Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 1 K 4602/16

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt Schutz vor Verfolgung.
Der Kläger reiste nach eigenen Angaben am 12.10.2015 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein. Dabei gab er an, gambischer Staatsangehöriger vom Volk der Mandingo zu sein. Identitätspapiere legte er nicht vor. Er stellte am 27.06.2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 20.07.2016 gab der Kläger an, er sei in Gambia bei einer Frau aufgewachsen, die jedoch nicht seine leibliche Mutter gewesen sei. Diese Frau habe fünf weitere leibliche Kinder gehabt. Sie sei oft wegen geschäftlichen Dingen unterwegs gewesen. Er sei dann zu Hause von seinen Stiefgeschwistern beleidigt und häufig auch geschlagen worden. Wenn die Frau, bei der er aufgewachsen sei, zu Hause gewesen sei, sei alles in Ordnung gewesen. Die Frau sei von ihrer letzten Reise lange Zeit nicht zurückgekehrt. Die Situation sei für ihn wegen der Geschwister zu Hause nicht mehr zu ertragen gewesen. Er sei deshalb zu einem Freund namens X gezogen. Mit diesem Freund habe er sich sehr gut verstanden. Er habe sich in ihn verliebt. Ihre Beziehung hätten sie geheim gehalten. Gleichwohl habe die Verwandtschaft von X herausbekommen, dass sein Freund und er homosexuell seien. Daraufhin hätten beide das Land verlassen. Bis nach Libyen seien sie gemeinsam gereist. Sein Freund habe als erster die Überfahrt nach Italien in einem Schlauchboot gewagt. Dieses sei im Juni oder Juli 2015 gesunken und sein Freund dabei ums Leben gekommen. Diesen Verlust habe er erst verarbeiten müssen, bevor er sich selbst getraut habe, in einem Schlauchboot die Überfahrt nach Italien zu wagen. Im Falle seiner Rückkehr nach Gambia befürchte er, dass er sich wieder verlieben würde eine seine Sexualität dort nicht frei ausleben könne. Außerdem wolle er sich in Deutschland weiterbilden. Dies sei in Gambia nicht möglich. Auch wenn es eine Regierung gäbe, die die Homosexualität tolerieren würde, würde er aus diesem Grund nicht nach Gambia zurückkehren. Er habe dort niemanden, insbesondere keine Familie. In Gambia habe er die Schule bis zur neunten Klasse besucht. Die wirtschaftliche Situation dort sei sehr schlecht gewesen. Während seines Aufenthalts in Libyen habe er gearbeitet, um die Weitereise bezahlen zu können.
Mit Bescheid vom 15.11.2016, dem Kläger zugestellt am 17.11.2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (Nr. 3) als unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde ferner aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen; bei Nichteinhaltung der Frist wurde ihm die Abschiebung nach Gambia oder einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise– und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung führte das Bundesamt an, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes seien im Falle des Klägers nicht gegeben, obwohl er angegeben habe, Gambia aus Angst vor Verfolgung wegen seiner Homosexualität verlassen zu haben. Homosexuelle Handlungen seien in Gambia zwar strafbewehrt und Homosexualität sei auch gesellschaftlich nicht akzeptiert. Der Kläger habe jedoch keine staatlichen oder privaten Verfolgungshandlungen geltend gemacht. Die allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage sowie der Wunsch, sich im Ausland weiterbilden zu können, seien flüchtlingsrechtlich nicht relevant. Der Kläger habe auch keine Verfolgung zu befürchten, weil er aus Gambia ausgereist sei und im Ausland Asyl beantragt habe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Ihm drohe weder die Todesstrafe noch bestehe ein bewaffneter Konflikt in Gambia. Dem Kläger drohe dort auch nicht Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Schließlich lägen auch keine Abschiebungsverbote vor.
Am 08.12.2016 hat der Kläger Klage erhoben. Der Kläger nahm zur Begründung auf die beim Bundesamt gemachten Angaben Bezug.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen,
weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt
10 
und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15.11.2016 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
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Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2018 informatorisch zu seinen Fluchtgründen angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
14 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten des Bundesamts vor. Diese Akten wurden ebenso wie die Erkenntnismittel, die in der im Internet veröffentlichten Liste – auf die die Beteiligten mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung hingewiesen wurden – und in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung aufgeführt sind, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Hierauf sowie auf die Gerichtsakte wird wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die Entscheidung erfolgt im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
16 
Der Berichterstatter durfte am 29.03.2018 verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte nicht anwesend war, denn sie ist in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
I.
17 
Die Klage ist statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht erhoben. Denn zugunsten des Klägers gilt vorliegend die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden–Württemberg vom 18.04.2017 – A 9 S 333/17 – ist die dem angefochtenen Bescheid vom 15.11.2016 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung in zweierlei Hinsicht unrichtig. Denn dort heißt es u.a., dass die Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe „in deutscher Sprache abgefasst sein“ müsse. Der Kläger wohnte zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides in Villingen–Schwenningen und damit gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Freiburg. Ferner ist die Rechtsbehelfsbelehrung nach der vorgenannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof Baden–Württemberg geeignet, bei dem Betroffenen den Eindruck zu erwecken, dass die Klage gegen den Bundesamtsbescheid bei dem Verwaltungsgericht schriftlich eingereicht werden müsse („in deutscher Sprache abgefasst“) und dass der Betroffene selbst für die Schriftform zu sorgen habe. Dies stehe aber in Widerspruch zu § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach die Klage beim Verwaltungsgericht auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden könne. Mit der Regelung solle dem Kläger der Rechtsschutz erleichtert werden, wenn er aus in seiner Person liegenden Gründen, etwa auch mangels hinreichender Kenntnis der deutschen Sprache, den Weg zum Gericht vorziehe. Die vom Bundesamt gewählte Formulierung erschwere dem Betroffenen demgegenüber die Rechtsverfolgung in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise. Demgemäß greift die Zweiwochenfrist nach § 74 Abs. 1 1. Halbsatz AsylG nicht, mit der Folge, dass die Klageerhebung und Antragstellung gem. § 58 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe zulässig ist, was hier der Fall ist.
