Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 4 K 807/14

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

 
Die Entscheidungen ergehen gemäß § 87a Abs. 1 Nrn. 3 und 5 und Abs. 3 VwGO durch den Berichterstatter anstelle der Kammer.
Nachdem der Vollstreckungsgläubiger in dem am 23.04.2014 beim Gericht eingegangenen Schreiben seines Prozessbevollmächtigten (ohne Datum) den Rechtsstreit ausdrücklich in der Hauptsache für erledigt erklärt hat und die Vollstreckungsschuldnerin eine solche Erklärung im Schreiben vom 16.04.2014 zumindest konkludent abgegeben hat, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO muss das Gericht - unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands - nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens entscheiden (zur Anwendbarkeit des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch in Vollstreckungsverfahren nach den §§ 167 ff. VwGO siehe Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 161 RdNr. 8 und § 170 RdNr. 2, m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.02.1989, Die Justiz 1989, 445, m.w.N.; ebenso VG Freiburg, Beschluss vom 23.06.2009 - 4 K 666/09 -, m.w.N.).
Billigem Ermessen entspricht es hier, dem Vollstreckungsgläubiger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sein Antrag auf Vollstreckung des der (Asyl-)Klage des Vollstreckungsgläubigers (zum Teil) stattgebenden Urteils des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29.01.2014 - A 4 K 725/13 - (noch) unzulässig war.
Dabei kann es hier dahingestellt bleiben, ob der Vollstreckungsantrag bereits deshalb unzulässig war, weil das dem Vollstreckungsschuldner zugestellte Urteil nicht mit einer Vollstreckungsklausel versehen war, wie das nach den §§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO und 725 ZPO an sich vorgeschrieben ist, da die Vorschrift des § 171 VwGO über die Entbehrlichkeit einer Vollstreckungsklausel für die Fälle der Vollstreckung von Verpflichtungsurteilen - wie hier - gemäß § 172 VwGO, der einer Anwendung von § 170 VwGO vorgeht (vgl. hierzu vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 170 RdNr. 1), ausdrücklich nicht gilt (vgl. zum Meinungsstreit hierzu u. a. Kopp/Schenke, a.a.O., § 171 RdNr. 1, m.w.N.; zu den beachtlichen Argumenten für die Entbehrlichkeit einer Vollstreckungsklausel [auch] in Fällen der Vollstreckung nach § 172 VwGO siehe Funke-Kaiser, in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen, 2. Aufl. 2011, § 3 RdNr. 859, m.w.N.).
Denn in jedem Fall ist der vom Vollstreckungsgläubiger beim Gericht gestellte Vollstreckungsantrag verfrüht gewesen. Damit fehlte dem Vollstreckungsgläubiger das Rechtsschutzinteresse für die Stellung eines solchen Antrags (Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 172 RdNr. 58). Zwar ist die Frage, wann ein Vollstreckungsgläubiger berechtigt ist, einen Antrag auf Vollstreckung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils zu stellen, im Gesetz, insbesondere in den §§ 167 ff. VwGO, nicht geregelt. Soweit in § 170 Abs. 2 Satz 2 VwGO eine Frist von einem Monat bestimmt ist, scheidet eine Anwendung dieser Vorschrift schon deshalb aus, weil § 170 VwGO in Fällen der Vollstreckung eines Verpflichtungsurteils durch § 172 VwGO verdrängt wird (siehe oben); hinzu kommt, dass § 170 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht die Frage der Stellung eines Vollstreckungsantrags durch den Vollstreckungsgläubiger betrifft, sondern die vom Gericht nach Stellung eines solchen Antrags dem Vollstreckungsschuldner einzuräumende Frist zur Abwendung einer Vollstreckungsverfügung. Auch auf die Vier-Wochen-Frist in § 882a ZPO kann nicht abgestellt werden, da diese Vorschrift im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit generell keine Anwendung findet (Bayer. VGH, Beschluss vom 02.03.2004, BayVBl 2004, 571, m.w.N.; VG Cottbus, Beschluss vom 01.02.2010 - 6 M 15/09 -, juris, m.w.N.; ebenso für den Bereich der FGO FG Hamburg, Beschluss vom 02.05.2007 - 4 K 12/07 -, juris, m.w.N.) und insbesondere die Vollstreckung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht von der vorherigen Anzeige der Vollstreckungsabsicht durch den Vollstreckungsgläubiger abhängt; darüber hinaus geht es hier nicht um die in § 882a ZPO allein geregelte Vollstreckung wegen einer Geldforderung. Ebenso wenig kann auf die Drei-Monats-Frist in § 75 VwGO abgestellt werden, weil die Erfüllung eines Vollstreckungstitels durch eine Behörde in der Regel weit weniger Aufwand erfordert als die Durchführung eines ordnungsgemäßen Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahrens (Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 172 RdNr. 4).
