Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 18 K 1297/19
Tenor
Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.
Es wird festgestellt, dass die beschränkende Verfügung unter Ziffer B.1 des Bescheides des beklagten Landes vom 7. Februar 2019 rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu ¾ und das beklagte Land zu ¼.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin meldete am 2. Februar 2019 beim Polizeipräsidium X. per Mail für den 9. Februar 2019 eine Versammlung unter freiem Himmel mit ca. 100 bis 150 Teilnehmern in der Stadt X. an. Der Aufzug sollte um 11.00 Uhr mit einer 45 - 60 Minuten dauernden Auftaktkundgebung an der F.----straße beginnen; nach einer Zwischenkundgebung um 14.00 Uhr beim E. H. sollte die Veranstaltung um 16.00 Uhr mit einer Abschlusskundgebung am Alten S. enden. Als Leiter der Versammlung wurden die Klägerin sowie Herr T. benannt. Das Thema lautete: „Gegen die Totalisolationshaft und Folterung Abdullah Öcalans“. Ein aus E1. kommender Demonstrationszug sollte sich der Versammlung anschließen. Durch das „Kurdisch Demokratische Gesellschaftszentrum E1. “ war ein dreitägiger Marsch (7. bis 9. Februar 2019) zum Thema „Solidaritätsaktion mit der politischen Gefangenen und HDP-Politikern, die in der Türkei gegen die Isolationshaft von Kurdenpolitiker Abdullah Öcalan in Hungerstreik angetreten haben“ mit 100 bis 150 Teilnehmern angemeldet worden.
3Am 6. Februar 2019 fand ein Kooperationsgespräch zwischen der Klägerin und dem Polizeipräsidium X. statt, bei dem die Klägerin unter anderem auf geplante Auflagen und Beschränkungen hingewiesen wurde.
4Mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 7. Februar 2019 bestätigte das Polizeipräsidium X. die Versammlungsanmeldung und gab unter A. - soweit im vorliegenden Verfahren zunächst streitgegenständlich - folgende „Hinweise“:
5A.4: „Hinsichtlich der Verwendung akustischer Hilfsmittel während der Aufzüge ist zu gewährleisten, dass notwendige Durchsagen und Anweisungen des Versammlungsleiters jederzeit alle Versammlungsteilnehmer erreichen können. Weiterhin ist die Lärmbelästigung Dritter auf ein Minimum zu reduzieren. Hierbei darf nach der sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BImSchG ein Wert von 90 dB(A) nicht überschritten werden. Zudem ist drauf zu achten, dass keine Dauerbeschallung erfolgt.“
6A.7: „Die Versammlungsteilnehmer/-innen dürfen keine Flaggen, Abzeichen, Transparente, Handzettel, Bilder oder sonstige optische Gegenstände mit sich führen oder verteilen, die im Zusammenhang mit der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK, deren Nebenorganisationen und deren Nachfolgeorganisationen stehen oder in Verbindung zu bringen sind. Außerdem dürfen sie keine Verlautbarungen machen, wie z.B. „Ich bin PKK“, „Es lebe PKK“ und „PKK ist das Volk und das Volk ist hier“.“
7Unter Punkt B. erließ das Polizeipräsidium X. eine „Beschränkende Verfügung“ in Bezug auf die Versammlung Es wurde unter anderem - soweit vorliegend streitgegenständlich - Folgendes angeordnet:
8B.1: „Transparent- oder Fahnenstangen dürfen eine Länge von 2,5 Meter und einen Durchmesser von 3 Zentimetern nicht überschreiten. Zudem dürfen Sie nicht aus Metall, Hartholz oder sonstigen bruchfesten Materialien gefertigt sein.“
9B.2: „Die Versammlungsteilnehmer/-innen dürfen keine Flaggen, Abzeichen, Transparente, Handzettel oder sonstigen Gegenstände öffentlich zeigen oder verteilen, die mit dem Abbild Abdullah Öcalans versehen sind.“
10Zur Begründung in Bezug auf die Verfügung zu Ziffer B.1 führte das Polizeipräsidium im Wesentlichen aus: Zusammenstöße mit nationalistisch gesinnten Personen türkischer Abstammung könnten nicht ausgeschlossen werden. Das Zeigen der türkischen Fahne, des sogenannten „Wolfsgrußes“ oder „Türkye“-Rufe am Rande der Versammlung könnten ausreichen, um die Versammlungsteilnehmer derart zu emotionalisieren, dass sie gegen „Störer von außen“ gewalttätig vorgingen. Es sei zu befürchten, dass bei den genannten Konfrontationen die Transparent- und Fahnenstangen als Schlag- und Stoßwerkzeuge eigesetzt würden. Hinsichtlich der Verfügung zu Ziffer B.2 machte das Polizeipräsidium geltend: Jedwede Verwendung des Abbildes des PKK-Anführers Abdullah Öcalan erfülle den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes scheide nur in Ausnahmefällen aus, nämlich wenn die Verwendung offenkundig nicht dem Schutzzweck des Gesetzes zuwiderlaufe oder die Verwendung sozialadäquaten Zwecken diene. Diese Ausnahmen griffen aufgrund der Vorkommnisse bei den Versammlungen vom 9. November 2018, 5. Januar 2019, 26. Januar 2019 und 6. Februar 2019 nicht ein.
