Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 2 K 8915/19
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger steht als Polizeivollzugsbeamter im Dienst des beklagten Landes und versieht seinen Dienst aktuell im Polizeipräsidium P. .
3Mit Schreiben vom 9. August 2019 beantragte er die Bewilligung von fünf Tagen Sonderurlaub für die Teilnahme an der Veranstaltung „Rückenfit – mach mit oder die Stärkung des inneren und äußeren Rückgrats / Erwerb von Methoden zum Erhalt der Leistungsfähigkeit und Rückengesundheit im beruflichen Alltag einer sitzenden Gesellschaft“. Die Veranstaltung wurde angeboten von der Bildungsakademie des Landessportbundes I. e.V., einer von der Bezirksregierung E. anerkannten Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung. Sie sollte in dem Zeitraum vom 22. März 2020 bis zum 28. März 2020 auf der Insel T. stattfinden.
4In der Veranstaltungsbeschreibung heißt es auszugsweise:
5„Speziell zum Thema Rückenschmerzen und Rückengesundheit ist es das Lernziel des Bildungsurlaubs, Stressspiralen am Arbeitsplatz zu identifizieren und zu durchbrechen sowie über eine Standortbestimmung der eigenen Person und des eigenen Arbeitsplatzes im gesellschaftlichen Gefüge die Mechanismen einer betrieblichen Gesundheitsförderung in Gang zu setzen. Arbeits- und Betriebsstättenverordnungen, Möglichkeiten der Einflussnahme auf ein gesundes Arbeitsumfeld sowie die Präventionsmöglichkeiten zum Thema bestimmen weitere Lerninhalte.“
6Der Wochenplan sah die folgenden Inhalte vor:
7Tag 1 |
Thema |
Methoden |
3 LE = 135 min |
Begrüßung Vorstellung der Seminarleitung und des Seminarplans; Vorstellungsrunde, Erwartungsabfrage; Bildungsurlaub als Instrumentarium des Lebenslangen Lernens; Rahmenbedingungen und Organisatorisches |
Vortrag und Gruppengespräch |
1 LE = 45 min |
Einführung Lockerung von Körper und Geist Verhaltensstrategien am Arbeitsplatz zur Vermeidung stressbedingter Verspannungen. |
Vortrag, Gruppen- und Einzelarbeit |
2 LE = 90 min |
Anatomie und Physiologie Grundlagen der Skelettstruktur; die wichtigsten Muskelgruppen des Körpers |
Vortrag und Gruppenarbeit |
2 LE = 90 min |
Physiologie und Psychologie Zusammenhänge von körperlichen Beschwerden und mentalen Belastungen erkennen |
Vortrag und Einzelarbeit |
Tag 2 |
Thema |
Methoden |
3 LE = 135 min (GP) |
Rückenschmerzen als „Volkskrankheit“ Ursachen und Auswirkungen. Kostenbelastung für das Gesundheitssystem |
Referat und Gruppengespräch |
1 LE = 45 min |
Rückentraining am Arbeitsplatz – ist das möglich und wenn ja, welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden? |
Impulsvortrag und Diskussion |
2 LE = 90 min (GP) |
Arbeitsplätze – Optimum und Realität? Die neue Arbeitsstättenverordnung – was hat sich geändert? Informationssysteme im Betrieb |
Vortrag und Diskussion |
2 LE = 90 min |
Bedeutung von muskulären Verspannungen und deren Einfluss auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz. Auflösen von Blockaden und Stressbewältigung. Verständnis von körperlichen Spannungen in Stresssituationen während der Arbeit. |
Vortrag, Partner- und Einzelarbeit |
Tag 3 |
Thema |
Methoden |
2 LE = 90 min (GP) |
Rückgrat haben und was dann? Ein Exkurs zur Sprachwissenschaft: Woher stammt das Wort; was soll damit zum Ausdruck gebracht werden? Gesellschaftspolitische Bezüge zum Thema Rückgrat: Tugenden und die Realität. Altmodischer Ausdruck oder brandaktuelles Thema. Erarbeitung von Beispielen. |
Vortrag, Gruppen- und Einzelarbeit |
3 LE = 135 min |
