der Behandlung, ihrer physischen und psychischen Auswirkungen sowie, in manchen Fällen, des Geschlechts, des Alters und des Gesundheitszustands der Person (EuGH, U.v. 15.10.2019 - C-128/18 - juris Rn. 59).

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die beachtliche Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine individuelle Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Diese Würdigung ist auf der Grundlage einer „qualifizierenden“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Entscheidend ist, ob in Anbetracht der Gesamtumstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 33.18 - juris Rn. 15; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 - juris Rn. 32). Bei der Abwägung aller Umstände ist die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in die Betrachtung einzubeziehen. Besteht bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit; sie bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 33.18 - juris Rn. 15; B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - juris Rn. 37).

Dieser Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit gilt unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Vorverfolgte werden nicht über einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, sondern über die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 privilegiert (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 33.18 - juris Rn. 17). Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigen Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung bedroht sind (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 - juris Rn. 20).

Das Gericht trifft seine Entscheidung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Überzeugung. Auch in Asylstreitsachen muss das Gericht sich die für seine Entscheidung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene Überzeugungsgewissheit dergestalt verschafft haben, dass es die volle Überzeugung von der Wahrheit und nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangt hat. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung kommt gesteigerte Bedeutung zu. Zur Asylanerkennung kann schon allein der Tatsachenvortrag des Asylsuchenden führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft“ sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris Rn. 16; VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 38 f.).

Der Asylsuchende hat aufgrund seiner Mitwirkungspflicht die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass er bei verständiger Würdigung die Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u. a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Asylsuchenden berücksichtigt werden. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Schutzsuchenden aber nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, B.v. 19.10.2001 - 1 B 24.01 - juris Rn. 5; U.v. 24.3.1987 - 9 C 321.85 - juris Rn. 9; OVG NW, U.v. 29.10.2020 - 9 A 1980/17.A - juris Rn. 36; BayVGH, B.v. 11.1.2019 - 13a ZB 17.31521 - juris Rn. 4; VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 43 f.).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Moldau nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.

aa) Dem Vortrag des Klägers sind keine Anhaltspunkte für eine drohende Einzelverfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG zu entnehmen. Soweit der Kläger beim Bundesamt erklärte, dass die Roma in Moldau diskriminiert würden, waren seine Ausführungen hierzu sehr allgemein gehalten. Roma hätten es sehr schwer Arbeit zu finden, sie würden beleidigt und beschimpft, dürften in der Öffentlichkeit kein Russisch sprechen und würden in der Schule nicht gerne angenommen. Die Frage, ob ihm in Moldau einmal etwas konkretes Gravierendes passiert sei, verneinte der Kläger. Mithin hat der Kläger Moldau unverfolgt verlassen. Er trug auch keine Umstände vor, die es beachtlich wahrscheinlich erscheinen lassen, dass er nach seiner Rückkehr nach Moldau erstmals aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma einer Verfolgung ausgesetzt sein könnte. Soweit er geltend machte, dass Romafeindliche Leute ihn schlagen könnten, handelt es sich zum einen um eine reine Spekulation, zum anderen ist der Kläger insoweit auf die Inanspruchnahme des Schutzes durch die moldauische Polizei zu verweisen (§ 3c Nr. 3 AsylG). Es liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass die moldauische Polizei nicht fähig oder willens wäre, dem Kläger Schutz vor gewalttätigen Übergriffen zu gewähren. Bisher hat sich der Kläger noch nicht mit einem Schutzersuchen an die moldauische Polizei gewandt, sodass er aus eigener Erfahrung nichts Gegenteiliges berichten kann. bb)

Dem Kläger droht in der Republik Moldau aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma keine Gruppenverfolgung (so im Ergebnis auch VG Oldenburg, B.v. 28.1.2019 - 2 B 226/19 - juris UA. S. 5; VG Berlin, GB.v. 1.7.2019 - VG 16 K 58.19 A - juris UA. S. 9 f.; U.v. 24.1.2017 - 21 K 402.16 A - juris Rn. 17; U.v. 5.12.2016 -23 K 402.16 A - juris Rn. 24 ff.).

Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung; BVerwG, U.v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 - juris Rn. 13). Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt - abgesehen vom Fall eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, B.v. 5.4.2011 - 10 B 11.11 - juris Rn. 3; U.v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 - juris Rn. 13). Die Übergriffe müssen so zahlreich sein, dass jedes Gruppenmitglied begründet befürchten muss, selbst Opfer von Übergriffen zu werden (BayVGH, U.v. 19.4.2021 - 11 B 19.30575 - juris Rn. 41). Die ursprünglich für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätzen sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar (BVerwG, U.v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 - juris Rn. 14).

Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden (BVerwG, U.v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 - juris Rn. 15; B.v. 5.4.2011 - 10 B 11.11 - juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 19.4.2021 - 11 B 19.30575 - juris Rn. 50). Dabei ist es häufig nicht möglich, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber auch nicht erforderlich, die zahlenmäßigen Grundlagen der gebotenen Relationsbetrachtung zur Verfolgungsdichte mit quasi naturwissenschaftlicher Genauigkeit festzustellen. Vielmehr reicht es aus, die ungefähre Größenordnung der Verfolgungsschläge zu ermitteln und sie in Beziehung zur Gesamtgruppe der von Verfolgung Betroffenen zu setzen. Auch für die Annahme einer erheblichen Dunkelziffer nicht bekannter Übergriffe müssen die gerichtlichen Feststellungen zur Größenordnung der Gesamtheit der Anschläge aber in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise begründet werden (BVerwG, U.v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 - juris Rn. 19; BayVGH, U.v. 19.4.2021 - 11 B 19.30575 - juris Rn. 50).

(1) Es besteht keine Gefahr einer staatlichen Gruppenverfolgung der Roma in Moldau.

