Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 26 K 1561/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger stand zwischen dem 1. Oktober 1974 und dem 31. Juli 2006, mit dessen Ablauf er in den Ruhestand eintrat, als Beamter im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten, seit dem 19. September 1992 als Hauptbrandmeister. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand leistete er regelmäßig Dienst in einem wöchentlichen Umfang von durchschnittlich 54 Stunden in Form von 24-Stunden-Dienstschichten.
3Mit Schreiben vom 18. Mai 2001 wandte sich der Kläger an den Oberbürgermeister der Beklagten und beantragte unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 – C-303/98 -, aus dem hervorgehe, dass Bereitschaftsdienst, der in Form von persönlicher Anwesenheit in der Einrichtung des Dienstherrn geleistet wird, insgesamt als Arbeitszeit anzusehen sei, (1.) festzustellen, dass der von ihm – dem Kläger – zu leistende Bereitschaftsdienst, der in Form von persönlicher Anwesenheit in der Einrichtung des Dienstherrn geleistet wird, in vollem Umfang als Arbeitszeit anerkannt wird, (2.) die ihm – dem Kläger – aufgrund des Antrages zu 1. – auch für die Vergangenheit – zustehenden Vergütungs- und Besoldungsbestandteile auszuzahlen.
4Diesen Antrag lehnte der Oberbürgermeister der Beklagten durch Bescheid vom 29. Mai 2001 ab, wogegen der Kläger unter dem 18. Juni 2001 Widerspruch erhob. Das diesbezügliche Verfahren wurde daraufhin – wie auch zahlreiche weitere vergleichbare Widerspruchsverfahren von feuerwehrbeamteten Antragstellern aus dem Jahr 2001 – zum Ruhen gebracht, um zunächst eine weitere Klärung noch offener Rechtsfragen abzuwarten.
5Am 1. Januar 2007 trat in Nordrhein-Westfalen eine neue Arbeitszeitverordnung Feuerwehr (AZVO Feu) in Kraft, die bis heute fortgilt. Nach deren § 2 beträgt die wöchentliche Arbeitszeit der im Schichtdienst arbeitenden Feuerwehrbeamten nicht mehr – wie zuvor – 54 Stunden, sondern nunmehr 48 Stunden. Nach § 5 der Verordnung ist es unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes jedoch zulässig, dass sich ein einzelner Schichtdienst leistender Beamter ausdrücklich bereit erklärt, Schichtdienst mit einer über 48 Stunden in der Woche hinausgehenden durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zu leisten (sog. Opt-Out-Erklärung).
6Gegenüber sämtlichen inzwischen aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen Feuerwehrbeamten, die im Jahr 2001 einen Antrag auf Freizeitausgleich gestellt hatten, bot die Beklagte im Februar 2011 eine Regelung im Vergleichswege an. In diesem Sinne wandte sich der Oberbürgermeister der Beklagten mit Schreiben vom 23. Februar 2011 auch an den Kläger. Darin führte er aus, angesichts des zwischenzeitlichen Ruhestandes des Klägers komme ein Freizeitausgleich für ihn nicht mehr in Betracht. Zwar könne hinsichtlich des Antrages des Klägers angesichts auch weiterhin offener Rechtsfragen noch kein abschließender Bescheid erteilt werden, jedoch bestehe Bereitschaft, auf die infolge der jüngst ergangenen Rechtsprechung neue Situation zu reagieren, wenn der Antrag auf Ausgleich der über 48 Stunden wöchentlich hinaus geleisteten Dienstzeiten rechtsverbindlich seine Erledigung finde. Konkret bot der Oberbürgermeister dem Kläger in diesem Schreiben sodann an, ihm für den Fall, dass er bereit sei, auf die Geltendmachung weitergehender Ansprüche zu verzichten, die in der Zeit vom 14. Juli 2005 bis zum Ausscheiden aus dem aktiven Dienst geleisteten 24-Stundenschichten in Anlehnung an die seit dem 1. Januar 2007 geltende „Regelung zum Opt-Out“ mit 20,00 EUR pro geleisteter Schicht zu vergüten, was insgesamt einer Vergütung von brutto 1.340,00 EUR entspräche. Für den Fall, dass der Kläger mit dieser vorgeschlagenen Regelung einverstanden sei und das Angebot unter Verzicht auf die Geltendmachung weitergehender Ansprüche annehmen wolle, werde darum gebeten, dies rechtsverbindlich durch Unterschrift auf der Zweitschrift zu dokumentieren und diese an ihn – den Oberbürgermeister der Beklagten – zurückzusenden.