Wirbelsäulengymnastik: Vergleich von sportwissenschaftlichen und medizinischen Ansätzen. Anatomie und Physiologie der Wirbelsäule. Überprüfung populärwissenschaftlicher Programme (Fit for Fun etc.) |
Vortrag und Gruppenarbeit |
2 LE = 90 min |
Korrektur von Körperhaltungen und dem Erlernen ausgleichender Übungen gegen Schultern- und Nackenverspannungen. Ein sinnvoll ergonomisches Verhalten am Arbeitsplatz ausfindig machen. Mitarbeiter und Kollegen dazu inspirieren, eine körpergerechte Haltung am Arbeitsplatz einzunehmen |
Gruppen- und Einzelarbeit |
1 LE = 45 min |
Einführung in die PME zum Unterbrechen eines Spannungskreislaufs am Arbeitsplatz |
Vortrag, Gruppen- und Einzelarbeit |
Tag 4 |
Thema |
Methoden |
2 LE = 90 min (GP) |
Körperhaltung und Hierarchie – Körpersprache und Konflikte Gesellschaftliche Körpernormbilder und Wahrnehmung von Körpersprache in Tier- und Menschenwelt. Gesellschaftliche Konventionen und Konfliktpotential. Einsatz von Körpersprache im Beruf. Erkennen von körpersprachlichen Bewegungsmustern. |
Gruppenarbeit mit Moderation |
2 LE = 90 min |
Die eigene Aufrichtung erleben – Blockaden lösen durch Bewegungsübungen. Kritische Betrachtung alternativer Aufrichtungstheorien (Geisthaltung) |
Vortrag, Einzelarbeit |
3 LE = 135 min |
„Wundermaschine Mensch“ (National Geographic 2009) |
Film und Diskussion |
1 LE = 45 min |
Hilfsmittel und Medieneinsatz bei Anwendung und Vermittlung rückengerechten Verhaltens am Arbeitsplatz |
Vortrag, Gruppenarbeit |
Tag 5 |
Thema |
Methoden |
2 LE = 90 min |
Rückentraining am Arbeitsplatz – ist das möglich und wenn ja, welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden? Die Diskussion aus Tag 2 wird wieder aufgegriffen und mit den Erkenntnissen der Bildungswoche neu bewertet. |
Gruppenarbeit und Diskussion |
2 LE = 90 min |
Alltagstransfer, Vorstellung der erarbeiteten Medien vom Vortrag |
(Poster-) Präsentation |
2 LE = 90 min |
Zusammenfassung der vorgestellten Übungssysteme und Wiederholung der gewünschten Inhalte |
Gruppengespräch und Diskussion |
2 LE = 90 min |
Auswertung des Seminars Feedback, Organisatorisches |
moderierter Abschluss |
Mit Bescheid vom 20. November 2019 lehnte das Polizeipräsidium P. den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass die Teilnahme an der Veranstaltung weder beruflichen noch sportlichen Zwecken diene. Das Ziel der Veranstaltung könne zwar der Dienstausübung zugutekommen, allerdings handele es sich bei dem vorrangigen Ziel um einen gesundheitlichen Zweck. Dieser sei von den Freistellungsmöglichkeiten der FrUrlV NRW nicht erfasst. Allein der Umstand, dass es sich bei der die Veranstaltung austragenden Einrichtung um eine anerkannte Einrichtung der Arbeitnehmerweiterbildung handele, genüge nicht. Einem sportlichen Zweck diene die Veranstaltung ebenfalls nicht, da hiervon nicht jegliche sportliche Tätigkeit erfasst sei, sondern vielmehr nur der besonderen Situation von Leistungssportlern Rechnung getragen und diesen die Teilnahme an herausgehobenen Wettkämpfen ermöglicht werden solle.
13Am 20. Dezember 2019 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Bewilligung von Sonderurlaub weiter verfolgt. Zur Begründung wendet er ein, dass das Seminar dem Zweck der beruflichen Weiterbildung diene, weil es die berufsbezogene Handlungskompetenz und die berufliche Mobilität des Beschäftigten fördere. Das Erlernen von Selbstverantwortung in Bezug auf die Erhaltung der Arbeitskraft sei ein anerkanntes Ziel der beruflichen Weiterbildung.