Eine solche wird insbesondere dann angenommen, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht. Das kann etwa der Fall sein, wenn festgestellt werden kann, dass der Heimatstaat ethnische oder religiöse Minderheiten physisch vernichten und ausrotten oder aus seinem Staatsgebiet vertreiben will (BVerwG, U.v. 5.7.1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 - juris Rn. 20). In der Republik Moldau gibt es keine systematischen oder anderweitigen Verfolgungs- oder Ausrottungsmaßnahmen durch staatliche oder andere amtliche Stellen, die sich gegen die Volksgruppe der Roma richten (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Berlin, Gz. 508-9-516.80, 1.9.2016, Ziff. 4). Auch gibt es keine belastbaren Erkenntnisse darüber, dass Roma in der Republik Moldau physischer Gewalt durch staatliche Stellen ausgesetzt sind (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Berlin, Gz. 508-9-516.80, 1.9.2016, Ziff. 10). In den aktuellen Erkenntnismitteln werden keine konkreten Fälle von Polizeigewalt gegen Roma erwähnt.

Aus den Erkenntnismitteln ergibt sich auch keine unmittelbare staatliche Diskriminierung von Roma. Laut einer Volkszählung von 2014 bezeichnen sich ca. 9.323 (= 0,3%) der Einwohner Moldaus als Roma (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Moldau, Stand Juni 2021, 31.1.2022 [im Folgenden: AA 2021], S. 8; Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Republik Moldau, Gesamtaktualisierung am 5.3.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 17.11.2020 [im Folgenden: BFA 2020], S. 32). Nach Schätzung von Roma-Vertretern leben bis zu 250.000 Roma in Moldau (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Republik Moldau, Länderreport 37, Juni 2021, S. 9). Die nationalen Minderheiten sind durch die Verfassung geschützt und haben das Recht der Aufrechterhaltung und Pflege ihrer Sprache und Kultur. Eine nach Hautfarbe, Herkunft, Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe unterscheidende diskriminierende Gesetzgebung gibt es in der Republik Moldau nicht (BFA 2020, S. 32). Es gibt keine Gesetze oder anderen staatlichen Maßnahmen, die über Einzelfälle hinausgehen, die ausdrücklich oder tatsächlich ausschließlich oder überwiegend Roma betreffen (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Berlin, Gz. 508-9-516.80, 1.9.2016, Ziff. 8). Vielmehr haben die Behörden in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, um die Integration der Roma in die Gesellschaft durch die Annahme und Umsetzung von nationalen Aktionsplänen zu verbessern. Das Hauptziel des Aktionsplans 2011 - 2015 war die Einführung von „Gemeindemediatoren“ (Community Mediators), deren Hauptaufgabe darin besteht, die Interessen ihrer Gemeinschaften gegenüber den lokalen Behörden zu vertreten und den Roma-Gemeinschaften die Regierungspolitik zu vermitteln. Im März 2020 gab es 34 Mediatoren der Roma-Gemeinden und es bestand der Plan, diese Zahl auf 54 zu erhöhen. Nach Angaben von Organisationen der Zivilgesellschaft zögern die lokalen Behörden jedoch häufig, Gemeindemediatoren einzustellen und mit der erforderlichen Unterstützung zu versehen, da sie nicht ausreichend über die Rolle der Mediatoren informiert oder sich der Notwendigkeit nicht bewusst sind, die nationale Politik zur Integration der Roma auf lokaler Eben wirksam umzusetzen. Außerdem sind die Mediatoren der Roma-Gemeinden häufig mit finanziellen, logistischen und anderen Zwängen konfrontiert, die sie daran hindern, ihre Funktion effektiv zu erfüllen. Der Aktionsplan für 2016 - 2020 umfasste Bereiche wie Bildung, Arbeit, Wohnen, Gesundheit, sozialer Schutz, Kultur, Gemeindeentwicklung und Beteiligung in der Entscheidungsfindung. Er war jedoch wie der vorherige Aktionsplan erheblich unterfinanziert und viele der darin vorgesehenen Maßnahmen wurden nicht umgesetzt (Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, Dunja Mijatovic, report following her visit to the Republic of Moldova from 9 to 13 march 2020, 25.6.2020 [im Folgenden: CHR 2020], S. 20). Sofern es aufgrund der Korruptionsanfälligkeit von Polizei, Strafverfolgungswesen und Justiz zu unfairen oder nicht für alle gleichen Verfahren kommt, betrifft dies gleichermaßen alle Bevölkerungsgruppen (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Berlin, Gz. 508-9-516.80, 1.9.2016, Ziff. 12, 24). Soweit davon berichtet wird, dass zwei Beschäftigte des Innenministeriums der Rassendiskriminierung gegen Personen mit Roma-Herkunft, genauer gesagt des „Racial Profiling“ für schuldig befunden wurden und in einem NGO-Bericht von 2016 fünf andere Fälle polizeilicher Diskriminierung von Roma-Angehörigen erwähnt werden (European Center for Minority Issues, ECMI-Report Nr. 69, The Roma in Moldova, März 2017 [im Folgenden: ECMI 2017], S. 5), handelt es sich um mehrere Jahre zurückliegende Einzelfälle, die nicht auf eine systematische unmittelbare staatliche Diskriminierung schließen lassen.

(2) Weiter erfolgt in der Republik Moldau auch keine Gruppenverfolgung der Roma durch nichtstaatliche Akteure.