11Die Klägerin hat am 14. Februar 2019 Klage gegen die o.g. Ziffern des Bescheides erhoben.
12Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:
13Hintergrund der Versammlung sei die Tatsache, dass Abdullah Öcalan sich seit nunmehr 18 Jahren auf der Insel Imrali in Haft befinde, davon 10 Jahre in totaler Isolationshaft. Die Folgen von Isolationshaft auf die Gesundheit seien drastisch. Daher sei die Sorge um den Gesundheitszustand und vor allem das Leben Abdullah Öcalans groß. Ab dem 7. November 2018 habe daher M. H1. einen Hungerstreik begonnen, dem sich zahlreiche Personen angeschlossen hätten. Die durch den Beklagten vorgenommenen Beschränkungen seien rechts- und verfassungswidrig. Die Auflagen widersprächen der grundlegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Versammlungsfreiheit.
14Entgegen des Wortlautes des angegriffenen Bescheids stellten die „Hinweise“ aus den Ziffern A.1-17 teilweise rechtswidrige beschränkende Verfügungen nach § 15 Abs. 1 VersG dar. In der Ziffer A.7 werde nicht bloß auf die allgemeine Gesetzeslage verwiesen, sondern es würden konkret-individuelle Regelungen getroffen, die das Recht aus Art. 8 GG unbegründet einschränkten. So werde der „Hinweis“ gegeben, dass eine Verwendung der in der Anlage 1 zum Bescheid bezeichneten Flaggen einen Verstoß gegen das Kennzeichenverbot aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG darstelle. Auf Seite 5 dieser Anlage fänden sich sog. „PKK-Ablegerparteien“, darunter die PYD, YPG und YPJ. Es werde also behauptet, dass die genannten Parteien Teilorganisationen nach § 4 Abs. 3 VereinsG bzw. Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG seien. Das sei sachlich falsch. Die PYD, die YPG und die YPJ unterlägen in Deutschland und anderen europäischen Ländern keinem Betätigungsverbot und seien unabhängig von der PKK.
15Durch die Verfügung unter Ziffer B.1 werde das Recht der Teilnehmer beschnitten, selbst zu entscheiden, welche Art von Versammlungsmaterial sie für geeignet hielten, um ihren Protest kundzutun. Die Behörde mache türkische Nationalisten als potenzielle Störer aus. Grundsätzlich hätten sich polizeiliche Maßnahmen gegen diese zu richten und nicht gegen die Inhaber des Versammlungsrechts aus Art. 8 GG. Zudem würden bloße Vermutungen vorgebracht, die den Bereich des Hypothetischen nicht verließen. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sei deshalb nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen.
