Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 6 K 7650/13
Tenor
Die der Beigeladenen von der Bezirksregierung E. erteilte Genehmigung vom 12. Mai 2010 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 27. August 2013 werden aufgehoben.
Das beklagte Land und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte. Die Beklagte trägt die Kosten des Vorverfahrens. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Verkehrsflughafen Niederrhein liegt zwischen den Städten Weeze und Kevelaer im Kreis Kleve unweit der Grenze zum Königreich der Niederlande. Vom Flughafen E. International liegt er rund 55 km entfernt. Der Verkehrsflughafen Niederrhein wird nahezu ausschließlich von der als „Billigfluglinie“ geltenden Gesellschaft S. genutzt. S. bedient von Weeze ausschließlich Ziele im Ausland. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer der Beigeladenen im Jahr 2010 erteilten Genehmigung, die diese berechtigt, eine zusätzliche Linienbusverbindung pro Stunde vom Bahnhof Weeze zum Flughafen Niederrhein und zurück einzurichten. Die Zahl der Passagiere am Verkehrsflughafen Niederrhein ist von 2010 bis 2014 von 2,4 Millionen auf 1,8 Millionen gesunken.
3In Deutschland ist der Verkehrsflughafen Niederrhein über die Autobahn BAB 57 und – die letzten 11 km – über das örtliche Straßennetz erreichbar.
4Der Flughafen ist aus dem Ballungsraum Rhein-Ruhr und von Kleve aus auch mit dem öffentlichen Personenverkehr erreichbar. Die Linie RE10 („Niers-Express“) der NordWestBahn fährt von Montag bis Freitag im 30-Minuten-Takt, nämlich immer um xx:09 Uhr und xx:39 Uhr, von E. Hauptbahnhof über Kevelaer und Weeze nach Kleve. Die Bahn hält nach 59 Minuten Fahrzeit in Kevelaer (xx:08 Uhr und xx:38 Uhr) und fünf Minuten später (xx:13 Uhr und xx:43 Uhr) in Weeze. Samstags und an Sonn- und Feiertagen fährt der RE10 im Stundentakt, beginnend um xx:09 in E. Hauptbahnhof. Die Gegenrichtung von Kleve nach E. wird im selben Takt bedient.
6Derzeit ist die Haltestelle Airport Terminal von E. Hauptbahnhof und von Kleve aus betrachtet mit Bahn und Bus jeweils im Halbstundentakt erreichbar. Zu der einen halben Stunde muss der Fahrgast mit der Bahn bis Weeze fahren und dort in die SW 1 umsteigen. Zur anderen halben Stunde muss er den RE10 bis Kevelaer nehmen und dort in die Linie 73 umsteigen. Die Fahrt von E. zum Flughafen dauert 1 Stunde und 28 Minuten, wenn man in Kevelaer umsteigt, mit Umstieg in Weeze dauert sie 1 Stunde und 20 Minuten. In der Gegenrichtung dauert die Fahrt vom Flughafen nach E. beim Umstieg in Kevelaer 1 Stunde und 27 Minuten und beim Umstieg in Weeze 1 Stunde und 22 Minuten. Die Fahrpreise für beide Streckenvarianten unterscheiden sich nicht.
8Die Klägerin betreibt durch ihre Stadtwerke die bis 2018 genehmigte Buslinie 73, den sog. „Airport-Shuttle“, die bei jedem zweiten Halt der NordWestBahn in Kevelaer, also einmal stündlich, zum Flughafen abfährt. Aus E. kommend hält der RE10 planmäßig werktags jeweils um xx:08 Uhr und um xx:38 Uhr am Bahnhof von Kevelaer. Aus Kleve kommend hält er jeweils werktags um xx:21 Uhr und xx:51 Uhr in Kevelaer. Immer um xx:48 Uhr (ab 06:48 Uhr) fährt die Linie 73 täglich zum Flughafen ab. Dort trifft sie an der Haltestelle Airpark Terminal nach 19 Minuten Fahrzeit um jeweils xx:07 Uhr ein. In der Gegenrichtung fährt die Linie 73 jeweils um xx:25 Uhr von der Haltestelle Airport Terminal ab und kommt um xx:43 Uhr am Bahnhof in Kevelaer an. Dort fährt der RE10 werktags um jeweils xx:21 Uhr und xx:51 Uhr nach E. und um xx:08 Uhr bzw. xx:38 Uhr nach Kleve ab.
9Die Beigeladene ist ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen. Nach eigenen Angaben ist sie in die Konzernstruktur der S1. -Gruppe eingebunden. 51 Prozent der Aktien werden von der S2. W. GmbH & Co. KG gehalten. Die übrigen Anteile verteilen sich auf die öffentlichen Anteilseigner: 43 Prozent Kreis Wesel, 3 Prozent Kreis Kleve sowie drei weitere Kommunen. Die Beigeladene betreibt mit der SW 1 (genehmigt bis 2016) eine Buslinie, die Bahnreisende ebenfalls im Stundentakt zum und vom Flughafen Niederrhein befördert. Die SW 1 verkehrt zwischen dem Bahnhof Weeze und der Haltestelle Airport Terminal. Der RE10 hält aus E. kommend werktags jeweils um xx:13 Uhr und xx:43 am Bahnhof Weeze. Jeweils zur exakt gleichen Minute hält der RE10 aus Kleve kommend am Bahnhof Weeze. Die Buslinie SW 1 fährt dort um xx:20 Uhr zum Flughafen ab, wo sie nach neun Minuten Fahrzeit um xx:29 Uhr am Terminal eintrifft. Vom Flughafen zum Bahnhof Weeze fährt die SW 1 täglich um xx:00 Uhr ab und kommt dort um xx:09 Uhr an. Werktags fährt der RE10 um xx:15 Uhr und xx:45 Uhr vom Bahnhof Weeze nach E. und jeweils zwei Minuten später nach Kleve ab.