(a) Konkrete ethnisch motivierte körperliche Übergriffe auf Roma seitens anderer gesellschaftlicher Gruppen, die sich in den letzten Jahren ereignet hätten, lassen sich den Erkenntnismitteln nicht entnehmen. In Moldau gibt es ein relativ niedriges Maß an rassistischer Gewalt. Berichte weisen darauf hin, dass es immer noch zu gewalttätigen Übergriffen insbesondere gegen Roma kommt. 2016 wurde ein junger Mann mit Roma-Herkunft schwer geschlagen und aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit beschimpft (European Commission against Racism and Intolerance, Report on the Republic of Moldova, 2.10.2018 [im Folgenden: ECRI 2018], S. 22). Hierbei handelt es sich jedoch um einen schon mehrere Jahre zurückliegenden Einzelfall. Erkenntnisse zu Maßnahmen zur Herabsetzung, Vertreibung oder sogar Ausrottung der Volksgruppe der Roma durch andere gesellschaftliche Gruppen liegen nicht vor. Diskriminierung oder gar Repressionsmaßnahmen gegen einzelne Gruppen werden weder von Parteien noch von besonderen gesellschaftlichen Gruppierungen propagiert. Aufgrund seines multiethnischen Charakters leben in Moldau alle Volks- und sozialen Gruppen im Alltag friedlich zusammen (BFA 2020, S. 32; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Berlin, Gz. 508-9-516.80, 1.9.2016, Ziff. 6). Allein aus dem Umstand, dass Rassenhass in der Republik Moldau nicht als Straftat angesehen wird und Hassverbrechen von den moldauischen Behörden zu wenig gemeldet und untersucht werden (ECMI 2017, S. 6), kann nicht darauf geschlossen werden, dass Roma physischer Gewalt durch andere gesellschaftliche Gruppen ausgesetzt sind (vgl. VG Berlin, U.v. 5.12.2016 - 23 K 402.16 A - juris Rn. 33).

(b) Soweit aus den Erkenntnismitteln ersichtlich wird, dass die Angehörigen des Volkes der Roma in Moldau in vielen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere bei Bildung (aa), Arbeit (bb), Wohnen (cc) und Gesundheitsversorgung (dd), schlechter stehen als die Allgemeinbevölkerung, erreichen diese Nachteile, soweit sie überhaupt auf die Volkszugehörigkeit der Roma zurückzuführen sind, weder einzeln noch in der Gesamtschau eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsintensität.

Teile der moldauischen Gruppe der Roma zählen zu der am meisten marginalisierten gesellschaftlichen Gruppe (AA 2021, S. 8). Roma sehen sich einem erhöhten Risiko von Marginalisierung, Unterrepräsentation bei politischen Entscheidungen, Analphabetismus und sozialen Vorurteilen ausgesetzt. Sie weisen ein niedrigeres Bildungsniveau, einen eingeschränkteren Zugang zur Gesundheitsversorgung und eine höhere Arbeitslosenquote als die allgemeine Bevölkerung auf (United States Department of State, Moldova 2021 Human Rights Report, 12.4.2022 [im Folgenden: USDOS 2021], S. 44). Im Einzelnen:

(aa) Der Zugang von Roma-Kindern zur Bildung, insbesondere in der Grundschule, hat sich vor allem dank der Arbeit der Roma-Gemeindemediatoren und der Zivilgesellschaft verbessert. Die Einschulungsraten von Roma-Kindern sind jedoch in allen Bildungsstufen immer noch niedriger als die von Nicht-Roma-Kindern. So besuchten nur 21% der Roma-Kinder eine Vorschule (im Vergleich zu 79% in der Gesamtbevölkerung), die Grundschule sowie die Klassen fünf bis acht der weiterführenden Schule 54% (gegenüber 90%) und die Klassen neun bis zwölf der weiterführenden Schule 16% (gegenüber 78%) (CHR 2020, S. 20; ECRI 2018, S. 26; ECMI 2017, S. 9 ff.). Als Gründe für die niedrige Anwesenheitsrate der Roma-Kinder in der Grundschule und den Klasse fünf bis acht der weiterführenden Schule geben Roma-Vertreter selbst folgendes an: die hohen Kosten (46%), eine bereits ausreichende Bildung (13%), die Notwendigkeit zu arbeiten (8%), Heirat (7%), Krankheit (6%), Schwangerschaft (3%) und Diskriminierung in der Schule (1%) (ECMI 2017, S. 12). Als (weitere) Hindernisse werden Probleme im Zusammenhang mit dem Transport aus abgelegenen ländlichen Siedlungen, Wohnortwechsel, eine indifferente Einstellung gegenüber Bildung seitens bestimmter Subgruppen der Volksgruppe der Roma sowie das unter bestimmten Subgruppen der Roma geltende frühe Heiratsalter identifiziert (CHR 2020, S. 20; ECRI 2018, S. 26 f.; ECMI 2017, S. 10 ff.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Berlin, Gz. 508-9-516.80, 1.9.2016, Ziff. 18). Den Behörden fehlt ein wirksamer Mechanismus, um schutzbedürftige Familien anzusprechen, deren Kinder keine Schule besuchen (USDOS 2021, S. 44). Laut Gesetz haben alle Bürger der Republik Moldau das Recht auf gleichen Zugang zu Bildung. Der Unterricht von der ersten bis zur zwölften Klasse ist kostenlos. Lediglich bei Schulen mit Verpflegung (meistens Vorschulen) müssen die Eltern einen Teil der Verpflegungskosten tragen (ECMI 2017, S. 10). Angehörige der Volksgruppe der Roma können Schulen und Kindergärten genauso nutzen wie Angehörige anderer ethnischer Gruppen in Moldau (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Berlin, Gz. 508-9-516.80, 1.9.2016, Ziff. 16, 17).