16Die beschränkende Verfügung unter Ziffer B.2 sei ebenfalls rechtswidrig. Das Zeigen eines Öcalan-Bildes sei grundsätzlich erlaubt, wenn kein Bezug zur PKK hergestellt werde. Das sei bei der Veranstaltung zum Thema „Totalisolationshaft und Folterung Abdullah Öcalans“ der Fall. Aus dem Thematisieren des Mordens Erdogans, der Demokratie in Deutschland, des Verhaltens der Polizei, der Untätigkeit der BRD sowie der USA ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine PKK-nahe Ausgestaltung einer Demonstration. Die Rechtsansicht des Beklagten, die Verwendung von Öcalan-Bildern könne nur dann legal sein, wenn sich die Meinungsäußerung streng an das Versammlungsthema halte und keine Themenerweiterung stattfinde, sei falsch und aus demokratischer Sicht höchst bedenklich. Denn damit würde es dem Staat ermöglicht zu entscheiden, was unter ein Versammlungsthema falle und was nicht; es könne in die Freiheit der Versammlung in einer Weise hineinregiert werden, die mit Gefahrenabwehr nichts mehr zu tun habe. Bei der Kundgebung am 9. November 2018 sei die kurdische Frage thematisiert worden, da die Isolationshaft natürlich mit der kurdischen Herkunft Öcalans zu tun habe. Werbung für die PKK könne höchstens in einzelnen Rufen festgestellt worden sein. Die Versammlung am 5. Januar 2019 habe ebenso keinen Bezug zur PKK gehabt. Es sei verfassungswidrig, dass dort Transparente untersagt worden seien, die die türkische Invasion in kurdische Gebiete thematisiere. Mit einem Werben für die PKK habe das jedenfalls nichts zu tun. Auch die Thematisierung des kurdischen Freiheitskampfes und dessen Opfer könne nicht Grundlage eines Verbots für das Zeigen von Bildern Öcalans sein. Soweit der Bescheid behaupte, es seien der Hungerstreik der HDP-Abgeordneten H1. , die Folter der Kurden, das Verbot der kurdischen Sprache und die Situation in Nordsyrien thematisiert worden, könne dies dem Verlaufsbericht der Polizei nicht entnommen werden. Im Übrigen ergäben sich aus diesen Themen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Zeigen von Bildnissen Öcalans als Propaganda für eine verbotene Vereinigung angesehen werden könne. Soweit auf die Kundgebung vom 26. Januar 2019 Bezug genommen werde, sei anzumerken, dass die YPJ/YPG eigenständige Organisationen seien, die in Deutschland weder verboten seien, noch international auf Terrorlisten geführt würden. Sie seien formal und inhaltlich unabhängig von der PKK und keine Nebenorganisationen nach § 8 Abs. 2 VereinsG. Ein Bezug zur PKK lasse sich durch das Zeigen ihrer Flaggen somit nicht herstellen. Ebenfalls mit Bezug auf die Kundgebung am 26. Januar 2019 bringe der Beklagte vor, dass dort „Apo Öcalan“ skandiert worden sei und dass diese Sprechchöre Öcalan als Führer der PKK bezeichnet hätten. Dies sei falsch, denn „Apo“ sei lediglich die Kurzform von Abdullah. Ein Bezug zur PKK sei nicht festzustellen. Schließlich werde vorgebracht, dass bei der Demonstration am 6. Februar 2019 entgegen der Auflage ein Transparent von Öcalan gezeigt worden sei. Aus dem Bescheid gehe nicht hervor, dass der Verstoß gegen die Auflage im Verschulden der Klägerin gelegen habe. Insgesamt sei nicht zu erkennen, inwieweit das Zeigen eines Bildnisses von Öcalan einen Verstoß gegen § 15 Abs. 1 VersG darstelle. Es sei weder von der Versammlungsleiterin in den vergangenen Versammlungen ein Bezug zur PKK hergestellt worden, noch habe die Behörde dargetan, warum ein solcher Bezug am 9. Februar 2019 zu erwarten gewesen sei. Es sei zudem nicht begründet worden, inwieweit PKK-Bekundungen Einzelner dazu geeignet seien, die Kundgebung als Ganzes in PKK-Bezug zu rücken.
17Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hatte,
18festzustellen, dass die beschränkenden Verfügungen Ziffer A.4 sowie A.7 sowie die Ziffern B.1 sowie B.2 rechtswidrig waren,
19beantragt sie nunmehr unter Rücknahme der Klage im Übrigen,
20festzustellen, dass die beschränkenden Verfügungen Ziffer A.7 sowie die Ziffern B.1 sowie B.2 rechtswidrig waren.
21Das beklagte Land beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Zur Begründung macht es im Wesentlichen geltend:
24Bei den Hinweisen in den Ziffern A.1-17 handele es sich lediglich um Hinweise und keine beschränkenden Verfügungen. Bei den in der Anlage 1 zur Anmeldebestätigung gezeigten Symbolen handele es sich um generell verbotene Kennzeichen sowie um erlaubte Kennzeichen, die erst verboten seien, wenn ein Bezug zur PKK hergestellt werde. Des Öfteren sei im Verlauf vergangener Kundgebungen durch Skandieren und Huldigung der Person Öcalans, Zeigen verbotener Symboliken sowie durch Ausrufen zur PKK selbstständig der Bezug zur PKK durch die Versammlungsteilnehmer hergestellt worden. Auf das Verbot dieses Handelns weise Ziffer A.7 hin.
25Unter der beschränkenden Verfügung zu B.1 werde lediglich präventiv die Beschaffenheit und Größe der Hilfsmittel reglementiert. Das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin werde dadurch nicht über Gebühr eingeschränkt, da kein Verbot von Hilfsmitteln geregelt werde. Durch die Bestimmung der Materialbeschaffenheit könne im Falle einer möglichen Störung bzw. Eskalation von außen eine Verletzungsgefahr sowohl für die Versammlungsteilnehmer wie auch für die Einsatzkräfte verringert werden.
