Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 9 K 2658/18

Tenor

Soweit die Klage bezüglich Ziffern 1 – 3 des Bescheids der Beklagten vom 19.03.2018 zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des – gerichtskostenfreien – Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin ist ihren Angaben zufolge 1984 geboren, ledig und chinesische Staatsangehörige und reiste am ... 2018 von China über den Flughafen ... aus – angeblich mit einem deutschen Visum, was die Beklagte jedoch in keiner Datenbank finden konnte – mit Schlepperhilfe am 15.01.2018 über den Flughafen ... ins Bundesgebiet ein.
Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am 06.02.2018 gab sie im Wesentlichen Folgendes an:
Sie stamme aus der Stadt ... in der chinesischen Provinz Anhui. Für die Ausreise habe sie ca. 85.000 Yuan (= umgerechnet seinerzeit ca. 10.800,- Euro) bezahlt. Das Geld habe sie von Freunden und Bekannten geliehen bekommen. Sie habe die Mittelschule abgeschlossen und dann als angestellte Verkäuferin gearbeitet und damit monatlich ca. 2000 Yuan (= umgerechnet ca. 254,- Euro) verdient. In China lebten noch ihre beiden Eltern und ein Bruder. Grund für ihre Ausreise sei, dass das Haus der Familie im Mai 2017 ohne Entschädigung zugunsten eines Straßenbauprojekts zwangsenteignet worden sei. Ihre Eltern lebten vorläufig in einer Wohnung, die man ihnen zur Verfügung gestellt habe. Vor Mai 2017 sei die gesamte Familie einmal zwei Tage lang von Bauarbeiter eingesperrt worden, weil sie immer wieder verhindert hätten, dass Bauarbeiter ihr Haus betraten. Mit der Polizei oder Behörden hätten sie keine Probleme gehabt. Da das Leben sehr schwer sei, sie eine Menge Schulden habe, ihnen ihr Haus weggenommen worden sei und sie gehört habe, dass man in Deutschland gut leben und gut Geld verdienen könne, sei sie ausgereist. Sie wolle hier in Deutschland arbeiten. Durch die klimatische Umstellung habe sie hier einen Hautausschlag bekommen.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 19.03.2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Asyl- und auf Flüchtlingsanerkennung sowie auf Gewährung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet ab (Ziffern 1 – 3 des Bescheids), stellte fest, dass kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegt (Ziff. 4 des Bescheids), forderte die Klägerin zur Ausreise binnen einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids auf, drohte ihr für den Fall nicht freiwilliger fristgemäßer Ausreise die Abschiebung nach China an (Ziff. 5 des Bescheids) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag einer Abschiebung.
Zur Begründung führte es aus, eine Verfolgung aus Gründen der Flüchtlingskonvention habe die Klägerin schon selbst nicht vorgetragen. Mit der Polizei und Behörden habe sie keine Schwierigkeiten gehabt. Die entschädigungslose Enteignung des Hauses der Familie im Mai 2017 könne für die erst im Januar 2018 erfolgte Ausreise der Klägerin aus China nicht der unmittelbare Anlass gewesen sein. Die Klägerin habe insoweit auch selbst erklärt, aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland ausgereist zu sein, um hier zu arbeiten und Geld zu verdienen und hohen Schulden zu Hause in China zu entgehen. Die Klägerin sei 34 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig, so dass ihr eine Rückkehr in die Heimat zumutbar sei, wo ihr die dort lebenden Eltern und der Bruder bei der wirtschaftlichen Wiedereingliederung behilflich sein könnten.
Der Bescheid wurde der Klägerin am 27.03.2018 zugestellt. Dagegen hat sie am 03.04.2018 die vorliegende Klage beim Verwaltungsgericht erhoben und am selben Tag auch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gestellt.
Zur Begründung trug sie vor, die chinesische Regierung habe die Familie mit Gewalt zum Verlassen ihres Hauses gezwungen, ohne eine alternative Unterkunft zu bieten. Die Weiterung, das Haus zu verlassen, habe in der Festnahme durch die Bauarbeiter gegipfelt. Diese Weigerung habe eine Kritik an der Regierung dargestellt, was in China sehr gefährlich sei. Die letzten sieben Monate bis zur Ausreise habe sie sich in China versteckt, sodass sie keine weiteren Regierungsrepressionen erfahren habe. Bei Rückkehr nach China könne die Regierung sie aber schnell ausfindig machen und sie wisse nicht, was ihr dann drohe. Die Eltern seien arbeitslose Bauern gewesen und sie habe keine Arbeit gehabt. Durch den Verlust ihres Hauses seien sie in extreme Armut gestützt worden. Für einige Monate habe sie bei Freunden und Bekannten übernachten können, was aber keine langfristige Lösung darstelle. Es sei schwierig Arbeit zu finden, wenn man nur einen Mittelschulabschluss habe. Sie habe mit einigen Aushilfsjobs Geld verdient, was kaum zum Leben gereicht habe und erst recht nicht ausreiche, um eine Wohnung zu bezahlen. Bei Rückkehr drohe ihr Verwahrlosung und Obdachlosigkeit, weil ihr auch ein soziales Netzwerk fehle, auf das sie zurückgreifen könne.
Mit Beschluss vom 12.06.2018 (A 9 K 2659/18) hat das Gericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt.
Zur Begründung führte das Gericht aus, für eine Verfolgungsgefahr sei schon dem eigenen Vorbringen der Klägerin nichts zu entnehmen. Ihre zur Klage- und Antragsbegründung vorgetragene Geschichte weiche deutlich von ihren Angaben beim BAMF ab. Von einer staatlichen Verfolgung wegen Regimekritik, einer Gefahr staatlicher Repressionen und der Notwendigkeit, sich deshalb bis zur Ausreise ca. 7 Monate lang verstecken zu müssen, sei dabei mit keinem Wort die Rede gewesen. Dieses Vorbringen sei mithin gesteigert und daher unglaubwürdig. Im Übrigen sei für eine beachtliche Gefahr einer Verelendung nichts ersichtlich.