II.
18 
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 15.11.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Er hat ferner keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1.
19 
Dem Kläger kann die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG nicht zuerkannt werden.
20 
a) Nach § 3 Abs. 1 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951 (GFK) zuerkannt, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
21 
aa) Nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG kann als eine bestimmte soziale Gruppe auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet. Zudem ist bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob er tatsächlich die sozialen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden, § 3b Abs. 2 AsylG.
22 
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen, wenn dem Schutzsuchenden bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 – 10 C 23/12 –, juris; Urteil vom 01.03.2012 – 10 C 7/11 –, juris, vgl. auch VGH Bad.–Württ., Urteil vom 07.03.2013 – A 9 S 1873/12 –, juris; VG Aachen, Urteil vom 18.03.2014 – 2 K 1589/10.A –, juris m.w.N.). Dabei ist eine „qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Schutzsuchenden Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann deshalb auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer „quantitativen" oder mathematischen Betrachtungsweise weniger als 50 % Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden „zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts" die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (VGH Bad.–Württ., Urteil vom 07.03.2013 – A 9 S 1873/12 –, juris).
23 
Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt unverändert, auch wenn der Asylsuchende bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden erlitten hat. Wer allerdings bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG – sog. QuaIRL –; dazu BVerwG, Urteil vom 07.09.2010 – 10 C 11.09 –, juris; Urteil vom 27.04.2010 – 10 C 5.09 –, juris; VGH Bad.–Württ., Urteil vom 09.11.2010 – A 4 S 703/10 –, juris; Urteil vom 27.09.2010 – A 10 S 689/08 juris). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften.
24 
cc) Aus den in Art. 4 RL 2011/95/EU geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Asylantragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Asylantragstellers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Asylantragsteller zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Asylantragstellers berücksichtigt werden (vgl. dazu VG Aachen, Urteil vom 18.03.2014 – 2 K 1589/10.A –, juris, m.w.N.).
25 
b) Der Kläger trägt vor, er habe Gambia gemeinsam mit seinem homosexuellen Lebenspartner im August des Jahres 2014 wegen seiner Homosexualität und der Angst vor staatlicher Verfolgung und gesellschaftlicher Ächtung, Benachteiligung und Misshandlung verlassen. Konkret seien sein Freund und er jedoch weder von den staatlichen Sicherheitsbehörden vorgeladen oder strafrechtlich verfolgt noch von Familienmitgliedern oder sonstigen privaten Dritten misshandelt worden.
26 
aa) Mit Urteil vom 07.11.2013 hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass Homosexuelle eine „soziale Gruppe" im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst, d RL 2004/83/EG – sog. QualRL – sind, wenn das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen, die spezifisch Homosexuelle betreffen, die Feststellung erlaubt, dass diese Personen als eine bestimmte soziale Gruppe anzusehen sind (EuGH, Urteil vom 07.11.2013 – C–199/12 bis C–201/12 –, juris Rn 49). Danach ist Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Buchst, c RL 2004/83/EG – sog. QuaIRL – dahin auszulegen, dass der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher keine Verfolgungshandlung darstellt. Dagegen ist eine Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht sind und die im Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird, als unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung zu betrachten und stellt somit eine Verfolgungshandlung dar (ebd. juris Rn. 61). Außerdem ist Art. 10 Abs. 1 Buchst, d RL 2004/83/EG – sog. QuaIRL – dahin auszulegen, dass nur homosexuelle Handlungen ausgeschlossen sind, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten strafbar sind. Bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft können die zuständigen Behörden von den Asylbewerbern nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden (ebd. juris Rn. 76).
27 
bb) Das Auswärtige Amt hat dargelegt (Auskunft vom 23.06.2009 an das BAMF und Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia vom 26.10.2017 – Stand: Juli 2017), dass Homosexualität in Gambia strafbar sei. Nach Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs seien – auch einvernehmliche – „widernatürliche“ körperliche Kontakte sowie der Versuch, solche Kontakte einzugehen, mit einer Gefängnisstrafe von 4 bis 14 Jahren bewehrt. Homosexualität falle nach allgemeiner gambischer (Rechts–)Auffassung unter widernatürliche Akte. Sie seien auch dann strafbar, wenn sie nicht in der Öffentlichkeit begangen würden. Homosexuelle würden häufig in flagranti erwischt, ansonsten dienten als Beweise Zeugenaussagen oder Aussagen der „Opfer“, wenn ihnen z.B. von Homosexuellen angeblich „widernatürliche“ Avancen gemacht würden (vgl. zu weiteren Erkenntnisquellen über die Strafbarkeit von Homosexualität auch VGH Bad.–Württ, Urteil vom 26.10.2016 – A 9 S 908/13 –, juris Rn. 42).