10Nach Verkehrszählungen der Beigeladenen beförderte die Linie SW 1 von Weeze zum Flughafen pro Fahrt rund 7,8 Fahrgäste pro Tag und in umgekehrter Richtung 10,1 Fahrgäste pro Fahrt pro Tag. Nach neueren Zählungen, die die Beigeladene aber lediglich behauptet und nicht belegt hat, sollen es um die 20 Fahrgäste im Durchschnitt pro Fahrt pro Werktag sein. Auf beiden Linien werden Busse mit einer Kapazität von 80 Plätzen eingesetzt.
11Die Beigeladene beabsichtigt, ihre Linie SW 1 nicht mehr im Stundentakt, sondern im Halbstundentakt zwischen dem Bahnhof Weeze und dem Airport Terminal verkehren zu lassen. Die SW 1 soll zusätzlich zur Abfahrt um xx:20 Uhr auch um xx:50 Uhr vom Bahnhof Weeze zum Flughafen fahren. Sie böte dann jeweils Anschluss an die um xx:13 und xx:43 aus E. und an die auf die Minute gleichzeitig ankommenden Bahnen des RE10 aus Kleve.
12Würde die angegriffene Genehmigung umgesetzt, folgte daraus: Gleichgültig zu welcher Zeit der Fahrgast in E. in Richtung Verkehrsflughafen Niederrhein abfährt, kann er sieben Minuten nach der planmäßigen Ankunft des RE10 in Weeze Bahnhof mit der SW 1 in neun Minuten zum Flughafenterminal gelangen. Nur wenn er um xx:39 Uhr von E. abfährt, kann er bereits in Kevelaer aussteigen und mit der Linie 73 („Airport-Shuttle“) zum Flughafen fahren. Dort trifft er um xx+1:07 Uhr (= eine Stunde nach der Abfahrtsstunde, zur Minute 07) ein. Fährt er mit dem RE10 eine Station weiter bis Weeze und nimmt dort die Linie SW 1 mit der neu beabsichtigten Abfahrt xx:50 Uhr, erreicht er den Flughafen bereits um x x+1:59 Uhr (= eine Stunde nach der Abfahrtsstunde, zur Minute 59), also acht Minuten früher.
13Der Landrat des Kreises Kleve stimmte als zuständiger Aufgabenträger der Änderung der Genehmigung nicht nur zu und bestätigte die Übereinstimmung mit dem Nahverkehrsplan des Kreises Kleve, sondern hatte nach übereinstimmender Auskunft der Beteiligten den neuen Halbstundentakt der SW 1 auch initiiert. Die Kosten für die neue Taktung, so geht aus seinem an die beigeladene NIAG gerichteten Schreiben vom 1. Dezember 2009 hervor, seien bereits abgegolten: „Die Mehrleistung ist mit der Pauschale des neuen Verkehrsvertrages vom 27./30.11.2009 abgegolten“ (Beiakte Heft 1 Bl. 6).
14Die Bezirksregierung stellte fest, dass die SW 1 – entsprechend ihrer ursprünglichen Konzeption im Jahr 2001 (GA Bl. 157) – eine reine Zubringerlinie für Bahnkunden des RE 10 vom Bahnhof Weeze zum Flughafen Niederrhein und zurück darstellt. Die Bezirksregierung stellt weiter fest, dass auch die Linie 73 zu 85 bis 90 Prozent der Beförderung von Fahrgästen der Linie RE 10 zwischen dem Flughafen und dem Bahnhof in Kevelaer dient. Die restlichen Aufgaben (10 bis 15 Prozent) der Linie 73 bestehen in Schülerverkehr, Ortserschließung, Bedienung des Freizeitparks „Irrland“ sowie der Beförderung von Mitarbeitern des Flughafens. Insofern geht die Bezirksregierung ausdrücklich davon aus, dass eine „Konkurrenzsituation“ vorliegt und es zu einer Abwanderung des Hauptkundenkreises der Linie 73 auf die SW 1 kommen kann (GA Bl. 151/152). Die Bezirksregierung meint unter Berufung auf Zahlenangaben, deren Herkunft sie auch auf gerichtliche Aufforderung weder offenlegt noch erläutert, gleichwohl, der Hauptteil der Einnahmen auf der Linie 73 werde durch Schülerfahrtkosten und nicht durch Flughafenpassagiere erzielt.