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Mit Schreiben vom 27.06.2018 stellte die Klägerin einen Antrag gem. § 80 Abs. 7 VwGO auf Abänderung des bisher ergangenen Beschlusses im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vom 12.06.2018 (A 9 K 4239/18). Diesem Antrag fügte sie ein Attest der ... ... – Klinik für Frauenheilkunde – Abt. Gynäkologische Onkologie, Dysplasie - vom 26.06.2018 bei, wonach sie sich wegen eines Zervixkarzinoms aktuell noch in einer mindestens noch 3 Monate andauernden onkologischer Strahlentherapie in der Klinik für Strahlenheilkunde befinde.
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Mit Beschluss vom 31.08.2018 änderte darauf das Gericht den bisherigen ablehnenden Beschluss ab und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage an (A 9 K 4239/18). Der Ausgang der Hauptsache sei als offen anzusehen, insbesondere mit Blick auf die nach der teilweisen Rücknahme der Klage hier allein noch streitige Frage nach dem Vorliegen eines gesundheitsbedingten Abschiebungsverbots (nach § 60 Abs. 7 AufenthG), aber auch bezüglich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG aufgrund einer infolge der Krebserkrankung eventuell drohenden Verwahrlosung der Klägerin bei einer Rückkehr als Krebskranke in unbehandeltem Zustand.
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Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens hat die Klägerin dann eine ganze Reihe ärztlicher Bescheinigungen und Atteste zu ihrem Gesundheitszustand vorgelegt:
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- vom 15.05.2018: Attest der ... Klinik ...: Zustand nach Abrasio 2004, nach Sectio 2005 und nach Brustvergrößerung Silikonimplantat beidseitig 2017, Plattenepitomkarzinom der Zervix,
- vom 26.06.2018: Attest der ... ..., stationär 1 Tag
- vom 10.07.2018: Attest der ... ... – Klinik für Strahlenheilkunde:
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Durchführung der Bestrahlungstherapie
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- vom 02.08.2018: Attest der ... ...: Radio-Chemotherapie, Gaben am 03., 17. und 24.07.2018
- vom 15.08.2018: Attest der ... ...: weiter Durchführung der Strahlen und Chemotherapie
- vom 20.08.2018: Attest der ... ...: stationärer Aufenthalt vom 17.08. bis 22.08.2018, unter Radio-Chemotherapie habe sich zusammen mit Transfusion und Antibiosegabe, Symptomatik verbessert und Klägerin sei bei subjektivem Wohlbefinden entlassen worden.
- vom 06.09.2018: Attest der ... ... –Strahlenheilkunde: Abschluss der Strahlentherapie nach geschrumpftem Tumor mit Brachytherapie zum 12.09.2018, Heilung als Therapieziel, Heilungsrate min. 75% in 5 Jahren. Regelmäßige Nachuntersuchung allerdings notwendig.
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Auf eine gerichtliche Anfrage an die Beklagte vom 13.09.2018 teilte diese mit Schreiben vom 17.10.2018 mit, auch unter Berücksichtigung des letzten Attests seien die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG nicht gegeben. Zwar sei die finanzielle Absicherung in China im Krankheitsfall ungenügend. Obwohl 95% der Bevölkerung krankenversichert seien, stellten intensiv behandlungsbedürftige Krankheiten die Bezieher durchschnittlicher Einkommen häufig vor existenzbedrohende finanzielle Probleme. Es herrsche ein Stadt-Landgefälle. Auf dem Land gebe es nur elementare medizinische Dienstleistungen. In den Städten sei das zwar besser, aber auch dort müsse ein Großteil der Kosten selbst aus eigenen Ersparnissen aufgebracht werden, da städtische Krankenversicherungen nur einen Deckungsgrad von 60% hätten. Bei der Klägerin sei jedoch davon auszugehen, dass sie über erhebliche private Mittel und Ersparnisse verfüge. Sie habe das 40-fache ihres Jahreseinkommens allein für das Flugticket nach Deutschland bezahlt. Dass ihr diese Summe Freunden und Bekannten geliehen haben sollten, sei unglaubhaft, da sie bei einem Monatseinkommen von 2000 Yuan ersichtlich keine für eine Rückzahlungserwartung ausreichende Bonität besitze. Jedenfalls aber sei die Klägerin schon 2004 an der Gebärmutter behandelt worden und habe offenbar die Behandlungskosten dafür tragen können. Zudem habe sie sich 2017 eine medizinische nicht notwendige, rein aus kosmetischen Gründen durchgeführte Schönheitsoperation (Brustvergrößerung beidseits) geleistet. Dem letzten Attest vom 06.09.2018 sei auch nichts für eine Gefahr einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Falle einer Rückkehr der Klägerin nach China zu entnehmen. Im Umkehrschluss sei davon auszugehen, dass sich ihr Zustand nach Rückkehr und Wiedervereinigung mit ihrer Familie positiv verändern werde.
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Auf mehrfache gerichtliche Aufforderungen, ein aktuelles Attest für die Klägerin vorzulegen, hat die Klägervertreterin dann mit Schreiben vom 09.10.2019 mitgeteilt, die Klägerin habe sich von 12.-19.09.2019 wegen eines Befundes bezüglich des Lymphknotens in der linken Leiste in stationärer Behandlung befunden, und legte ein Attest der ... ... – Klinik für Frauenheilkunde vom 09.10.2019 vor, wonach die Klägerin mit Antibiotika behandelt und bei subjektivem Wohlbefinden habe entlassen werden können. Eine Stanzbiopsie der linken Leiste habe keinen Anhalt für Malignität erbracht. Eine zytologische Kontrolle in drei Monaten sei empfehlenswert. Eine Re-Biopsie sei nochmals vorgesehen.