7Der Kläger unterzeichnete mit Datum vom 8. März 2011 folgende Erklärung unter der Zweitschrift des Schreibens vom 23. Februar 2011: „Ich nehme das mir unterbreitete Angebot an und verzichte auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche.“ Die Zweitschrift mitsamt seiner Erklärung leitete der Kläger sodann dem Oberbürgermeister der Beklagten zu.
8Wie gerichtsbekannt ist, nahm die Beklagte Urteile des BVerwG vom 26. Juli 2012 zum Anlass, Feuerwehrbeamten, welche im Jahr 2001 Anträge nach dem Muster des klägerischen Antrages gestellt hatten, mit denen jedoch im Jahr 2011 keine Vergleiche zustandegekommen waren, wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit Entschädigungsleistungen rückwirkend bis zum 1. Januar 2001 zu gewähren. Dabei berief sich die Beklagte darauf, dass den betreffenden Antragstellern aufgrund der neueren BVerwG-Rechtsprechung dementsprechende Rechtsansprüche zustünden.
9Unter dem 2. Mai 2013 wandte sich der Kläger schriftlich an den Oberbürgermeister der Beklagten. Er nahm Bezug auf den von ihm am 8. März 2011 angenommenen Vergleichsvorschlag, aufgrund dessen er einen Entschädigungsbetrag von 1.340,00 EUR erhalten habe. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2012 entschieden habe, dass bereits seit dem 1. Januar 2001 Ansprüche bestünden, hätten seien Kollegen, die wie er im Jahr 2001 einen Antrag gestellt hätten, teilweise mehr als 20.000,00 EUR erhalten, wie er jetzt erfahren habe. Er sei deshalb der Meinung, dass ihm für die Zeit vor dem Zeitraum, für den der von ihm geschlossene Vergleich gelte, nämlich für die Zeit 1. Januar 2001 bis 13. Juli 2005, ebenfalls noch eine Entschädigung zustehe. Er bat um Überprüfung des Falles und Überweisung des Differenzbetrages.
10Mit Schreiben vom 13. November 2013 lehnte der Oberbürgermeister der Beklagten gegenüber dem Kläger die Gewährung einer Entschädigung, die über die ihm im Rahmen des Vergleichs aus dem Jahr 2011 ausgezahlten 1.340,00 EUR hinaus geht, ab, mit folgender Begründung: Alle Beamten, die – wie auch der Kläger – das im Februar 2011 unterbreitete Vergleichsangebot angenommen hätten, hätten auf die Geltendmachung weitergehender Ansprüche verzichtet. Da die Beklagte nur Zahlungen leisten dürfe, zu denen sie rechtlich verpflichtet sei und mit Annahme der Vergleichsangebote keine Ansprüche mehr gegen die Stadt bestünden, könnten keine weiteren Zahlungen mehr erfolgen.
11Unter dem 19. Dezember 2013 wandte sich der Kläger durch seine nunmehrigen Prozessbevollmächtigten erneut an den Oberbürgermeister der Beklagten. Die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten wiederholten die Ansicht des Klägers aus dessen Schreiben vom 2. Mai 2013, durch den Vergleich aus dem Jahr 2011 sei eine Regelung lediglich für den Zeitraum 14. Juli 2005 bis 31. „Juni“ – gemeint war offensichtlich Juli – 2006 getroffen worden, während der Zeitraum vor dem 14. Juli 2005 nicht von dem Vergleich betroffen gewesen sei, so dass der Kläger auch noch für den Zeitraum 1. Januar 2001 – 13. Juli 2005 einen Anspruch auf Auszahlung der zuviel geleisteten Arbeit habe.
