Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 4 K 3119/20
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 7. Mai 2020 (63/22-1989/19) verpflichtet, dem Kläger die Baugenehmigung gemäß dem Bauantrag vom 2. Oktober 2019 zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese Kosten selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Tatbestand:
2Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung zum Aus- und Umbau einer Maisonette-Wohnung im Dachgeschoss und Spitzboden des Hauses B.-------straße 0 in E. (Gemarkung I. , Flur 0, Flurstück 0).
3Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstücks. Das Grundstück ist aufgrund eines Bauscheins vom 4. September 1980 (Nr. 0-0000/79) seit 1981 mit einem viergeschossigen Mehrfamilienwohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoss bebaut. Das Gebäude ist Teil eines nahezu vollständig in geschlossener Bauweise errichteten Straßengevierts und weist entlang der südlichen Grundstücksgrenze zum Flurstück 01 (B.-------straße 02) eine Bautiefe von 13,99 m auf. Die Bautiefe an der nördlichen Grenze zum Flurstück 03(B.-------straße 04), welches im Eigentum der Beigeladenen steht, beträgt etwa 12,30 m. Im rückwärtigen Grundstücksbereich knickt die Grundstücksgrenze um ca. 10 Grad ab, so dass sich das klägerische Grundstück nach hinten verjüngt. Die rückwärtige Abschlusswand des Hauses Nr. 0 weist einen Versprung von etwa 1,67 m Tiefe auf.
4Das Grundstück der Beigeladenen ist seit 1934 mit einem genehmigten dreigeschossigen Wohnhaus mit Dachgeschoss und Spitzboden bebaut, die mit Bauschein vom 10. September 2008 (BA-00-0000/08) weiter ausgebaut wurden.
5Die B.-------straße liegt im Bereich des Fluchtlinienplans Nr. 0000/028 vom 11. April 1910. Die Gebäude des Straßengevierts und der Blockinnenbereich sind unbeplant.
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Der Kläger beantragte unter dem 2. Oktober 2019 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Aus- und Umbau der Maisonette-Wohnung im Dachgeschoss und Spitzboden des Gebäudes B.-------straße 0. Nach den Bauzeichnungen sind dort eine durchgehende Rückwand (ohne Versprung) sowie ein an den Dachfirst rückwärtig anschließendes Flachdach vorgesehen. Die durch das Vorhaben ausgelösten Abstandsflächen fallen nach den Planzeichnungen teilweise mit bis zu 7,98 m auf das Nachbargrundstück B.-------straße 04. Hierzu trug der Kläger im Verwaltungsverfahren unter Bezugnahme auf ein vorheriges Schreiben an die Bauaufsicht vom 7. März 2019 vor, dass eine atypische Grundstückssituation vorliege, die eine Abweichung rechtfertige. Eine schräg abknickende Grundstücksgrenze in geschlossener Bauweise bilde nach Rechtsprechung und Kommentarliteratur einen geradezu klassischen Abweichungsfall. Ohne die Erteilung einer Abweichung sei keinerlei bauliche Veränderung der rückwärtigen Fassade mehr möglich, weil stets die Abstandsflächenfrage neu aufgeworfen würde. Dies sei aber nicht von den Abstandsflächenvorschriften in § 6 BauO NRW bezweckt. Vielmehr solle jeder Eigentümer sein Grundstück unabhängig vom Grundstückszuschnitt in der bauplanungsrechtlich zulässigen Bautiefe baulich nutzen können. Dies sei vorliegend ohne Abweichung nicht möglich. Nachbarliche und öffentliche Belange würden hierdurch nicht beeinträchtigt. Es entstünden faktisch keine für den Nachbarn nachteiligen Auswirkungen. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Nachbargebäude B.-------straße 04 seinerseits Abstandsflächenvorschriften verletze. So trete beispielsweise der Dachaufbau lediglich 70 cm von der gemeinsamen Grundstücksgrenze zurück. Im Übrigen rage die vorhabenbezogene Abstandsfläche lediglich in den nachbarlichen Garten hinein. Brandschutz sei nicht tangiert. Die Abweichung sei daher zu erteilen, zumal nach § 69 BauO NRW 2018 bei Schaffung und Erneuerung von Wohnraum – wie hier – ein gebundener Anspruch bestehe.
8Eine Nachbarzustimmung der Beigeladenen wurde nicht vorgelegt.
9Mit Bescheid vom 7. Mai 2020 (Az. 00/00-BA-0000/19) lehnte die Beklagte den Bauantrag ab. Die Abstandsflächen lägen entgegen § 6 Abs. 2 BauO NRW nicht auf dem Vorhabengrundstück selbst. Eine Abweichung sei nach § 69 BauO NRW 2018 möglich, wenn eine atypische Grundstückssituation vorliege, die vom Regelfall derart abweiche, dass bei strikter Anwendung von § 6 BauO NRW dessen Ziele verfehlt würden. Eine derartige Atypik liege trotz der Abweichung vom Regelfall eines rechteckigen Grundstückszuschnitts nicht vor. So sei zu beachten, dass ein baulicher Bestand derart umgebaut werden solle, dass der Umbau Abstandsflächen auslöse. Rückseitig solle die bestehende Dachform durch den Bau eines Flachdachs durchbrochen werden. Eine relevante Atypik bestehe erst dann, wenn aufgrund der besonderen Grundstücksform eine Bebaubarkeit sehr stark eingeschränkt wäre. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Ein Ausbau des Dachgeschosses sei etwa mittels einer Dachgaube – unter Umständen sogar ohne Auslösung von Abstandsflächen – möglich. Wenn aber wie hier auf andere Weise entgegen § 6 BauO NRW Raumgewinn geschaffen werden solle, sei dies nicht durch eine Atypik des Grundstücks, sondern nur durch den beantragten Ausbau verursacht.