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Mit Schreiben vom 23.10.2019 legte einen zytologischen Untersuchungsbericht vom 01.10.2019 vor, wonach endozervikale Zellen des Typs PAP IIID1 vorhanden seien. Es seien Zellen einer leichten Dysplasie. Eventuell Strahlendysplasie. Erneute Kontrolle in 6 Monaten werde empfohlen. (PAP III bedeutet, dass Zellveränderungen, sog. Dysplasien, vorliegen, aber kein Krebs. Ein leichte Zellveränderung kann sich noch zurückbilden. Nur schwere ausgeprägte Zellveränderungen [Dysplasien] gelten als Krebsvorstufe – vgl. https://www.Krebsinformations dienst.de/#tumorarten/gebaer mutterhalskrebs/vorstufen.php).
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Die Beklagte nahm dazu mit Schreiben vom 07.11.2019 Stellung und führte aus, nach den vorliegenden aktuellen Informationen sei die Akutbehandlung der Klägerin abgeschlossen. Ausweislich einer beigefügten MEDCOI-Auskunft seien die für eine Nachbehandlung erforderlichen Medikamente in China erhältlich und der größte Anteil der Kosten werde vom Staat getragen. Ein Abschiebungshindernis liege mithin nicht vor. (MEDCOI Auskunft vom 04.01.2018 an Belgisches Immigrationsamt zur Behandelbarkeit einer 57 Jahre alten an Brustkrebs Erkrankten in China, wonach dort Medikament Tamofen/Tamoxifen erhältlich sei und zu 90% Kosten von öffentlicher Krankenversicherung erstattet werde).
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Die Klägervertreterin führte dazu aus, die Auskunft beziehe sich nur auf eine rein medikamentöse Behandlung und sei daher nicht ohne Weiteres auf die Grunderkrankung der Klägerin übertragbar, die zudem nicht unerhebliche Risiken aus der Strahlentherapie ausgesetzt sei. Es könne daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit von einer Behandelbarkeit in China für die Klägerin ausgegangen werden.
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Am 07.09.2020 übersandte die Klägervertreterin das Ergebnis einer Krebsfrüherkennungsuntersuchung in Bezug auf ein Zervix-Karzinom vom 20.07.2020. Danach liegen endozervikale Zellen nicht vor, aber es besteht ein positiver Befund eines Virus vom Typ HPV-HR. Prämature Ovarialinsuffizienz sei gegeben. Aufgrund des Befundes erhalte die Klägerin drei Impfungen mit „Gardasil“. Die Klägervertreterin trägt weiter vor, nach wie vor bestehe das Risiko, dass ein Rezidiv auftrete und in der Folge eine erneute Krebserkrankung, so dass eine Rückkehr nach China für die Klägerin nicht möglich sei. Dort gebe es keine Behandlungsmöglichkeit, und selbst wenn eine solche gegeben sei, wäre sie für die Klägerin nicht finanzierbar.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19.03.2018 (hinsichtlich der Ziffern 4 – 5) zu verpflichten, festzustellen, dass bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich China vorliegt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Bescheids und ihre im Klageverfahren vorgelegten Stellungnahmen.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist die Klägerin mit Dolmetscherhilfe vom Gericht zu den Gründen ihrer Klage angehört worden. Auf die hierüber gefertigte Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
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Ferner wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verfahrensakte der Beklagten sowie auf die beigezogenen Akten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens (A 9 K 2659/18, A 9 K 4239/18) verwiesen, die jeweils ein Heft umfassen, sowie auf die den Beteiligten mit der Ladung zum Termin benannten Erkenntnismittel zu China und die in der mündlichen Verhandlung außerdem ausweislich der Sitzungsniederschrift den Beteiligten darüber hinaus noch benannten einzelnen weiteren Erkenntnismittel.
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Der Klägerin ist am Ende der mündlichen Verhandlung noch ein Schriftsatzrecht gewährt und die dafür gesetzte Sechs-Wochen-Frist anschließend noch bis 06.11.2020 verlängert worden.
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Sie hat insoweit auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet und mit Schriftsatz vom 22.10.2020 ein Attest der ... ... vom 22.10.2020 vorgelegt, wonach sie 2018 bei damaliger Diagnose eines lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinoms, welches bereits in die Lymphknoten metastasiert habe, mit Strahlen- und Chemotherapie behandelt worden sei. In diesem Stadium liege die zu erwartende Überlebensrate nach 5 Jahren bei ca. 60%, die lokale Progressionsfreiheit nach 2 Jahren bei etwa 70%. Somit bestehe bei leitliniengerechter Therapie ein nicht unerhebliches Risiko eines erneuten Tumorauftretens und daher die Notwendigkeit einer konsequent durchgeführten Nachsorge. Die Prognose bei der jungen Klägerin sei von der frühen Detektion eines eventuellen Tumorrezidivs abhängig und würde sich durch fehlende Nachsorge und im Fall eines Rezidivs bei fehlender Behandlung sicherlich deutlich verschlechtern.
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Mit Schriftsatz vom 06.11.2020 hat die Klägervertreterin schließlich ein weiteres Attest der ... ... - Frauenheilkunde - vom 05.11.2020 vorgelegt, wonach die Untersuchung am 14.10.2020 den Nachweis einer bakteriellen Vaginose, HPV High Risk positiv bei aktuell PAP II a ergeben habe. (PAP IIa bedeutet: Alles in Ordnung – ggf. Kontrollen wegen Vorgeschichte. Der aktuelle Befund ist unauffällig, aber in der Vorgeschichte gab es schon einmal einen auffälligen Befund – vgl. https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/gebaermutterhalskrebs/vorstufen. php). Eine erneute Untersuchung am 29.10.2020 habe keinen makroskopischen Hinweis auf ein Tumorrezidiv ergeben. Neben der Therapie der bakteriellen Vaginose sei eine ergänzende MRT Untersuchung vorgesehen. Die Klägervertreterin teilt dazu mit, sie habe einen Termin am 17.12.2020 in der endokrinologischen Abteilung und einen weiteren Termin am 13.01.2020. Es sei offensichtlich, dass regelmäßige Untersuchungen und Abklärungen weiterhin nötig seien und nach wie vor ein erhebliches Rezidiv-Risiko bestehe.