15Die Bezirksregierung meint weiter, mit einer Fahrzeitverkürzung von neun bzw. sechs Minuten, die sie errechnet hat, wenn ihre Änderungsgenehmigung ins Werk gesetzt ist, eine Lücke im bisherigen Verkehrsangebot zu schließen (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. b) PBefG). Hierzu stellt sie auch auf die steigenden Fluggastzahlen am Flughafen Niederrhein im ersten Halbjahr 2013 ab (GA Bl. 156). Weiter meint sie mit Blick auf die Fluggäste, dass die Reise für diese einfacher werde, wenn sie immer am Bahnhof „Weeze“ ein- und aussteigen könnten, weil auch der Flughafen unter dem Namen „Weeze“ bekannt sei. Schließlich sei der Flughafen Niederrhein ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Region, so dass ein verbessertes Verkehrsangebot für Fluggäste auch im öffentlichen Interesse liege (GA Bl. 158).
16Das Ausgestaltungsrecht der Klägerin werde nicht missachtet, weil auch die Beigeladene als vorhandene Unternehmerin anzusehen sei und kein gänzlich neuer Verkehr eingerichtet werde. Es habe keine Aufforderung an die Klägerin gerichtet werden müssen, weil sie ihre Linie 73 in diesem Sinne nicht ausgestalten könne, sondern sie völlig umgestalten müsste.
17Beide Verkehre seien überdies nach dem im Jahr 2013 geänderten Personenbeförderungsgesetz als gemeinwirtschaftlich einzustufen, so dass der von § 8 Abs. 4 PBefG verlangte Vorrang des eigenwirtschaftlichen Verkehrs nicht zum Tragen komme.
18Die Bezirksregierung E. erteilte der Beigeladenen am 12. Mai 2010 für deren Linie SW 1 die beantragte Änderungsgenehmigung über die Linienwegänderung sowie Taktverdichtung des Fahrplans montags bis freitags nach § 42 PBefG, und zwar befristet bis zum 31. Dezember 2016. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Bezirksregierung mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2013, zugestellt am 30. August 2013, zurück und setzte zugleich eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 112,- Euro fest.
19Dagegen hat die Klägerin am 30. September 2013 Klage erhoben.
20Sie ist der Ansicht, dass der genehmigte Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtige, weil der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln ausreichend bedient werden könne. Jeder Fluggast könne den Flughafen Niederrhein alle halbe Stunde entweder nach 1 Stunde und 20 Minuten (Ausstieg Weeze) bzw. 1 Stunde und 25 Minuten (Ausstieg Kevelaer) erreichen. Es bestehe keine Lücke in der Verkehrsbedienung.
21Die Klägerin rügt weiterhin einen Verstoß gegen das Parallelbedienungsverbot, weil der Quell- und Zielverkehrsraum der beiden konkurrierenden Linien gleich sei, nämlich der Transport von E. zum Flughafen Niederrhein und zurück. Es liege keine Ausnahme wegen Geringfügigkeit des Parallelverkehrs vor.
22Außerdem ist die Klägerin der Auffassung, der genehmigte neue Verkehr übernehme bislang von ihr als vorhandene Unternehmerin erfüllte Aufgaben, ohne dass die Verkehrsbedienung hierdurch wesentlich verbessert werde. Sie weist u. a. darauf hin, dass der genehmigte Halbstundentakt etwa Fluggästen aus Nimwegen keine Verbesserung bringe. Denn schon die Busreise von Nimwegen zum Bahnhof Weeze (SB 58) betrage eineinhalb Stunden. Dagegen biete ein privater Busverkehr die Strecke Nimwegen-Flughafen Terminal in einer dreiviertel Stunde an, also in weniger als der Hälfte der Gesamtfahrzeit.
23Die Genehmigung missachte weiterhin das Ausgestaltungsrecht der Klägerin als vorhandene Unternehmerin, weil die der Beigeladenen erteilte Genehmigung in ihre laufende Genehmigung eingreife. Es halte sich im Rahmen einer (unwesentlichen) Ausgestaltung, wenn die Klägerin den nunmehr der Beigeladenen genehmigten Verkehr bediene.
24Die Fahrgastzahlen auf der Linie 73 seien 2014 zurückgegangen, weil die Flugtätigkeit sich verringert habe.
25Schließlich gehe ihre Linie vor, weil sie – zwar im Querverbund der Klägerin, aber dennoch – eigenwirtschaftlich betrieben werde, während die Beigeladene die SW 1 nur als gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistung anbiete.
26Die Klägerin beantragt,
27den Änderungsbescheid der Bezirksregierung E. vom 12. Mai 2010 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 27. August 2013 aufzuheben.
28Das beklagte Land beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Es wiederholt und vertieft die v.a. im Widerspruchsbescheid angeführten Gründe. Im Wesentlichen trägt die Bezirksregierung vor:
31Es sei kein Parallelverkehr genehmigt worden, weil die Streckenführung der SW 1 und der Linie 73 unterschiedlich seien. Lediglich der Ziel- bzw. Startpunkt am Flughafen Niederrhein sei gleich. Die Linie 73 habe neben den Fahrgästen, die zum und vom Flughafen führen, auch noch andere Fahrgäste. Der wirtschaftliche Fortbestand der Linie 73 sei durch die genehmigte Taktverdichtung bei der SW 1 nicht gefährdet. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin ihre Linie 73 bei nur 50.000 Fahrgästen, die eindeutig dem Quell-/Zielverkehr Kevelaer Bahnhof – Flughafen Niederrhein zuzuordnen seien, eigenwirtschaftlich betreiben könne. Diese Fahrgastanzahl erbringe nur ca. 50.000 Euro im Jahr. Es müsse daher von zusätzlichen Einnahmequellen ausgegangen werden, und zwar insbesondere durch Schülerverkehr. Hier vermutet die Bezirksregierung Einnahmen in Höhe von rd. 215.000 Euro pro Jahr.