26Betreffend Ziffer B.2 erfülle jedwede Verwendung eines Abbildes des PKK-Führers Abdullah Öcalan den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG. Eine Verwirklichung des Tatbestandes scheide nur in Ausnahmefällen aus, wenn die Verwendung offenkundig nicht dem Schutzzweck des Gesetzes zuwiderlaufe oder die Verwendung sozialadäquaten Zwecken diene; dies sei insbesondere der Fall, wenn eine Veranstaltung ausschließlich das persönliche Schicksal des Betroffenen zum Gegenstand habe und von der Öffentlichkeit nicht als allgemeine Werbung für die PKK verstanden werden könne. Dazu sei erforderlich, dass sich die Meinungsäußerung streng an das Versammlungsthema halte und keine Themenerweiterung stattfinde. Dies sei in vergangenen Versammlungen, die durch die Klägerin durchgeführt worden seien, mehrmals nicht eingehalten worden. Der Vortrag der Klägerin, dass sich bei Verstößen gegen Auflagen Maßnahmen ausschließlich gegen mögliche Störer zu richten hätten, entbinde sie gem. §§ 7 Abs. 1 u. 2, 8 und 11 VersG nicht von ihrer Verantwortung als Versammlungsleiterin.
27Mit Prozesskostenhilfebeschluss vom 21. Oktober 2020 hat das Gericht der Klägerin Prozesskostenhilfe insoweit gewährt, als es sich um die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Hinweises unter Ziffer A.7 und der beschränkenden Verfügung unter Ziffer B.1 handelt.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Polizeipräsidiums X. Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe:
30Das Gericht konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
31Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
32Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (I.); im Übrigen war sie abzuweisen (II.a und b).
33I.
34Die als Fortsetzungsfeststellungsklage im Hinblick auf die beschränkende Verfügung unter Ziffer B.1 statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig und begründet.
35In versammlungsrechtlichen Verfahren sind die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltenden Anforderungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG anzuwenden. Allerdings begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Dieses besteht dann, wenn eine Wiederholungsgefahr oder ein Rehabilitierungsinteresse besteht oder wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt,
36vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, juris, Rn. 36; OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2016 - 15 A 1955/15 -, Seite 3 des Entscheidungsabdrucks (nicht veröffentlicht).
37Unter dem letzteren Gesichtspunkt ist aufgrund der Bedeutung der Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG in einer Demokratie die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes stets geboten, wenn die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die Versammlung aufgelöst worden ist. Derartige Eingriffe sind die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit, weshalb es keiner Klärung bedarf, ob eine fortwirkende Beeinträchtigung im grundrechtlich geschützten Bereich gegeben ist. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens ist jedoch ebenso zu bejahen, wenn die Versammlung zwar durchgeführt werden konnte, dies aber infolge von behördlichen Auflagen gemäß § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG) nur in einer Weise, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat. Abzulehnen ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse demgegenüber dann, wenn die Abweichungen bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung betroffen haben,
38vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, juris, Rn. 37 f.; OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2016 - 15 A 1955/15 -, Seite 5 des Entscheidungsabdrucks (nicht veröffentlicht).
39Nach diesen Grundsätzen kann hier ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin aufgrund der Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG angenommen werden. Zwar stand die versammlungsbehördliche Auflage unter Ziffer B.1 der Verfügung vom 7. Februar 2019 der Durchführung der angemeldeten Versammlung nicht entgegen. Sie beeinträchtigte jedoch die Verwirklichung des kommunikativen Anliegens der Versammlung, indem nur Transparent- und Fahnenstangen in der vorgegebenen Größe zugelassen waren.
40Die Klage betreffend Ziffer B.1 ist auch begründet.
41Die dort verfügte Auflage ist rechtswidrig gewesen. Sie ließ sich nicht auf § 15 Abs. 1 VersG stützen. Gemäß § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht,
42vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 -, juris, Rn. 77.
43Das Erfordernis einer unmittelbaren Gefährdung setzt eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen führt,
44std. Rspr., vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2019 - 15 B 1406/19 -, juris, Rn. 11.
45Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde,
46vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris, Rn. 17 u. vom 12. Mai 2010 - 1 BvR 2636/04 -, juris, Rn. 17, OVG NRW, Beschluss vom 9. Oktober 2020 -15 B 1528/20 - (nicht veröffentlicht).
47Unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundrechtsschutzes des Art. 8 GG darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Ist die versammlungsbehördliche Auflage auf eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit gestützt, erfordert die von der Behörde und den befassten Gerichten angestellte Gefahrenprognose daher tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus. Gibt es neben Anhaltspunkten für die Gefahrenprognose auch Gegenindizien, haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen auseinanderzusetzen und dabei den Schutz der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG hinreichend zu berücksichtigen,
48vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2019 - 15 B 771/19 -, juris, Rn. 7 ff.; Beschluss vom 3. November 2017 - 15 B 1371/17 -, juris, Rn. 7 ff., jew. m.w.N.
49Soweit versammlungsrechtliche Beschränkungen mit dem Inhalt der während der Versammlung erwarteten Meinungsäußerungen begründet werden, ist auch die insofern maßgebliche besondere Gewährleistung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG zu berücksichtigen,
50vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2019 - 15 B 1406/19 -, juris, Rn. 12; Beschluss vom 3. November 2017 - 15 B 1371/17 -, juris, Rn. 26, m.w.N.
51Nach diesen Maßstäben lagen die Voraussetzungen für den Erlass der beschränkenden Verfügung unter Ziffer B.1 der Verfügung vom 7. Februar 2019 nicht vor. Es fehlt an einer den genannten Anforderungen des § 15 VersG genügenden Darlegung des Vorliegens einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Das Mitführen der in Ziffer B.1 bezeichneten Transparent- oder Fahnenstangen kann nicht allein wegen der allgemeinen Möglichkeit des Missbrauchs untersagt oder reglementiert werden. Es bedarf vielmehr konkreter und nachvollziehbarer tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass das Mitführen gerade dieser Stangen die öffentliche Sicherheit und Ordnung während der konkret beabsichtigten Versammlung unmittelbar gefährdet. Die hierfür genannten Tatsachen gehen über die allgemeine Vermutung, die in Rede stehenden Stangen könnten geeignet sein, bei Konfrontationen als Schlag- oder Stoßwerkzeuge eingesetzt zu werden, nicht hinaus. Der Beklagte benennt auch keine konkreten Vorfälle, die sich in der Vergangenheit in vergleichbaren (Versammlungs-) Situationen ereignet haben. Allein die vom Beklagten erwarteten Zusammenstöße mit nationalistisch gesinnten Personen türkischer Abstammung und einer daraus resultierenden Emotionalisierung der Versammlungsteilnehmer lassen entsprechende Rückschlüsse nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu.
52Die weitergehende Klage hat keinen Erfolg.
53II.a
54Hinsichtlich des Hinweises unter Ziffer A.7 ist die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 7. Februar 2019 bereits unzulässig. Dabei bedarf keiner Vertiefung, ob es sich um eine Fortsetzungsfeststellungsklage oder eine Feststellungsklage handelt, d.h. ob der „Hinweis“ eine Regelung enthält. Denn die Voraussetzungen für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bzw. ein Feststellungsinteresse sind im Wesentlichen gleich,
55vgl. BayVGH, Beschluss vom 10. Januar 2020 - 10 B 19.2363 - , juris, Rn. 17.
56In versammlungsrechtlichen Verfahren sind die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses bei einer (Fortsetzungs-)Feststellungsklage geltenden Anforderungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG anzuwenden. Nach den oben dargelegten Grundsätzen kann bezüglich des Hinweises unter Ziffer A.7 ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse der Klägerin aufgrund der Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG nicht angenommen werden. Aus der gewählten Formulierung ergibt sich, dass es sich um eine keinen Grundrechtseingriff darstellende Maßnahme handelt, sondern um einen bloßen Hinweis auf die allgemeine Rechtslage. Die allgemeine Verhaltensanweisung zielt nicht auf eine auf erkennbaren Umständen beruhende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Das ergibt sich ohne weiteres hinsichtlich Satz 1 des Hinweises, der lediglich einen Sachverhalt wiedergibt. Bei dem 2. bis 5. Absatz unter Ziffer A.7 handelt es sich um einen bloßen Hinweis auf den Straftatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG und das darin geregelte Kennzeichenverbot und zwar ohne eine konkretisierende Subsumtion, etwa im Hinblick auf Bilder Abdullah Öcalans. Soweit im 6. Absatz die Symbole in Bezug genommen werden, die in der mit der Verfügung übersandten Anlage 1 aufgelistet sind, handelt es sich um einen Hinweis darauf, dass das Bundesministerium des Innern diese Symbole nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse dem Kennzeichenverbot in Nr. 9 der Verbotsverfügung der PKK zugeordnet hat. Das Bundesministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 2. März 2017 die Liste von Symbolen aktualisiert, ohne damit ein Verbot von Vereinigungen auszusprechen,
57vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 11 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, Bundestagsdrucksache 18/12025.