Entscheidungsgründe

 
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Das Gericht entscheidet mit Zustimmung der Beteiligten durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO), sowie nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Ablauf der Schriftsatzfrist am 06.11.2020 ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Soweit die Klägerin ihre Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen.
34 
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet und daher abzuweisen. Denn der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich seiner Ziffern 4 – 6 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG.
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Eine Erkrankung kann einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur begründen, wenn die „erhebliche konkrete“ Gefahr besteht, dass sich eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat wesentlich verschlechtert (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG).
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Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der „beachtlichen“ Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 -, juris) d.h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten sein (BVerwG, B. v. 2.11.1995 – 9 B 710/94 – DVBl 1996,108). Eine Gefahr ist dann „erheblich", wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr „konkret“ sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes „alsbald nach der Rückkehr“ des Betroffenen in sein Heimatland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichende Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (BVerwG, U. v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris, Rn. 8). Eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn im Heimatland des Ausländers die notwendige Behandlung oder Medikation seiner Erkrankung zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. etwa BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – juris Rn. 9).
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Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen ist eine konkrete Gefahr einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung für die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach China zu verneinen.
38 
Es ist nicht ersichtlich, dass ihr dort „alsbald“, also in einem konkreten, überschaubaren, relativ engen zeitlichen Zusammenhang mit der Rückkehr eine Gesundheitsverschlechterung droht (vgl. zum Begriff der „alsbald“ drohenden Gefahrenrealisierung: BVerwG, U. v. 31.03.1981 – 9 C 237/80 -, juris, Rn. 14: „absehbarer“ Zeitraum, nicht nur der „gegenwärtige Zeit-Punkt“ oder die „unmittelbar bevorstehende“ Zeit, sondern auch Entwicklungen die sich „abzeichnen“, auf „längere Sicht“; BVerwG, U. v.1.6.2011 – 10 C 10.10 – juris: auf „absehbare“ Zeit müssen Verhältnisse stabil bleiben; BVerfG, U. v. 14.05.1996 – 2 BvR 1507/93 -, u.a. – juris, Rn. 132, 135: „in naher Zukunft“ darf es keine nachteiligen Veränderungen geben. Wenn Verhältnisse „vielschichtig, undurchsichtig, instabil“, dann lässt sich eine solche Prognose,(es werde nichts passieren), nicht verantwortlich treffen; VG Düsseldorf, U. v. 13.04.2007 – 13 K 2528/06.A -, juris, Rn. 23: „angemessener“ Prognosezeitraum).
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Aktuell ist sie nämlich nicht krank. Vielmehr ist sie gesund, d.h. ihre körperlichen Lebensfunktionen sind nicht etwa eingeschränkt. Das zeigt schon der Umstand, dass sie sich aktuell in keiner Behandlung, sondern nur in einem Vorsorgekontrollprogramm befindet, und keiner Medikation unterliegt, sondern arbeitsfähig ist. Wie sie in der mündlichen Verhandlung selbst angab, arbeitet sie – soweit das nicht infolge der coronabedingten Restriktionen rechtlich durch Schließung von Lokalen etc. ausgeschlossen war – in Deutschland in der Gastronomie. Einen gesunden, einsatzfähigen Eindruck hat sie insoweit auch in der mündlichen Verhandlung auf das Gericht gemacht.
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Ihr einstiger Gebärmutterhalskrebstumor ist schon 2018 erfolgreich durch Strahlen- und Chemotherapie beseitigt worden.
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Gegen die bei ihr aufgetretenen, zur Auslösung eines Gebärmutterhalskrebses geeigneten Pappilomaviren (HPV) ist die Klägerin außerdem nach den vorliegenden Attesten zudem zuletzt mit den dafür erforderlichen drei Impfungen mit dem Impfstoff Gardasil auch noch immunisiert worden.
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Es besteht allerdings ein verbleibendes Restrisiko eines Rezidivs, also einer Wiederkehr des Tumors. Nach zwei Jahren liegt die Progressionsfreiheit allerdings bei 70%. In den vergangenen zwei Jahren bis zur letzten Untersuchung im Oktober – und mangels gegenteiliger Mitteilung der Klägerin offenbar auch trotz der für 17.12.2020 vorgesehenen Untersuchung bis heute nicht – wurde insoweit auch tatsächlich kein Tumorrezidiv festgestellt. Sie ist insoweit also sogar bisher in diesen zwei Jahren zu 100% progressionsfrei geblieben.
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Damit bleibt es bei der ausweislich des Attests vom 06.11.2020 bei einer fünf Jahre nach der Tumorbeseitigung mit Blick auf mögliche Rezidive bestehenden Überlebensrate von 60%. Der Umstand, dass danach im schlimmsten Fall drei Jahre von heute an gerechnet die Klägerin, bliebe sie in China völlig unbehandelt und ohne jede Vorsorgeuntersuchung, nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% lebt, genügt hier allerdings, so hart das klingen mag, nicht für das Vorliegen einer das Abschiebungshindernis begründenden „konkreten“ Gefahr.