Aus diesen Umständen ergibt sich keine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte. Nach Art. 2 Satz 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK darf niemandem das Recht auf Bildung verwehrt werden. Diese Vorschrift gewährleistet in erster Linie ein Recht auf Zugang zu den Schulen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhanden sind (EGMR, U.v. 23.7.1968 - Belgischer Sprachenfall, Nr. 1474/62 - juris 1. Orientierungssatz; Bitter in Karpenstein/Mayer, EMRK, 3. Aufl. 2022, ZP I Art. 2 Rn. 11). Dieses Recht wird Kindern aus der Volksgruppe der Roma nicht aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit verwehrt. Roma-Kinder können die bestehenden Schulen bis zur zwölften Klasse kostenlos besuchen. Zudem ist die mangelnde Schulbeteiligung von Roma-Kindern ganz überwiegend nicht auf die Volkszugehörigkeit bzw. die Angst vor Diskriminierung aufgrund der Volkszugehörigkeit zurückzuführen, sondern primär auf die finanziellen Verhältnisse, das Leben in abgeschiedenen ländlichen Regionen und die Verkennung der Bedeutung von Bildung für das künftige Leben. Weiter würde es angesichts des Umstandes, dass 54% der Roma-Kinder die Schule von der ersten bis zur achten Klasse besuchen, an der erforderlichen Verfolgungsdichte fehlen (vgl. zu allem VG Berlin, U.v. 5.12.2016 - 23 K 402.16 A - juris Rn. 36).

(bb) Im Jahr 2020 betrug die Beschäftigungsquote der Roma nur 6,4%, während die Arbeitslosenquote der Roma bei 45% lag (USDOS 2021, S. 44). Im Vergleich dazu betrug die Beschäftigungsquote der Gesamtbevölkerung im Jahr 2020 45% und die Arbeitslosenquote 8% (International Labour Organization, About the ILO in the Republic of Moldova, Mai 2021, https://www.ilo.org/budapest/countries-covered/moldova/WCMS_433690/lang-en/index.htm). In den Vorjahren betrug die Beschäftigungsquote der Roma noch 21% (United States, Department of State, Moldova 2019 Human Rights Report, 11.3.2020, S. 28; Moldova 2018 Human Rights Report, 13.3.2019, S. 39). Die Zahl der Roma, die in Beschäftigungsprogrammen der Nationalen Agentur für Arbeit registriert sind, ist allmählich gestiegen, was die Möglichkeit zur Teilnahme an beruflicher und anderer Berufsbildung und einen besseren Zugang zur Krankenversicherung eröffnet (CHR 2020, S. 21; ECRI 2018, S. 27). Roma sind eher in der informellen Wirtschaft tätig und verrichten Saisonarbeit (CHR 2020, S. 21; ECRI 2018, S. 27). Gründe für die erheblichen Unterschiede im Arbeitsbereich zwischen der Roma-Bevölkerung und der Gesamtbevölkerung sind das niedrige Bildungsniveau, der damit verbundene Mangel an beruflichen Qualifikationen und Fähigkeiten, Erfahrungen mit direkter Diskriminierung bei der Arbeitssuche und ein fehlendes Bewusstsein für die Existenz von Programmen zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen, von Berufsbildungskursen usw. (ECMI 2017, S. 14). Untersuchungen legen nahe, dass aufgrund der negativen Wahrnehmung von Roma und der tief in der Gesellschaft verwurzelten Vorurteile die Zurückhaltung bei der Beschäftigung von Roma fortbesteht, was sogar zu Fällen führte, in denen qualifizierte Roma bei Einstellungsverfahren angeblich diskriminiert wurden (ECRI 2018, S. 27). Manche Personen berichteten dem Equal Rights Trust, dass Arbeitgeber ihnen ins Gesicht gesagt hätten, sie würden keine Jobs an Roma vergeben oder dass ihnen gesagt worden sei, es gebe keine freien Stellen in dem Unternehmen, obwohl zur gleichen Zeit freie Stelle ausgeschrieben waren (ECMI 2017, S. 14).

Auch daraus ergibt sich keine Verfolgungshandlung, die einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte gleichkäme. Die EMRK und ihre Zusatzprotokolle enthalten jedenfalls ausdrücklich keine Rechte im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt. Aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich kein allgemeines Recht auf Arbeit, auch wenn die Vorschrift auf Beschäftigungsverhältnisse in dem Sinne Anwendung finden kann, dass auch das Berufsleben Teil des von Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens sein kann (EGMR, U.v. 4.10.2016 - Travas/Kroatien, Nr. 75581/13 - NJOZ 2018, 515 Rn. 52 f.). Eine berufliche Tätigkeit wird nicht garantiert (Meyer-Ladewig/Nettesheim in dies./von Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 8 Rn. 49). Zudem ist die hohe Arbeitslosen- bzw. niedrige Beschäftigungsquote der Roma in Moldau nicht nur auf ihre Volkszugehörigkeit zurückzuführen, sondern auf den geringen Bildungsgrad und die dadurch bedingte schlechte berufliche Qualifizierung sowie ein fehlendes Bewusstsein für Hilfsprogramme. Soweit eine Diskriminierung von Roma durch private Arbeitgeber bei der Besetzung von Arbeitsplätzen stattfindet, lässt sich nicht genau bestimmen, wie viel Einfluss dieser Faktor auf die Schlechterstellung der Roma auf dem Arbeitsmarkt hat. Sie führt jedenfalls nicht dazu, dass Roma überhaupt keine Arbeit finden. Im Übrigen steht solchen Bewerbern, die tatsächlich aufgrund ihrer ethnischen Herkunft abgelehnt werden, der Rechtsweg offen, wie der Fall Zapescu zeigt, bei dem ein Roma-Bewerber nach einem Bewerbungsgespräch, das vom Arbeitgeber mit reservierter Haltung geführt wurde, nicht genommen wurde (ECRI 2018, S. 27 Fn. 112). Dass die Republik Moldau insofern im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG nicht willens oder in der Lage wäre, effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gegen derartiges diskriminierendes Verhalten zu gewähren, ist nicht ersichtlich (vgl. zu allem VG Berlin, U.v. 5.12.2016 - 23 K 402.16 A - juris Rn. 39).