28 
Nach Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28.07.2015 gehen die gambischen Behörden seit der Verschärfung des Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs vom Oktober 2014 vermehrt gegen Homosexuelle und vermutete Homosexuelle vor. Im Zeitraum vom 7. bis zum 13.11.2014 seien mindestens acht Personen, unter ihnen drei Frauen und ein 17–jähriger, wegen ihrer vermuteten sexuellen Orientierung festgenommen und mit Folter bedroht worden. Die Männer, von denen sie festgenommen worden seien, hätten sich als Agenten der National Intelligence Agency (NIA) und als Angehörige der Leibgarde des Präsidenten ausgewiesen. Wie Amnesty International beschreibe, sei den Festgenommenen gesagt worden, man würde ihnen einen Gegenstand in den Anus bzw. in die Vagina schieben, um ihre sexuelle Orientierung zu überprüfen, wenn sie ihre Homosexualität nicht „geständen“ und nicht die Namen anderer Homosexueller nennen würden. Am 18. und 19.11.2014 sollten aus dem gleichen Grund sechs weitere Frauen festgenommen worden seien. Die Neue Zürcher Zeitung habe im Januar 2015 über Razzien und gut organisierte Verhaftungswellen von mutmaßlich homosexuellen Personen und über Listen mit Namen von Homosexuellen berichtet. Seit dem Inkrafttreten des verschärften Homosexuellen–Gesetzes vom Oktober 2014 seien mindestens 14 Personen verhaftet worden (NZZ vom 20.01.2015: „Repression in Gambia – Diktatur abseits der Weltöffentlichkeit“). Auch das US Department of State erwähne Razzien des NIA mit dem Ziel, Personen mit von der Norm abweichender sexueller Orientierung (sog. LGBTI) aufzuspüren. Das US Department of State gehe davon aus, dass die Inhaftierten gefoltert worden seien, um von ihnen Geständnisse und weitere Informationen zu erpressen (vgl. hierzu auch VGH Bad.–Württ., Urteil vom 26.10.2016 – A 9 S 908/13 –, juris Rn. 46).
29 
c) Das Gericht ist zwar überzeugt, dass der Kläger homosexuell ist. Es ist jedoch aufgrund der aktuellen politischen Lage und der Phase des politischen Wandels in Gambia nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit der sozialen Gruppe der Menschen mit homosexueller Orientierung außerhalb seines Herkunftslandes Gambia befindet.
30 
aa) Geht es um die Wahrheitsfindung im Hinblick auf das Vorbringen eines Ausländers, der Verfolgung geltend macht, ist zu beachten, dass er sich typischerweise in Beweisnot befindet, soweit es sein individuelles Verfolgungsschicksal betrifft. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher gesteigerte Bedeutung beizumessen (BVerwG, Beschluss vom 10.05.2002 – 1 B 392/01 – InfAuslR 2003, 28). Den Asylbewerber trifft nach § 15 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VwGO die Mitwirkungspflicht, seine guten Gründe für eine ihm drohende Verfolgung in stimmiger, schlüssiger und wirklichkeitsnaher Form vorzutragen (vgl. auch Art. 4 Abs. 1, 2 und 5 der Richtlinie 2011/95/EU). Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen, wobei insoweit unter anderem Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden müssen. Ändert der Asylsuchende im späteren Vortrag sein früheres Vorbringen, muss er dies, um nicht unglaubwürdig zu erscheinen, überzeugend begründen.
31 
bb) Das Gericht ist zur Überzeugung gelangt, dass die Angaben des Klägers über seine sexuelle Orientierung, seine Beziehung zu seinem Freund X und die Gründe seiner Ausreise aus Gambia im August des Jahres 2014 wahr sind. Der Kläger hat detailreich und schlüssig geschildert, wie die Beziehung zu seinem Freund entstanden ist und wie er Gefühle für seinen Freund entwickelt hat. Der Kläger hat ferner schlüssig, nachvollziehbar und glaubhaft dargetan, wie er nunmehr in Deutschland in seinem gesellschaftlichen Umfeld mit seiner sexuellen Orientierung umgeht. Der Kläger hat jedoch selbst keinerlei Vorverfolgung durch staatliche Stellen oder gesellschaftliche Akteure vorgetragen. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG – sog. QuaIRL – kommt dem Kläger daher nicht zu Gute. Der hiesige Sachverhalt weicht daher vom Sachverhalt ab, über den das Verwaltungsgericht Stuttgart zu entscheiden hatte (konkrete staatliche Vorverfolgung in Gestalt von Inhaftierung und Folterung des Klägers aufgrund seiner Homosexualität, VG Stuttgart, Urteil vom 02.11.2017 – A 1 K 8218/16 –, juris). Maßgeblich ist daher allein, ob dem Kläger nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung anzustellenden Wahrscheinlichkeitsprognose im Falle seiner Rückkehr politische Verfolgung droht.
32 
cc) Nach der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden–Württemberg, kann aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse nicht davon ausgegangen werden, dass Homosexuellen durch die staatliche Verurteilung der Homosexualität in Gambia in der Praxis mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht. Es fehlt – auch unter der zwischenzeitlich beendeten Präsidentschaft Jammeh – an hinreichenden Belegen dafür, dass strafrechtliche Verurteilungen gambischer Staatsangehöriger im Zusammenhang mit dem Vorwurf homosexueller Handlungen erfolgen (VGH Bad.–Württ., Urteil vom 26.10.2016 – A 9 S 903/13 – juris, Rn. 42 ff.; 49 ff.).