12Demgegenüber führte der Oberbürgermeister der Beklagten durch Schreiben vom 29. Januar 2014 wiederholt aus, dass es aus den bereits dargelegten Gründen nicht möglich sei, dem Kläger eine über die im Rahmen des Vergleichs gewährte Entschädigung hinausgehende Entschädigung für den Zeitraum 1. Januar 2001 – 13. Juli 2005 zu gewähren.
13Am 4. März 2014 hat der Kläger Klage erhoben.
14Zur Begründung wiederholt er seine Ansicht, der im Februar 2011 geschlossene Vergleich stehe einer Entschädigung für den Zeitraum 1. Januar 2001 – 13. Juli 2005 nicht entgegen. Aus der geschlossenen Vereinbarung gehe eindeutig hervor, dass lediglich der Zeitraum 14. Juli 2005 bis 31. „Juni“ – gemeint wiederum Juli – 2006 abgedeckt sei. Dieser Zeitraum sei explizit benannt worden. Für einen außenstehenden Betrachter könne somit lediglich dieser Zeitraum durch die Vereinbarung abgedeckt werden. Soweit er – der Kläger – im Rahmen des Vergleichs auf die Geltendmachung „weitergehender Ansprüche“ verzichtet habe, habe sich dies einzig und allein auf den konkret genannten Zeitraum bezogen. Auf mögliche Ansprüche für die Zeit vor dem 14. Juli 2005 habe er – der Kläger – hingegen zu keinem Zeitpunkt verzichtet.
15Der Kläger beantragt,
16die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 29. Mai 2001, 13. November 2013 und 29. Januar 2014 zu verpflichten, an ihn für die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 14. Juli 2005 über 48 Stunden hinausgehende Mehrarbeit in Höhe von insgesamt 1.226,25 Stunden finanziell im Rahmen der Mehrarbeitsvergütung mit insgesamt 19.243,14 EUR zu vergüten.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie ist der Auffassung, Gegenstand des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleichs sei der Antrag des Klägers vom 18. Mai 2001 und damit bis ins Jahr 2001 zurückreichende mögliche Ansprüche des Klägers. Durch seine Erklärung, auf „weitergehende Ansprüche“ zu verzichten, habe der Kläger deshalb nicht nur für den Zeitraum 14. Juli 2005 bis 31. Juli 2006 der Höhe nach auf weitergehende Ansprüche als angeboten verzichtet, sondern auch für die Zeit vor dem 14. Juli 2005 gänzlich auf mögliche Ansprüche. Die Annahme, dass sie – die Beklagte – einen Vergleich nur für die Zeit ab dem 14. Mai 2005 habe schließen wollen, erscheine als lebensfremd und lasse sich auch dem Wortlaut der Vereinbarung nicht entnehmen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Oberbürgermeisters der Beklagten verwiesen.
21Entscheidungsgründe:
22Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung der im Zeitraum 1. Januar 2001 bis 14. Juli 2005 über 48 Stunden pro Woche hinaus erbrachten Arbeit nach Maßgabe der Mehrarbeitsvergütungsverordnung in Höhe von insgesamt 19.243,14 EUR.
23Es kann dahinstehen, ob dem Kläger gegenüber der Beklagten der klageweise geltend gemachte Anspruch ursprünglich zustand. Selbst wenn man dies zugunsten des Klägers unterstellt, ist dieser Anspruch nämlich aufgrund des zwischen den Beteiligten geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrages mit dem Inhalt der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Vergütung von insgesamt 1.340,00 EUR für im Zeitraum 14. Juli 2005 bis 31. Juli 2006 (Eintritt des Klägers in den Ruhestand) geleistete 24-Stunden-Schichten gegen Verzicht des Klägers auf Geltendmachung darüber hinausgehender Ansprüche auf Abgeltung europarechtswidrig zuviel geleisteter Arbeit untergegangen.