10Der Kläger hat am 9. Juni 2020 Klage erhoben. Er trägt unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens ergänzend vor, dass der Einwand, der Kläger habe eine andere Bauausführung wählen können, nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht durchgreife. Es müsse möglich sein, das Grundstück im Rahmen des bauplanungsrechtlich Möglichen zu nutzen. Im Übrigen wäre bei jedwedem Umbauvorhaben die Abstandsflächenfrage für die Ursprungsfassade neu aufgeworfen, so dass jede Änderung dazu führe, dass die Abstandsfläche auf dem Nachbargrundstück liege. Genau auf eine solche Situation ziele § 69 BauO NRW 2018 ab, zumal nachbarliche und öffentliche Belange kaum betroffen seien. Die durch das Vorhaben entstehenden Abstandsflächen hätten faktisch keine nachteiligen Auswirkungen. Sie ragten lediglich in den Gartenbereich hinein.
11Der Kläger beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Mai 2020 (Az. 00/00-BA-0000/19) zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie macht geltend, ein förmlicher Abweichungsantrag sei nicht gestellt worden. Darüber hinaus liege eine atypische Grundstückssituation, die eine Abweichung rechtfertige, nicht vor. Die Grundstücksgrenze verlaufe bis zu einer Tiefe von etwa 12,37 m rechtwinklig zur Straße; erst danach knicke der Grenzverlauf um etwa 10 Grad ab. Nicht jedes Grundstück, dessen Grundstücksgrenzen nicht völlig rechtwinklig verliefen, weise eine relevante Atypik auf. Im Stadtgebiet von E. hätten sogar zahlreiche Grundstücke einen zur Straße nicht absolut rechtwinkligen Grundstücksverlauf. Würde man der Argumentation des Klägers folgen, hätte das zur Konsequenz, dass die „Besonderheit“ der Grundstückssituation nicht Ausnahme- sondern Regelfall würde. Dementsprechend genüge auch nach obergerichtlicher Rechtsprechung nicht irgendeine Besonderheit im Grundstückszuschnitt, sondern nur eine solche, die zur Folge habe, dass die Bebaubarkeit unter Berücksichtigung der Abstandsflächenvorschriften in besonderem Maße erschwert wäre. Der bloße Wunsch des Eigentümers, sein Grundstück stärker als zulässig auszunutzen, begründe keine Atypik. Die vorliegende Grundstückssituation sei nicht derart außergewöhnlich, dass ein Festhalten an den Regelungen des § 6 BauO NRW unverhältnismäßig erschiene.
16Der Kläger repliziert, das Gesetz fordere lediglich einen schriftlichen Abweichungsantrag. Dieser sei jedenfalls in dem Anschreiben vom 7. März 2019 zu sehen. Inhaltlich sei entscheidend, ob das Grundstück im Bereich der bauplanungsrechtlich zulässigen Bautiefe abknicke, und dadurch die Bebaubarkeit in einer vom Regelfall abweichenden Weise atypisch eingeschränkt werde. Ohnehin sei bei Vorliegen eines atypischen Grenzverlaufs ein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung ohne weitere Prüfung möglicher Nachbarbeeinträchtigungen gegeben. Denn der Interessenausgleich bezüglich widerstreitender Nachbarinteressen sei bereits im Rahmen des Regelungsgefüges von § 6 BauO NRW abgearbeitet worden. Im Übrigen sei nach der am 2. Juli 2021 in Kraft getretenen und vorliegend anwendbaren Neufassung der §§ 6 und 69 BauO NRW ein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung auch ohne atypischen Grenzverlauf gegeben.
17Das Gericht hat am 24. August 2021 die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Auf das Protokoll zum Ortstermin und die gefertigten Lichtbilder wird Bezug genommen.
18Die Beklagte trägt im Nachgang ergänzend vor, dass sich das klägerische Vorhaben hinsichtlich der Bebauungstiefe nicht gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung einfüge. Zwar wiesen auch die baugleichen Häuser B.-------straße 05 und 06 bis zum 2. Obergeschoss eine Bautiefe von 14,47 m auf. Ab dem 3. Obergeschoss betrage die Bautiefe jedoch nur 13,17 m und bleibe daher hinter der Bebauungstiefe des klägerischen Vorhabens von 13,99 m zurück. Zudem sei das Vorhaben nach der Übergangsvorschrift des § 90 Abs. 4 BauO NRW n.F. weiterhin nach der BauO NRW in der vor dem 2. Juli 2021 geltenden Fassung zu beurteilen. Ungeachtet dessen käme auch nach der Neufassung ein Abweichungsanspruch nicht in Betracht. Zum einen sei nach der Gesetzesbegründung ein gebundener Anspruch – nach wie vor – nur dann gegeben, wenn die Abweichung unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange vertretbar sei. Zum anderen habe der Gesetzgeber nicht die regelhafte Zulässigkeit von Wohnraumbeschaffung ermöglichen wollen, sondern lediglich – atypisch – bei älteren Bestandsgebäuden, bei denen die Einhaltung der Bauvorschriften technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Ein Fall technischer Unmöglichkeit oder wirtschaftlicher Unvertretbarkeit, wie er dem Gesetzgeber vorgeschwebt habe, liege aber gerade nicht vor. Vielmehr sei es dem Kläger zumutbar, das Vorhaben umzuplanen. Auch führe die Änderung der Bauordnung mit Ausnahme des Wegfalls der atypischen Grundstückssituation zu keiner veränderten Bewertung des § 69 Abs. 1 BauO NRW. Die Vorschrift sei nach wie vor restriktiv zu handhaben. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts E. (Urteil vom 2. Augst 2021 – 28 K 2004/21 -, juris). Das Vorhaben sei auch mit den Schutzbelangen des § 6 BauO NRW n.F. und unter Würdigung nachbarlicher Belange nicht vereinbar. Das Vorhaben führe zu einer nicht unerheblichen Verschattung. Die rückwärtigen Räume und Balkone der B.-------straße 04 lägen in nordwestlicher Richtung. Insbesondere der Spitzboden erhalte gerade vormittags noch direkte Sonneneinstrahlung. Diese würde durch den beabsichtigten Ausbau der B.-------straße 0 und die geplante Brandwand gänzlich entfallen. Zudem würde die mit der Beseitigung des Versprungs verbundene Verlängerung der seitlichen Abschlusswand um etwa 1,7 m zu einer gefühlten Einmauerung führen. Sowohl das klägerische Gebäude als auch das Nachbargrundstück wiesen spiegelbildlich zum Kurvenverlauf der B.-------straße rückwärtig einen Versprung auf. Die rückwärtige Hauswand der Beigeladenen knicke dem Straßenverlauf geschuldet ab. Vor diesem Hintergrund würde die geplante Verlängerung der Gebäudeabschlusswand für die nach hinten verspringenden Balkone und rückwärtig gelegenen oberen Räume zu einer „Enge“ führen, die das sozialverträgliche Wohnen beeinträchtigen und im Übrigen gegenüber den Nachbarn rücksichtslos sein dürfte.
