Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 14 L 1772/14
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auf 1.800,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 5055/14 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 22.07.2014 wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig.
6Der erhobenen Klage kommt hinsichtlich der in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung enthaltenen Fahrtenbuchauflage wegen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 2 der Ordnungsverfügung) nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) keine aufschiebende Wirkung zu.
7Der Antrag ist jedoch unbegründet.
8Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist oder aus anderen Gründen das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt.
9Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.
10In formeller Hinsicht genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung dem in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normierten Begründungserfordernis. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung bedarf einer eigenständigen, d.h. für den Regelfall äußerlich und inhaltlich über die Begründung der angeordneten Maßnahme hinausgehenden, am konkreten Einzelfall orientierten schriftlichen Begründung. Gerade für Maßnahmen der Gefahrenabwehr ist anerkannt, dass sich die Gründe für den Erlass der Ordnungsverfügung mit denen für die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung decken können und die Begründung der Vollzugsanordnung bei gleichgelagerten Konstellationen im Rahmen der Massenverwaltung standardisiert werden kann.
11Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2007 – 8 B 2746/06 –, Rn. 4, juris.
12Diesen Anforderungen wird die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ohne Weiteres gerecht.
13In materieller Hinsicht erweist sich die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 22.07.2014 bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Die in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos bleiben.
14Die Fahrtenbuchauflage findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Hiernach kann die zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
15Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage sind erfüllt.
16Ein Verkehrsverstoß im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist gegeben.
17Die Antragstellerin ist Halterin des Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen N. ‑Y. 000. Mit diesem Fahrzeug wurde am 04.09.2013 um 12:11 Uhr in I. , Gem. M. , B 241, Abs. 135, außerhalb geschlossener Ortschaften in Fahrtrichtung V. die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 38 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten und damit ein Verkehrsverstoß im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO begangen. Bei diesem Geschwindigkeitsverstoß handelt es sich um eine Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 41 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) i.V.m. Zeichen 274 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, die gemäß lfd. Nr. 11.3.6 der Tabelle 1 lit. c) des Anhangs zu Ziffer 11 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) im Regelfall mit einem Bußgeld von 120,00 Euro bedroht ist. Die mit dem Fahrzeug der Antragstellerin begangene Verkehrszuwiderhandlung wäre demnach bei rechtzeitiger Ermittlung des Fahrzeugführers innerhalb der dreimonatigen Verjährungsfrist (vgl. § 26 Abs. 3 StVG i.V.m. §§ 31 ff. OWiG) gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 lit. a) StVG i.V.m. lfd. Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) im Fahreignungsregister zu speichern und mit einem Punkt nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu bewerten (bzw. gemäß Ziffer 5.4 der Anlage 13 zu § 40 FeV in der bis zum 30.04.2014 geltenden Fassung mit 3 Punkten im Verkehrszentralregister einzutragen) gewesen.
18Der Antragsgegner ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nach der vorgenannten Verkehrszuwiderhandlung gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht möglich war.
19Von einer Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist auszugehen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Zu den angemessenen Maßnahmen gehört grundsätzlich auch, dass der Halter möglichst umgehend – im Regelfall innerhalb von zwei Wochen – von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verspätete Anhörung schließt eine Fahrtenbuchauflage allerdings dann nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 13.10.1978 – VII C 77.74 –, Rn. 15 ff., juris; BVerwG, Beschluss vom 25.06.1987 – 7 B 139.87 –, Rn. 2 f., juris; BVerwG, Beschluss vom 23.12.1996 – 11 B 84.96 –, Rn. 3, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.11.2013 – 8 A 632/13 –, Rn. 5 ff., juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.06.2011 – 8 B 520/11 –, Rn. 3 ff., juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2007 – 8 B 2746/06 –, Rn. 9, juris.
21Dies gilt namentlich für die Fälle, in denen nach den gegebenen Umständen erkennbar ist, dass auch eine frühere Ermittlung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Kraftfahrzeughalter ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken. Insoweit ist es grundsätzlich Sache des Halters, Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat. Dabei obliegt es dem Halter insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert. Lehnt der Halter die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.1982 – 7 C 3.80 –, Rn. 7, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.06.2011 – 8 B 520/11 –, Rn. 6 ff., juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2007 – 8 B 2746/06 –, Rn. 11, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.2005 – 8 A 280/05 –, Rn. 25 ff., juris.
