Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 13 K 2183/14
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 19. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2014 verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 23. bis zum 27. September 2013 einen Mietzuschuss in Höhe von 72,83 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Berufssoldat im Rang eines Oberstabsgefreiten. Er macht Ansprüche auf Mietzuschuss für den Zeitraum vom 23. bis zum 27. September 2013 geltend.
3Der Kläger wurde zum 2. April 2012 zum DtA 2./St/UstgBtl Eurokorps nach T. /Frankreich versetzt. Er erhält einen Auslandszuschlag und einen monatlichen Mietzuschuss in Höhe von 434,30 Euro.
4Mit Bescheid vom 31. Januar 2013 wurde dem Kläger die Teilnahme an einem Berufsorientierungspraktikum beim Hauptzollamt L. für die Zeit vom 23. bis zum 27. September 2013 bewilligt. Als Bestandteil der Förderung wurde der Kläger für diese Zeit vom militärischen Dienst freigestellt.
5Am 8. August 2013 stellte der Kläger für die Zeit seiner Freistellung vom Dienst einen „Antrag auf Gewährung von Auslandstrennungsgeld/Aufwandsentschädigung (ATG/AE)“ und beantragte die Erstattung für die Miete für die Wohnung im Ausland.
6Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. August 2013 ab. Bei einem Berufsorientierungspraktikum handle es sich um keine Maßnahme im Sinne der Auslandstrennungsgeldverordnung (ATGV) und der Aufwandsentschädigungsrichtlinie (AER). Es fehle insbesondere an einem dienstlichen Zusammenhang.
7Mit Schreiben vom 13. September 2013 legte der Kläger „Beschwerde“ ein. Er könne seine Wohnung nicht wegen eines einwöchigen Berufsorientierungspraktikums im Inland aufgeben und müsse auch für diese Zeit die Miete weiterzahlen. Der ersatzlose Wegfall des Mietzuschusses stelle eine zusätzliche Erschwernis dar, die ihn davon abhalte weitere Berufsorientierungspraktika zu absolvieren, wodurch ihm ein Nachteil gegenüber anderen, im Inland eingesetzten, Soldatinnen und Soldaten entstehe.
8Das Bundesverwaltungsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2014 zurück. Die Regelung in § 1 Absatz 1 Satz 1 ATGV bzw. Abschnitt III Satz 1 AER sei abschließend. Andere, insbesondere außerdienstliche Maßnahmen und Fallkonstellationen, würden nicht zu einem Anspruch auf ATG/AE führen. Die ATGV und AER würden nicht zumutbare auslandsdienstortbezogene Mehraufwendungen abgelten, die als Folge einer dienstlich veranlassten, unvermeidbar notwendigen doppelten Haushaltsführung entstünden. Mehraufwendungen, die durch außerdienstliche Maßnahmen entstünden, seien nicht zu berücksichtigen. Die Teilnahme an einem Berufsorientierungspraktikum stelle eine außerdienstliche Maßnahme dar, da diese der beruflichen Orientierung nach dem Ablauf der Verpflichtungszeit als Soldat auf Zeit diene. Der Verordnungsgeber lasse auch keinen Ermessensspielraum zur Vermeidung unbilliger Härten zu.
9Der Kläger hat am 28. März 2014 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
10Der Kläger beantragt sinngemäß,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 19. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2014 zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 23. bis zum 27. September 2013 Mietzuschuss in Höhe von 72,38 Euro zu gewähren.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte bezieht sich zur Vermeidung von Wiederholungen auf ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
15Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 36 und 38 der Gerichtsakte).
16Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Im Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 101 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
19Die Einzelrichterin ist für die Entscheidung zuständig, nachdem ihr die Sache mit Beschluss der Kammer vom 7. Mai 2015 übertragen worden ist (Bl. 39 der Gerichtsakte).
20Die Erweiterung von einer Anfechtungs- zu einer Verpflichtungsklage stellt gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) keine Klageänderung dar, sodass es auf die Voraussetzungen des § 91 VwGO nicht ankommt.
21Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
22I. Die Verpflichtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
23Insbesondere hat der Kläger vor Klageerhebung bei der Beklagten den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes beantragt.