19Dem ist der Kläger entgegen getreten. Es spiele für die Frage der zulässigen Bebauungstiefe keine Rolle, ob Gebäude im 3. Obergeschoss zurückspringen. Das Einfügen hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche sei gegeben. Dies gelte auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung. Das Bauvolumen B.-------straße 0 bleibe deutlich hinter der Kubatur der Häuser B.-------straße 07 bis 06 zurück. Bauordnungsrechtlich sei entgegen der Auffassung der Beklagten die Neufassung der BauO NRW maßgeblich. Die Übergangsvorschrift von § 90 Abs. 4 BauO NRW n.F. sei lediglich im Verwaltungsverfahren bindend. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren seien nachträgliche Rechtsänderungen zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen. Außerdem liege eine atypische Grundstückssituation vor. Eine Umplanung sei dem Kläger nicht zumutbar, zumal jede wesentliche Änderung der rückwärtigen Fassade im abknickenden Grundstücksbereich zu einem Abstandsflächenverstoß führen würde. Schließlich komme es zwar zu einer Verschlechterung der Belichtungssituation. Diese bewege sich jedoch im Rahmen des bauplanungsrechtlich Zulässigen und sei daher hinzunehmen. Insbesondere füge sich das Vorhaben nach Kubatur und Bautiefe ein. In der geschlossenen Bauweise sei in der straßennahen Bebauung mit Vor- und Rücksprüngen zu rechnen. Die Annahme einer unzumutbaren Verschattung innerhalb der zulässigen Bautiefe scheide aus.
20Die Beigeladene stellt keinen Sachantrag.
21Der Kläger und die Beklagte haben am 24. August 2021, die Beigeladene am 3. September 2021 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Der gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zuständige Einzelrichter konnte über die Klage mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
25Die zulässige Klage ist begründet.
26Der Ablehnungsbescheid vom 7. Mai 2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; dem Kläger steht ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung zu, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
27Gemäß § 74 Abs. 1 BauO NRW 2018 ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Dies ist hier der Fall. Das Vorhaben ist insbesondere bauplanungsrechtlich (I.) und bauordnungsrechtlich zulässig (II.).
28I. Das Vorhaben (§ 29 BauGB) ist gemäß § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 BauGB zulässig. Der Fluchtlinienplan Nr. 5277/28, welcher als einfacher Bebauungsplan fortgilt, steht dem Vorhaben nicht entgegen (1.). Die Voraussetzungen von § 34 Abs. 1 BauGB sind erfüllt. (2.).
291. Der Fluchtlinienplan 5277/28 vom 11. April 1910, der für den westlichen Teil der B.-------straße eine Baufluchtlinie nach dem preußischen Baufluchtliniengesetz vom 2. Juli 1875 festsetzt (Nr. 1 g) und heute gemäß § 233 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 173 Abs. 3 BBauG fortgilt, steht dem Vorhaben nicht entgegen. Baufluchtlinien waren im Verständnis des Baufluchtliniengesetzes „die Grenzen, über welche hinaus die Bebauung ausgeschlossen ist" (§ 1 Abs. 4 Satz 1 BauFlLG 1875). Normativer Bezugspunkt war jedoch die straßenseitige Bebauung. Festsetzungen zur rückwärtigen Bebauungstiefe enthält der Fluchtlinienplan dagegen nicht. Dieser bestimmt für die Bebauung keine Tiefenbegrenzung.
30Dies gilt auch unter Berücksichtigung von § 7 Abs. 4 Satz 1 der Baupolizeiverordnung für den Regierungsbezirk E. (Sonderblatt zum Amtsblatt der Regierung zu E1 vom 2. September 1939) i.V.m. § 4 der Verordnung über die Ausweisung von Baugebieten und die Abstufung der Bebauung für das Gebiet der Stadt E. vom 23. Mai 1961 (ABl. Regierungsbezirk E. Sonderausgabe Nr. 25a), die für Wohngebiete wie das vorliegend einschlägige „südlich der M.---allee “ eine Bebauungstiefe von 12 m, ausnahmsweise 14 m vorgeben (Anhang b Nr. 16, Teilgebiet VI der Verordnung vom 23. Mai 1961). Ob diese Bestimmungen dem Vorhaben des Klägers entgegenstehen würden, wenn sie noch gültig wären, mag offen bleiben. Denn die genannten Vorschriften der BauPolVO sind außer Kraft getreten. Dies ergibt sich aus § 53 Abs. 2 OBG NRW in der am 6. November 1956 bekannt gemachten Fassung (GV. NRW. S. 289). Zu den von dieser Vorschrift erfassten Anordnungen, die spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 1964 außer Kraft traten, gehörten auch die planungsrechtlichen Vorschriften in den Bezirksbauordnungen.
31Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 1965 - VII A 809/63 -, BRS 16 Nr. 9.