(cc) Es gibt keine umfassenden Daten zur Anzahl obdachloser Personen in der Republik Moldau, folglich auch nicht zur Anzahl obdachloser Roma (ECMI 2017, S. 13). Ungefähr 60% der Roma-Familien leben in ländlichen Gebieten. In einigen Roma-Gemeinden besteht kein oder nur eingeschränkter Zugang zu Trinkwasser, Kanalisation, regelmäßiger Stromversorgung und Heizung (USDOS 2021, S. 44; United States, Department of State, Moldova 2020 Human Rights Report, 30.3.2021, S. 43; ECRI 2018, S. 27 f.; ECMI 2017, S. 13). Diese teils schlechten Wohnverhältnisse kommen keiner schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte gleich. Art. 8 Abs. 1 GG garantiert das Recht auf Achtung der Wohnung, vermittelt aber keinen Anspruch auf Wohnraum im Allgemeinen (EGMR [GK], U.v. 18. 1. 2001 - Chapman/Vereinigtes Königreich, Nr. 27238/95 - Rn. 99; Pätzold in Karpenstein/Mayer, EMRK, 3. Aufl. 2022, Art. 8 Rn. 58) und damit erst recht nicht auf Wohnraum, der bestimmten Mindeststandards genügt (vgl. VG Berlin, U.v. 5.12.2016 - 23 K 402.16 A - juris Rn. 43). Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die teilweise schlechte Wohnsituation der Roma auf ihre Volkszugehörigkeit zurückzuführen ist. Vielmehr dürfte die Ursache hierfür vielfach in mangelnden finanziellen Mitteln liegen.

(dd) Im Bereich Gesundheitsversorgung sind Roma in der Republik Moldau konfrontiert mit einem Mangel an medizinischer Notfallversorgung in abgelegenen Siedlungen, unfairer oder willkürlicher Behandlung durch Ärzte und geringerem Krankenversicherungsschutz (USODS 2021, S. 44). Einer Umfrage zufolge besitzen über 58% der Roma keine Krankenversicherung, während es unter den Nicht-Roma nur 24% sind (ECMI 2017, S. 8). Als Gründe hierfür wird genannt, dass die meisten der beschäftigten Roma nicht in einem offiziellen Beschäftigungsverhältnis stehen (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Berlin, Gz. 508-9-516.80, 1.9.2016, Ziff. 14), dass viele Roma nicht über die für den Zugang zur Krankenversicherung nötigen Identitätsdokumente verfügen oder in entlegenen Gegenden leben (BFA 2020, S. 43). Roma aus dem Ort Hincesti berichteten dem Equal Rights Trust, dass sich Ärzte geweigert hätten, Hausbesuche in Roma-Haushalten zu machen, dass Krankenwagen sich geweigert hätten, zu Roma-Haushalten zu fahren und dass Ärzte Roma-Patienten bis zuletzt warten ließen, angeblich, weil ihr schlechter Geruch Nicht-Roma-Patienten abstoßen würde (ECMI 2017, S. 9).

In der Republik Moldau gibt es eine staatliche beitragsfinanzierte Pflichtkrankenversicherung, die gegen Zahlung einer jährlichen Versicherungsgebühr auch die Behandlung nicht erwerbstätiger Personen übernimmt (AA 2021, S. 19). Die Pflichtversicherung deckt Angestellte und Selbstständige auf der Grundlage von Beiträgen ab, bestimmte andere Personengruppen sind automatisch abgedeckt (Kinder, Studenten, Schwangere, Wöchnerinnen und Mütter von vier oder mehr Kindern, Menschen mit Behinderungen, Rentner, formal arbeitslos gemeldete Personen, pflegende Angehörige, Sozialhilfeempfänger; BFA 2020, S. 43). 2011 waren 20,3% der Einwohner der Republik Moldau nicht versichert (Internationale Organisation für Migration, Republik Moldau, Länderinformationsblatt 2021 [im Folgenden: IOM 2021], Gesundheitsversorgung). Der Zugang zu Notfall- und Erstversorgung ist unabhängig vom Versicherungsstatus gewährleistet. Das im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung verfügbare Leistungspaket deckt spezialisierte ambulante und stationäre Behandlungen und eine sehr begrenzte Auswahl an Medikamenten ab. Für Menschen ohne Versicherungsschutz werden diese Leistungen in voller Höhe durch informelle Zahlungen und Direktzahlungen finanziert (IOM 2021, Gesundheitsversorgung). In der Praxis sind (auch bei Versicherten) Extrazahlungen die Regel (AA 2021, S. 19). Informelle Zahlungen werden auf fast allen Leistungsebenen erbracht, sind aber bei der stationären Versorgung viel weiter verbreitet (IOM 2021, Gesundheitsversorgung).

Soweit der Anteil der nicht krankenversicherten Roma (58%) höher ist als derjenige der Gesamtbevölkerung (20%), ist dieser Umstand nicht bedingt durch die Volkszugehörigkeit. Die Krankenversicherung steht allen Einwohnern Moldaus unabhängig von ihrer Ethnie offen. Die niedrigere Krankenversicherungsquote unter den Roma ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass diese seltener offiziell beschäftigt sind, aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht die jährliche Versicherungsgebühr (für Nicht-Erwerbstätige) aufbringen können, ihnen notwendige Identitätsdokumente fehlen oder sie in entlegenen Gebieten leben. Das Fehlen von Identitätspapieren ist ebenfalls nicht auf eine Diskriminierung von Roma gegenüber der übrigen Bevölkerung zurückzuführen, denn bei der Ausstellung von Identitätspapieren werden alle Bevölkerungsgruppen gleich behandelt (Auswärtiges Amt, Auskunft an das Verwaltungsgericht Berlin, Gz. 508-9-516.80, 1.9.2016, Ziff. 3). Im Übrigen würde es insoweit an der hinreichenden Verfolgungsdichte für eine Gruppenverfolgung fehlen, da immerhin 42% der Roma krankenversichert sind. Auch was die Einschränkung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung durch die Notwendigkeit informeller Zahlungen anbelangt, trifft dieser Umstand nicht allein oder in besonderer Weise die Volksgruppe der Roma, sondern alle Einwohner der Republik Moldau. Für die Roma wirkt sich dies jedoch insofern stärker aus, als sie häufiger von Armut bedroht und damit weniger leistungsfähig sind (ECMI 2017, S. 7). Die mangelnde medizinische Notfallversorgung in abgelegenen Siedlungen ist ebenfalls kein spezielles Problem der Roma. Generell existiert in ländlichen Gebieten bestenfalls eine eingeschränkte Grundversorgung (AA 2021, S. 19).