14Ursprünglich hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 22. März 2020 bis zum 28. März 2020 Sonderurlaub für die Teilnahme an der in Rede stehende Veranstaltung zu gewähren. Nachdem diese aufgrund der herrschenden Pandemielage abgesagt worden war, hat der Kläger seinen Klageantrag umgestellt. Er trägt nunmehr vor, dass er nach wie vor ein Interesse an der Klärung der Rechtsfrage habe, ob die Veranstaltung den gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Sonderurlaub entspreche. Er beabsichtige weiterhin die Teilnahme und gehe davon aus, dass die Bildungsakademie des Landessportbundes Hessen e.V. nach Überwindung der Pandemie eine gleichartige Veranstaltung anbieten bzw. die ausgefallene Veranstaltung nachholen werde.
15Er beantragt nunmehr schriftsätzlich,
16festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet war, ihm in dem Zeitraum vom 22. März 2020 bis zum 28. März 2020 Bildungsurlaub als Sonderurlaub mit Arbeitsbefreiung zu gewähren für die Teilnahme an dem Seminar der Bildungsakademie des Landessportbundes Hessen mit dem Weiterbildungsthema: „Rückenfit – mach mit oder die Stärkung des inneren und äußeren Rückgrats“.
17Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
18die Klage abzuweisen.
19Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Gründe des streitgegenständlichen Bescheides. Mit der Klageänderung sei er einverstanden, da ein erneuter Antrag des Klägers für die streitgegenständliche Veranstaltung ebenfalls abgelehnt werde.
20Mit Beschluss vom 28. April 2021 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
21Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 29. April 2021 und vom 7. Mai 2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
22Entscheidungsgründe:
23Die Einzelrichterin war zur Entscheidung berufen, da die Kammer ihr den Rechtsstreit gemäß § 6 VwGO mit Beschluss vom 28. April 2021 übertragen hat.
24Die Entscheidung konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
25Die Umstellung des Klageantrags ist zulässig. Es handelt sich dabei nicht um eine Klageänderung i.S.v. § 91 VwGO, sondern um eine stets zulässige Einschränkung des Klageantrags gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO, die nicht den Voraussetzungen des § 91 VwGO unterliegt.
26Die Klage hat keinen Erfolg.
27Sie ist bereits unzulässig (I.), aber auch unbegründet (II.).
28I. Die Klage ist unzulässig. Die umgestellte Klage ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Ihr fehlt jedoch im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts,
29vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris, Rn. 20; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 28. Juni 2018 – 6 A 2014/17 –, juris, Rn. 35,
30das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse.
31Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) setzt unter dem hier einzig geltend gemachten und in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkt der konkreten Wiederholungsgefahr die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Ist dagegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die im Wesentlichen gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden.
32Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris, Rn. 21, vom 21. März 2013 - 3 C 6.12 -, juris, Rn. 13 und vom 12. Oktober 2006 – 4 C 12/04 –, juris, Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 2020 – 15 A 2100/18 –, juris, Rn. 49.