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Das Attest spricht insoweit zwar vor diesem Hintergrund vor einem „nicht unerheblichen“ Rezidivrisiko. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG schützt aber nur vor konkreten, sich alsbald realisierenden Gefahren, hingegen nicht vor daran gemessen bloßen, deutlich abstrakteren Krankheitsrisiken, also dem Fall, dass womöglich erst in weiterer nicht konkret absehbarer Zukunft oder gar erst Jahre nach der Rückkehr eine Krankheit wieder ausbricht, auch wenn es dafür, wie im vorliegenden Fall, eine gewisse, allerdings hier eben gerade nicht „überwiegende“ Wahrscheinlichkeit geben mag. Das zeigt schon der Umstand, dass mit einer Rückkehr der Klägerin kein Abbruch einer aktuellen hier in Deutschland stattfindenden Therapie, d.h. der Behandlung einer konkret vorliegenden Erkrankung, verbunden wäre, sondern dadurch allenfalls die hier regelmäßig durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen beendet würden. Diese strengen Anforderungen an eine Wahrscheinlichkeit im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG resultieren letztlich daraus, dass diese Norm dem Schutz des Grundrechts des Ausländers aus Art.2 GG dient. Ein Grundrechtsschutz bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, also Fällen mit Auslandsbezug wie dem vorliegenden, ist jedoch verfassungsrechtlich nur geboten, wenn hier eine enge und unmittelbare Kausalität im Sinne einer klaren Überschaubarkeit der vom deutschen Staat mit einer Abschiebung angestoßenen Kausalkette besteht, weil sich nur dann überhaupt sagen lässt, dass der deutsche Staat den Betroffenen „durch“ die Abschiebung an der Gesundheit beschädigt, indem er ihn ins Ausland und dort wiederum in eine Situation bringt, in der er „überwiegend“ wahrscheinlich einen Gesundheitsschaden erleiden wird. Nur dann ist ein genügend enger Zurechnungszusammenhang gegeben, der es überhaupt rechtfertigt, eine Verantwortung der deutschen Staatsgewalt auch für sich erst im Ausland realisierende Folgen eigenen Staatshandelns zu begründen (vgl. Cremer, Der Schutz vor den Auslandsfolgen aufenthaltsbeendender Maßnahmen, Diss. 1993, S. 272, wonach „objektive Vorhersehbarkeit“ der Auslandsfolge Voraussetzung für die Zurechnung ist). Denn je weiter der Prognosehorizont vom Zeitpunkt der Rückkehr ins Heimatland entfernt in der Zukunft liegt, desto schwächer und immer weniger belastbar wird die für eine unmittelbare Zurechnung eines Ereignisses als unmittelbarer Erfolg einer Abschiebungshandlung erforderliche Kausalkette, weil sich dann für einen bestimmten Schadenseintritt immer mehr andere, erst im Ausland selbst sich entwickelnde selbständig hinzutretende oder überholende Kausalitäten ergeben, die dem abschiebenden Staat beim besten Willen nicht mehr als nachteilige Folge der Abschiebung zugerechnet werden können und dürfen, auch wenn diese als solche nach einer nicht weiter wertenden Kausalitätsprüfung im Sinne einer conditio-sine-qua-non nach wie vor noch ursächlich mit der Abschiebung verknüpft sind, welche den ausländischen Entstehungsort des Schadens erst möglich gemacht hat. Die Gefahr muss sich daher doch so aktuell und konkret ohne weitere Zwischenschritte abzeichnen, dass sie noch innerhalb des Prognosehorizonts scharf hervortritt. In der Rechtsprechung zu den gesundheitsbedingten Abschiebungshindernissen wird daher danach differenziert, in welchem Stadium sich die Krankheit befindet: Ist sie noch gar nicht ausgebrochen, aber dem Betroffenen immanent und in ihm mit dem Risiko eines Ausbruchs angelegt, so genügt dies nicht für die Annahme eines Abschiebungsverbots (vgl. etwa VG Osnabrück, U. v. 14.01.2003 – 5 A 565/02 -, Asylmagazin – www.asyl.net- M4071- für eine erst in zwei Jahren nach der Abschiebung notwendig werdende Operation; ferner OVG Sachsen, U. v. 05.11.2003 – 2 B 528/02.A -, Asylmagazin –www.asyl.net – M4868 - für Leukämieerkrankung, bei der innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung der Therapie keine Rückfallerscheinungen aufgetreten waren). Es genügt also nicht, dass sich eine Krankheit irgendwann zu einem nicht näher absehbaren Zeitpunkt später in vollem Umfang, unter Umständen auch mit tödlichen Folgen, realisieren mag (vgl. Heinhold, InfAuslR 2000, 333 und Schöndorf/Giese, Krankheitsbedingte Abschiebungshindernisse, BAMF Schriftenreihe Nr. 6/2000, S. 99 [107]). Ist sie hingegen bereits ausgebrochen und wird behandelt und befindet sich in einem Endstadium, so genügt der Behandlungsabbruch dann für die Annahme eines Abschiebungsverbots. Dazwischen wird etwa bei einer AIDS-Erkrankung - nach der Art der Belastung und der latenten Gefahr einer Verschlechterung anhand der verschiedenen durch die unterschiedliche Virenlast bestimmten Stadien differenziert (vgl. im Einzelnen dazu mit Rspr.Nw. etwa Müller, Asylmagazin 12/2008, 8 [11, 12]; Wolff, Asylmagazin 11/2004, 16 [17]).
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Die Annahme eines Abschiebungsverbots scheitert aber nicht nur an der nach dem oben Gesagten dafür nicht ausreichenden Gefahr eines bei einer vollständige fehlenden Nachsorge und Behandlungsmöglichkeit in China womöglich drohenden Schadenseintritts durch Auftreten eines Rezidivs und Ausbleiben seiner Behandlung. Vielmehr fehlt es im vorliegenden Fall ganz ungeachtet dessen für die Annahme der Voraussetzungen eines gesundheitsbedingten Abschiebungsverbots auch schon selbständig tragend daran, dass nach den individuellen, wirtschaftlichen, sozialen und familiären Verhältnissen der Klägerin nach einer Rückkehr nach China und den dort vorhandenen Möglichkeiten einer Gesundheitsversorgung gar keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Klägerin dort keine weitere Nachsorge-, bzw. Vorsorgeuntersuchungen erhalten oder aber zumindest räumlich nicht erreichen oder jedenfalls nicht finanzieren könnte.