24Zu dieser Sachentscheidungsvoraussetzung vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 42, Rn. 6. m.w.N.
25Unschädlich ist, dass der Kläger den begehrten Mietzuschuss in seinem Antrag vom 7. August 2013 auf eine unzutreffende Anspruchsgrundlage, nämlich § 8 ATGV gestützt hat. Denn aus dem Antrag ergibt sich aus Sicht eines objektiven Empfängers eindeutig (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), dass das Begehren des Klägers in der Sache auf die Gewährung von Mietzuschuss für die Zeit seiner Freistellung vom 23. bis zum 27. September 2013 gerichtet gewesen ist.
26II. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.
27Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 19. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Fortzahlung seiner Auslandsdienstbezüge, hier des Mietzuschusses, für die Zeit vom 23. bis zum 27. September 2013 (§ 113 Absatz 5 Satz 1 VwGO).
28Anspruchsgrundlage für den begehrten Mietzuschuss ist § 52 Absatz 1 Satz 1 und 2 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) in Verbindung mit § 54 BBesG.
29Gemäß § 52 Absatz 1 Satz 1 BBesG werden Auslandsdienstbezüge bei dienstlichem und tatsächlichem Wohnsitz im Ausland (ausländischer Dienstort), der nicht einer Tätigkeit im Grenzverkehr und nicht einer besonderen Verwendung im Ausland dient (allgemeine Verwendung im Ausland) gezahlt. Sie setzen sich gemäß § 52 Absatz 1 Satz 2 BBesG zusammen aus Auslandszuschlag (§ 53 BBesG) und Mietzuschuss (§ 54 BBesG).
301. Sowohl der dienstliche als auch der tatsächliche Wohnsitz des Klägers liegen im Ausland.
31a) Gemäß § 15 Absatz 1 Satz 2 BBesG ist der dienstliche Wohnsitz des Soldaten sein Standort. Der Begriff „Standort“ bezeichnet den Ort, an dem der Truppenteil untergebracht ist, dem der Soldat angehört und in dem er Dienst tut.
32VG Hannover, Beschluss vom 9. November 2007 – 13 A 6292/06 –, juris, Rn. 4 m.w.N.; VG München, Beschluss vom 20. April 2004 – M 12 K 03.3061 –, juris, Rn. 2 m.w.N.; Plog/Wiedow, BBG, § 15 BBesG, S. 2; Kathke, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: 141. AL, Mai 2009, § 15, Rn. 13 m.w.N.
33Danach befindet sich der Standort des Klägers seit dem 2. April 2012 ununterbrochen, d.h. auch während der Freistellung des Klägers vom militärischen Dienst für den Zeitraum vom 23. bis zum 27. September 2013, in T. . Ausweislich der Personalakte ist der Kläger mit Verfügung vom 27. Februar 2012 zum DtA 2./St/UstgBtl Eurokorps nach T. /Frankreich versetzt worden (Bl. 109 Heft 2 der Beiakten). Zwar ist er mit Bescheid vom 31. Januar 2013 zur Teilnahme an einem Berufsorientierungspraktikum in L. für die Zeit vom 23. bis zum 27. September 2013 vom militärischen Dienst freigestellt worden (Bl. 137 Heft 2 der Beiakten). Während dieser Zeit hat der Kläger daher keinen Dienst getan. Indes führt diese fünftägige Unterbrechung der Dienstausübung nicht dazu, dass der Standort des Klägers nicht mehr in T. liegt. Dies ergibt sich aus der nachfolgenden systematischen und teleologischen Auslegung des § 52 BBesG:
34§ 52 Absatz 2 Satz 1 BBesG legt den Beginn und das Ende der Zahlung von Auslandsdienstbezügen fest. Danach werden bei Umsetzung oder Versetzung zwischen dem Inland und dem Ausland vom Tag nach dem Eintreffen am ausländischen Dienstort bis zum Tag vor der Abreise aus diesem Ort gezahlt. Vorliegend ist der Kläger – anders als beispielsweise bei der Freistellung vom Dienst in der Altersteilzeit –,
35vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21. Juni 2007 – 2 C 17.06 –, juris, Rn. 8,
36nicht aus T. abgereist. Denn Abreise kann nach dem Sinn und Zweck der Norm nur das endgültige Verlassen des Standorts bedeuten, sei es weil eine Rückversetzung in das Inland erfolgt, sei es weil der militärische Dienst beendet wird. Bei einer Freistellung, bei der der Soldat – wie vorliegend der Kläger – alsbald zum bisherigen Standort wiederkehrt, bleiben – wie beispielsweise auch bei einer urlaubsbedingten Abwesenheit – die mit der Versetzung ins Ausland bestehenden zusätzlichen Belastungen materieller und immaterieller Art, weiterhin bestehen. Sinn und Zweck der §§ 52 ff. BBesG ist es, gerade diese Belastungen auszugleichen.