32Weiterhin meint die Bezirksregierung, dass eine um neun oder sechs Minuten schnellere Verbindung von und nach E. Hauptbahnhof eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsverbindung sei. Es blieben auch Irritationen bei Fluggästen aus, die auftreten könnten, wenn sie in Kevelaer und nicht in Weeze aussteigen müssten, obwohl sie den umgangssprachlich „Flughafen Weeze“ genannten Flughafen erreichen wollten.
33Die Beigeladene beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Sie verweist auf die unterschiedlichen Fahrgastströme, die von der Linie 73 und der SW 1 bedient werden, betont, dass die Initiative für die Taktverdichtung vom Kreis Kleve als zuständigem Aufgabenträger ausgegangen sei, und verweist darauf, dass durch einen Halbstundentakt in Weeze die Irritationen der Fluggäste über den richtigen Start- und Zielbahnhof ausgeschlossen würden.
36Auf den gerichtlichen Hinweis vom 15. Juli 2014 hat die Bezirksregierung u.a. Fahrgastzahlen vorgelegt, die angeblich die Linie SW 1 betreffen und sich auf Barzahler beziehen. Hieraus hat sie bestimmte Schlussfolgerungen auf Verkehrsströme gezogen. Trotz Aufforderung hat die Bezirksregierung die Aufforderung des Gerichts, das Zahlenwerk und die Schlussfolgerungen zu erläutern, ausdrücklich abgelehnt.
37Entscheidungsgründe
38Die Klage hat Erfolg.
391. Die Klage ist zulässig.
40Die Kammer kann offen lassen, ob gegen den Ausgangsbescheid nach §§ 110 JustizG NRW, 55 PBefG seitens der Klägerin Widerspruch zu erheben war.
41Vgl. zu dieser noch offenen Rechtsfrage: VG Düsseldorf , Beschluss vom 28. November 2012 – 6 L 1873/12, juris, m.w.N.
42War Widerspruch zu erheben, hat die Klägerin dem Erfordernis genügt und gegen den Ausgangs- und den Widerspruchsbescheid innerhalb der Klagefrist, die sich in dem Fall nach § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO richtet, fristgemäß Klage erhoben. Selbst wenn kein Widerspruch statthaft war, ist die Klagefrist gegen den Ausgangsbescheid gewahrt, weil Klagegegenstand nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist, dieser also die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch dann in Lauf gesetzt hat, wenn er unstatthaft ergangen sein sollte.
43Auch wenn sich der angefochtene Genehmigungsbescheid nicht an die Klägerin richtet, ist sie klagebefugt. Ein vorhandener Verkehrsunternehmer wie sie hat ein Klagerecht gegen die einem anderen Unternehmer erteilte Genehmigung, wenn er geltend macht, sein dem öffentlichen Verkehr bereits dienendes Unternehmen werde durch die neue Genehmigung beeinträchtigt. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG dient nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, auch dem Schutz des vorhandenen Verkehrsangebots und der darin tätigen Unternehmer.
44Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 1968 – 7 C 90.66, BVerwGE 30, 347, vom 6. April 2000 – 3 C 6.99, NVwZ 2001, 322, und vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09, BVerwGE 137, 199.
452. Die Klage ist begründet, weil der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
46a) Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Linienverkehrsgenehmigung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung,
47vgl. BVerwG, Urteile vom 6. April 2000 – 3 C 6.99, NVwZ 2001, 322, vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09, BVerwGE 137, 199, und vom 24. Oktober 2013 – 3 C 26.12, BVerwGE 148, 175.
48hier also des Widerspruchsbescheids vom 27. August 2013. Zu messen ist die angefochtene Linienverkehrsgenehmigung danach am Personenbeförderungsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften vom 14. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2598).
49Bei der Bewertung von Verkehrsbedürfnissen der unterschiedlichsten Art und ihrer befriedigenden Bedienung sowie einer wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) und b) PBefG kommt der Genehmigungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu, der auch die Frage einschließt, wie gewichtig einzelne öffentliche Verkehrsinteressen sowohl für sich gesehen als auch im Verhältnis zu anderen sind. Dazu hat die Genehmigungsbehörde die Verkehrsbedürfnisse zu ermitteln und zu bewerten, um dann entscheiden zu können, ob und in welchem Maße sie befriedigt werden können und sollen. Diese Entscheidung setzt nicht nur prognostische, sondern auch verkehrs- und raumordnerische Wertungen voraus (vgl. auch § 8 Abs. 3 PBefG). Die Entscheidung ist deshalb ähnlich wie andere planerische Verwaltungsentscheidungen der gerichtlichen Überprüfung nur begrenzt zugänglich.
50Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 1989 – 7 C 39.87, BVerwGE 82, 260, vom 29. Oktober 2009 – 3 C 1.09, BVerwGE 135, 198, vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09, BVerwGE 137, 199, und vom 24. Oktober 2013 – 3 C 26.12, BVerwGE 148, 175.