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Die Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung durch das Gericht hat ergeben, dass ihre Angaben, die sie zu ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation in der Klage- bzw. Antragsbegründung gemacht hat, schlichtweg nicht zutreffend waren. Sie und ihre Familie sind nicht etwa wegen Kritik an der zwangsweisen Vertreibung aus ihrem Haus und dessen Enteignung im Fokus der Regierung, die ihnen mit Repressalien wegen Staatskritik droht oder sie gar verfolgt. Sie haben auch nicht ersatzlos ihr Haus und alle Einkünfte verloren. Sie war auch nicht gezwungen, bis zur Ausreise aus Angst vor Repressalien sich monatelang nach der Aufgabe des Hauses bei Freunden verstecken zu müssen. Vielmehr hat sie in der mündlichen Verhandlung – ähnlich wie schon in der Anhörung vor dem BAMF und insoweit daher konsistent und glaubhaft – angegeben, die Familie sei vom Dorfrat ersatzweise in einem der vielen anderen leerstehenden Häuser im Dorf untergebracht worden. Dort habe sie sich bis zur Ausreise aufgehalten. Ihre Eltern hätten ihr Einkommen weiterhin in der Landwirtschaft erzielt. Sie selbst habe sich auf Kredit die Brust vergrößern lassen und mit Hilfe der finanziellen Unterstützung durch die Dorfbewohner und das Dorfkommittee die Ausreise nach Deutschland unternommen, um auf Anraten des Dorfchefs dort ein finanziell besseres Leben zu finden und dort gut leben und Geld verdienen zu können. Aus den hier als Asylsuchende während des Asylverfahrens bezogenen Leistungen habe sie mittlerweile ihre Schulden für die auf Kredit finanzierte Brustvergrößerung begleichen können. Ihr 2005 durch Kaiserschnittgeburt auf die Welt gekommener, heute also 16 Jahre alter Sohn aus der Ehe mit dem schon vor ihrer Ausreise verstorbenen Ehemann sei in China bei ihren Eltern, die sich um ihn kümmerten. Ausweislich der Atteste und ihrer Angaben im Rahmen der ärztlichen Untersuchungen hat sie vor der Ausreise auch eine Kaiserschnittgeburt in China und eine Ausschabung offenbar als Leistung des staatlichen Gesundheitssystems erhalten und insoweit mit Hilfe einer Krankenversicherung und zusätzlich aus eigenen finanziellen Mitteln finanzieren können.
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Vor diesem Hintergrund kann daher nicht die Rede davon sein, im Falle ihrer Rückkehr sei sie eine kranke, alleinstehende Frau ohne jede Hilfe und Unterstützung und auf sich gestellt und könne keine weitere präventive Vorsorgeuntersuchung und je nach deren Ergebnissen im Falle des Auftauchens und der Entdeckung eines Rezidivs ihrer damaligen Tumorerkrankung auch keine dann auch erneut nötig werdende Tumorbehandlung erhalten bzw. jedenfalls nicht finanzieren. Vielmehr muss sie sich darauf verweisen lassen, mit Hilfe ihrer Eltern und ihres Bruders und auch der Dorfgemeinschaft die Kosten für eine Vorsorgeuntersuchung bzw. ggf. notwendig werdenden Rezidivbehandlung aufzubringen, zumal sie selbst wie oben dargelegt jung, aktuell gesund und arbeitsfähig ist und insoweit auch durch eigene Arbeit ein Einkommen erzielen und Rücklagen für den Krankheitsfall ansparen kann, wie dies den Auskünften zufolge auch sonst durch die staatliche Krankenversicherung im Krankheitsfall nicht vollständig abgedeckten chinesischen Bürger regelmäßig zu tun pflegen.
48 
Soweit sie in der Verhandlung angab, bis zur Ausreise gar nicht mehr gearbeitet zu haben, hat sie dafür trotz Nachfrage keinen nachvollziehbaren Grund und sonstige Einzelheiten anzugeben vermocht, so dass ihr das Gericht insoweit nicht zu glauben vermag, zumal sie noch vor der Ausreise eine kostspielige Schönheitsoperation vornehmen ließ und dafür den Kreditrahmen ihrer Kreditkarte ausschöpfen konnte, was sie bei längerer Arbeitslosigkeit höchstwahrscheinlich nicht hätte tun können. Zu den insoweit deutlich kritischen Stellungnahmen der Beklagten, was ihre Angaben zu ihrem angeblich vor der Ausreise erzielten Verdienst und die Frage der Bonität hinsichtlich eines bei diesem Verdienst das vierzigfaches Jahreseinkommen umfassenden Kreditvolumens angeht, hat die Klägerin sich bezeichnenderweise im Verlauf des Klageverfahrens auch mit keinem Wort eingelassen, sondern lediglich insoweit völlig unsubstantiiert immer wieder nur darauf verwiesen, sie könne ihre Gesundheitsversorgung nicht bezahlen.
49 
Zwar geht das Auswärtige Amt (Lagebericht China 2019 vom 22.12.2019 – Stand November 2019, IV. 2.2. – S. 25) davon aus, dass die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall trotz einer für 95% der Bevölkerung geltenden Krankenversicherung ungenügend sei und für Bezieher durchschnittlicher oder gar nur geringer Einkommen eine intensive ärztliche Behandlung eine enorme, oft existenzbedrohende Belastung darstelle. Allerdings geht es hier im Fall der Klägerin zunächst auch nur um die reinen Vorsorgeuntersuchungen, also gerade nicht um intensive, aufwendige, ärztliche Behandlungen.
50 
Dass in China heutzutage auch Vorsorgeprogramme und auch im überschaubaren Rahmen finanzierbare Impfmöglichkeiten (unter anderem mit demselben Impfstoff, den die Klägerin schon in Deutschland erhalten hat, nämlich mit Gardasil) bezüglich Gebärmutterhalskrebserkrankungen der dort lebenden chinesischen Frauen existieren, ergibt sich aus den in der mündlichen Verhandlung eingeführten Erkenntnismittel. Auf das Sitzungsprotokoll, in dem diese im Einzelnen nebst Kurzangabe ihres Inhalts aufgeführt werden, wird Bezug genommen.