24Zwischen den Beteiligten ist durch das schriftliche Angebot des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 23. Februar 2011 und die schriftliche Annahmeerklärung des Klägers vom 8. März 2011 auf der Zweitschrift dieses schriftlichen Angebots ein öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag gemäß §§ 54, 55 VwVfG NRW mit dem soeben dargelegten Inhalt zustande gekommen, welcher auch der von § 57 VwVfG NRW geforderten Schriftform genügt.
25Das Schreiben des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 23. Februar 2011 ist als Angebot zum Abschluss eines Vergleichs gemäß § 55 VwVfG NRW anzusehen. Es handelt sich nämlich um ein Angebot zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt werden sollte, wie sich aus einer Auslegung dieses Angebots nach Maßgabe des § 62 S. 2 VwVfG i.V.m. §§ 133, 157 BGB ergibt. Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört es dabei, dass die Auslegung in erster Linie den Wortlaut der jeweiligen Erklärung und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen hat,
26vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2000 - II ZR 34/99 -, NJW 2001, 144 f. = juris, Rn. 8;
27der Erklärende muss sich an dem festhalten lassen, was der Empfänger vernünftigerweise verstehen konnte (Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont),
28Reichold in juris-PK BGB, 7. Auflage 2014, § 133, Rn. 8; vgl. auch Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 10. Aufl. 2010, Rn. 323; Arnold in: Erman, BGB, § 133 Rn. 1, 19.
29Dies zugrundegelegt ergibt die Auslegung des Schreibens des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 23. Februar 2011 Folgendes: Das hierin enthaltene Angebot bezog sich, wie bereits eingangs des Schreibens unzweifelhaft klargestellt, auf den vom Kläger im Jahr 2001 gestellten – bis dahin noch nicht abschließend beschiedenen – Antrag auf Ausgleich von unionsrechtswidrig über 48 Stunden in der Woche hinaus geleistete Arbeit. Aufhänger dieses Angebots war nach den sodann folgenden Ausführungen in dem Schreiben das Urteil des EuGH vom 25. November 2010 – C-429/09 -, welches aus Sicht des Oberbürgermeisters zu einer anderen rechtlichen Bewertung als bislang führte, jedoch weiterhin Fragen offen ließ, u.a. zum Maß einer möglichen Abgeltung. Den sodann folgenden Ausführungen in dem Schreiben lässt sich entnehmen, dass die Beklagte in rechtlicher Hinsicht davon ausging, dass dem Kläger allenfalls für die Zeit ab dem 14. Juli 2005 dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch zusteht, weil erst ab diesem Tag ein anspruchsbegründender qualifizierter Verstoß gegen EU-Recht anzunehmen sei. Auf der Basis dieser Ausgangslage wird in dem Schreiben die Bereitschaft formuliert, „auf die neue Situation zu reagieren, wenn die anhängigen Anträge auf Ausgleich der in einer über 48 Stunden/Woche hinausgehenden Arbeitszeit geleisteten Arbeitsleistung damit rechtsverbindlich ihre Erledigung finden“, und diese Bereitschaft konkretisiert durch das durch Fettdruck hervorgehobene Angebot, dem Kläger „für den Fall, dass Sie dazu bereit sind, auf die Geltendmachung weitergehender Ansprüche zu verzichten, (…) die im Zeitraum 14.07.2005 bis zu Ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst, längstens bis 31.12.2006, geleisteten 24-Stundenschichten in Anlehnung an die seit 01.01.2007 geltende Regelung zum Opt-Out mit 20,00 EUR geleisteter Schicht zu vergüten (…), was einer Vergütung von brutto 1.340,00 EUR entspräche.“ Das Schreiben schließt mit den Worten: „Sollten Sie mit der vorgeschlagenen Regelung einverstanden sein und das Angebot unter Verzicht auf die Geltendmachung weitergehender Ansprüche annehmen wollen, bitte ich darum dies rechtsverbindlich durch Ihre Unterschrift auf der Zweitschrift zu dokumentieren und diese an mich zurückzusenden.“