51Das Gericht überprüft die vollständige und methodengerechte Erfassung des Sachverhalts, die Einhaltung der Verfahrensregeln und der rechtlichen Bewertungsgrundsätze oder -maßstäbe, die Verkennung des anzuwendenden Rechts und den Einfluss von sachfremden Erwägungen.
52Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. (2014) § 114 Rn. 354 m.N.d. Rspr. des BVerwG.
53b) Hiernach hat das durch die Bezirksregierung E. handelnde beklagte Land seinen Beurteilungsspielraum überschritten, als es annahm, der Versagungsgrund des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) PBefG sei nicht gegeben, weil der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln nicht befriedigend bedient werden könne. Soweit sich der Sachverhalt insofern feststellen lässt, trägt er diesen Schluss offensichtlich nicht.
54aa) Gegenstand der von § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG vorgeschriebenen Untersuchung ist der „Verkehr“, also die Verkehrsbewegungen, die mit der angegriffenen Genehmigung erlaubt werden. Die bisherige Genehmigung für die SW 1 lautete darauf, die Strecke Weeze Bahnhof – Verkehrsflughafen Niederrhein und zurück mit einem Bus pro Stunde in jede Richtung zu bedienen. Diese ist nunmehr erweitert um die Bedienung mit einem weiteren Bus pro Stunde in jede Richtung, und zwar im Abstand von 30 Minuten.
55Der maßgebliche Verkehr besteht folglich ganz überwiegend aus den Fahrgästen, die mit der Eisenbahn aus Richtung E. kommend den Verkehrsflughafen Niederrhein erreichen wollen und umgekehrt. Da die angegriffene Genehmigung lediglich jeweils eine zusätzliche stündliche Abfahrt vom und zum Bahnhof Weeze betrifft, die mit den Ankunfts- und Abfahrtszeiten des RE10 vertaktet ist, setzt sich der rechtlich maßgebliche (Hin-)Verkehr ganz überwiegend aus den Fahrgästen mit dem Zwischenziel Flughafen Niederrhein zusammen, die mit dem RE10 („Niers-Express“) fahren, der um xx:39 Uhr in E. abfährt und der um xx+1:38 Uhr in Kevelaer bzw. um xx+1:43 Uhr in Weeze hält. Für den (Rück-)Verkehr vom Flughafen in Richtung E. gilt – mit unterschiedlichen Abfahrtzeiten – dasselbe. Das entspricht auch den unbestrittenen Annahmen aller Beteiligten zum Zweck der taktverdichteten Linie SW 1 der Beigeladenen.
56Soweit zu dem maßgeblichen Verkehr auch die Fahrgäste aus und in Richtung Kleve zählen, ist dieser Anteil im Vergleich zu den Fahrgästen, die aus Richtung E. kommen bzw. in diese Richtung abfahren, jedoch klein. Dieser Personenkreis hat im Verwaltungsverfahren entsprechend den Ergebnissen der Verkehrszählungen mit Recht nur geringe Beachtung gefunden. Die Bezirksregierung, die die Fahrgäste aus Richtung Kleve in ihrem letzten gerichtlichen Schriftsatz besonders hervorhebt, hat nicht dargetan, wie sie deren Zahl ermittelt und in ihre Entscheidung eingebunden hat. Insbesondere hat sie weder erläutert, wie Fluggäste aus Kleve typischerweise anreisen, noch wie das neue Angebot sich zu dem von der Klägerin vorgetragenen privaten Busangebot von Nimwegen zum Flughafen Niederrhein verhält, das die Strecke in nur 45 Minuten bewältigt. Insofern fehlt es an einer vollständigen Erhebung des entscheidungserheblichen Sachverhalts.
57Soweit die Bezirksregierung anführt, dass zahlreiche Fahrscheine den Nahbereich betreffen, hat sie die einleuchtenden Gegeneinwände der Klägerin nicht widerlegt, von diesen Fahrscheinen entfielen zahlreiche ebenfalls auf den hier maßgeblichen „Verkehr“, nämlich die Strecke zum und vom Flughafen Niederrhein. Diese preissensiblen Fluggäste reisten mit dem PKW an, parkten aber auf gebührenfreien Parkplätzen in der Umgebung von Bahn- bzw. Bushaltestellen in Flughafennähe, um die höheren Parkgebühren am Flughafen selbst zu sparen. Dieses Phänomen ist der Kammer aus dem Bereich des Flughafens E. International bekannt. Dort war die Stadt E. gezwungen, in den Wohngebieten rund um den Flughafen eine Parkraumbewirtschaftung einzuführen. Es hatte sich nämlich ein „gewerblicher Parkservice“ entwickelt, dessen Geschäftsmodell darin bestand, die PKW der Fluggäste gegen Entgelt in den umliegenden (gebührenfreien) Wohngebieten zu parken.
58Ebensowenig ist sie dem nachvollziehbaren Einwand der Klägerin eingetreten, auf der (Rück-)Reise vom Flughafen zum Bahnhof lösten viele Reisende erst einmal ein Nahverkehrsticket direkt beim Busfahrer, das nur bis zum Bahnhof gelte, um dort am Schalter oder Automaten einen weiteren Fahrschein für die Weiterfahrt ins Rhein-Ruhr-Gebiet zu lösen.