32Die durch § 7 BauPolVO bewirkte Begrenzung der Bebauungstiefe galt auch nicht mit dem Fluchtlinienplan 5277/28 als eine ihn ergänzende Bestimmung fort. Es handelt sich nicht um eine Begriffsbestimmung von Baufluchtlinien, sondern um eine weitere selbstständige Regelung, die lediglich tatbestandlich an die festgesetzten Baufluchtlinien anknüpft.
33Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 8. Februar 2007 – 4 K 1631/06 –, juris m.w.N.
342. Das demnach bauplanungsrechtlich im Übrigen nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Vorhaben ist zulässig. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile – wie hier – zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
35In die Eigenart der näheren Umgebung fügt sich ein Vorhaben ein, das sich innerhalb des aus seiner näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, es sei denn, es lässt die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 17 m.w.N.
37Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das klägerische Vorhaben hält sich nach den in der Vorschrift bezeichneten Merkmalen innerhalb des aus seiner näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens (a) und ist nicht rücksichtslos (b).
38a) Der beantragte Aus- und Umbau des Dachgeschosses und des Spitzbodens hält den durch die Umgebungsbebauung vorgegebenen Rahmen hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll (aa), des Maßes der Bebauung (bb) und der Bauweise (cc) ein. Bezüglich der zulässigen Art der Bebauung (Wohnen) besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
39Der die nähere Umgebung bildende Bereich reicht so weit, wie sich die Ausführung des zur bauaufsichtlichen Prüfung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – 4 C 9.77 – juris Rn. 33; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5.12 – juris Rn. 10; Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 9.
41Für diese Beurteilung ist alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was tatsächlich vorhanden ist und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tritt. Außer Acht gelassen werden darf lediglich, was die Bebauung nicht prägt, weil es nicht die Kraft hat, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint. Ob eine vorhandene, nicht genehmigte Bebauung bei der Bestimmung der näheren Umgebung zu berücksichtigen ist, hängt davon ab, ob diese in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass die zuständigen Behörden sich mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2019 – 4 C 10/18 –, juris Rn. 15; Beschluss vom 27. März 2018 – 4 B 60.17 – juris Rn. 7.
43Auch die auf dem jeweiligen Baugrundstück vorhandene Bebauung, soweit es sich nicht um das Vorhaben selbst handelt, ist zu berücksichtigen.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 – 4 C 17.91 -, juris; Urteil vom 6. Juni 2019 – 4 C 10/18 –, juris Rn. 15; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: Oktober 2020, § 34 Rn. 35a m.w.N.
45Die maßgebliche nähere Umgebung ist grundsätzlich für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann.
46Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 1997 – 4 B 172.97 – juris Rn. 5; Beschluss vom 13. Mai 2014 – 4 B 38.13 – juris Rn. 7.
47Bei den Kriterien Nutzungsmaß und überbaubare Grundstücksfläche ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart. Entscheidend bleiben aber die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall.
48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 – 4 B 38.13 – juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 1. März 2017 – 2 A 46/16 – juris Rn. 35 m.w.N.
49Gemessen hieran wird die für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale maßgebliche Umgebung durch die Blockrandbebauung, deren Teil das klägerische Wohnhaus selbst ist, bestimmt, also die Bestandsbebauung entlang des Straßengevierts P. Straße, T.-----straße , B.-------straße , M.---allee .
50aa) Der An- und Umbau des klägerischen Wohngebäudes wahrt hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, den durch die Eigenart der näheren Umgebung und damit deren Prägung bestimmten Rahmen.
51Für das Einfügen nach der überbaubaren Grundstücksfläche gelten die Merkmale des § 23 BauNVO entsprechend. Daher ist von den in der maßgeblichen näheren Umgebung tatsächlich vorhandenen Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen auszugehen.
52Vgl. BVerwG, Beschlus vom 17. September 1985 – 4 B 167.85 – juris Rn. 3; Beschluss vom 16. Juni 2009 – 4 B 50.08 – juris Rn. 4; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2020; § 34 Rn. 47.
53Die von dem Kläger zur Genehmigung gestellte Erweiterung seines Wohnhauses findet hinsichtlich der Bebauungstiefe ein Vorbild zum einen in dem genehmigten Bestandsgebäude des Klägers selbst, dessen rückwärtige Gebäudeabschlusswand jenseits des Versprungs eine Bebauungstiefe von 13,99 m aufweist. Zum anderen weisen die offenbar baugleichen Gebäude B.-------straße 05 und 06 nach Darstellung der Beklagten mit 14,47 m eine Bebauungstiefe auf, die über diejenige des klägerischen Gebäudes noch hinausgeht. Die Gebäude Nr. 05 und 06 sind im rückwärtigen Bereich auch nicht derart untergeordnet, dass sie die maßgebliche nähere Umgebung nicht zu prägen vermögen. Insbesondere das Gebäude B.-------straße 06 tritt – im Gegenteil – rückwärtig erheblich gegenüber den südlichen Nachbargebäuden hervor und wird vom klägerischen Grundstück aus deutlich wahrgenommen. Da es beim Merkmal der Bebauungstiefe im Sinne von § 23 Abs. 4 Satz 1 BauNVO allein auf die konkrete Größe der Grundfläche, die räumliche Lage und den Standort der Baukörper innerhalb der vorhandenen Bebauung ankommt,
54vgl. BVerwG Beschluss vom 16. Juni 2009 – 4 B 50.08 – juris Rn. 4,
55ist es für die Frage des Einfügens hinsichtlich der Bebauungstiefe unerheblich, dass sich diese nicht über die gesamte Höhe des Referenzobjektes erstreckt, sondern wie vorliegend bei den Häusern Nr. 05 und 06 ab dem 3. Obergeschoss auf 13,17 m bzw. im Dachgeschoss des Klägers auf ca. 12,30 m zurückspringt. Die Größe der Baukörper kann bei der Frage des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche allenfalls bei Vorhandensein von vorderen und hinteren (faktischen) Baulinien relevant werden; eine faktische hintere Baulinie ist jedoch in Anbetracht der zahlreichen – sowohl horizontalen als auch vertikalen - Vor- und Rücksprünge im Blockinnenbereich nicht erkennbar.