30Unter Würdigung von Wortlaut und des in dem Schreiben zum Ausdruck kommenden Gesamtzusammenhangs scheidet eine Auslegung, wonach die Beklagte einen Vergleich allein betreffend den Zeitraum ab dem 14. Juli 2005 anbieten wollte aus, wie sich insbesondere aus der Formulierung „wenn die anhängigen Anträge auf Ausgleich der in einer über 48 Stunden/Woche hinausgehenden Arbeitszeit geleisteten Arbeitsleistung damit rechtsverbindlich ihre Erledigung finden“ ergibt: Ein objektiver Empfänger dieses Schreibens konnte das darin enthaltene Angebot unter zusammenfassender Würdigung seines Inhalts allein und unmissverständlich nur dahin verstehen, dass die Beklagte hinsichtlich der gesamten durch den in Bezug genommenen Antrag des Klägers aus dem Jahr 2001 geltend gemachten Ansprüche sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach eine unklare Rechtslage als gegeben sah, für welche sie eine unstreitige Regelung mit dem Ergebnis einer „rechtsverbindlichen Erledigung“ vorschlug. Regelungsgegenstand eines möglichen Vergleichs sollten damit klar erkennbar sämtliche antragsgegenständlichen Ansprüche sein und damit nicht nur mögliche Ansprüche ab dem 14. Juli 2005, sondern sämtliche denkbaren rückwirkenden Ansprüche betreffend über 48 Stunden in der Woche hinausgehende Zuvielarbeit; bereits der Antrag des Klägers vom 18. Mai 2001 beinhaltete nämlich die diesem „auch für die Vergangenheit zustehenden“ Ansprüche, reichte also in zeitlicher Hinsicht unbestimmt in die Vergangenheit zurück. Vor diesem Hintergrund war zugleich klar erkennbar, dass die Beklagte in dem Datum des 14. Juli 2005 nicht eine Begrenzung des Gegenstandes einer möglichen vergleichsweisen Regelung, sondern ein Differenzierungskriterium für ein gegenseitiges Nachgeben sah: Da die Beklagte aus der Rechtsprechung des EuGH abzuleiten glaubte, dass Ansprüche des Klägers dem Grunde nach erst ab dem 14. Juli 2005 in Betracht kamen, schlug sie der Sache nach aus dem Gesamtkontext erkennbar ein vollständiges Nachgeben des Klägers betreffend mögliche Ansprüche für die Zeit vor diesem Datum vor. Betreffend mögliche Ansprüche ab dem 14. Juli 2005, die die Beklagte den Ausführungen in dem Schreiben vom 23. Februar 2011 gemäß hingegen als dem Grund nach rechtlich tendenziell gegeben, aber dem „Maß“, d.h. der Höhe nach, für unklar hielt, machte die Beklagte ein konkretes Berechnungsangebot auf der Grundlage der seit dem 1. Januar 2007 geltenden sog. Opt-Out-Regelungen. Dieses Berechnungsangebot lief damit für diesen vorschlagsgegenständlichen Teilzeitraum auf ein Nachgeben der Beklagten in dem Maße der vorgeschlagenen Abgeltungssumme und auf ein Nachgeben des Klägers in darüberhinausgehendem Maße hinaus.
31Vor dem Hintergrund dieser Auslegung des im Schreiben des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 23. Februar 2011 enthaltenen Angebots ist die auf der Zweitschrift dieses Schreibens vom Kläger abgegebene und unterschriebene Erklärung mit dem Wortlaut „ich nehme das mir unterbreitete Angebot an und verzichte auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche“ auszulegen: Die Frage, was mit der Formulierung „weiterer Ansprüche“ gemeint ist, lässt sich nicht isoliert, sondern nur in Kenntnis und unter Berücksichtigung dessen, was Gegenstand des Angebots war, auf das sich die Annahmeerklärung bezieht, beurteilen. Da – wie ausgeführt – entsprechend der vorgenommenen Auslegung Angebotsgegenstand der Beklagten eine Vergütung an den Kläger in Höhe von 1.340,00 EUR gegen gleichzeitigen Verzicht des Klägers sowohl auf hierüber hinaus gehende Abgeltungsansprüche für den Teilzeitraum ab dem 14. Juli 2005 der Höhe nach als auch auf etwaige Abgeltungsansprüche für den Teilzeitraum vor dem 14. Juli 2005 bereits dem Grunde nach war, um auf diese Weise die beabsichtigte „rechtsverbindliche Erledigung“ des Antrags des Klägers vom 18. Mai 2001 auf Abgeltung von unionsrechtswidrig über 48 Stunden hinaus geleisteter Zuvielarbeit in Gänze herbeizuführen, scheidet bei objektiver Betrachtung die Annahme, die Verzichtserklärung könnte sich allein auf mögliche Ansprüche für die Zeit erst ab dem 14. Juli 2005 beziehen, aus. Sofern der Kläger dieser Erklärung subjektiv einen anderen Bedeutungsgehalt beigemessen haben sollte, wäre dies unbeachtlich, da ein anderer Bedeutungsgehalt weder in der Erklärung nach außen erkennbar zum Ausdruck gekommen ist noch sonstige objektive Anhaltspunkte für ein anderweitiges Verständnis bestanden und bestehen.