58Bei dem letzten Satz in Ziffer A.7, wonach die Klägerin „die Versammlungsbeteiligten bereits vor dem Beginn der Versammlung aufzufordern“ hat, „diese Symbolik nicht zu zeigen“, handelt es sich lediglich um eine Erläuterung des zuvor Gesagten bzw. um einen Hinweis auf ihre Pflichten als Versammlungsleiterin aus § 19 VersG.
59II.b
60Hinsichtlich der beschränkenden Verfügung in Ziffer B.2 ist die zulässige Klage unbegründet.
61Aus den unter I. dargestellten Grundsätzen kann auch hier ein Fortsetzungs- feststellungsinteresse der Klägerin aufgrund der Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG angenommen werden.
62Rechtsgrundlage der verfügten Regelung ist § 15 Abs. 1 VersG. Nach den oben dargelegten Maßstäben lagen die Voraussetzungen für den Erlass der Auflage unter Ziffer B.2 der Verfügung vom 7. Februar 2019 vor. Das Polizeipräsidium X. hat zu Recht angenommen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten stand, dass im Rahmen der streitgegenständlichen Versammlung am 9. Februar 2019 Bildnisse des Abdullah Öcalan gezeigt würden und die Verwendung dieser Abbilder den Straftatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG erfüllt hätte. Insbesondere ist die damit verbundene Einschätzung, dass das Bildnis Abdullah Öcalans bei der betreffenden Versammlung als Kennzeichen der verbotenen Vereinigung „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) anzusehen gewesen wäre, gerechtfertigt. Insoweit wurde die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) durch Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 1993 gemäß § 18 Satz 2 VereinsG unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung verboten. Das Betätigungsverbot ist seit dem 26. März 1994 bestandskräftig.
63Kennzeichen im Sinne des Vereinsgesetzes sind Organisationsmittel, die durch ihren Symbolwert auf den Vereinszweck hinweisen, den Zusammenhalt der Mitglieder stärken und die Vereinigung von anderen Organisationen unterscheiden. Zu ihnen zählen insbesondere Symbole oder Erkennungszeichen, deren sich die betreffenden Vereinigungen bedienen oder bedient haben, um propagandistisch auf ihre politischen Ziele hinzuweisen. Dabei erfüllt ein Symbol oder Erkennungszeichen den Begriff des Kennzeichens im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG, wenn es von der Organisation in der beschriebenen Weise eingesetzt wird und eine Identifikationswirkung entfaltet. Diese Wirkung wird in der Regel aufgrund einer häufigeren Verwendung und durch einen eindeutigen sachlichen oder personellen Bezug zur Organisation erzielt. Im Ergebnis ist ein Kennzeichen dadurch geprägt, dass es allgemein und losgelöst von einem einzelnen konkreten Kommunikationszusammenhang als allgemeines Symbol für eine Organisation erkannt und wiedererkannt wird und aufgrund dieser allgemeinen Kenntlichkeit der betreffenden Vereinigung zugeordnet wird,
64vgl. OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 22 (z.T. m.w.N.); VG München, Beschluss vom 16. Februar 2018 - M 13 S 18.743 -, juris, Rn. 24.
65Auch Bildnisse politischer Persönlichkeiten sind grundsätzlich geeignet, als Kennzeichen für Vereinigungen im Sinne des Vereinsgesetzes zu fungieren. Dies gilt (weiterhin) für Bildnisse Abdullah Öcalans,
66vgl. OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 24; OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2017 - 15 B 1371/17 -, juris, Rn. 28; VG München, Beschluss vom 16. Februar 2018 - M 13 S 18.743 -, juris, Rn. 26, VG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Mai 2019 - 18 L 1374/19 -, juris, Rn. 21; Urteil vom 19. Februar 2020 - 18 K 17619/17 -, juris, Rn. 47 ff.;
67Die Verwendung der in Ziffer B.2 der beschränkenden Verfügung genannten Gegenstände mit dem Abbild Abdullah Öcalans war betreffend die Versammlung am 9. Februar 2019 auch nicht ausnahmsweise nach § 20 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG erlaubt. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG lässt die Verwendung von Kennzeichen im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen und ähnlicher Zwecke zu. Sie gestattet damit das Verwenden im Grundsatz verbotener Kennzeichen zu „sozialadäquaten“ Zwecken. Die Vorschrift lässt die Verwendung des Kennzeichens auch für Zwecke zu, die den ersten beiden – hier nicht in Betracht kommenden – Tatbestandsmerkmalen „ähnlich“ sind. Das Kennzeichen darf danach über die enge Zweckrichtung hinaus auch für Zwecke der Kunst, der Wissenschaft, der Forschung und Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens und der Geschichte verwendet werden. Die Vorschrift ist insoweit mit Blick auf die grundrechtlichen Freiheiten weit auszulegen,
68vgl. OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 28 ff.