51 
(Im Einzelnen geht es um folgende Erkenntnismittel: allgemein zur Gesundheitsversorgung IOM Länderinformationsblatt China 2019 S. 4- https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_China_DE.pdf, wonach grundständige Krankenhäuser sowohl in größeren als auch kleineren Städten zu finden seien und für die Landbevölkerung eine sehr preiswerte Krankenversicherung mit 75% Deckung existiere und Medikamente auf dem gut entwickelten Markt überall erhältlich und bei lokal hergestellten Medikamenten die Kosten dafür auch gering seien; Don Hackett, China´s HPV Vaccine Coming Soon, Artikel vom 30.04.2020 updated 18.06.2020 - https://www.vaxbeforecancer.com/chinas-hpv-vaccine-coming-soon, wonach China im Kampf gegen Gebärmutterhalskrebs einen großen Schritt durch Entwicklung eines eigenen Impfstoffs (Cecolin) vorangekommen sei, dass ab Mai 2020 auch in kommunalen Krankenhäusern auf Provinzebene für ca. 46 Dollar erhältlich sei, was umgerechnet 580 Yuan betrage, und daher for viele arme Patienten erschwinglich sei; ebenso China Global Television Network, CGTN, China-made HPV vaccine comes to the rescue, Artikel vom 09.01.2020 -https://news.cgtn.com/news/2020-01-09/China-made-HPV-vaccine-comes-to-the-rescue-N7kwyGP9yo/index.html, wonach der eigene chinesisch entwickelte Impfstoff mit 47 Dollar halb so teuer wie aus dem Ausland importierter Impfstoff sei; dazu, dass schon 2017 das chinesische Pharmaunternehmen CJMT, eine Tochter des Staatskonzerns Sinopharm Group, eine exclusive Lizenz des Früherkennungstests für Gebärmutterhalskrebs GynTect für China erworben hat um damit den Früherkennungsbedarf der in China lebenden ca. 550 Mio. Frauen über 15 Jahre zu decken und dass es um ein Milliardengeschäft geht: Artikel vom 05.04.2017 - https://www.oncgnostics.com/blog/2017/04/06/gyntect-bald-in-china-verfuegbar-onc gnostics-erteilt-exklusive-lizenz-an-chinesische-sinopharm-tochter/).
52 
Chemo- und Strahlentherapien sind auch in China für Krebspatienten verfügbar und finanzierbar (vgl. MEDCOI Auskunft vom 04.01.2018 an Belgisches Immigrationsamt – BDA-20171206-CN-6691 zur Brustkrebsbehandlung einer 57 Chinesin und MedCOI – Auskunft vom 11-03 – 2019 BMA 12121 des Immigration und Naturalization Service der Niederlande zur Prostata-Krebs-Behandlung eines 67-jährigen Chinesen).
53 
Anders als noch vor Jahrzehnten ist China heute auch kein Entwicklungsland mehr, sondern eine führende, wissenschaftlich, technisch und medizinisch starke Weltmacht, der die Gesundheit ihrer Bürger anders als vielen anderen Großmächten, nicht gleichgültig ist, sondern die sich aktiv darum kümmert, wie auch die aktuelle Bewältigung der Corona-Krise in China zeigt.
54 
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, trägt sie gem. § 155 Abs. 2 VwGO die Kosten, soweit sie im Übrigen mit ihrer Klage unterlegen ist, trägt sie gem. § 154 Abs. 1 VwGO auch die übrigen Kosten des – gem. § 83b AsylG gerichtkostenfreien – Verfahrens.

Gründe

 
32 
Das Gericht entscheidet mit Zustimmung der Beteiligten durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO), sowie nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Ablauf der Schriftsatzfrist am 06.11.2020 ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
33 
Soweit die Klägerin ihre Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen.
34 
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet und daher abzuweisen. Denn der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich seiner Ziffern 4 – 6 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG.
35 
Eine Erkrankung kann einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur begründen, wenn die „erhebliche konkrete“ Gefahr besteht, dass sich eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat wesentlich verschlechtert (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG).
36 
Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der „beachtlichen“ Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 -, juris) d.h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten sein (BVerwG, B. v. 2.11.1995 – 9 B 710/94 – DVBl 1996,108). Eine Gefahr ist dann „erheblich", wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr „konkret“ sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes „alsbald nach der Rückkehr“ des Betroffenen in sein Heimatland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichende Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (BVerwG, U. v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris, Rn. 8). Eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn im Heimatland des Ausländers die notwendige Behandlung oder Medikation seiner Erkrankung zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. etwa BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – juris Rn. 9).
37 
Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen ist eine konkrete Gefahr einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung für die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach China zu verneinen.
38 
Es ist nicht ersichtlich, dass ihr dort „alsbald“, also in einem konkreten, überschaubaren, relativ engen zeitlichen Zusammenhang mit der Rückkehr eine Gesundheitsverschlechterung droht (vgl. zum Begriff der „alsbald“ drohenden Gefahrenrealisierung: BVerwG, U. v. 31.03.1981 – 9 C 237/80 -, juris, Rn. 14: „absehbarer“ Zeitraum, nicht nur der „gegenwärtige Zeit-Punkt“ oder die „unmittelbar bevorstehende“ Zeit, sondern auch Entwicklungen die sich „abzeichnen“, auf „längere Sicht“; BVerwG, U. v.1.6.2011 – 10 C 10.10 – juris: auf „absehbare“ Zeit müssen Verhältnisse stabil bleiben; BVerfG, U. v. 14.05.1996 – 2 BvR 1507/93 -, u.a. – juris, Rn. 132, 135: „in naher Zukunft“ darf es keine nachteiligen Veränderungen geben. Wenn Verhältnisse „vielschichtig, undurchsichtig, instabil“, dann lässt sich eine solche Prognose,(es werde nichts passieren), nicht verantwortlich treffen; VG Düsseldorf, U. v. 13.04.2007 – 13 K 2528/06.A -, juris, Rn. 23: „angemessener“ Prognosezeitraum).
39 
Aktuell ist sie nämlich nicht krank. Vielmehr ist sie gesund, d.h. ihre körperlichen Lebensfunktionen sind nicht etwa eingeschränkt. Das zeigt schon der Umstand, dass sie sich aktuell in keiner Behandlung, sondern nur in einem Vorsorgekontrollprogramm befindet, und keiner Medikation unterliegt, sondern arbeitsfähig ist. Wie sie in der mündlichen Verhandlung selbst angab, arbeitet sie – soweit das nicht infolge der coronabedingten Restriktionen rechtlich durch Schließung von Lokalen etc. ausgeschlossen war – in Deutschland in der Gastronomie. Einen gesunden, einsatzfähigen Eindruck hat sie insoweit auch in der mündlichen Verhandlung auf das Gericht gemacht.