Soweit darüber hinaus von einzelnen Diskriminierungen von Roma aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit durch Ärzte, Krankenhauspersonal und Rettungssanitäter berichtet wird, fehlt es insoweit jedenfalls an der für eine Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte.

(ee) Die in den oben genannten Bereichen tatsächlich stattfindenden Diskriminierungen von Roma aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit erreichen auch in ihrer Kumulierung nicht die für die Annahme einer mittelbaren Gruppenverfolgung erforderliche Intensität.

2. Auf das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG kann sich der Kläger offensichtlich deshalb nicht berufen, weil er eigenen Angaben zufolge auf dem Landweg, also über einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder die Schweizerische Eidgenossenschaft, und mithin über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).

3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt (Nr. 1) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (Nr. 2) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (Nr. 3) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG). § 3c bis § 3e AsylG gelten entsprechend (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG).

Dem Kläger droht in der Republik Moldau kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG. Insoweit wird auf die Begründung des Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG), der das Gericht folgt, und hinsichtlich § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG auf die obigen Ausführungen verwiesen.

4. Keine rechtlichen Bedenken bestehen, soweit das Bundesamt die Anträge des Klägers auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf die Anerkennung als Asylberechtigter und auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat.

Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes - d.h. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) - offensichtlich nicht vorliegen. Ein Asylantrag kann nur dann als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn der Ausländer offensichtlich keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG, offensichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG und offensichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG hat. Kann das negative Offensichtlichkeitsurteil auch nur hinsichtlich eines Status nicht getroffen werden, ist der Asylantrag insgesamt nicht offensichtlich unbegründet (Heusch in BeckOK, Ausländerrecht, 34. Ed., Stand: 01.07.2022, § 30 AsylG Rn. 9; Blechinger in BeckOK, Migrations- und Integrationsrecht, 12. Ed., Stand: 15.07.2022, § 30 AsylG Rn. 9). Als offensichtlich unbegründet kann ein Asylantrag nur angesehen werden, wenn nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung vernünftigerweise kein Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt die Ablehnung des Antrags nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 27.2.1990 - 2 BvR 186/89 - NVwZ 1990, 854 - juris Rn. 14 zur Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet; Bergmann in ders./Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 30 AsylG Rn. 3). Nach § 30 Abs. 2 AsylG ist ein Asylantrag insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält.

Aus dem Vorbringen des Klägers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung ergibt sich nicht ansatzweise eine dem Kläger in der Republik Moldau drohende asyl- oder flüchtlings-rechtlich relevante Verfolgung bzw. ein dem Kläger in der Republik Moldau drohender ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG. Der Kläger hat nichts geschildert, was eine in Moldau bereits erlittene Verfolgung bzw. einen in Moldau bereits erlittenen ernsthaften Schaden darstellen würde. Seinem Vortrag sind auch keine Anhaltspunkte für eine erstmals drohende Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG bzw. ernsthafte Schädigung im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zu entnehmen. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit, mögliche Befürchtungen in Bezug auf Moldau zu äußern. Übrig bleiben ausschließlich wirtschaftliche Motive für die Ausreise des Klägers aus Moldau und seinen Aufenthalt in Deutschland, indem er ausführte, dass er nach dem Rauswurf durch seinen Onkel keine Unterkunft gehabt habe und es sehr schwer sei, in Moldau eine Arbeit zu finden.

5. Der Abschiebung des Klägers steht kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG entgegen.

Nach § 60 Abs. 5 AsylG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen sind unter anderem dann verboten, wenn dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht. Wie bereits im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG) und oben ausgeführt, droht dem Kläger in Moldau weder Folter noch eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung.

Eine Verletzung des Art. 3 EMRK und ein daraus resultierendes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG ergibt sich auch nicht aus den derzeitigen humanitären Bedingungen in Moldau. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nur im Ausnahmefall ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung begründen (BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris 9; BayVGH, B.v. 26.3.2019 - 8 ZB 18.33221 - juris 11). Dies setzt voraus, dass im Zielstaat der Abschiebung das für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erforderliche Mindestmaß an Schwere erreicht wird. Das kann der Fall sein, wenn ein Ausländer im Zielstaat seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 45.18 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 26.3.2019 - 8 ZB 18.33221 - juris 11). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