69Bei Meinungsäußerungen, die erkennbar keinen Zusammenhang zum Organisationsbereich der betroffenen Vereinigung oder deren Wirken aufweisen, kann die Verwendung von Öcalan-Bildern deshalb im Einzelfall „sozialadäquat“ sein. Bei Veranstaltungen und Versammlungen, die ohne Zusammenhang zu PKK-nahen Aktivitäten allein die persönliche Situation des Gefangenen Öcalan zum Gegenstand der öffentlichen Meinungsbildung machen und von der Öffentlichkeit nicht als allgemeine Werbung für die PKK verstanden werden, ist es daher nicht in jedem Fall verboten, Bilder seiner Person zu zeigen,
70vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2017 - 15 B 1371/17 -, juris, Rn. 31, Beschluss vom 9. Oktober 2020 - 15 B 1528/20 -, juris Rn. 18; VG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Mai 2019 - 18 L 1374/19 - juris, Rn. 21;
71Insoweit spielt auch das Versammlungsthema eine zentrale Rolle. Gemessen daran ist vorliegend davon auszugehen, dass es sich bei der Verwendung der in der Auflage Ziffer B.2 in Bezug genommenen konkreten Gegenstände trotz des auf die Haftbedingungen des Menschen Öcalan ausgerichteten Versammlungsthemas „Gegen die Totalisolationshaft und Folterung Abudallah Öcalans“ nicht um einen sozialadäquaten Gebrauch im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG handelt. Der Beklagte hat konkrete Anhaltspunkte für die Gefahr vorgebracht, dass die Veranstaltung entgegen dem angemeldeten Motto ein Gepräge aufweisen werde, in deren Kontext sich die Verwendung eines Öcalan-Abbildes nicht mehr als ausnahmsweise erlaubt darstellen würde. So hat er im Bescheid im Einzelnen aufgelistet, welche Vorkommnisse bei den Versammlungen am 9. November 2018 (Thema: „Gesundheitszustand von Herrn Abdullah Öcalan“), 5. Januar 2019 (Thema: „Gesundheitszustand Abdullah Öcalans“), 26. Januar 2019 (Thema: „Gesundheitszustand Abdullah Öcalan“) und 6. Februar 2019 (Thema: „Die Gesundheit Abdullah Öcalans, M. H1. und alle Gefangenen, die sich im Hungerstreik befinden“) Grund zu dieser Annahme gaben. Bei all diesen Veranstaltungen wurden trotz des eingeschränkten Versammlungsthemas Betätigungen vorgenommen und Äußerungen gemacht, die im Zusammenhang mit dem Organisationsbereich der PKK oder deren Wirken standen und damit einen unzulässigen Bezug zur PKK herstellten. Zwar trifft das Vorbringen der Klägerin zu, dass die Thematisierung des kurdischen Freiheitskampfes, der türkischen Invasion in kurdische Gebiete, der Folter der Kurden und des Verbotes der kurdischen Sprache usw. nicht grundsätzlich Anhaltspunkte für einen PKK-Bezug bieten. Etwas anderes gilt aber vorliegend, da die genannten Versammlungen in der Vergangenheit durch die bei den Reden gewählten Themen bzw. durch die Verwendung von Symbolen zu Themen außerhalb des Versammlungsthemas eindeutig ein Gepräge erhalten hatten, in dessen Kontext sich die Verwendung eines Öcalan-Bildes nicht mehr ausnahmsweise als erlaubt dargestellt hat. So hatte auf der Versammlung vom 9. November 2018 keiner der Redebeiträge den Gesundheitszustand Öcalans zum Thema, sondern alle Redner/-innen befassten sich mit Themen völlig außerhalb des Versammlungsthemas (z. B. Demokratie in Deutschland, Verhalten der Polizei, Unterstützung der Türkei durch die USA), thematisierten den untrennbar mit der PKK verbundenen kurdischen Freiheitskampf („keiner schafft es, die Kurden zu vernichten, alle werden kämpfen, solange es möglich ist“) oder sprachen direkt PKK-Themen an (z. B. Antiterroreinheit der USA gegen drei Funktionäre der PKK, Errungenschaften der PKK gegen den IS). Weiterhin wurde ein Plakat mit dem Abbild kurdischer Freiheitskämpfer gezeigt und es erfolgten mehrfach PKK-Rufe durch die Teilnehmer. Bei der Versammlung am 5. Januar 2019 sollte ein Flyer verteilt werden, der Bezüge von Öcalan zum kurdischen Freiheitskampf und der PKK enthielt. Es sollten zudem Flaggen mit Bildnissen dreier in Paris getöteter kurdischer Aktivistinnen gezeigt werden, von denen eine ein Gründungsmitglied der PKK war, sodass damit ein direkter Bezug zur PKK hergestellt wurde. Die Redebeiträge erfolgten ebenfalls nicht zu dem angemeldeten Versammlungsthema, sondern thematisierten erneut den kurdischen Freiheitskampf und dessen Opfer. Zwar trifft es – wie die Klägerin vorträgt – zu, dass die Biographie Öcalans untrennbar mit letzterem Thema verbunden ist. Ist dieses Thema aber wie hier Gegenstand einer Versammlung zum Thema Gesundheitszustand Abdullah Öcalans, ändert sich deren Gepräge