56bb) Das Vorhaben fügt sich auch nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Dies setzt voraus, dass es dort Referenzobjekte gibt, die bei einer wertenden Gesamtbetrachtung von Grundfläche, Geschosszahl und Höhe vergleichbar sind.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 – juris m.w.N.
58Diesbezüglich gibt das unmittelbar benachbarte Eckgebäude B.-------straße 02 einen Rahmen vor, den das klägerische Vorhaben nicht überschreitet. Das geplante rückwärtig ausgerichtete Flachdach greift gemäß den Bauvorlagen die vorhandene Dachfirsthöhe auf, die ausweislich der im Ortstermin gefertigten Lichtbilder ihrerseits nicht über das Flachdach des Eckgebäudes hinausragt. Auch ist nicht ersichtlich, dass das Vorhaben hinsichtlich seiner Kubatur den durch das Haus B.-------straße 02 prägend vorgegebenen Rahmen verlässt. In Grundfläche und Geschosszahl steht das Haus Nr. 0 nicht hinter dem parallel genehmigten Haus Nr. 02 zurück. Ob es sich, wie der Kläger vorträgt, zusätzlich im Rahmen der Kubatur der Häuser Nr. 05 und 06 hält, mag hier dahinstehen.
59cc) Die geplante Erweiterung des Bestandsgebäudes wahrt schließlich auch hinsichtlich der Bauweise den insoweit durch die geschlossene Blockrandbebauung entlang des Straßengevierts gebildeten Rahmen. Die Bebauung ist mit Ausnahme einer Traufgasse zwischen den Häusern T.-----straße 08 und 09 durchgehend durch eine geschlossene Bauweise im Sinne von § 22 Abs. 3 BauNVO gekennzeichnet.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5.12 – juris Rn. 12 zum Rückgriff auf § 22 Abs. 3 BauNVO bei der Frage des Einfügens nach der Bauweise im Sinne von § 34 Abs.1 Satz 1 BauGB.
61§ 22 Abs. 3 BauNVO erfordert in der geschlossenen Bauweise grundsätzlich – so auch hier – die Errichtung von Gebäuden ohne seitlichen Grenzabstand. Diese Bauweise wird durch den ohne seitliche Grenzabstände mit durchgehender Brandwand geplanten Anbau ohne Einschränkungen aufgegriffen.
62b) Der streitgegenständliche Anbau ist gegenüber der Bebauung und deren Nutzung auf dem Nachbargrundstück der Beigeladenen auch nicht rücksichtslos.
63Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird
64Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – 4 C 22.75 – juris Rn. 22; Urteil vom 28. Oktober 1993 – 4 C 5.93 – juris Rn. 17; Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16.
65Das Rücksichtnahmegebot erlegt indes dem Bauherrn keine Pflicht auf, generell die für den Nachbarn am wenigsten beeinträchtigende Alternative für seine Bauabsicht zu wählen.
66BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1997 – 4 B 97.97 – juris Rn. 6.
67Das Gebot der Rücksichtnahme verpflichtet ebenso wenig dazu, die Nachbarn von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von ihren Grundstücken aus zu verschonen. Denn eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht.
68Vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17; Beschluss vom 3. Juni 2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 7.
69Dabei müssen die Interessen im Einzelfall abgewogen werden. Der Umfang der einem Nachbarn des Bauvorhabens aufgrund der Eigenart der näheren Umgebung zuzumutenden Beeinträchtigungen und Störungen bestimmt sich unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Umgebung und ihrer bebauungsrechtlichen Prägung sowie den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen. Bloße Lästigkeiten genügen nicht.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1993 - 4 C 19/90 – juris.
71Nach diesen Grundsätzen stellt sich das streitgegenständliche Bauvorhaben vorliegend nicht als rücksichtslos dar. Von dem Vorhaben geht zu dem Nachbargebäude B.-------straße 04 weder im Hinblick auf eine mit dem Ausbau verbundene Verschattung (aa) noch eine „erdrückende Wirkung“ (bb) eine unzumutbare Beeinträchtigung aus.
72aa) Das Gebot der Rücksichtnahme wird durch das Vorhaben nicht unter dem Gesichtspunkt der Verschattung verletzt.
73Für die Zumutbarkeit einer Verschattung bzw. der Beschränkung von Belichtung und Besonnung durch einen Baukörper gibt es keinen normativ verbindlichen Maßstab. Vielmehr beantwortet sich diese Frage nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung. Aus dem Blickwinkel des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots sind Verschattungseffekte regelmäßig hinzunehmen, wenn die landesrechtlichen Abstandflächenvorschriften - hier des § 6 Bauordnung NRW (BauO NRW) - eingehalten sind. Die landesrechtlichen Abstandflächenbestimmungen zielen im Interesse der Wahrung sozial verträglicher Verhältnisse unter anderem darauf, eine ausreichende Belichtung und Besonnung von Gebäuden und von sonstigen Teilen des jeweiligen Nachbargrundstücks sicherzustellen. Die Vorschriften des Abstandflächenrechts in Form des § 6 BauO NRW sind in Bezug auf die seitlichen Grundstücksgrenzen eingehalten, da nach dem gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BauO NRW maßgeblichen Bauplanungsrecht in der geschlossenen Bauweise an die seitliche Grundstücksgrenze gebaut werden muss.
74Im Übrigen fordert das Gebot der Rücksichtnahme nicht, dass alle Fenster eines Hauses bzw. das gesamte Grundstück das ganze Jahr über optimal durch Sonneneinstrahlung belichtet werden. In einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet muss immer damit gerechnet werden, dass Nachbargrundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht (insbesondere § 6 BauO NRW) vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es durch eine Bebauung zu einer Verschattung des eigenen Grundstücks bzw. von Wohnräumen kommt.
75Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Februar 2009 - 10 B 1713/08 -, juris Rn 30; Urteil vom 6. Juli 2012 - 2 D 27/11.NE -, juris Rn 63 m.w.N.
76Im vorliegenden Fall ist ausweislich der Bauvorlagen und des Eindrucks im Ortstermin eine unzumutbare Verschattung des Grundstücks der Beigeladenen nicht zu erwarten. Zwar werden dort durch das Vorhaben gerade in den Vormittagsstunden der Sonneneinfall und damit die Belichtung insbesondere auf dem im Spitzboden grenznah errichteten Balkon und in dem dahinter liegenden Zimmer spürbar reduziert. Allerdings ist einzustellen, dass der dortige Lichteinfall aufgrund der Ausrichtung von Balkon und Zimmer nach Westen und des nach Westen und Norden nach wie vor unverbauten Ausblicks nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Auch die darunter liegenden Geschosse werden trotz der durch den „Gebäudeknick“ in der rückwärtigen Abschlusswand bedingten zusätzlichen Verengung nicht unzumutbar betroffen. Zum einen bleibt der Versprung in der rückwärtigen Gebäudeabschlusswand des Hauses Nr. 0 höhenmäßig bis zum 2. Obergeschoss erhalten, so dass der Verschattungseffekt des Vorhabens auf die unteren Geschosse des Nachbargebäudes marginal bleibt. Zum anderen sind die rückwärtigen Räumlichkeiten ausweislich der beigezogenen Hausakte (Beiakte 6) seit 1934 als Küche und Schlafzimmer genehmigt. Ihre Aufenthaltsqualität tagsüber ist daher nur begrenzt.
77bb) Eine das Gebot der Rücksichtnahme verletzende „erdrückende“ Wirkung geht von dem Bauvorhaben ebenfalls nicht aus. Eine bauliche Anlage hat erdrückende Wirkung, wenn sie wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem sie diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird.
78Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. März 1981 - 4 C 1/78 -, juris Rn 38; OVG NRW, Urteil vom 29. August 2005 - 10 A 3138/02 -, juris Rn 50.
79Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Erweiterung des klägerischen Hauses um einen Anbau mit einer Tiefe von ca. 1,7 m auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze sowie einer Höhe von gemittelt etwa 6 m ist angesichts der verhältnismäßig großen Tiefe des Blockinnenbereichs, der von sämtlichen Räumen und Balkonen des Hauses Nr. 04 aus weitestgehend ungehindert einsehbar bleibt, nicht geeignet, ein Gefühl des „Eingemauertseins“ zu vermitteln.
80II. Das Vorhaben ist auch bauordnungsrechtlich zulässig.
81Zwar stehen dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften in Gestalt der hier allein in den Blick zu nehmenden Abstandsflächenvorschriften des § 6 BauO NRW entgegen, da die durch das Vorhaben gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW ausgelösten rückwärtigen Abstandsflächen entgegen § 6 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW nicht auf dem klägerischen Grundstück selbst liegen, sondern aufgrund des abknickenden Grundstückszuschnitts teilweise auf das Nachbargrundstück der Beigeladenen fallen.
82Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Erteilung einer Abweichung nach § 69 Abs. 1 BauO NRW in der am 2. Juli 2021 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Änderung der Landesbauordnung 2018 vom 30. Juni 2021 (GV. NRW. S. 421).
83Zweifel an der Anwendbarkeit der Vorschrift im vorliegenden Verfahren bestehen nicht. Zwar sind nach der Übergangsvorschrift § 90 Abs. 4 Satz 1 BauO NRW in der Fassung vom 30. Juni 2021, welche zu dem in der vorliegenden Verpflichtungsklage für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zu beachten ist, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eingeleiteten Verfahren nach den zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Verfahrensvorschriften fortzuführen und abzuschließen. Gemäß § 90 Abs. 4 Satz 2 BauO NRW kann die Bauherrschaft jedoch abweichend von Satz 1 die Anwendung dieses Gesetzes anstelle des zur Zeit der Antragstellung geltenden Rechts beantragen. Letzteres ist der Sache nach mit den jüngsten klägerischen Schriftsätzen vom 9. August und 21. September 2021 erfolgt. Eine andere Sichtweise liefe auf eine bloße Förmelei hinaus, zumal ein Antrag auf Erteilung einer Abweichung lediglich zu begründen ist (§ 69 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW), aber keine weiteren Bauvorlagen erfordert.
84Der gemäß § 69 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW erforderliche schriftliche Abweichungsantrag wurde ebenfalls gestellt. Der Kläger hat das Schreiben an die Bauaufsicht vom 7. März 2019, aus dem ein Abweichungsersuchen hervorgeht, mit Schreiben seiner Architektin vom 9. Dezember 2019 in das Verwaltungsverfahren eingebracht (Bl. 47 ff. d. Beiakte 1). Weitergehende Formvorschriften enthält das Gesetz diesbezüglich nicht.
85Die materiellen Abweichungsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.
86Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2018 kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen der BauO NRW und aufgrund der BauO NRW erlassener Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 BauO NRW vereinbar ist.
87Nach der Neufassung des § 69 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW in der Fassung vom 30. Juni 2021 ist eine Abweichung unter anderem von den Abstandsflächen zuzulassen 1. zur Modernisierung von Wohnungen und Wohngebäuden, der Teilung von Wohnungen oder der Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch Ausbau, Anbau, Nutzungsänderung oder Aufstockung, deren Baugenehmigung oder die Kenntnisgabe für die Errichtung des Gebäudes mindestens fünf Jahre zurückliegt, 2. zur Verwirklichung von Vorhaben zur Einsparung von Wasser oder Energie oder 3. zur Erhaltung und weiteren Nutzung von Denkmälern.