Ungeachtet fehlender gesetzlicher Regelungen ist es jedoch in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass dem Vollstreckungschuldner Gelegenheit zu geben ist, die Vollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden, und dass der Vollstreckungsgläubiger ihm hierzu eine angemessene Frist einräumen muss, deren Länge sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet (BVerfG, Beschlüsse vom 10.12.1998, NJW 1999, 778, und vom 05.03.1991, NJW 1991, 2758; BVerwG, Beschluss vom 30.12.1968, NJW 1969, 476; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 15.05.1992, NVwZ-RR 1993, 447, und vom 25.03.1976 - IV 559/76 -, DÖV 1976, 606 [nur Leitsatz]; FG Hamburg, Beschluss vom 02.05.2007, a.a.O., m.w.N.; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: April 2013, Bd. 2, § 172 RdNr. 33, m.w.N.; Heckmann, a.a.O., § 172 RdNr. 58; Schmidt-Kötters, in: Posser/Wolff, VwGO, 2008, § 172 RdNr. 21; Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Aufl. 2010, § 172 RdNr. 7). In Fällen der Vollstreckung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils - wie hier - beginnt diese Frist frühestens mit der Kenntnis des Vollstreckungsschuldners von der Rechtskraft und damit der Vollstreckbarkeit des Urteils zu laufen, in der Praxis sogar regelmäßig erst mit Rückgabe der Akten durch das Gericht an die Verwaltungsbehörde, da die Erfüllung des Urteils im Allgemeinen die Kenntnis der Akten erfordert (Bader, a.a.O., § 172 RdNr. 7, m.w.N.; Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 172 RdNr. 4). Der Auffassung, der zufolge die Frist für die Stellung eines Vollstreckungsantrags bereits mit der Zustellung des Urteils und nicht erst mit Eintritt der Rechtskraft zu laufen beginne (so Pietzner/Möller, a.a.O., § 172 RdNr. 33, und Heckmann, a.a.O., § 172 RdNr. 58), kann nach Auffassung des Gerichts nicht gefolgt werden, weil gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erst die Rechtskraft die Vollstreckbarkeit eines Urteils bewirkt und - vor allem - weil vor Eintritt der Rechtskraft nicht feststeht, ob das Urteil letztendlich überhaupt Bestand hat. Denn den Beteiligten steht es bis zum letzten Tag der Rechtsmittelfrist frei zu entscheiden, ob sie das gegen das Urteil gegebene Rechtsmittel einlegen wollen oder nicht (Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., Bd. 1, § 60 RdNr. 40, m.w.N.; von Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll,, a.a.O., § 60 RdNr. 59).
Diese (angemessene) Frist hat der Vollstreckungsgläubiger der Vollstreckungsschuldnerin im vorliegenden Fall nicht eingeräumt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29.01.2014 - A 4 K 725/13 -, dessen Vollstreckung begehrt wird, ist den Beteiligten am 12.02.2014 zugestellt und am 13.03.2014 rechtkräftig geworden. Die vom Verwaltungsgericht versandte Mitteilung der Rechtskraft ist den Beteiligten jenes Verfahrens am 14.03.2014 (einem Freitag) zugegangen. Der Vollstreckungsgläubiger hat bereits am 01.04.2014, also nur etwas mehr als zwei Wochen nach Zugang der Rechtskraftmitteilung, beim Gericht den Antrag auf Vollstreckung aus dem zuvor genannten Urteil gestellt. Eine solch kurze Frist ist in keinem Fall, vor allem nicht im vorliegenden (Einzel-)Fall, angemessen, auch dann nicht, wenn man berücksichtigt, dass der Vollstreckungsgläubiger die Vollstreckungsschuldnerin zuvor bereits mit zwei Schreiben vom 17.03.2014 und vom 26.03.2014 zum Erlass des mit der Vollstreckung begehrten Bescheids aufgefordert hatte. Zwar erfordert der Erlass eines Bescheids über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, zu dem die Vollstreckungsschuldnerin im vorliegenden Fall rechtskräftig verurteilt worden war, einerseits keinen allzu großen Verwaltungsaufwand. Doch darf andererseits auch hier nicht verkannt werden, dass zumindest eine sorgfältige Prüfung der maßgeblichen Daten anhand der Akten geboten ist, um insoweit Fehler und damit weitere Verzögerungen zu vermeiden. Vor allem kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass die für den Erlass des begehrten Bescheids (allein) zuständige Behörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, durch einen enormen Anstieg von Asylanträgen im Jahr 2013 und vor allem auch zu Beginn des Jahres 2014 einer kurzfristig kaum zu bewältigenden Überbelastung ausgesetzt ist, was allgemein und insbesondere auch dem Prozessbevollmächtigten des Vollstreckungsgläubigers bekannt ist. Eine solche (Ausnahme-)Situation wird auch im Geltungsbereich des § 75 VwGO als zureichender Grund für eine Verzögerung anerkannt (siehe hierzu Kopp/Schenke, a.a.O., § 75 RdNr. 13, m.w.N.) und kann auch im Rahmen von § 172 VwGO als Grund für eine Säumnis der Behörde bei der Erfüllung eines titulierten Anspruchs herangezogen werden (vgl. hierzu Schmidt-Kötters, a.a.O., § 172 RdNr. 21.1, m.w.N.; Heckmann, a.a.O., § 172 RdNr. 58).
An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der mit der Vollstreckung begehrte Bescheid erst am 07.04.2014 erlassen worden und dem Vollstreckungsgläubiger erst am 17.04.2014, also weitere ca. zwei Wochen nach Stellung des Vollstreckungsantrags, zugegangen ist. Denn zum einen liegen auch diese weiteren verstrichenen Zeiträume noch innerhalb der angemessenen Frist, die der Vollstreckungsschuldnerin nach den vorstehenden Ausführungen hier zur Erfüllung ihrer im Urteil aufgegebenen Verpflichtung zur Verfügung stand, und zum anderen kommt es für die Beantwortung der (Rechts-)Frage, ob eine Vollstreckungsmaßnahme bereits notwendig und ein Vollstreckungsantrag somit zulässig ist, auf den Zeitpunkt der Stellung des Vollstreckungsantrags beim Gericht und nicht auf spätere Zeitpunkte an (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 01.02.2010 - 6 M 15/09 -, juris; in diesem Sinne auch BVerfG, Beschluss vom 10.12.1998, a.a.O.).
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG; vgl. auch §§ 92 Abs. 3 Satz 2 analog und 158 Abs. 2 VwGO).

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