Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - 6 K 100/11

Tenor

Aufgrund der Anzeigen der Richter der 6. Kammer liegt kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen der Beteiligten gegen die Unparteilichkeit eines der Richter zu rechtfertigen.

Gründe

 
Die Richter der 6. Kammer des Gerichts haben gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 48 Abs. 1 ZPO angezeigt, dass der Beklagte seit September 2010 als ehrenamtlicher Richter der 6. Kammer zugeteilt ist und dass er bereits einmal an einer mündlichen Verhandlung der Kammer mitgewirkt hat. Den Beteiligten wurden die Anzeigen zur Kenntnis und Stellungnahme gegeben. Beide haben mitgeteilt, dass aus ihrer Sicht eine Besorgnis der Befangenheit nicht gegeben ist.
Hat ein Richter von einem Verhältnis Anzeige gemacht, das seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit durch die Beteiligten rechtfertigen könnte, entscheidet das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs durch die Beteiligten zuständige Gericht (§ 48 ZPO). Dies ist das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung (§ 45 Abs. 1 ZPO). Eine solche Entscheidung wird nicht dadurch entbehrlich, dass die Beteiligten erklären, selbst keine Besorgnis der Befangenheit zu sehen; denn es ist Aufgabe und Amtspflicht des Richters, für die unparteilich, neutral besetzte Richterbank zu sorgen (Musielak, in Münchner Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 48 Rdnr. 1) und bei Zweifeln daran eine Entscheidung herbeizuführen.
In ihren Anzeigen haben die Richter der 6. Kammer insbesondere auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen (Beschl. v. 06.01.2009 - 5 K 257/08 Me -, juris m.w.N., zitiert u.a. bei v. Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Aufl., § 54 Rdnr. 27) hingewiesen, wonach der Umstand, dass ein einer Kammer zugeteilter ehrenamtlicher Richter gerade bei dieser Kammer ein Verfahren führt, für sich allein die Besorgnis der Befangenheit aller Berufsrichter dieser Kammer begründet.
Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Maßgeblich ist insoweit die Beurteilung eines verständigen, vernünftig abwägenden Prozessbeteiligten (BVerwG, Beschl. v. 13.09.2007 - 14 A 1007.07 - Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 68).
Nach Überzeugung der Kammer wird ein solcher Beteiligter nicht zu der Ansicht gelangen, ein ehrenamtlicher Richter stehe von vornherein zu den Berufsrichtern einer Kammer in einem solchen Näheverhältnis, dass diese - unbewusst - seinem Vortrag mehr Gehör schenken als dem der anderen Beteiligten des Verfahrens (so schon VG Freiburg, Beschl. 22.04.1994 - 10 K 357/94 -). Zwar besteht insoweit eine gewisse kollegiale Nähe. Kollegiale Nähe ist aber für sich allein nicht hinreichend für eine begründete Besorgnis der Befangenheit. Dies wird auch dadurch ausgedrückt, dass bei der Bejahung einer Besorgnis der Befangenheit bei gesellschaftlichen sozialen, dienstlichen oder beruflichen Kontakten Zurückhaltung geboten ist (Meissner, in: Schoch/Schmitt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 54 Rdnr. 36 m.w.N.; dem entsprechend BGH, Beschl. v. 20.10.2003 - II ZB 31/02 - NJW 2004, 163: Die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters bei dem Erlass der angefochtenen Kollegialentscheidung stellt keinen generellen Ablehnungsgrund im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar).
Zu einer solchen Ansicht wird ein solcher Beteiligter vielmehr nur dann gelangen, wenn besondere Umstände hinzutreten, die auf eine engere Verbundenheit hinweisen. Dabei kommt es weniger auf die kollegiale Nähe in der Vergangenheit (so aber VG Freiburg, Beschl. v. 05.11.1993 - 7 K 1902/93 - VBlBW 1994, 37, unter Hinweis auf die Mitwirkung einer ehrenamtlichen Richterin in der betroffenen Kammer über acht Jahre hinweg), sondern mehr darauf an, ob eine solche Nähe auch in Zukunft besteht und ob besondere weitere Umstände hinzutreten (OVG MV, Beschl. v. 18.01.2001 - 2 M 4/01 - juris). Ein nur gelegentlicher beruflicher Kontakt reicht nicht aus (BGH, Beschl. v. 04.07.1957 - IV ARZ 5/57 - FamRZ 1957, 314; BGH, Beschl. v. 04.07.1957 - vgl. auch BFH, Beschl. v. 01.08.2001 - VII S 5/01 - juris).
Zwar soll es regelmäßig für eine Besorgnis der Befangenheit genügen, dass ein um Rechtsschutz ersuchender Richterkollege nicht nur dem Gericht, sondern gerade dem Spruchkörper angehört, der zur Entscheidung über die Sache berufen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.06.2004 - 1 BvR 336/04 - NJW 2004, 3550 m.w.N.). Dies gilt aber nur für die Berufsrichter einer Kammer und nicht etwa auch für die Berufsrichter, die in dieser Kammer hin und wieder vertretungsweise mitwirken.
Bei ehrenamtlichen Richtern, die einem Spruchkörper zugewiesen sind, wird ein besonderes Näheverhältnis teilweise angenommen.
Bejaht wird es, allerdings auch nicht allgemein, beim ordentlichen Vorsitzenden einer Handelskammer in einem Rechtsstreit, in dem ein der Kammer angehörender (ehrenamtlicher) Handelsrichter Geschäftsführer einer der Parteien ist (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.02.2006 - 14 W 3/06 - Justiz 2006, 535 m.w.N., auch zur Gegenauffassung).
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Dem gegenüber sieht die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung in dem Umstand, dass eine Prozesspartei dem Gericht als ehrenamtlicher Richter angehört, keinen Befangenheitsgrund, weil der ehrenamtliche Richter mit dem Vorsitzenden einer Kammer in der Regel nur sporadisch zusammenarbeitet; anders ist es nur, wenn besondere Umstände dazu kommen (LAG Schl.-H., Beschl. v. 06.11.2006 - AR 57/06 - ArbuR 2007, 139 m.w.N.).
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Die Kammer folgt dieser Auffassung. Sie gilt in der Verwaltungsgerichtsbarkeit umso mehr, als dort in erster Instanz grundsätzlich nicht ein Berufsrichter allein, sondern eine aus drei Berufsrichtern bestehende Kammer berufen ist, über Rechtsschutzbegehren zu entscheiden. Ein unbefangener, verständig abwägender Beteiligter wird diesen Umstand nicht nur als Gewähr für eine bessere Qualität der Rechtsprechung im Allgemeinen, sondern auch als Gewähr dafür begreifen, dass sich die Richter durch eine gewisse Nähe zu einem der Prozessbeteiligten bei der Rechtsfindung nicht beeinflussen lassen werden.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 146 Abs. 2 VwGO).

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