59bb) Die Bezirksregierung hat ihre Beurteilung, dass eine befriedigende Bedienung des so eingegrenzten Verkehrs mit vorhandenen Verkehrsmitteln fehlt, nicht nachvollziehbar plausibilisieren können. Trotz des Beurteilungsspielraums ist eine Plausibilisierung jedoch erforderlich.
60Eine befriedigende Bedienung des Verkehrs mit den vorhandenen Verkehrsmitteln im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) PBefG findet dann nicht statt, wenn eine Lücke im Verkehrsangebot besteht, wenn – mit anderen Worten – die Nachfrage das Angebot übersteigt.
61Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Oktober 1968 – 7 C 111.66, BVerwGE 30, 251, vom 16. Dezember 1977 – 7 C 59.74, BVerwGE 55, 159, und vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09, BVerwGE 137, 199.
62Umgekehrt gehört es im Allgemeinen zur Wahrung öffentlicher Verkehrsinteressen gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG, dass nicht mehreren Unternehmen für denselben Verkehr parallel zueinander eine Linienverkehrsgenehmigung erteilt wird (sog. Parallelbedienungsverbot). Das gilt jedenfalls dann, wenn davon auszugehen ist, dass eine annähernd kostendeckende Bedienung der Linie nur durch einen Unternehmer erfolgen kann und eine Konkurrenz zu einem ruinösen Wettbewerb führen muss ("unstreitig erschöpftes Kontingent").
63Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Oktober 1988 – 7 C 65.87, BVerwGE 80, 27, und vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09, BVerwGE 137, 199.
64Die Bezirksregierung hat nicht plausibel gemacht, auf welcher tatsächlichen Grundlage sie ihren Beurteilungsspielraum bei der Feststellung der Lückenhaftigkeit des Verkehrsangebots genutzt hat. Es ist weder im Verwaltungs- noch in dem sich anschließenden Gerichtsverfahren deutlich geworden, warum die bestehende Bedienung des Verkehrs „E. Abfahrt xx:39 Uhr RE10 – Verkehrsflughafen Niederrhein“ mit Umstieg in Kevelaer bzw. die umgekehrte Richtung aus der maßgeblichen Sicht des Fahrgastes lückenhaft ist. Die Klägerin befriedigt diesen Verkehr derzeit mit ihrer Linie 73 („Airport-Shuttle“), mit der sie die Fahrgäste in 19 Minuten zur Haltestelle Airport Terminal befördert. Aus den Akten geht nicht hinreichend klar hervor, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Bezirksregierung festgestellt haben will, dass die Nachfrage das bestehende Angebot übersteigt.
65Nach dem aus der Akte ersichtlichen Sachverhalt, der auch im Gerichtsverfahren nicht näher aufgeklärt werden konnte, liegt vielmehr nahe, dass gerade keine Lücke bestand. Denn die Verkehrszählung der Beigeladenen hat ergeben, dass die Linie SW 1 von Weeze zum Flughafen pro Fahrt lediglich rund 7,8 Fahrgäste pro Tag und in umgekehrter Richtung ebenfalls lediglich 10,1 Fahrgäste pro Fahrt pro Tag transportiert. Selbst wenn man die neuesten und für das beklagte Land und die Beigeladene günstigsten Zahlen ohne nähere Prüfung zugrunde legt, sind lediglich 20 Fahrgäste pro Fahrt je Werktag zu zählen. Insofern geht das Gericht mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon aus, dass die von der Beigeladenen erhobenen Fahrgastzahlen größenordnungsmäßig in etwa den Fahrgastzahlen für die Verbindung Kevelaer – Flughafen Niederrhein entsprechen. Wenn die eingesetzten Busse mit einer Kapazität von 80 Passagieren nur zu einem Achtel oder maximal zu einem Viertel besetzt sind, also mindestens 75 Prozent der verfügbaren Plätze im Durchschnitt leer bleiben, hat die Bezirksregierung ihren Beurteilungsspielraum überschritten, wenn sie gleichwohl davon ausgegangen ist, die Nachfrage auf der hier interessierenden Strecke übersteige das bisherige Angebot. Bei angenommenen 32 Fahrten pro Tag pro Bahnhof ergibt das eine Quote von rund 4.000 leeren Busplätzen pro Tag. Es wäre in besonderer Weise begründungsbedürftig gewesen, trotzdem einen Nachfrageüberhang anzunehmen.
66Hieran ändern die zuletzt im Klageverfahren vorgelegten, angeblich von der Beigeladenen stammenden Zahlen über die Barzahler nichts. Abgesehen davon, dass die oben angeführten „Umgebungsparker“ sowie die Fahrgäste, die beim Fahrer nur aus Unkenntnis des Tarifsystems lediglich bis zum Bahnhof lösen, obwohl sie weiter fahren möchten, nicht berücksichtigt sind, erweisen sich die Zahlen als unverwertbar, weil weder ihre Herkunft klar ist noch ihnen irgendeine Aussagekraft zukommt. Die Bezirksregierung hat das Gericht überdies daran gehindert, die Zahlen zu verwerten, weil sie die an sie ergangene ausdrückliche Aufforderung, die Zahlen zu erläutern, ohne nachvollziehbare Erklärung mit dem Bemerken zurückgewiesen hat, es sei alles gesagt. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts geht diese einer Beweisvereitelung nahekommende Weigerung, an der Sachaufklärung mitzuwirken, zu Lasten des von der Bezirksregierung vertretenen Landes.