33Hieran gemessen muss ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers verneint werden. Es stellt sich im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als ungewiss dar, ob gegenüber dem Kläger erneut eine Ablehnung eines Antrags auf Sonderurlaub für das Seminar „Rückenfit – mach mit oder die Stärkung des inneren und äußeren Rückgrats“ der Bildungsakademie des Landessportbundes Hessen e.V. ergehen wird. Zwar hat der Kläger bekundet, an einem Nachholtermin teilnehmen zu wollen und der Beklagte angekündigt, einen erneuten Antrag auf Sonderurlaub für diese Veranstaltung abzulehnen. Es ist jedoch nicht absehbar, ob eine im Wesentlichen gleichartige Veranstaltung zukünftig angeboten wird. Der insoweit darlegungsbelastete Kläger,
34vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2010 – 1 WB 42/09 –, juris, Rn. 20,
35äußerte lediglich eine dahingehende Vermutung, die er nicht durch belastbare Anhaltspunkte – wie etwa eine Erklärung der Bildungsakademie – substantiiert dargelegt hat. Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass die streitgegenständliche Veranstaltung mit ihren wesentlichen Inhalten zukünftig angeboten wird. Das Gegenteil liegt indes nahe, da das bereits bis Anfang Juli 2022 aufgestellte Kursproramm der Bildungsakademie,
36vgl. https://www.sport-erlebnisse.de/SeminarSuche.php?Text=&S1.x=0&S1.y=0,
37eine Wiederholung der streitgegenständlichen Veranstaltung nicht vorsieht. Auch vergleichbare Veranstaltungen sind – soweit ersichtlich – zukünftig nicht geplant. Insbesondere ist das seinem Titel nach ähnlich anmutende Seminar „Gesunder Rücken - starkes Rückgrat im Berufsalltag - Erwerb von Methoden zum Erhalt der Leistungsfähigkeit und Rückengesundheit in der sitzenden Gesellschaft“, welches vom 7. - 11. März 2022 in Mühlheim am Main stattfinden soll,
38vgl. https://www.sport-erlebnisse.de/index.php?ID=31183,
39nicht mit der streitgegenständlichen Veranstaltung vergleichbar. Es verfolgt anders als die streitgegenständliche Veranstaltung ein praxis- und nicht ein theoriebasiertes Konzept. So heißt es in der Veranstaltungsbeschreibung auszugsweise:
40„Um die Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern, erwartet die Teilnehmer in diesem Seminar ein abwechslungsreiches und anspruchsvolles Ganzkörpertraining mit dem Fokus des Rückens bzw. der sog. Core-Muskeln (engl. core=Körperkern), das die Elemente Kraft und Stabilisation sowie Koordination, Mobilisation und Beweglichkeit verbindet. Die Inhalte bestehen aus medizinischen und renommierten Konzepten wie z.B. klassische Rückenschule, Rehabilitationssport und Pilates, Yoga und Functional-Training sowie Spiraldynamik® und Faszien-Training.“
41II. Selbst aber zu Gunsten des Klägers das Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresse unterstellt, bleibt die Klage erfolglos. Sie ist jedenfalls unbegründet. Der Beklagte war nicht verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum vom 22. März 2020 bis zum 28. März 2020 für die Teilnahme an dem Seminar der Bildungsakademie des Landessportbundes Hessen mit dem Weiterbildungsthema: „Rückenfit – mach mit oder die Stärkung des inneren und äußeren Rückgrats“ Sonderurlaub zu gewähren. Der streitbefangene Bescheid vom 20. November 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten; § 113 Abs. 5 VwGO.
42Als Rechtsgrundlage kommt einzig § 26 Abs. 1 FrUrlV NRW in Betracht. Danach gilt: Für die Teilnahme an Tagungen und Veranstaltungen, die staatsbürgerlichen, wissenschaftlichen oder anderen beruflichen, politischen, kirchlichen, gewerkschaftlichen, karitativen, sportlichen oder ähnlichen Zwecken dienen, kann Urlaub unter Beschränkung auf das notwendige Maß bewilligt werden, soweit die Ausübung der Tätigkeit außerhalb der Dienstzeit nicht möglich ist und dienstliche Gründe nicht entgegenstehen (Satz 1). Das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz vom 6. November 1984 (GV. NRW. S. 678) in der jeweils geltenden Fassung gilt hinsichtlich des Nachweises, ob Veranstaltungen beruflichen oder politischen Zwecken dienen, entsprechend (Satz 2).
43Nach § 1 Abs. 1 AWbG erfolgt die Weiterbildung der Arbeitnehmer über die Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung in anerkannten Bildungsveranstaltungen bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Das Tatbestandsmerkmal "zum Zwecke der beruflichen Weiterbildung" wird in § 1 Abs. 3 AWbG näher präzisiert. Danach fördert die berufliche Arbeitnehmerweiterbildung die berufsbezogene Handlungskompetenz der Beschäftigten und verbessert deren berufliche Mobilität (Satz 1). Sie ist nicht auf die bisher ausgeübte Tätigkeit beschränkt (Satz 2). Bildungsinhalte, die sich nicht unmittelbar auf eine ausgeübte berufliche Tätigkeit beziehen, sind eingeschlossen, wenn sie in der beruflichen Tätigkeit zumindest zu einem mittelbar wirkenden Vorteil des Arbeitgebers verwendet werden können (Satz 3).