37b) Gemäß § 7 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird der Wohnsitz an dem Ort begründet, an welchem sich der Betreffende ständig niederlässt. Maßgeblich ist der räumliche Schwerpunkt der gesamten Lebensverhältnisse einer Person.
38Kuhlmey, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: 153. AL, Januar 2011, § 52, Rn. 6 m.w.N.
39Dieser liegt vorliegend ebenfalls in T. und zwar auch während der fünftägigen Freistellung vom militärischen Dienst. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger seinen bisherigen Wohnsitz für diesen Zeitraum mit dem Willen aufgegeben hat, den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse nicht mehr in T. zu belassen.
402. Schließlich greift auch nicht der in § 52 Absatz 1 Satz 1, 2. Hs. BBesG geregelte Ausschluss für die Zahlung von Auslandsdienstbezügen.
41Denn der Kläger übt keine Tätigkeit im Grenzverkehr aus. Eine Tätigkeit im Grenzverkehr liegt vor, wenn ein Bediensteter selbst im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt ist, oder wenn der Dienst stationär in einer Dienststelle in einem ausländischen Grenzort in unmittelbarem Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Verkehr ausgeübt wird. Beides ist nicht ersichtlich.
42Zudem liegt eine allgemeine und keine besondere Verwendung (vgl. § 56 BBesG) des Klägers vor.
433. Der Kläger hat einen Anspruch auf Mietzuschuss in Höhe von 72,38 Euro für den Zeitraum seiner Freistellung vom 23. bis zum 27. September 2013. Gemäß § 54 Absatz 1 Satz 1 BBesG wird Mietzuschuss gewährt, wenn die Miete für den als notwendig anerkannten leeren Wohnraum (zuschussfähige Miete) 18 Prozent der Summe aus Grundgehalt, Familienzuschlag der Stufe 1, Amts-, Stellen-, Ausgleichs- und Überleitungszulagen mit Ausnahmen des Kaufkraftausgleichs übersteigt. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien liegt der Mehrbetrag des Klägers für seine Miete bei 482,56 Euro (Miete in Höhe von 810 Euro, Grundgehalt etc. in Höhe von 2.152,43 Euro). Nach § 54 Absatz 1 Satz 2 BBesG beträgt der Mietzuschuss 90 Prozent des Mehrbetrages, d.h. im vorliegenden Fall 434,30 Euro. Der Mietzuschuss für die Zeit vom 23. bis zum 27. September 2013, in der der Kläger vom Dienst freigestellt gewesen ist, beträgt danach 72,38 Euro (434,30 Euro: 30 = 14,48 Euro; 14,48 Euro x 5).
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
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Referenzen
- BBesG § 52 Auslandsdienstbezüge 4x
- BBesG § 56 Auslandsverwendungszuschlag 1x
- BBesG § 54 Mietzuschuss 4x
- §§ 52 ff. BBesG 1x (nicht zugeordnet)
- BBesG § 53 Auslandszuschlag 1x
- VwGO § 154 1x
- BBesG § 15 Dienstlicher Wohnsitz 2x
- § 1 Absatz 1 Satz 1 ATGV 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 91 1x
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- VwGO § 173 1x
- § 8 ATGV 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Verwaltungsgericht Hannover (13. Kammer) - 13 A 6292/06 1x