33 
Neben dem Zeitablauf seit der Ausreise (etwa dreieinhalb Jahre) spricht der in Gambia vollzogene Machtwechsel im Dezember 2016 und Januar 2017 gegen eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung des Klägers wegen dessen homosexueller Orientierung (vgl. zum Folgenden VG Freiburg, Urteil vom 10.11.2017 – A 1 K 4885/16 –, juris und Urteil vom 10.01.2018 – A 1 K 4364/16 – nicht veröffentlicht; a. A. wohl VG Stuttgart, Urteil vom 02.11.2017 – A 1 K 8218/16 –, juris). Der ehemalige Präsident, Yahya Jammeh, der persönlich gegen Homosexuelle gehetzt hatte, befindet sich im Exil. Der neue Präsident, Adama Barrow, hat einen vollständig anderen Kurs eingeschlagen. So hat sich u.a. auch die menschenrechtliche Situation in Gambia wesentlich verbessert. Die Regierung kündigte eine Reihe von Maßnahmen an, um die Einhaltung der Menschenrechtsstandards sicher zu stellen und verpflichtete sich, eine nationale Menschenrechtskommission zu etablieren (Bericht des UNO–Generalsekretärs zu Entwicklungen in westafrikanischen und Sahel–Staaten zwischen 1. Jänner und 30. Juni 2017, Rn. 29; Humans Rights Watch, Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2017, Stand: 18.01.2018, S. 1; beide Quellen abrufbar unter www.ecoi.net). Die Gesetze, die Homosexualität unter Strafe stellen, wurden bislang nicht von der Regierung Barrow revidiert. Menschen mit abweichender sexueller Orientierung sind Amnesty International zufolge immer noch der Diskriminierung und Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure, insbesondere Familienangehörige, ausgesetzt (Amnesty International, Jahresbericht 2017/2018, Stand: 22.02.2018, vgl. auch European Asylum Support Office, Country of Origin Information Report: The Gambia Country Focus, S. 66 f., beides abrufbar unter abrufbar unter www.ecoi.net). Zugleich soll Präsident Barrow bei einer Pressekonferenz im Februar 2017 gesagt haben, dass Homosexualität in Gambia kein Thema sei und er Homosexualität als persönliche Angelegenheit betrachte. Nach der Interpretation durch Frau Dr. Touray, Ministerin für Beschäftigung und selbst Menschenrechtsaktivistin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin, meine er damit, dass die Menschen ein Recht zu welcher Orientierung auch immer hätten, natürlich habe jeder ein Recht zu existieren (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Gambia: Informationen zu Homosexualität [gesetzliche Lage, Umsetzung von Strafen, Haltung der Gesellschaft, der Behörden und des neuen Präsidenten gegenüber Homosexuellen], Stand 27.03.2017, unter Berufung auf die Medienplattform DEVEX, 17.02.2017). Nach Erkenntnissen von Human Rights Watch hat die Regierung Barrow versprochen, gleichgeschlechtliche Paare nicht wegen einverständlicher sexueller Handlungen strafrechtlich zu verfolgen. Diese Politik stehe in scharfem Kontrast zur hasserfüllten Rhetorik des vormaligen Präsidenten Jammeh (Humans Rights Watch, Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2017, Stand: 18.01.2018, S. 5). Zudem soll es nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes zuletzt im Jahr 2015 zu Verhaftungen aufgrund von Homosexualität gekommen sein, ohne dass es zu Verurteilungen gekommen sei (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl– und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia vom 26.10.2017, Stand: Juli 2017, und Auskunft an Verwaltungsgericht Stuttgart zum Az.: A 1 K 8218/16 vom 21.08.2017).
34 
Auch wenn im Hinblick auf die gesellschaftliche Ächtung und Diskriminierung nicht gänzlich ausgeschlossen ist, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr – insbesondere von nichtstaatlichen Akteuren (§ 3c Nr. 3 AsylG) – wegen seiner Homosexualität verfolgt wird, wiegen die Tatsachen nicht schwerer, als jene, die gegen eine Verfolgung sprechen. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG – sog. QuaIRL – kommt dem Kläger – wie bereits dargelegt – nicht zu Gute. Der Kläger hat selbst dargelegt, dass er Gambia auch wegen der wirtschaftlichen Situation und der fehlenden familiären Unterstützung verlassen habe. Seine Fluchtmotivation beruht nicht allein auf Angst vor Verfolgung. Der Kläger hat in Gambia schließlich keine Familie, aus deren Mitte mit Gewaltakten oder ähnlichen Verfolgungshandlungen zu rechnen ist. Etwaigen Nachstellungen der Familie seines verstorbenen Freundes – die das Gericht nicht für beachtlich wahrscheinlich hält und für die der Kläger auch keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen hat – könnte sich der Kläger durch Ansiedlung in einer anderen Stadt oder einem anderen Landstrich entziehen (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
2.
35 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
36 
a) Gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Heimatland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 gilt als ernsthafter Schaden 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. In diesem Rahmen sind gem. § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend anzuwenden.
37 
b) Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist der bereits oben dargelegt Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Eine konkrete Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG) liegt nicht vor. Eine konkrete Gefahr, dass der Kläger im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Gambia Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden könnte, ist in Folge des oben Ausgeführten nicht erkennbar. Insbesondere ist die Wahrscheinlichkeit, dass er nach dem Machtwechsel vom Dezember 2016 als Rückkehrer wegen seiner homosexuellen Beziehung in Untersuchungshaft genommen wird, deren Bedingungen nach wie vor problematisch sind (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl– und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia vom 26.10.2017, Stand: Juli 2017), gering. Den maßgeblichen Erkenntnismitteln ist nicht zu entnehmen
38 
dass sich die staatliche Verurteilung der Homosexualität in Gambia in der Praxis so darstellt, dass dem Kläger aus diesem Grund, sofern er nun nach Gambia zurückkehrte, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden drohte. Nach wie vor fehlt es an hinreichenden Belegen dafür, dass – die Gefahr eines ernsthaften Schadens begründende [...] – strafrechtliche Verurteilungen gambischer Staatsangehörige im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Homosexualität erfolgen. Auch wenn es in Einzelfällen zu (kurzzeitigen) Verhaftungen gekommen ist und kommt, besteht noch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger allein aufgrund seiner Homosexualität von einem ernsthaften Schaden bedroht wäre. Insoweit ist schon die Zahl der Referenzfälle, die sich aus den oben dargestellten Erkenntnismitteln ergibt, im Verhältnis zur vermuteten Gesamtzahl an Homosexuellen in Gambia zu gering.“
39 
(VGH Bad.–Württ., Urteil vom 26.10.2016 – A 9 S 908/13 –, Rn. 49, juris)
40 
Durch den Machtwechsel hat sich die Situation weiter entschärft (vgl. oben).
3.
41 
Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG liegen nicht vor.