67cc) Anders als von der Bezirksregierung angenommen ist das aus § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) PBefG folgende Verbot des Parallelverkehrs nicht schon deswegen beachtet, weil der Weg von E. zum Flughafen einerseits über den Umsteigebahnhof Weeze und andererseits über den Umsteigebahnhof Kevelaer führt und infolgedessen auch die Linienführungen der Linie 73 und der SW 1 unterschiedlich sind. Wo die Zwischenhalte stattfinden, ist für den gesamten streitgegenständlichen Verkehr (E. oder Kleve – Flughafen Niederrhein und zurück) ausnahmsweise unerheblich, weil dieser sich in besonderer Weise dadurch auszeichnet, dass für ihn nur die Endhaltestellen (Flughafen bzw. die Haltestellen ab Krefeld bis E. Hbf und Kleve) bedeutsam sind. Insofern unterscheidet sich der streitgegenständliche Verkehr wesentlich von anderem Linienverkehr im Orts- und Nahbereich („Normal-Linienverkehr“), bei dem es wesentlich auf die konkreten Fahrtrouten und damit die Zwischenhaltestellen ankommt. Bei diesem „Normal-Linienverkehr“ mag das Parallelverkehrsverbot bereits beachtet sein, wenn das Ziel bzw. der Ausgangspunkt zwar gleich, die Fahrtrouten aber unterschiedlich sind. An einem solchen „Normal-Linienverkehr“ fehlt es vorliegend allerdings.
68c) Unabhängig davon hat die Bezirksregierung E. ihren Beurteilungsspielraum überschritten, indem sie ohne hinreichende Plausibilisierung angenommen hat, dass durch den neu genehmigten Verkehr eine wesentliche Verbesserung des rechtlich maßgeblich Verkehrs (per RE10 Abfahrt xx:39 Uhr aus Richtung E. zum Flughafen Weeze bzw. die entsprechende Strecke zurück) eintritt, vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b) PBefG. Die Bezirksregierung hätte nachvollziehbar darlegen müssen, warum die Bedienung dieses Verkehrs durch die Linie 73 der Klägerin unzureichend ist und verbessert werden kann. Hierzu bestand besonderer Anlass.
69Die Klägerin nimmt als vorhandene Unternehmerin dieselbe Verkehrsaufgabe wahr, weil sie sowohl denselben Verkehr bedient als auch im Wesentlichen denselben Nutzerkreis anspricht wie die Beigeladene mittels der angefochtenen Genehmigung.
70Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09, BVerwGE 137, 199.
71Denn wenn die der Beigeladenen erteilte Genehmigung Bestand hätte, unterschiede sich die derzeitige von der künftigen Verkehrsbedienung im Ergebnis nur dadurch, dass der Fahrgast das Flughafenterminal in der Hauptverkehrszeit acht Minuten schneller erreicht als bislang. Auf der Strecke zurück ist er sechs Minuten schneller. Er erhielte zwar darüber hinaus die Wahlmöglichkeit, entweder in Weeze oder in Kevelaer umzusteigen, während er bislang (vernünftigerweise) zu einer halben Stunde in Kevelaer umsteigen muss. Warum diese Wahlmöglichkeit verkehrsmäßig vorteilhaft sein sollte, hat die Bezirksregierung nicht erläutert und das erschließt sich auch nicht von selbst. Ein geringerer Fahrpreis scheidet als Verbesserungsmöglichkeit aus, weil dieser sich nicht bzw. fast nicht ändert.
72Soweit die Bezirksregierung ins Feld führt, der Umstieg in der Stadt Weeze sei ein Vorteil, weil Weeze den Namen des Flughafens trage, genügt das nicht, um eine verkehrliche Verbesserung plausibel zu machen. Zunächst einmal heißt der Flughafen „Verkehrsflughafen Niederrhein“ und nicht Weeze, es besteht also keine Namensgleichheit. Darüber hinaus wird er von S. , die praktisch die einzige Gesellschaft ist, die den Flughafen Niederrhein nutzt, mit „Flughafen E. “ und nur im Zusatz mit „Weeze“ bezeichnet. Schließlich lässt die Akte bislang jeden Anhaltspunkt dafür vermissen, dass der Umstieg in Kevelaer bzw. der Wechsel des Umsteigebahnhofs im Halbstundentakt zwischen Kevelaer und Weeze tatsächlich zu Verkehrsbeeinträchtigungen geführt hat, die beseitigt werden könnten, was wiederum zu einer Verkehrsverbesserung führen würde. Diese Annahme ist umso begründungsbedürftiger, als der Fahrgast Verkehrsverbindungen heute nahezu ausschließlich computergeneriert erhält. Sei es, dass er sich die Verbindung selbst im Internet (unterwegs: in Echtzeit auf dem Smartphone, z. B. per App der Deutschen Bahn AG) heraussucht, sei es, dass ihm Reisebüro oder Reisezentrum der Bahn einen Computerausdruck überlassen. In allen Fällen hält er ausgedruckte oder angezeigte Verkehrsverbindungen in den Händen, die die Umsteigebahnhöfe unmissverständlich aufführen.