Nach Angaben des Nationalen Statistikamtes (NBS) entwickelte sich die Republik Moldau zwischen 2016 und 2019 stetig und erreichte ein durchschnittliches BIP-Wachstum von 4% pro Jahr. Der Aufwärtstrend wurde jedoch durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen der Wirtschaftstätigkeit unterbrochen. Im zweiten und dritten Quartal 2020 ging die Wirtschaftstätigkeit um 14% bzw. 10% zurück (Bertelsmann Stiftung, BTI 2022 Country Report, Moldova [im Folgenden: BTI 2022], S. 25). Das reale Wirtschaftswachstum sank 2020 um 7%, die Inflationsrate betrug 0,4% und die öffentliche Verschuldung stieg auf 32,9% des BIP (Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Moldau, 16.2.2022 [im Folgenden: BFA Februar 2022], S. 39). Das Entwicklungsgefälle zwischen der Republik Moldau und dem übrigen Europa hat sich verringert. Während 2000 das Pro-Kopf-Einkommen bei 14% des durchschnittlichen EU-Einkommens lag, betrug dieser Wert im Jahr 2020 29% (International Labour Organization, About the ILO in the Republic of Moldova, Januar 2022). Hindernisse für die wirtschaftliche Entwicklung Moldaus sind die Anfälligkeit für Korruption, die politische Unsicherheit, der ungelöste Separatismus in der moldauischen Region Transnistrien, der politische und wirtschaftliche Druck Russlands, schwache Verwaltungskapazitäten, bürokratische Eigeninteressen, die Abhängigkeit von Energieimporten und Agrarexporten, der begrenzte Strukturwandel (ein Viertel der Arbeitnehmer ist in der Landwirtschaft beschäftigt), die Überalterung der Bevölkerung und die anhaltende Abwanderung (CIA, The World Factbook, Moldova, 6.7.2022 [im Folgenden: CIA 2022], Economy, Economic overview; International Labour Organization, About the ILO in the Republic of Moldova, Januar 2022).

Die moldauische Wirtschaft stützt sich stark auf den Agrarsektor, in dem Obst, Gemüse, Wein, Weizen und Tabak angebaut werden (CIA 2022, Economy, Economic overview). Der Anteil der Schattenwirtschaft ist hoch; 30,9% der Beschäftigten sind Schwarzarbeiter, in der Landwirtschaft beträgt der Anteil sogar 63% (BFA Februar 2022, S. 39). Moldau ist auf jährliche Überweisungen von etwa 1,2 Mrd. USD (ca. 15% des BIP) von den rund eine Millionen Moldauern angewiesen, die in Europa, Israel, Russland und anderswo arbeiten (CIA 2022, Economy, Economic overview). Die Überweisungen aus dem Ausland bilden einen wichtigen und in vielen Fällen entscheidenden Beitrag zum Haushaltseinkommen (BFA Februar 2022, S. 39). Aktuell arbeiten ca. 25% der Moldauer im Ausland. Die Abwanderung hat zu einer deutlichen Minderung der Erwerbstätigen- und Beschäftigungsquote geführt. Die Republik Moldau hat eine Erwerbsquote von ca. 41% bei Frauen und 28% bei Männern (2018). Ein Großteil der Arbeitskräfte ist in der Landwirtschaft und der Industrie beschäftigt. Die Arbeitslosenquote lag 2019 bei 5,1% (Internationale Organisation für Migration, Republik Moldau, Länderinformationsblatt 2021 [im Folgenden: IOM 2021], Arbeitsmarkt), 2020 bei 3,8% (International Labour Organization, About the ILO in the Republic of Moldova, Januar 2022).

Die Republik Moldau ist trotz jüngster Fortschritte eines der ärmsten Länder Europas (CIA 2022, Economy, Economic overview). Unterhalb der nationalen Armutsgrenze lebten 2019 25% der Moldauer, wobei die Situation auf dem Land (30%) schlimmer ist als in den Städten (10%, in Chisniau 4,5%). Am schlimmsten ist die Situation in den südlichen Regionen (40%) (BTI 2022, S. 17). Die Zahl der Personen, die von weniger als 3,20 USD pro Tag leben (2011 PPP) ist von 35,1% im Jahr 2000 über 0,5% im Jahr 2010 auf 0% im Jahr 2019 gesunken (https://data.worldbank.org/country/moldova, abgerufen am 13.9.2022). Der Rückgang der Armut ist auf die Rückkehr des Wirtschaftswachstums um die Jahrhundertwende, eine allmähliche Erhöhung der Rentenzahlungen und rasch steigende Überweisungen zurückzuführen. Besonders von Armut betroffen sind Arbeiter in der Landwirtschaft, Rentner und Menschen mit Behinderung (BTI 2022, S. 17 f.). Haushalte mit Kindern sind stärker von Armut bedroht, insbesondere solche mit drei oder mehr Kindern (IOM 2021, Kinder). Geringe Bildung und Armut hängen stark zusammen. 78% der Erwachsenen, die keinen Sekundarschulabschluss haben, gaben an, ein extrem niedriges Einkommen zu haben (BTI 2022, S. 17). Der gesetzlich vorgesehene Mindestlohn von 2.935 MDL (152 EUR) (Januar 2021) liegt unterhalb der Armutsgrenze. Das durchschnittliche Einkommen der arbeitenden Bevölkerung lag Ende Juni 2021 bei 9.045 MDL (469 EUR) (BFA Februar 2022, S. 40).

Beim Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und Sozialleistungen sowie sozialer Absicherung besteht große Ungleichheit. Die von der Regierung angebotene soziale Absicherung und Sozialprogramme sind meist auf weniger privilegierte Gruppen wie Menschen mit Behinderung ausgerichtet. Das Sozialhilfesystem basiert hauptsächlich auf Geld- und Sachleistungen, die in der Regel durch allgemeine Steuern oder externe Hilfe finanziert werden. Der Anspruch auf Sozialhilfe wird in der Regel durch eine Kategorisierung der Gefährdung bestimmt (IOM 2021, Sozialwesen). Alleinerziehende, zumeist Mütter, können sehr geringe Zuschüsse zum Kindesunterhalt beantragen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Moldau, Stand Juni 2021, 31.1.2022 [im Folgenden: AA 2021], S. 18).