42 
Wie im angefochtenen Bescheid – auf den insoweit Bezug genommen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG) dargestellt, ist die wirtschaftliche Lage weiter Teile der Bevölkerung in Gambia sehr schlecht. Dennoch wird der gesunde und arbeitsfähige Kläger, der Gambia nach eigenen Angaben im August 2014 verlassen hat, also bis zu seinem ca. 16. Lebensjahr dort lebte, nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls das erforderliche Existenzminimum erwirtschaften können. Dem Kläger ist es auch auf seiner Reise nach Deutschland gelungen, unter widrigen Umständen immer wieder Geld durch verschiedene Arbeiten zu verdienen, um seine Flucht zu finanzieren. Ferner kommt dem Kläger seine in Deutschland begonnene Ausbildung zu Gute, die ihm eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit ermöglichen wird.
43 
Ferner konnte sich das Gericht nicht davon überzeugen, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr durch die Familie seines verstorbenen Freundes oder sonstige Dritte eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) droht. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Versagung des Flüchtlingsschutzes Bezug genommen.
4.
44 
Auch die Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Die Ausreisefrist von 30 Tagen folgt aus § 38 Abs. 1 AsylG.
5.
45 
Bei der Anordnung des behördlichen Einreise– und Aufenthaltsverbotes gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unter Nr. 6 des angefochtenen Bescheides hat das Bundesamt das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Befristung des Verbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung hält sich innerhalb des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmens, wonach die Frist fünf Jahre nur überschritten werden darf, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Das Bundesamt hat in seiner Begründung der Befristungsentscheidung die einschlägigen Rechtsgrundlagen mitgeteilt und dabei insbesondere zu erkennen gegeben, dass es von einer Ermessensentscheidung ausgeht und den zutreffenden Fristrahmen zugrunde legt. Aus dem Zusammenhang mit der im Bescheid bzgl. der Anordnung und Befristung des behördlichen Einreise– und Aufenthaltsverbotes gegebenen Begründung ergibt sich ferner, dass das Bundesamt das (Nicht–)Vorliegen individueller schutzwürdiger Belange des Klägers, die eine abweichende Fristsetzung rechtfertigen könnten, in seine Ermessenserwägungen einbezogen hat. Diese knappen Erwägungen und Ausführungen genügen den von §§ 40, 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG gestellten Anforderungen an die Ermessensausübung und an deren Dokumentation.
6.
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47 
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei 83 b AsylG.

Gründe

 
15 
Die Entscheidung erfolgt im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
16 
Der Berichterstatter durfte am 29.03.2018 verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte nicht anwesend war, denn sie ist in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
I.
17 
Die Klage ist statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht erhoben. Denn zugunsten des Klägers gilt vorliegend die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden–Württemberg vom 18.04.2017 – A 9 S 333/17 – ist die dem angefochtenen Bescheid vom 15.11.2016 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung in zweierlei Hinsicht unrichtig. Denn dort heißt es u.a., dass die Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe „in deutscher Sprache abgefasst sein“ müsse. Der Kläger wohnte zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides in Villingen–Schwenningen und damit gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Freiburg. Ferner ist die Rechtsbehelfsbelehrung nach der vorgenannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof Baden–Württemberg geeignet, bei dem Betroffenen den Eindruck zu erwecken, dass die Klage gegen den Bundesamtsbescheid bei dem Verwaltungsgericht schriftlich eingereicht werden müsse („in deutscher Sprache abgefasst“) und dass der Betroffene selbst für die Schriftform zu sorgen habe. Dies stehe aber in Widerspruch zu § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach die Klage beim Verwaltungsgericht auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden könne. Mit der Regelung solle dem Kläger der Rechtsschutz erleichtert werden, wenn er aus in seiner Person liegenden Gründen, etwa auch mangels hinreichender Kenntnis der deutschen Sprache, den Weg zum Gericht vorziehe. Die vom Bundesamt gewählte Formulierung erschwere dem Betroffenen demgegenüber die Rechtsverfolgung in einer vom Gesetz nicht gewollten Weise. Demgemäß greift die Zweiwochenfrist nach § 74 Abs. 1 1. Halbsatz AsylG nicht, mit der Folge, dass die Klageerhebung und Antragstellung gem. § 58 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe zulässig ist, was hier der Fall ist.
II.
18 
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 15.11.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Er hat ferner keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1.
19 
Dem Kläger kann die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG nicht zuerkannt werden.
20 
a) Nach § 3 Abs. 1 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951 (GFK) zuerkannt, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
21 
aa) Nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG kann als eine bestimmte soziale Gruppe auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet. Zudem ist bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob er tatsächlich die sozialen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden, § 3b Abs. 2 AsylG.
22 
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen, wenn dem Schutzsuchenden bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 – 10 C 23/12 –, juris; Urteil vom 01.03.2012 – 10 C 7/11 –, juris, vgl. auch VGH Bad.–Württ., Urteil vom 07.03.2013 – A 9 S 1873/12 –, juris; VG Aachen, Urteil vom 18.03.2014 – 2 K 1589/10.A –, juris m.w.N.). Dabei ist eine „qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Schutzsuchenden Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann deshalb auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer „quantitativen" oder mathematischen Betrachtungsweise weniger als 50 % Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden „zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts" die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (VGH Bad.–Württ., Urteil vom 07.03.2013 – A 9 S 1873/12 –, juris).
23 
Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt unverändert, auch wenn der Asylsuchende bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden erlitten hat. Wer allerdings bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG – sog. QuaIRL –; dazu BVerwG, Urteil vom 07.09.2010 – 10 C 11.09 –, juris; Urteil vom 27.04.2010 – 10 C 5.09 –, juris; VGH Bad.–Württ., Urteil vom 09.11.2010 – A 4 S 703/10 –, juris; Urteil vom 27.09.2010 – A 10 S 689/08 juris). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften.
24 
cc) Aus den in Art. 4 RL 2011/95/EU geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Asylantragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Asylantragstellers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Asylantragsteller zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Asylantragstellers berücksichtigt werden (vgl. dazu VG Aachen, Urteil vom 18.03.2014 – 2 K 1589/10.A –, juris, m.w.N.).