dergestalt, dass sich in ihrem Kontext die Verwendung eines Abbildes Öcalans nicht mehr als ausnahmsweise erlaubt darstellt. Gleiches gilt für die Versammlung am 26. Januar 2019, bei der Flaggen zum kurdischen Freiheitskampf und Flaggen mit Bildnissen der genannten drei getöteten kurdischen Aktivistinnen gezeigt werden sollten. Bei keiner der genannten Versammlungen ließ die Gesamtausrichtung eine strikte Trennung des angemeldeten Themas von den allgemeinen Zielen der PKK erkennen. Es gab weder Redebeiträge noch wurden Symbole benutzt, die sich direkt auf die persönliche Situation und den Gesundheitszustand Öcalans bezogen. Vielmehr verfolgten die Versammlungen ein allgemeinpolitisches Anliegen, das auch implizite Kritik am Verbot der PKK umfasste. Alle genannten Versammlungen waren auch geeignet, eine entsprechende Prognose für die streitgegenständliche Versammlung am 9. Februar 2019 zu begründen. Denn neben dem Thema war auch der Teilnehmerkreis ähnlich und die Klägerin hat auch an den anderen Versammlungen als Verantwortliche (teils als Anmelderin, teils als Vertreterin des Anmelders) fungiert. Insoweit wird auf die ausführlichen Darlegungen im Bescheid des Beklagten Bezug genommen.
72Das in der Auflage Ziffer B.2 enthaltene Verbot, mit dem Abbild von Abdullah Öcalan versehene Flaggen, Abzeichen, Transparente, Handzettel oder sonstige Gegenstände zu zeigen oder zu verteilen, war schließlich auch nicht unverhältnismäßig. Denn mildere, zur Vermeidung der prognostizierten Verstöße gegen die Rechtsordnung ebenso geeignete Mittel standen dem Beklagten nicht zur Verfügung.
73Die Kostenentscheidung folgt für den zurückgenommenen Teil der Klage aus § 155 Abs. 2 VwGO und im Übrigen – entsprechend dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten – aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
74Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
75Rechtsmittelbelehrung:
76Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
77Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
78Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
79Die Berufung ist nur zuzulassen,
801. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
812. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
823. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
834. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
845. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
85Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
86Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
87Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
88Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
89Beschluss:
90Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
91Gründe:
92Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 2 GKG.
93Rechtsmittelbelehrung:
94Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
95Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
96Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
97Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
98Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
99War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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Referenzen
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- VwGO § 155 2x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 15 VersG 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 VereinsG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 233/81 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 92 1x
- § 7 Abs. 1 u. 2, 8 und 11 VersG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 461/03 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x
- 18 K 17619/17 1x (nicht zugeordnet)
- § 18 Satz 2 VereinsG 1x (nicht zugeordnet)
- 15 B 1528/20 2x (nicht zugeordnet)
- § 8 Abs. 2 VereinsG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 2636/04 1x (nicht zugeordnet)
- § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG 3x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG 3x (nicht zugeordnet)
- 15 B 1371/17 4x (nicht zugeordnet)
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- VwGO § 67 1x
- 15 B 771/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 144/05 3x (nicht zugeordnet)
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- VwGO § 101 1x
- 15 B 1406/19 2x (nicht zugeordnet)
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- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 15 Abs. 1 VersG 5x (nicht zugeordnet)