Das moldauische Rentensystem ist unterfinanziert und überlastet, was hauptsächlich auf die demografische Situation und die Massenmigration zurückzuführen ist. Das Rentenalter für Frauen liegt bei 58 und für Männer bei 63 Jahren. Zwischen 2015 und 2021 hat sich die Durchschnittsrente fast verdoppelt (von 70 USD auf 122 USD pro Monat). Dennoch ist die Rentenhöhe im Allgemeinen nicht ausreichend und die Rente von Rentnern aus ländlichen Gebieten, die in der Landwirtschaft beschäftigt waren, deckt meist nicht das Existenzminimum ab. Die durchschnittliche Altersrente beträgt 1.087,60 MDL (56 EUR). Ein Viertel der Rentner ist gezwungen, sich eine zusätzliche Arbeit zu suchen (BTI 2022, S. 24; IOM 2021, Sozialwesen).

Arbeitslose können sich bei Arbeitsbörsen anmelden und erhalten für die Dauer von bis zu maximal neun Monaten geringe Unterstützung (AA 2021, S. 18). Die Höhe des Arbeitslosengeldes hängt von dem Gehalt ab, das eine Person bis zur Arbeitslosigkeit bezogen hat. Diejenigen, die ihren Arbeitsplatz aufgrund der erzwungenen Einschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemie verloren haben, erhalten eine monatliche Beihilfe von 130 EUR (BTI 2022, S. 24). In den größeren Städten gibt es überall verschiedene Arbeitsvermittlungsagenturen, die die Einstellung geeigneter Kandidaten in verschiedenen Bereichen erleichtern (IOM 2021, Arbeitsmarkt).

Menschen mit Behinderung erhalten eine Sozialversicherung, die Behindertengeld und Invaliditätsrente vorsieht. Schutzbedürftige Gruppen (z.B. Menschen mit Behinderung, Roma, Opfer von Menschenhandel, Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben) haben je nach Art ihrer Gefährdung Anspruch auf staatliche Leistungen, auch wenn die Unterstützungsmöglichkeiten nicht selten unzureichend sind. Dazu gehören zum Beispiel Unterstützung bei der Jobsuche, Bildung und subventionierte Gesundheitsversorgung (IOM 2021, Sozialwesen).

Die Gesundheitsversorgung ist extrem unterfinanziert (BTI 2022, S. 24), hat sich in den letzten Jahren jedoch stark zum Besseren gewandt. Das moldauische Gesundheitssystem ist eine Kombination aus öffentlichen und privaten medizinischen Einrichtungen. Das Gesundheitsministerium bietet bestimmte Leistungen der Primär- und Sekundärversorgung (z.B. medizinische Notfallversorgung, zahnärztliche Behandlung) kostenlos an. Allerdings wird nur eine sehr begrenzte Auswahl an Medikamenten abgedeckt. 20,3% der Bevölkerung sind nicht versichert, meist Landarbeiter oder informell Beschäftigte in städtischen Gebieten. Die meisten Versicherten sind gesetzlich krankenversichert, wenige privat. Seit 2010 erhalten Haushalte, die unter der Armutsgrenze liegen, automatisch eine gesetzliche Krankenversicherung. Unabhängig vom Versicherungsstatus sind gewährleistet der Zugang zu Notfall- und Erstversorgung, Leistungen im Zusammenhang mit grundlegenden gesundheitlichen Problemen wie HIV, AIDS und Tuberkulose sowie Impfungen. Die gesetzliche Krankenversicherung deckt spezialisierte ambulante und stationäre Behandlungen und eine sehr begrenzte Auswahl an Medikamenten ab. Für Menschen ohne Versicherungsschutz werden diese Leistungen in voller Höhe als OOP-Zahlungen übernommen, die sich aus informellen Zahlungen und Direktzahlungen zusammensetzen. Für Leistungen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung abgedeckt werden, gibt es keine offiziellen Gebühren oder Zuzahlungen; lediglich für abgedeckte Medikamente gibt es eine gestaffelte Skala von Zuzahlungen. Jedoch werden auf fast allen Leistungsebenen informelle Zahlungen erbracht (IOM 2021, Gesundheitsversorgung).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist unter normalen Umständen auch ohne humanitäre Hilfe aus dem Ausland auch in ländlichen Gebieten sichergestellt (AA 2021, S. 18). Die Mietpreise sind in den Städten höher als auf dem Land. Eine durchschnittliche Ein-Zimmer-Wohnung in der Hauptstadt Chisinau kostet etwa 150 bis 300 EUR, eine Zwei- oder Drei-Zimmer-Wohnung je nach Lage des Hauses und Ausstattung zwischen 220 und 400 EUR (IOM 2021, Wohnsituation). Im Rahmen der staatlichen Unterstützung bei der Wohnungssuche können sich Berechtigte, z.B. alleinerziehende Mütter oder Familien mit drei und mehr Kindern, in Wartelisten einschreiben, warten aber meist vergeblich auf die Wohnungsvermittlung. Bedürftige können sehr geringe Zuschüsse zu den Heizkosten beantragen (AA 2021, S. 18).

Das Gericht geht davon aus, dass der 19-jährige Kläger in der Lage sein wird, in Moldau durch Gelegenheitsarbeit seinen Lebensunterhalt zu sichern. Der Kläger hat keine Schule besucht, kein Berufsausbildung und kann Russisch und Romani nur lesen, aber nicht schreiben. In Moldau hat er bereits bei der Apfel- und Kartoffelernte geholfen und dafür am Tag 250 MDL erhalten. Der Kläger ist jung, gesund und arbeitsfähig. Ihm ist es zuzumuten, nach einer Rückkehr nach Moldau seinen Lebensunterhalt durch Aushilfs- und Gelegenheitsarbeit zu finanzieren.

6. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für das Vorliegen einer in Moldau für den Kläger bestehenden Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Umstände, aus denen sich ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot ergeben könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

7. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen sind auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung in die Republik Moldau rechtmäßig. Gegen die Befristung des gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG zu erlassenden gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung bestehen keine Bedenken. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (§ 114 Satz 1 VwGO).

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.

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