44Nach dem Negativkatalog des § 9 Abs. 2 Satz Nr. 1 AWbG sind Veranstaltungen, die der Erholung, der Unterhaltung, der privaten Haushaltsführung, der Körper- und Gesundheitspflege, der sportlichen, künstlerischen oder kunsthandwerklichen Betätigung oder der Vermittlung entsprechender Kenntnisse oder Fertigkeiten dienen, keine Bildungsveranstaltungen im Sinne des AWbG. Diese Regelung dient der Klarstellung und soll die Abgrenzung von Veranstaltungen der beruflichen und politischen Weiterbildung von solchen Veranstaltungen erleichtern, die zwar auch beruflich und politisch bildende Inhalte enthalten, aber überwiegend dem privaten Interesse dienen.
45Vgl. LT-Drs. 12/4602, Seite 13.
46Daraus folgt, dass Bildungsveranstaltungen, die im Wesentlichen auf die Erhaltung oder Förderung der Gesundheit ausgerichtet sind und nicht darüber hinausgehend auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit von Nutzen sind, nicht beruflichen Zwecken dienen.
47Vgl. hierzu bereits Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 24. Oktober 1995 – 9 AZR 244/94 –, Leitsatz.
48Für eine Zuordnung einer Veranstaltung zu dem Begriff der beruflichen Weiterbildung genügt es auch nicht, dass lediglich einzelne Lerneinheiten thematisch über die reine Gesundheitspflege hinausgehende Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit unmittelbar verwertet werden können. Vielmehr müssen das vom Veranstalter zugrunde gelegte didaktische Konzept und die zeitliche und sachliche Ausrichtung der einzelnen Lerneinheiten auf diesen Zweck ausgerichtet sein.
49Vgl. hierzu BAG, Urteil vom 9. Mai 1995 – 9 AZR 185/94 –, juris, Rn. 28 ff.
50Nach diesen Maßstäben dient die streitgegenständliche Veranstaltung „Rückenfit – mach mit oder die Stärkung des inneren und äußeren Rückgrats / Erwerb von Methoden zum Erhalt der Leistungsfähigkeit und Rückengesundheit im beruflichen Alltag einer sitzenden Gesellschaft“ nicht beruflichen Zwecken. Weder aus den von der Bildungsakademie des Landessportbundes Hessen e.V. noch aus dem sonstigen Vorbringen des Klägers geht hervor, dass dem Seminar ein didaktisches Konzept zugrunde lag, wonach dem Kläger Kenntnisse vermittelt werden sollten, die er bei seiner beruflichen Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamter hätte verwenden können oder die sich sonst auch nur zum mittelbar wirkenden Vorteil seines Dienstherrn hätten auswirken können. Das aus der Veranstaltungsbeschreibung und dem zugehörigen Wochenplan erkennbare Konzept des Veranstalters zielt vielmehr auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zur Gesundheitspflege ab. Ihr erklärtes Ziel ist der Erhalt der Rückengesundheit der Teilnehmer. Dies ergibt sich bereits explizit aus dem Titel der Veranstaltung. Die mit der Rückengesundheit verbundene Förderung der Leistungsfähigkeit geht mit jeder gesundheitserhaltenden Maßnahme einher und wirkt sich nicht darüber hinausgehend vorteilhaft auf die konkrete Ausübung der beruflichen Tätigkeit aus. Der Umstand, dass ausweislich der Veranstaltungsbeschreibung mangelnde oder einseitige Bewegung und Stress im beruflichen Alltag als Ursachen von Rückenschmerzen identifiziert werden und den Anknüpfungspunkt der zu vermittelnden Methoden bilden, stellt die Rückengesundheit zwar in einen beruflichen Kontext. Allerdings ändert dies nicht die auf die Gesundheitspflege gerichtete Zielsetzung der Veranstaltung. Auch die konkrete Ausgestaltung des Veranstaltungsprogramms ist konzeptionell darauf ausgerichtet, den Teilnehmern Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die den Erhalt der Rückengesundheit fördern und zwar unter anderem durch Verhaltensstrategien am Arbeitsplatz. Zwar ist anzuerkennen, dass die Lerneinheiten „Verhaltensstrategien am Arbeitsplatz zur Vermeidung stressbedingter Verspannungen“, „Bedeutung von muskulären Verspannungen und deren Einfluss auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz. Auflösen von Blockaden und Stressbewältigung. Verständnis von körperlichen Spannungen in Stresssituationen während der Arbeit.“, „Gesellschaftliche Körpernormbilder und Wahrnehmung von Körpersprache in Tier und Menschenwelt. Gesellschaftliche Konventionen und Konfliktpotential. Einsatz von Körpersprache im Beruf. Erkennen von körpersprachlichen Bewegungsmustern.“ auch auf den Erwerb persönlicher Kompetenzen gerichtet sein dürften, die sich auf die konkrete Ausübung der beruflichen Tätigkeit positiv auswirken können.