23Die Zwei-Wochen-Frist gilt zudem nicht bei Verkehrsverstößen, die – wie hier – mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmannes im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind.
24Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.11.2013 – 8 A 632/13 –, Rn. 9, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.05.2013 – 8 B 317/13 –; VGH Bayern, Beschluss vom 14.05.2013 – 11 CS 13.606 –, Rn. 13, juris.
25Geht es um Verkehrsverstöße, die mit dem Fahrzeug eines Kaufmannes im Sinne des Handelsrechts begangen worden sind, trifft die Geschäftsleitung eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Diese erhöhte Mitwirkungsobliegenheit rechtfertigt sich durch die handelsrechtlichen Verpflichtungen des Kaufmanns zur Führung und Aufbewahrung von Büchern, aus denen sich Geschäftsvorfälle „in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen“ (§ 238 Abs. 1, § 257 HGB), sowie aus dem Umstand, dass es unabhängig von der Reichweite dieser Vorschriften sachgerechtem kaufmännischen Verhalten entspricht, auch die Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren. Es fällt demgemäß in die Sphäre der Geschäftsleitung, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat. Die Geschäftsleitung muss zumindest in der Lage sein, der Behörde die Firmenangehörigen zu nennen, denen das betreffende Fahrzeug zugerechnet werden kann. Denn es kann nicht Aufgabe der Behörde sein, innerbetriebliche Vorgänge aufzuklären, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht. Ihrer Verpflichtung als Fahrzeughalterin, bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Ordnungswidrigkeiten- bzw. Verwaltungsverfahren mitzuwirken, kann die Geschäftsleitung deshalb regelmäßig nicht mit der Behauptung genügen, es sei nicht möglich, den Fahrzeugführer ausfindig zu machen. Denn eine Firma muss in ihrer Eigenschaft als Kaufmann grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage sein, Geschäftsfahrten und Ähnliches anhand schriftlicher Unterlagen zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen.
26Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.11.2013 – 8 A 632/13 –, Rn. 9, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.01.2012 – 8 B 1308/11 –; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2007 – 8 B 2746/06 –, Rn. 16, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.03.1995 – 25 A 2798/93 –, Rn. 17 ff., juris; OVG Bremen, Beschluss vom 12.01.2006 ‑ 1 A 236/05 ‑, Rn. 6, juris; VGH Bayern, Beschluss vom 14.05.2013 – 11 CS 13.606 –, Rn. 12, juris; VGH Bayern, Beschluss vom 29.04.2008 – 11 CS 07.3429 –, Rn. 15, juris; VGH Bayern, Beschluss vom 01.07.2009 – 11 CS 09.1177 –, Rn. 9, juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 26.05.2008 – 1 L 103/08 –, Rn. 12, juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.01.2013 ‑ 12 N. 272/12 –, Rn. 5, juris.
27Die erforderliche Benachrichtigung des Halters muss dabei nicht zwingend in der Gestalt eines Anhörungsschreibens durchgeführt werden. Auch eine mündliche Befragung durch einen (Außendienst-)Mitarbeiter der Ermittlungsbehörde – sei es im Rahmen einer persönlichen Vorsprache oder mittels telefonischer Anfragen – kann ausreichend sein.
28Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.11.2013 – 8 A 632/13 –, Rn. 11, juris.
29Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze war die Feststellung des Fahrzeugführers im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich. Ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit liegt nicht vor.
30Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Antragstellerin über den mit ihrem Fahrzeug begangenen Geschwindigkeitsverstoß in Kenntnis gesetzt worden ist.
31Zwar kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Antragstellerin im Ordnungswidrigkeitenverfahren der Zeugenfragebogen des Landkreises O. vom 12.09.2013 tatsächlich zugegangen ist, denn dies wird von ihr bestritten. Insbesondere ist das nicht weiter substantiierte Bestreiten des Zugangs vorliegend ausreichend. Denn wer ein Schriftstück nicht erhält, hat keine Möglichkeit über das Bestreiten des Zugangs hinaus darzulegen, aus welchen Gründen er das Schriftstück nicht erhalten hat. Da es sich bei dem Nichtzugang des Zeugenfragebogens um eine negative Tatsache handelt und die Umstände, die den Nichtzugang verursacht haben außerhalb des Einfluss- und Kenntnisbereichs des Empfängers liegen, sind daher keine weiteren Anforderungen an die Substantiierung des Bestreitens zu stellen.
32Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.04.2013 – 8 B 173/13 –, Rn. 9, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.12.2011 – 8 B 1271/11 –; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.03.2011 – 8 B 192/11 –, m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.2013 ‑ 14 L 829/13 –, Rn. 27, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12.08.2011 – 14 L 716/11 –, Rn. 28, juris; VG Aachen, Urteil vom 30.04.2012 – 2 K 714/11 –, Rn. 24 ff., juris.
33Davon zu unterscheiden ist die im Rahmen der Beweiswürdigung zu prüfende Frage, ob das Bestreiten des Zugangs unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Einzelfalls glaubhaft ist.
34Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.04.2013 – 8 B 173/13 –, Rn. 12, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.12.2011 – 8 B 1271/11 –; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.03.2011 – 8 B 192/11 –; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.2013 ‑ 14 L 829/13 ‑, Rn. 29, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12.08.2011 – 14 L 716/11 –, Rn. 30, juris; VG Aachen, Urteil vom 30.04.2012 – 2 K 714/11 –, Rn. 26, juris.
35Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin den Zeugenfragebogen des Landkreises O. vom 12.09.2013 entgegen ihrer Behauptung doch erhalten hat, sind nicht ersichtlich.
36Dem muss jedoch nicht weiter nachgegangen werden, denn es ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Antragstellerin im Zuge der von der Antragsgegnerin auf Ersuchen des Landkreises O. am 28.11.2013 durchgeführten Außendienstermittlungen Kenntnis von dem mit ihrem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß erlangt hat. Dies ergibt sich aus dem in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Vermerk des Ermittlungsdienstes des Antragsgegners vom 28.11.2013. Darin hat der ermittlungsführende Mitarbeiter vermerkt, dass er die Firmenanschrift der Antragstellerin am 28.11.2013 um 13:45 Uhr aufgesucht, dort jedoch niemanden angetroffen habe. Diesbezüglich führt der Mitarbeiter des Antragsgegners aus, dass in der unteren Etage alles dunkel gewesen sei und oben Licht gebrannt habe. Die Tür sei verschlossen und eine Klingel nicht vorhanden gewesen. Ungeachtet des Umstandes, dass Mitarbeiter der Antragstellerin nicht persönlich angetroffen werden konnten, ergibt sich jedoch aus dem Vermerk, in welchem das vorgegebene Textfeld „schriftliche Aufforderung“ angekreuzt wurde, dass am Firmensitz der Antragstellerin ein schriftlicher Anhörungsbogen hinterlassen wurde. Eine Durchschrift dieses Anhörungsbogens vom 28.11.2013 ist unmittelbar nach dem schriftlichen Vermerk in den Verwaltungsvorgängen abgeheftet. Darin werden das Kennzeichen des Fahrzeuges, das Aktenzeichen des Bußgeldverfahrens, die Bußgeldbehörde, Zeit und Ort des mit dem Fahrzeug der Antragstellerin begangenen Verkehrsverstoßes sowie Telefonnummern zur Kontaktaufnahme benannt. Ferner wird der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, sich bis zum Ablauf des 03.12.2013 zu dem Vorgang zu äußern.
37Bei dem in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Vermerk vom 28.11.2013 handelt es sich um eine dienstliche Äußerung, an deren Richtigkeit zu Zweifeln vorliegend kein Anlass besteht.
38Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.2013 – 14 L 829/13 –, Rn. 29, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12.08.2011 – 14 L 716/11 –, Rn. 32, juris.
39Es steht damit zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Anhörungsbogen vom 28.11.2013 vom zuständigen Außendienstmitarbeiter des Antragsgegners ordnungsgemäß in einen am Firmensitz befindlichen Briefkasten der Antragstellerin eingelegt wurde und ihr somit am 28.11.2013 zugegangen ist (vgl. § 130 BGB). Mit der Hinterlassung des schriftlichen Anhörungsbogens im Briefkasten ist dieser so in den Machtbereich der Antragstellerin gelangt, dass sie die Möglichkeit hatte, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen. Damit ist die Antragstellerin in zureichendem Maße über den mit ihrem Kraftfahrzeug am 04.09.2013 begangenen Verkehrsverstoß in Kenntnis gesetzt worden. Eines erneuten Besuches des Außendienstmitarbeiters des Antragsgegners, um Mitarbeiter der Antragstellerin ggf. persönlich anzutreffen, bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht mehr. Denn es ist regelmäßig ausreichend, wenn die erforderliche Benachrichtigung des Halters – wie vorliegend – nachweislich in der Gestalt eines Anhörungsschreibens durchgeführt wurde.
40Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.11.2013 – 8 A 632/13 –, Rn. 11, juris.
41Dem Inhalt des Vermerks und der Durchschrift des Anhörungsbogens vom 28.11.2013 ist die Antragstellerin auch nicht substantiiert entgegengetreten. Sie hat sich vielmehr im Wesentlichen darauf beschränkt zu bestreiten, dass der Außendienstmitarbeiter des Antragsgegners tatsächlich vor Ort war und ihr der Anhörungsbogen vom 28.11.2013 tatsächlich zugegangen ist. Dieses Bestreiten hat sie durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 31.07.2014 bekräftigt. Aus dem Vortrag der Antragstellerin lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der Inhalt des Vermerks vom 28.11.2013 in irgendeiner Weise unzutreffend ist. Es besteht deshalb kein Anlass daran zu zweifeln, dass der Außendienstmitarbeiter des Antragsgegners die Antragstellerin am 28.11.2013 tatsächlich aufgesucht und das Anhörungsschreiben im Briefkasten hinterlassen hat. Da die Antragstellerin – wie sie selbst vorträgt – ihre für die Postverteilung zuständigen Mitarbeiter innerbetrieblich derart angewiesen hat, Schriftstücke in Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren unmittelbar der Geschäftsleitung vorzulegen, spricht nach allgemeiner Lebenserfahrung alles dafür, dass die Geschäftsleitung auch Kenntnis von dem am 28.11.2013 im Briefkasten niedergelegten Anhörungsbogen erlangt hat. Sollten die für die Postverteilung zuständigen Mitarbeiter der Antragstellerin der ausgegebenen innerbetrieblichen Weisung dennoch zuwidergehandelt und die Geschäftsleitung nicht in Kenntnis gesetzt haben, müsste sich die Antragstellerin ein solches Unterlassen ihrer Mitarbeiter jedenfalls zurechnen lassen.
42Vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.07.2014 – 8 A 397/14 –; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.06.2014 – 8 B 415/14 –; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.01.2012 – 8 B 1308/11 –; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.2013 – 14 L 829/13 –, Rn. 35, juris.
43Hatte die Antragstellerin mithin Kenntnis vom Zugang des Anhörungsschreibens bzw. hätte sie diese Kenntnis haben müssen, hätte es ihr oblegen, zeitnah auf schriftlichem, telefonischem oder persönlichem Weg gegenüber der ermittelnden Behörde Angaben zum Fahrer zu machen bzw. den potentiellen Täterkreis einzugrenzen.
44Derartige Angaben erfolgten jedoch nicht, obwohl es der Antragstellerin als Formkaufmann (vgl. § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB) ‑ wie sie selbst vorträgt ‑ auf Grundlage betriebsinterner Dokumentationen möglich gewesen wäre, den Fahrer, der das Kraftfahrzeug am Tattag geführt hat, innerhalb der dreimonatigen Verjährungsfrist (vgl. § 26 Abs. 3 StVG i.V.m. §§ 31 ff. OWiG) zu benennen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Außendienstbesuch am Firmensitz der Antragstellerin erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist durchgeführt wurde. Denn abgesehen davon, dass die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Zwei-Wochen-Frist für die Benachrichtigung des Fahrzeughalters nur regelmäßig gilt und kein formales Tatbestandsmerkmal des § 31a StVZO darstellt,
45vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.11.2013 – 8 A 632/13 –, Rn. 17, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.03.1995 – 25 A 2798/93 –, Rn. 16, juris,
46findet sie – wie bereits ausgeführt – bei Verkehrsverstößen die mit den Firmenfahrzeugen eines Kaufmannes im geschäftlichen Zusammenhang begangen wurden, keine Anwendung. Insoweit entspricht es – unabhängig von der Reichweite gesetzlicher Buchführungspflichten – sachgerechtem kaufmännischen Verhalten, die Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren.
47Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.11.2013 – 8 A 632/13 –, Rn. 17, juris.
48Ohne Belang ist ferner, dass dem vom Außendienstmitarbeiter des Antragsgegners hinterlassenen Anhörungsbogen vom 28.11.2013 kein Radarfoto beigefügt war. Da die Antragstellerin als Formkaufmann einer erhöhten Mitwirkungspflicht unterliegt, musste ein Lichtbild nicht vorgelegt werden.
49Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.07.2014 – 8 A 397/14 –; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.02.2014 – 8 A 88/14 –.
50Ist die Antragstellerin demnach bis zum Ablauf der Verjährungsfrist ihrer gesteigerten Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen, war die Bußgeldbehörde des Landkreises O. nicht gehalten, über den getätigten Ermittlungsansatz hinaus weitere zeitraubende Ermittlungen durchzuführen. Denn es ist nicht ihre Aufgabe innerbetriebliche Vorgänge aufzuklären, denen die Geschäftsleitung weitaus näher steht.
51Der Antragsgegner hat zudem in fehlerfreier Weise von seinem Ermessen Gebrauch gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO. Die Straßenverkehrsbehörde handelt regelmäßig ermessensfehlerfrei, wenn sie ‑ wie vorliegend ‑ für die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage auf die Einstufung der Schwere des zugrunde liegenden Verkehrsverstoßes durch das im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung jeweils geltende Punktesystem in der Anlage 13 zu § 40 FeV zurückgreift. Dabei ist die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage schon bei erstmaliger Begehung eines mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes gerechtfertigt, ohne dass es auf besondere Umstände des Einzelfalles, namentlich die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes, ankommt.
52Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.04.1999 – 8 A 699/97 –, Rn. 21 ff., juris, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 09.09.1999 – 3 B 94.99 –, Rn. 2, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.08.2013 – 8 B 836/13 –; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.07.2014 ‑ 8 B 591/14 ‑.
53Demgemäß liegt die für die Fahrtenbuchauflage gewählte Dauer von 9 Monaten bei einem Verkehrsverstoß, der gemäß lfd. Nr. 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 FeV mit einem Punkt zu bewerten ist (bzw. gemäß Ziffer 5.4 der Anlage 13 zu § 40 FeV in der bis zum 30.04.2014 geltenden Fassung mit 3 Punkten im Verkehrszentralregister einzutragen gewesen wäre), ohne Weiteres innerhalb der ermessensfehlerfrei wählbaren zeitlichen Länge und begegnet im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit keinen rechtlichen Bedenken.
54Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2007 – 8 B 2746/06 –, Rn. 22, juris: Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 12 Monaten bei mit drei Punkten bewertetem Verkehrsverstoß verhältnismäßig.
55Auch die übrige Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Es liegt im besonderen öffentlichen Interesse, dass alles Erforderliche getan wird, um den bei Verkehrsverstößen oder Straftaten in Betracht kommenden Personenkreis so schnell wie möglich zu erfassen. Sinn und Zweck der Fahrtenbuchauflage ist es, Kraftfahrer mit mangelnder Einstellung zu den Verkehrsvorschriften zu ermitteln und geeignete Maßnahmen gegen sie ergreifen zu können. Die Effizienz behördlichen Handelns bei Sicherheitsgefahren wäre in Frage gestellt, wenn durch die Einlegung eines Rechtsmittels über einen längeren Zeitraum die Wirksamkeit der Maßnahme hinausgezögert werden könnte. Da das Führen eines Fahrtenbuches für die Antragstellerin auch keine allzu schwerwiegende Belastung mit sich bringt und über eine gewisse, mit geringem Zeitaufwand verbundene Belästigung nicht hinaus geht, überwiegt nach alledem das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse der Antragstellerin, zunächst von der Führung des Fahrtenbuches verschont zu bleiben.
56Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
57Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei ist in Anlehnung an Nr. 46.11 des aktuellen Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für jeden Monat der Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage ein Betrag von 400,00 Euro (hier: 9 Monate x 400,00 Euro = 3.600,00 Euro) zugrundezulegen. Im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes ermäßigt sich dieser Betrag um die Hälfte (vgl. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges).
58Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.06.2011 – 8 B 520/11 –, Rn. 19, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.05.2014 – 8 B 369/14 –.
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