88Ferner folgt gemäß § 69 Abs. 1 Satz 6 BauO NRW 2018 n.F. unter anderem bei den Vorhaben nach Satz 2 die Atypik bereits aus dem festgestellten Sonderinteresse.
89Die Änderung von § 69 BauO NRW (LT-Drs. 17/14088, S. 11) wird wie folgt begründet:
90„§ 69 Absatz 1 wird zur Umsetzung des „Innovationsraumes Innenstadt“ gegenüber dem Gesetzentwurf der Landesregierung Nordrhein-Westfalen geändert gefasst: Satz 1 entspricht – bis auf eine Verweisänderung zu § 3 – dem bisher geltenden Gesetz. Bereits mit der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, die am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist, sah der bisherige Satz 2 Abweichungstatbestände zur Verwirklichung von Vorhaben zur Einsparung von Wasser oder Energie oder zur Schaffung oder Erneuerung von Wohnraum vor. Satz 2 wird angesichts der erforderlichen Transformationsprozesse innerhalb der Städte und Gemeinden neu gefasst.
91Einleitend wird klargestellt, dass Abweichungen von den § 4 bis § 16 und § 26 bis § 47 sowie § 49 dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften zur Verwirklichung von Vorhaben, die in den Nummern 1 bis 3 aufgeführt sind, bei bestehenden Anlagen zuzulassen sind.
92Nummer 1 betrifft das Schaffen von Wohnraum durch die tatbestandlich genannten Vorhaben: Insbesondere bei der Modernisierung von Wohnraum von Bestandsgebäuden aus den 1950ger Jahren oder später, ist es technisch oftmals nicht möglich bzw. wirtschaftlich nicht vertretbar das Bestandsgebäude an heutige Bauvorschriften anzugleichen. Dies hat zur Folge, dass insbesondere in den großen Städten das Schaffen von zusätzlichem Wohnraum in bestehenden Gebäuden unterbleibt. Voraussetzung für die Abweichung ist, dass diese unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3, vereinbar ist (Absatz 1 Satz 1).
93[…]
94Satz 6 stellt klar heraus, dass die Atypik bereits aus dem festgestellten Sonderinteresse folgt. Damit wird einem Bedürfnis der Praxis zur Klarstellung entsprochen“.
95Darüber hinaus können gemäß § 6 Abs. 14 Satz 1 BauO NRW 2018 n.F. Abweichungen nach § 69 BauO NRW zugelassen werden, wenn deren Schutzziele gewahrt bleiben. Eine atypische Grundstückssituation ist nicht erforderlich (Satz 2).
96Die Regelung ist auf Grund eines Änderungsantrages der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP vom 8. Juni 2021 (Drucksache 17/14088) in die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen vom 28. Juni 2021 (Drucksache 17/14320) in das Gesetz aufgenommen worden. Zur Begründung der Änderung von § 6 heißt es, § 6 Abs. 14 BauO NRW schaffe Flexibilität für Bauherrschaften unter der Berücksichtigung, dass die mit den Abstandsflächen verbundenen Schutzziele eingehalten werden.
97Vgl. LT-Drs. 17/14088, S. 5.
98Aus diesem Regelungsgefüge wird ersichtlich, dass sich zum einen der Gesetzgeber von der hergebrachten Auslegung der Rechtsprechung und des Schrifttums abgewandt hat, derzufolge nach § 69 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW eine Abweichung von § 6 BauO NRW regelmäßig nur bei einer grundstücksbezogenen Atypik zuzulassen ist.
99Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 2. August 2021 – 28 K 2004/21 -, juris, unter Hinweis auf OVG NRW, Beschlüsse vom 5. März 2007 - 10 B 274/07 -, und vom 2. März 2007 - 10 B 275/07 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 11. März 2021 - 28 K 6456/19 -, juris; Johlen, in: Gädtke / Johlen / Wenzel / Hanne / Kaiser / Koch / Plum, BauO NRW, 13. Auflage (2019), § 69 Rn. 20 und 51, m. w. N; Boeddinghaus/ Hahn/ Schulte, BauO NRW, 60. Update April 2021, § 69 Rn. 16, m. w. N.
100In dem Zusammenhang kann man auch die in der älteren Rechtsprechung für die Annahme einer atypischen Grundstückssituation - neben einem atypischen Grundstückszuschnitt - zusätzlich aufgestellte Voraussetzung, dass eine bautechnisch und/oder wirtschaftlich sinnvolle Bebauung des Grundstücks bei strikter Anwendung der Abstandflächenvorschriften nicht möglich ist,
101OVG NRW, Urteil vom 6. Februar 2003 – 10 A 3666/99 –, juris Rn. 116 ff.; Beschluss vom 28. Oktober 2002 – 10 A 3963/02 –, juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. Mai 2019 – 3 M 229/19 –, juris,
102nicht mehr fordern.
103Zum anderen ist § 69 Abs. 1 Satz 6 BauO NRW zu entnehmen, dass die Erteilung einer Abweichung nach wie vor eine „Atypik“ in Form eines Sonderinteresses des Bauherrn erfordert, welches jedoch in den von Satz 2 und 3 erfassten Fällen bereits in dem der jeweiligen Vorschrift zugrunde liegenden Sonderinteresse liegt, im Falle von Satz 2 Nr. 1 also in dem entsprechenden Modernisierungs- bzw. Ausbauinteresse etc. zu sehen ist.
104Nicht gefolgt werden kann der insoweit von der Beklagten favorisierten Auslegung, wonach das Sonderinteresse im Falle von § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauO NRW n.F. nur dann gegeben sei, wenn die Angleichung der Bestandsgebäude an heutige Bauvorschriften ohne die begehrte Abweichung technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar wäre. Diese Sichtweise liefe auf eine teleologische Reduktion der Vorschrift bzw. eine zusätzliche (ungeschriebene) Tatbestandsvoraussetzung hinaus, deren Bestimmtheit aufgrund ihrer Unschärfe erheblichen Zweifeln begegnet.
105Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 5. März 2007 - 10 B 274/07 -, juris Rn. 18 ff. zu Zweifeln an der Vereinbarkeit der Einbeziehung denkbarer alternativer Bebauungsmöglichkeiten in die Abweichungsentscheidung mit dem Bestimmtheitsgrundsatz.
106Zudem wäre die notwendige Prüfung der technischen und wirtschaftlichen Umsetzbarkeit hypothetischer Alternativplanungen praktisch kaum handhabbar und liefe dem in der Gesetzesbegründung ebenfalls deutlich zum Ausdruck gebrachten Klarstellungsinteresse diametral zuwider.
107Die weitere Ergänzung in § 6 Abs. 14 Satz 1 BauO NRW, wonach die Schutzziele der Abstandsflächen gewahrt bleiben müssen, geht über eine Klarstellung nicht hinaus. Dies wurde und wird in gleicher Weise von § 69 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW vorausgesetzt, wonach die Abweichung unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss. Satz 1 beansprucht - unverändert - Geltung auch für die „gebundenen“ Tatbestände von Satz 2. Bei der Würdigung der nachbarlichen Interessen sind im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung dieselben Maßstäbe anzuwenden wie im bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme.
108Johlen, in: Gädkte u.a., BauO NRW, 13. Aufl. 2019, § 69 Rn. 30 unter Hinweis auf VG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2014 – 9 K 1095/11 -, juris Rn. 25 f. m.w.N.
109Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind zurückhaltend zu handhaben. Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass durch die baurechtlichen Vorschriften die öffentlichen Belange und die nachbarlichen Interessen regelmäßig schon in einen gerechten Ausgleich gebracht worden sind und die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs ein mehr oder minder beliebiges Abweichen von den Vorschriften der Landesbauordnung nicht gestattet, und zum anderen aus dem Ausnahmecharakter der Vorschrift.
110Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 2. August 2021 – 28 K 2004/21 –, juris unter Hinweis auf Boeddinghaus/ Hahn/Schulte, BauO NRW, 60. Update April 2021, § 69 Rn. 24-25, m. w. N.
111Bei Vorhaben nach § 69 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW ist indessen aufgrund der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers, die dort explizit genannten Bauvorhaben zu erleichtern, die Interessenlage des Bauherrn besonders zu gewichten.
112Damit haben sich die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung durch das Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung 2018 vom 30. Juni 2021 – insoweit verändert, als – erstens – die (ungeschriebene) Regelvoraussetzung der atypischen Grundstückssituation entfallen ist, – zweitens – eine Atypik in Form eines Sonderinteresses nach wie vor erforderlich, dieses in den Fällen des § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 BauO NRW indes als gegeben anzusehen ist und – drittens – die Abweichung unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss, wobei im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zumindest in den Fallgruppen des Satzes 2 die Interessen des Bauherrn besonders zu gewichten sind.
113Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze ist vorliegend eine Abweichung von § 6 BauO NRW zuzulassen. Das Vorhaben betrifft den Aus- und Umbau eines älteren Bestandgebäudes i.S.d. § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauO NRW. Die Einhaltung der rückwärtigen Abstandsflächen ist aufgrund der Geringfügigkeit der durch das Bauvorhaben bedingten nachbarlichen Beeinträchtigung auch nicht rücksichtslos. Insofern ist einzustellen, dass der rückwärtige Gartenbereich bereits durch einen von dem Bestandsgebäude ausgelösten Abstandsflächenverstoß vorbelastet ist. Denn der für das Bestandsgebäude erforderliche Bauwich, der gemäß § 7 Abs. 3 BauO NRW in der Fassung von 1976, wonach für die ersten beiden Vollgeschosse 3 m und jedes weitere Vollgeschoss 1,50 m anzusetzen sind, ausgehend von vier Vollgeschossen mindestens 6 Meter betrug, fiel bezüglich der Grenzmauer bereits damals in voller Länge auf das Nachbargrundstück. Dieser Verstoß, der seinerzeit planungsrechtlich möglicherweise hinzunehmen war, weil die städtebaulich beabsichtigte – sinnvolle – Schließung des Eckriegels wohl nicht anders als durch Angleichung der Bebauungstiefe von 12,30 m umzusetzen war, wird durch das Vorhaben, welches gemäß den im Lageplan (Bl. 22 d. Beiakte 1) dargestellten Berechnungen im Bereich der nunmehr 14 m tiefen und 19,96 m hohen Brandwand rückwärtige Abstandsflächen von 7,98 m auslöst (19,96 x 0,4), im Garten allenfalls über eine Breite von bis zu 70 cm um knapp 2 m vertieft. Die damit verbundenen zusätzlichen Beeinträchtigungen der Belichtung sind als zu würdigende Belange der Beigeladenen jedoch im Verhältnis zum Sonderinteresse des Klägers als Bauherr eines Vorhabens nach § 69 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW marginal und daher mit den öffentlichen Belangen auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen vereinbar.
114Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Beklagte nicht mit den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten, da diese keinen Sachantrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
115Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
116Rechtsmittelbelehrung:
117Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
118Die Berufung kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden.
119Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.
120Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
121Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
122Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
123Beschluss
124Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
125Gründe:
126Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 GKG und in Anlehnung an Ziffer 1. d) des Streitwertkataloges der Bausenate des OVG NRW vom 22. Januar 2019 (BauR 2019, 610) erfolgt. Dabei war einzustellen, dass es sich vorliegend nicht um eine regelmäßig mit 10.000,00 Euro anzusetzende Neuerrichtung der Einheit eines Mehrfamilienhaus handelt, sondern lediglich deren Aus- und Umbau.
127Rechtsmittelbelehrung:
128Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
129Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
130Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
131Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
132Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
133War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
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