32Bei dem durch das genannte Angebot der Beklagten und die diesbezügliche Annahmeerklärung des Klägers zustandegekommenen Vertrag handelt es sich um einen verwaltungsaktsersetzenden öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 54 S. 2 VwVfG NRW, weil die behördliche Entscheidung über die Gewährung von Freizeitausgleich bzw. Geldentschädigung für unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit als einzelfallbezogener Hoheitsakt grundsätzlich einer Regelung durch Verwaltungsakt gemäß § 35 S. 1 VwVfG NRW unterliegt,
33vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Mai 2009 – 1 A 2652/07 -, juris (Rn. 27), m.w.N.
34Wie sich bereits aus den zum Inhalt des Vergleichsangebots der Beklagten gemachten Ausführungen ergibt, handelt es sich dabei zugleich um einen Vergleichsvertrag gemäß § 55 VwVfG NRW, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird. Unter Würdigung der im Vergleichsangebot gemachten Angaben zum Ausmaß der Ungewissheit, gleichzeitig aber hinreichend bestehender Anhaltpunkte für eine Bemessung des gegenseitigen Nachgebens durfte die Beklagte den Abschluss des Vergleichs im Sinne des § 55 VwVfG NRW a.E. auch für zweckmäßig halten; Ermessensfehler sind – ungeachtet der Frage, was solche rechtlich zur Folge hätten – insoweit weder vom Kläger vorgebracht noch sonst ersichtlich.
35Die gemäß § 57 VwVfG NRW erforderliche Schriftform wurde gewahrt. Sowohl die Unterschrift eines im Auftrag des Oberbürgermeisters der Beklagten handelnden Bediensteten unter dem Angebot der Beklagten vom 23. Februar 2011 als auch die Unterschrift des Klägers unter dessen Annahmeerklärung vom 8. März 2011 zu dem Angebot befinden sich auf der Zweitschrift des Angebotsschreibens, so dass die gemäß § 62 S. 2 VwVfG NRW i.V.m. § 126 Abs. 2 S. 1 BGB erforderliche sog. Urkundeneinheit besteht.
36Nichtigkeitsgründe für den geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 59 VwVfG NRW sind nicht ersichtlich. Insbesondere folgt eine Nichtigkeit nicht aus § 59 Abs. 2 Nr.2 VwVfG NRW i.V.m. § 2 Abs. 3 BBesG bzw. ÜBesG NRW, weil es sich bei einer Entschädigung für unionsrechtswidrig zuviel geleistete Arbeit nicht um gesetzlich zustehende Besoldung handelt.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
- VwVfG § 62 Ergänzende Anwendung von Vorschriften 2x
- VwVfG § 35 Begriff des Verwaltungsaktes 1x
- VwVfG § 59 Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags 2x
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- VwVfG § 57 Schriftform 2x
- VwVfG § 54 Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags 2x
- BGB § 126 Schriftform 1x
- BBesG § 2 Regelung durch Gesetz 1x
- 1 A 2652/07 1x (nicht zugeordnet)
- II ZR 34/99 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 157 Auslegung von Verträgen 1x
- VwVfG § 55 Vergleichsvertrag 3x