73Die um acht (E. – Flughafen) und um sechs Minuten (Flughafen – E. ) kürzeren Reisezeiten sind zwar Verbesserungen, die Bezirksregierung hat insofern aber nicht plausibel gemacht, warum sie diese nicht als geringfügig, sondern als wesentlich i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b) PBefG eingestuft hat. Hierzu hätte jedoch besonderer Anlass bestanden. Denn bei der Gewichtung der Verbesserung drängte sich auf einzubeziehen, dass die Fahrt vom Bahnhof (Weeze oder Kevelaer) zum Flughafen – anders als „Normal-Fahrten“ mit Linienbussen – nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern diese bei der hier angezeigten „natürlichen“ bzw. „lebenspraktischen“ Betrachtungsweise nur einen kleinen Teil einer größeren Reise darstellt, die vom Startort über den Flughafen und den Flug zum Zielort führt. Insofern erhellt sich aus der Akte bislang nicht, warum ein Zeitvorteil von acht Minuten besonders ins Gewicht fällt, wenn schon die (Hin-)Fahrt planmäßig 88 Minuten dauert, man sich bereits 90 Minuten vor dem Abflug beim Check-In einfinden soll (Homepage des Verkehrsflughafens Niederrhein, Rubrik „Wissenswertes vor dem Abflug“), der Flug mehr als eine Stunde dauert, am Zielort eine weitere Fahrt nötig ist und sich angesichts der Gefahr von Verspätungen im Bahnverkehr dem Fahrgast ohnehin eine frühzeitige Abfahrt aufdrängt. Vergleichbares gilt für die Rückreise.
74Die Bezirksregierung hat bei der Einstufung der Verbesserung als wesentlich oder unwesentlich die sich aufdrängende Besonderheit außer Acht gelassen, dass die Busfahrt vom Bahnhof in der Nähe des Flughafens zum Flughafen aus der maßgeblichen Sicht des Verkehrsnutzers keinen Selbstzweck besitzt (der Flughafen ist nicht das Endziel des Reisenden), sondern typischerweise nur eine kleine Zwischenetappe auf seiner größeren Reise darstellt. Mögen im gewöhnlichen Nahverkehr, der typischerweise nur kurze Strecken überwindet, fünf bis zehn Minuten Zeitersparnis durchaus als wesentliche Verbesserung angesehen werden können, die sich weitgehend selbst erklärt, gilt das für den vorliegenden Flughafenzubringerverkehr nicht. Es hätte der Bezirksregierung oblegen darzustellen und abzuwägen, warum es für den Verkehrsnutzer nicht eher gleichgültig ist, ob die Fahrt zum und vom Flughafen seine insgesamt mehrstündige Reise (Anfahrt zum Flughafen Niederrhein, 90 Minuten warten, Flug, Abfahrt vom Zielflughafen zur örtlichen Unterkunft) fünf bis zehn Minuten kürzer oder länger ausfällt.
75d) Erweist sich die Zulassungsentscheidung der Bezirksregierung bereits aus zwei selbstständig tragenden Gründen als Verstoß gegen § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) und b) PBefG, kann das Gericht die Frage offen lassen, ob die Genehmigung außerdem gegen § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 c) PBefG verstößt.
76Dasselbe gilt für die Frage, ob der Verkehr der Klägerin eigenwirtschaftlich betrieben wird und ihm schon deswegen (vgl. § 8 Abs. 4 PBefG) ein grundsätzlicher Vorrang einzuräumen ist.
77Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 3 C 1/09, BVerwGE 135, 198; bestätigend: Urteil vom 24. Oktober 2013 – 3 C 26/12, BVerwGE 148, 175.
78Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO; die Beigeladene hat einen Sachantrag gestellt, sich so in die Aktivrolle begeben und war deswegen an der Kostenlast hälftig zu beteiligen. Der Vollstreckbarkeitsausspruch beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
79Rechtsmittelbelehrung:
80Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte – ERVVO VG/FG) vom 7. November 2012 (GV. NRW S. 548) die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
81Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
82Die Berufung ist nur zuzulassen,
831. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
842. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
853. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
864. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
875. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
88Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der ERVVO VG/FG einzureichen.
89Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
90Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind nur die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen sowie diesen gleichgestellte Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe von § 67 Abs. 4 Satz 3 und 7 VwGO zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren eingeleitet wird.
91Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es keiner Abschriften.
92Beschluss
93Der Streitwert wird nach § 52 Abs. 1 GKG auf 20.000 Euro festgesetzt (vgl. Nr. 47.6 des Streitwertkatalogs 2013).
94Rechtsmittelbelehrung:
95Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich, in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte – ERVVO VG/FG) vom 7. November 2012 (GV. NRW S. 548) oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
96Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der ERVVO VG/FG eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
97Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
98Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
99Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es keiner Abschriften.
100War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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Referenzen
- 3 C 26/12 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- PBefG § 8 Förderung der Verkehrsbedienung und Ausgleich der Verkehrsinteressen im öffentlichen Personennahverkehr 2x
- §§ 110 JustizG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 79 1x
- Beschluss vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 6 L 1873/12 1x
- VwGO § 67 2x
- VwGO § 159 1x
- ZPO § 100 Kosten bei Streitgenossen 1x
- 3 C 1/09 1x (nicht zugeordnet)
- PBefG § 42 Begriffsbestimmung Linienverkehr 1x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 3 1x
- PBefG § 13 Voraussetzung der Genehmigung 3x
- VwGO § 162 1x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 74 2x