25 
b) Der Kläger trägt vor, er habe Gambia gemeinsam mit seinem homosexuellen Lebenspartner im August des Jahres 2014 wegen seiner Homosexualität und der Angst vor staatlicher Verfolgung und gesellschaftlicher Ächtung, Benachteiligung und Misshandlung verlassen. Konkret seien sein Freund und er jedoch weder von den staatlichen Sicherheitsbehörden vorgeladen oder strafrechtlich verfolgt noch von Familienmitgliedern oder sonstigen privaten Dritten misshandelt worden.
26 
aa) Mit Urteil vom 07.11.2013 hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass Homosexuelle eine „soziale Gruppe" im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst, d RL 2004/83/EG – sog. QualRL – sind, wenn das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen, die spezifisch Homosexuelle betreffen, die Feststellung erlaubt, dass diese Personen als eine bestimmte soziale Gruppe anzusehen sind (EuGH, Urteil vom 07.11.2013 – C–199/12 bis C–201/12 –, juris Rn 49). Danach ist Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Buchst, c RL 2004/83/EG – sog. QuaIRL – dahin auszulegen, dass der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher keine Verfolgungshandlung darstellt. Dagegen ist eine Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht sind und die im Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird, als unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung zu betrachten und stellt somit eine Verfolgungshandlung dar (ebd. juris Rn. 61). Außerdem ist Art. 10 Abs. 1 Buchst, d RL 2004/83/EG – sog. QuaIRL – dahin auszulegen, dass nur homosexuelle Handlungen ausgeschlossen sind, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten strafbar sind. Bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft können die zuständigen Behörden von den Asylbewerbern nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden (ebd. juris Rn. 76).
27 
bb) Das Auswärtige Amt hat dargelegt (Auskunft vom 23.06.2009 an das BAMF und Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia vom 26.10.2017 – Stand: Juli 2017), dass Homosexualität in Gambia strafbar sei. Nach Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs seien – auch einvernehmliche – „widernatürliche“ körperliche Kontakte sowie der Versuch, solche Kontakte einzugehen, mit einer Gefängnisstrafe von 4 bis 14 Jahren bewehrt. Homosexualität falle nach allgemeiner gambischer (Rechts–)Auffassung unter widernatürliche Akte. Sie seien auch dann strafbar, wenn sie nicht in der Öffentlichkeit begangen würden. Homosexuelle würden häufig in flagranti erwischt, ansonsten dienten als Beweise Zeugenaussagen oder Aussagen der „Opfer“, wenn ihnen z.B. von Homosexuellen angeblich „widernatürliche“ Avancen gemacht würden (vgl. zu weiteren Erkenntnisquellen über die Strafbarkeit von Homosexualität auch VGH Bad.–Württ, Urteil vom 26.10.2016 – A 9 S 908/13 –, juris Rn. 42).
28 
Nach Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 28.07.2015 gehen die gambischen Behörden seit der Verschärfung des Art. 144 des gambischen Strafgesetzbuchs vom Oktober 2014 vermehrt gegen Homosexuelle und vermutete Homosexuelle vor. Im Zeitraum vom 7. bis zum 13.11.2014 seien mindestens acht Personen, unter ihnen drei Frauen und ein 17–jähriger, wegen ihrer vermuteten sexuellen Orientierung festgenommen und mit Folter bedroht worden. Die Männer, von denen sie festgenommen worden seien, hätten sich als Agenten der National Intelligence Agency (NIA) und als Angehörige der Leibgarde des Präsidenten ausgewiesen. Wie Amnesty International beschreibe, sei den Festgenommenen gesagt worden, man würde ihnen einen Gegenstand in den Anus bzw. in die Vagina schieben, um ihre sexuelle Orientierung zu überprüfen, wenn sie ihre Homosexualität nicht „geständen“ und nicht die Namen anderer Homosexueller nennen würden. Am 18. und 19.11.2014 sollten aus dem gleichen Grund sechs weitere Frauen festgenommen worden seien. Die Neue Zürcher Zeitung habe im Januar 2015 über Razzien und gut organisierte Verhaftungswellen von mutmaßlich homosexuellen Personen und über Listen mit Namen von Homosexuellen berichtet. Seit dem Inkrafttreten des verschärften Homosexuellen–Gesetzes vom Oktober 2014 seien mindestens 14 Personen verhaftet worden (NZZ vom 20.01.2015: „Repression in Gambia – Diktatur abseits der Weltöffentlichkeit“). Auch das US Department of State erwähne Razzien des NIA mit dem Ziel, Personen mit von der Norm abweichender sexueller Orientierung (sog. LGBTI) aufzuspüren. Das US Department of State gehe davon aus, dass die Inhaftierten gefoltert worden seien, um von ihnen Geständnisse und weitere Informationen zu erpressen (vgl. hierzu auch VGH Bad.–Württ., Urteil vom 26.10.2016 – A 9 S 908/13 –, juris Rn. 46).
29 
c) Das Gericht ist zwar überzeugt, dass der Kläger homosexuell ist. Es ist jedoch aufgrund der aktuellen politischen Lage und der Phase des politischen Wandels in Gambia nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger aus begründeter Furcht vor einer Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit der sozialen Gruppe der Menschen mit homosexueller Orientierung außerhalb seines Herkunftslandes Gambia befindet.
30 
aa) Geht es um die Wahrheitsfindung im Hinblick auf das Vorbringen eines Ausländers, der Verfolgung geltend macht, ist zu beachten, dass er sich typischerweise in Beweisnot befindet, soweit es sein individuelles Verfolgungsschicksal betrifft. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher gesteigerte Bedeutung beizumessen (BVerwG, Beschluss vom 10.05.2002 – 1 B 392/01 – InfAuslR 2003, 28). Den Asylbewerber trifft nach § 15 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VwGO die Mitwirkungspflicht, seine guten Gründe für eine ihm drohende Verfolgung in stimmiger, schlüssiger und wirklichkeitsnaher Form vorzutragen (vgl. auch Art. 4 Abs. 1, 2 und 5 der Richtlinie 2011/95/EU). Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen, wobei insoweit unter anderem Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden müssen. Ändert der Asylsuchende im späteren Vortrag sein früheres Vorbringen, muss er dies, um nicht unglaubwürdig zu erscheinen, überzeugend begründen.