51Vgl. etwa zu Kompetenzen im Umgang mit Menschen BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1992 – 1 BvR 890/84 –, juris, Rn. 39.
52Jedoch stellen diese Bildungsinhalte mit 225 Minuten in zeitlicher und sachlicher Hinsicht einen nur geringfügigen Anteil des insgesamt 1.800 Minuten umfassenden Veranstaltungsprogramms dar. Eine didaktisch konzeptionelle Ausrichtung auf den Erwerb solcher Fähigkeiten liegt gerade nicht vor. Dessen ungeachtet hat der Kläger auch nicht vorgetragen, inwieweit sich diese Kenntnisse und Fähigkeiten speziell bei seiner dienstlichen Tätigkeit tatsächlich positiv auswirken würden.
53Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass die Veranstaltung auch keinen politischen Zwecken dient. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 FrUrlV NRW i.V.m. § 1 Abs. 4 AWbG verbessert politische Weiterbildung das Verständnis der Beschäftigten für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge und fördert damit die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf. Auch diese Voraussetzungen erfüllt die in Rede stehende Veranstaltung nicht. Eine in zeitlicher und sachlicher Hinsicht konzeptionelle Ausrichtung der Veranstaltung auf die Verbesserung des Verständnisses der Teilnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge lässt sich den Unterlagen des Veranstalters nicht entnehmen. Die in dem Wochenplan als „gesellschaftspolitische Themen - GP“ gekennzeichneten Lerneinheiten bilden mit 405 von 1.800 Minuten bereits in zeitlicher Hinsicht nur einen geringen Anteil des Veranstaltungsprogramms, das – wie dargelegt – im Wesentlichen auf die Gesundheitspflege ausgerichtet ist.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
55Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
56Rechtsmittelbelehrung:
57Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
58Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.
59Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
60Die Berufung ist nur zuzulassen,
611. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
622. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
633. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
644. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
655. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
66Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
67Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
68Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
69Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
70Beschluss:
71Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
72Gründe:
73Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.
74Rechtsmittelbelehrung:
75Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
76Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
77Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
78Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
79Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
80War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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Referenzen
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- VwGO § 154 1x
- 15 A 2100/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 91 1x
- VwGO § 113 2x
- VwGO § 167 1x
- VwGO § 173 1x
- § 9 Abs. 2 Satz Nr. 1 AWbG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 6 1x
- § 26 Abs. 1 FrUrlV 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 67 1x
- § 1 Abs. 3 AWbG 1x (nicht zugeordnet)
- 4 C 12/04 1x (nicht zugeordnet)
- 6 A 2014/17 1x (nicht zugeordnet)
- 9 AZR 185/94 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 101 1x
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- § 26 Abs. 1 Satz 2 FrUrlV 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 4 AWbG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 WB 42/09 1x (nicht zugeordnet)