31 
bb) Das Gericht ist zur Überzeugung gelangt, dass die Angaben des Klägers über seine sexuelle Orientierung, seine Beziehung zu seinem Freund X und die Gründe seiner Ausreise aus Gambia im August des Jahres 2014 wahr sind. Der Kläger hat detailreich und schlüssig geschildert, wie die Beziehung zu seinem Freund entstanden ist und wie er Gefühle für seinen Freund entwickelt hat. Der Kläger hat ferner schlüssig, nachvollziehbar und glaubhaft dargetan, wie er nunmehr in Deutschland in seinem gesellschaftlichen Umfeld mit seiner sexuellen Orientierung umgeht. Der Kläger hat jedoch selbst keinerlei Vorverfolgung durch staatliche Stellen oder gesellschaftliche Akteure vorgetragen. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG – sog. QuaIRL – kommt dem Kläger daher nicht zu Gute. Der hiesige Sachverhalt weicht daher vom Sachverhalt ab, über den das Verwaltungsgericht Stuttgart zu entscheiden hatte (konkrete staatliche Vorverfolgung in Gestalt von Inhaftierung und Folterung des Klägers aufgrund seiner Homosexualität, VG Stuttgart, Urteil vom 02.11.2017 – A 1 K 8218/16 –, juris). Maßgeblich ist daher allein, ob dem Kläger nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung anzustellenden Wahrscheinlichkeitsprognose im Falle seiner Rückkehr politische Verfolgung droht.
32 
cc) Nach der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden–Württemberg, kann aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse nicht davon ausgegangen werden, dass Homosexuellen durch die staatliche Verurteilung der Homosexualität in Gambia in der Praxis mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht. Es fehlt – auch unter der zwischenzeitlich beendeten Präsidentschaft Jammeh – an hinreichenden Belegen dafür, dass strafrechtliche Verurteilungen gambischer Staatsangehöriger im Zusammenhang mit dem Vorwurf homosexueller Handlungen erfolgen (VGH Bad.–Württ., Urteil vom 26.10.2016 – A 9 S 903/13 – juris, Rn. 42 ff.; 49 ff.).
33 
Neben dem Zeitablauf seit der Ausreise (etwa dreieinhalb Jahre) spricht der in Gambia vollzogene Machtwechsel im Dezember 2016 und Januar 2017 gegen eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung des Klägers wegen dessen homosexueller Orientierung (vgl. zum Folgenden VG Freiburg, Urteil vom 10.11.2017 – A 1 K 4885/16 –, juris und Urteil vom 10.01.2018 – A 1 K 4364/16 – nicht veröffentlicht; a. A. wohl VG Stuttgart, Urteil vom 02.11.2017 – A 1 K 8218/16 –, juris). Der ehemalige Präsident, Yahya Jammeh, der persönlich gegen Homosexuelle gehetzt hatte, befindet sich im Exil. Der neue Präsident, Adama Barrow, hat einen vollständig anderen Kurs eingeschlagen. So hat sich u.a. auch die menschenrechtliche Situation in Gambia wesentlich verbessert. Die Regierung kündigte eine Reihe von Maßnahmen an, um die Einhaltung der Menschenrechtsstandards sicher zu stellen und verpflichtete sich, eine nationale Menschenrechtskommission zu etablieren (Bericht des UNO–Generalsekretärs zu Entwicklungen in westafrikanischen und Sahel–Staaten zwischen 1. Jänner und 30. Juni 2017, Rn. 29; Humans Rights Watch, Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2017, Stand: 18.01.2018, S. 1; beide Quellen abrufbar unter www.ecoi.net). Die Gesetze, die Homosexualität unter Strafe stellen, wurden bislang nicht von der Regierung Barrow revidiert. Menschen mit abweichender sexueller Orientierung sind Amnesty International zufolge immer noch der Diskriminierung und Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure, insbesondere Familienangehörige, ausgesetzt (Amnesty International, Jahresbericht 2017/2018, Stand: 22.02.2018, vgl. auch European Asylum Support Office, Country of Origin Information Report: The Gambia Country Focus, S. 66 f., beides abrufbar unter abrufbar unter www.ecoi.net). Zugleich soll Präsident Barrow bei einer Pressekonferenz im Februar 2017 gesagt haben, dass Homosexualität in Gambia kein Thema sei und er Homosexualität als persönliche Angelegenheit betrachte. Nach der Interpretation durch Frau Dr. Touray, Ministerin für Beschäftigung und selbst Menschenrechtsaktivistin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin, meine er damit, dass die Menschen ein Recht zu welcher Orientierung auch immer hätten, natürlich habe jeder ein Recht zu existieren (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Gambia: Informationen zu Homosexualität [gesetzliche Lage, Umsetzung von Strafen, Haltung der Gesellschaft, der Behörden und des neuen Präsidenten gegenüber Homosexuellen], Stand 27.03.2017, unter Berufung auf die Medienplattform DEVEX, 17.02.2017). Nach Erkenntnissen von Human Rights Watch hat die Regierung Barrow versprochen, gleichgeschlechtliche Paare nicht wegen einverständlicher sexueller Handlungen strafrechtlich zu verfolgen. Diese Politik stehe in scharfem Kontrast zur hasserfüllten Rhetorik des vormaligen Präsidenten Jammeh (Humans Rights Watch, Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2017, Stand: 18.01.2018, S. 5). Zudem soll es nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes zuletzt im Jahr 2015 zu Verhaftungen aufgrund von Homosexualität gekommen sein, ohne dass es zu Verurteilungen gekommen sei (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl– und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia vom 26.10.2017, Stand: Juli 2017, und Auskunft an Verwaltungsgericht Stuttgart zum Az.: A 1 K 8218/16 vom 21.08.2017).
34 
Auch wenn im Hinblick auf die gesellschaftliche Ächtung und Diskriminierung nicht gänzlich ausgeschlossen ist, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr – insbesondere von nichtstaatlichen Akteuren (§ 3c Nr. 3 AsylG) – wegen seiner Homosexualität verfolgt wird, wiegen die Tatsachen nicht schwerer, als jene, die gegen eine Verfolgung sprechen. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG – sog. QuaIRL – kommt dem Kläger – wie bereits dargelegt – nicht zu Gute. Der Kläger hat selbst dargelegt, dass er Gambia auch wegen der wirtschaftlichen Situation und der fehlenden familiären Unterstützung verlassen habe. Seine Fluchtmotivation beruht nicht allein auf Angst vor Verfolgung. Der Kläger hat in Gambia schließlich keine Familie, aus deren Mitte mit Gewaltakten oder ähnlichen Verfolgungshandlungen zu rechnen ist. Etwaigen Nachstellungen der Familie seines verstorbenen Freundes – die das Gericht nicht für beachtlich wahrscheinlich hält und für die der Kläger auch keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen hat – könnte sich der Kläger durch Ansiedlung in einer anderen Stadt oder einem anderen Landstrich entziehen (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
2.
35 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
36 
a) Gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Heimatland ein ernsthafter Schaden droht. Nach Satz 2 gilt als ernsthafter Schaden 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. In diesem Rahmen sind gem. § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend anzuwenden.
37 
b) Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist der bereits oben dargelegt Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Eine konkrete Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG) liegt nicht vor. Eine konkrete Gefahr, dass der Kläger im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Gambia Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden könnte, ist in Folge des oben Ausgeführten nicht erkennbar. Insbesondere ist die Wahrscheinlichkeit, dass er nach dem Machtwechsel vom Dezember 2016 als Rückkehrer wegen seiner homosexuellen Beziehung in Untersuchungshaft genommen wird, deren Bedingungen nach wie vor problematisch sind (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl– und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia vom 26.10.2017, Stand: Juli 2017), gering. Den maßgeblichen Erkenntnismitteln ist nicht zu entnehmen
38 
dass sich die staatliche Verurteilung der Homosexualität in Gambia in der Praxis so darstellt, dass dem Kläger aus diesem Grund, sofern er nun nach Gambia zurückkehrte, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden drohte. Nach wie vor fehlt es an hinreichenden Belegen dafür, dass – die Gefahr eines ernsthaften Schadens begründende [...] – strafrechtliche Verurteilungen gambischer Staatsangehörige im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Homosexualität erfolgen. Auch wenn es in Einzelfällen zu (kurzzeitigen) Verhaftungen gekommen ist und kommt, besteht noch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger allein aufgrund seiner Homosexualität von einem ernsthaften Schaden bedroht wäre. Insoweit ist schon die Zahl der Referenzfälle, die sich aus den oben dargestellten Erkenntnismitteln ergibt, im Verhältnis zur vermuteten Gesamtzahl an Homosexuellen in Gambia zu gering.“
39 
(VGH Bad.–Württ., Urteil vom 26.10.2016 – A 9 S 908/13 –, Rn. 49, juris)
40 
Durch den Machtwechsel hat sich die Situation weiter entschärft (vgl. oben).
3.
41 
Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG liegen nicht vor.
42 
Wie im angefochtenen Bescheid – auf den insoweit Bezug genommen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG) dargestellt, ist die wirtschaftliche Lage weiter Teile der Bevölkerung in Gambia sehr schlecht. Dennoch wird der gesunde und arbeitsfähige Kläger, der Gambia nach eigenen Angaben im August 2014 verlassen hat, also bis zu seinem ca. 16. Lebensjahr dort lebte, nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls das erforderliche Existenzminimum erwirtschaften können. Dem Kläger ist es auch auf seiner Reise nach Deutschland gelungen, unter widrigen Umständen immer wieder Geld durch verschiedene Arbeiten zu verdienen, um seine Flucht zu finanzieren. Ferner kommt dem Kläger seine in Deutschland begonnene Ausbildung zu Gute, die ihm eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit ermöglichen wird.
43 
Ferner konnte sich das Gericht nicht davon überzeugen, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr durch die Familie seines verstorbenen Freundes oder sonstige Dritte eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) droht. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Versagung des Flüchtlingsschutzes Bezug genommen.
4.
44 
Auch die Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Die Ausreisefrist von 30 Tagen folgt aus § 38 Abs. 1 AsylG.
5.
45 
Bei der Anordnung des behördlichen Einreise– und Aufenthaltsverbotes gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unter Nr. 6 des angefochtenen Bescheides hat das Bundesamt das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Befristung des Verbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung hält sich innerhalb des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmens, wonach die Frist fünf Jahre nur überschritten werden darf, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Das Bundesamt hat in seiner Begründung der Befristungsentscheidung die einschlägigen Rechtsgrundlagen mitgeteilt und dabei insbesondere zu erkennen gegeben, dass es von einer Ermessensentscheidung ausgeht und den zutreffenden Fristrahmen zugrunde legt. Aus dem Zusammenhang mit der im Bescheid bzgl. der Anordnung und Befristung des behördlichen Einreise– und Aufenthaltsverbotes gegebenen Begründung ergibt sich ferner, dass das Bundesamt das (Nicht–)Vorliegen individueller schutzwürdiger Belange des Klägers, die eine abweichende Fristsetzung rechtfertigen könnten, in seine Ermessenserwägungen einbezogen hat. Diese knappen Erwägungen und Ausführungen genügen den von §§ 40, 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG gestellten Anforderungen an die Ermessensausübung und an deren Dokumentation.
6.
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47 
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei 83 b AsylG.

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