40 
Ihr einstiger Gebärmutterhalskrebstumor ist schon 2018 erfolgreich durch Strahlen- und Chemotherapie beseitigt worden.
41 
Gegen die bei ihr aufgetretenen, zur Auslösung eines Gebärmutterhalskrebses geeigneten Pappilomaviren (HPV) ist die Klägerin außerdem nach den vorliegenden Attesten zudem zuletzt mit den dafür erforderlichen drei Impfungen mit dem Impfstoff Gardasil auch noch immunisiert worden.
42 
Es besteht allerdings ein verbleibendes Restrisiko eines Rezidivs, also einer Wiederkehr des Tumors. Nach zwei Jahren liegt die Progressionsfreiheit allerdings bei 70%. In den vergangenen zwei Jahren bis zur letzten Untersuchung im Oktober – und mangels gegenteiliger Mitteilung der Klägerin offenbar auch trotz der für 17.12.2020 vorgesehenen Untersuchung bis heute nicht – wurde insoweit auch tatsächlich kein Tumorrezidiv festgestellt. Sie ist insoweit also sogar bisher in diesen zwei Jahren zu 100% progressionsfrei geblieben.
43 
Damit bleibt es bei der ausweislich des Attests vom 06.11.2020 bei einer fünf Jahre nach der Tumorbeseitigung mit Blick auf mögliche Rezidive bestehenden Überlebensrate von 60%. Der Umstand, dass danach im schlimmsten Fall drei Jahre von heute an gerechnet die Klägerin, bliebe sie in China völlig unbehandelt und ohne jede Vorsorgeuntersuchung, nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% lebt, genügt hier allerdings, so hart das klingen mag, nicht für das Vorliegen einer das Abschiebungshindernis begründenden „konkreten“ Gefahr.
44 
Das Attest spricht insoweit zwar vor diesem Hintergrund vor einem „nicht unerheblichen“ Rezidivrisiko. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG schützt aber nur vor konkreten, sich alsbald realisierenden Gefahren, hingegen nicht vor daran gemessen bloßen, deutlich abstrakteren Krankheitsrisiken, also dem Fall, dass womöglich erst in weiterer nicht konkret absehbarer Zukunft oder gar erst Jahre nach der Rückkehr eine Krankheit wieder ausbricht, auch wenn es dafür, wie im vorliegenden Fall, eine gewisse, allerdings hier eben gerade nicht „überwiegende“ Wahrscheinlichkeit geben mag. Das zeigt schon der Umstand, dass mit einer Rückkehr der Klägerin kein Abbruch einer aktuellen hier in Deutschland stattfindenden Therapie, d.h. der Behandlung einer konkret vorliegenden Erkrankung, verbunden wäre, sondern dadurch allenfalls die hier regelmäßig durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen beendet würden. Diese strengen Anforderungen an eine Wahrscheinlichkeit im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG resultieren letztlich daraus, dass diese Norm dem Schutz des Grundrechts des Ausländers aus Art.2 GG dient. Ein Grundrechtsschutz bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, also Fällen mit Auslandsbezug wie dem vorliegenden, ist jedoch verfassungsrechtlich nur geboten, wenn hier eine enge und unmittelbare Kausalität im Sinne einer klaren Überschaubarkeit der vom deutschen Staat mit einer Abschiebung angestoßenen Kausalkette besteht, weil sich nur dann überhaupt sagen lässt, dass der deutsche Staat den Betroffenen „durch“ die Abschiebung an der Gesundheit beschädigt, indem er ihn ins Ausland und dort wiederum in eine Situation bringt, in der er „überwiegend“ wahrscheinlich einen Gesundheitsschaden erleiden wird. Nur dann ist ein genügend enger Zurechnungszusammenhang gegeben, der es überhaupt rechtfertigt, eine Verantwortung der deutschen Staatsgewalt auch für sich erst im Ausland realisierende Folgen eigenen Staatshandelns zu begründen (vgl. Cremer, Der Schutz vor den Auslandsfolgen aufenthaltsbeendender Maßnahmen, Diss. 1993, S. 272, wonach „objektive Vorhersehbarkeit“ der Auslandsfolge Voraussetzung für die Zurechnung ist). Denn je weiter der Prognosehorizont vom Zeitpunkt der Rückkehr ins Heimatland entfernt in der Zukunft liegt, desto schwächer und immer weniger belastbar wird die für eine unmittelbare Zurechnung eines Ereignisses als unmittelbarer Erfolg einer Abschiebungshandlung erforderliche Kausalkette, weil sich dann für einen bestimmten Schadenseintritt immer mehr andere, erst im Ausland selbst sich entwickelnde selbständig hinzutretende oder überholende Kausalitäten ergeben, die dem abschiebenden Staat beim besten Willen nicht mehr als nachteilige Folge der Abschiebung zugerechnet werden können und dürfen, auch wenn diese als solche nach einer nicht weiter wertenden Kausalitätsprüfung im Sinne einer conditio-sine-qua-non nach wie vor noch ursächlich mit der Abschiebung verknüpft sind, welche den ausländischen Entstehungsort des Schadens erst möglich gemacht hat. Die Gefahr muss sich daher doch so aktuell und konkret ohne weitere Zwischenschritte abzeichnen, dass sie noch innerhalb des Prognosehorizonts scharf hervortritt. In der Rechtsprechung zu den gesundheitsbedingten Abschiebungshindernissen wird daher danach differenziert, in welchem Stadium sich die Krankheit befindet: Ist sie noch gar nicht ausgebrochen, aber dem Betroffenen immanent und in ihm mit dem Risiko eines Ausbruchs angelegt, so genügt dies nicht für die Annahme eines Abschiebungsverbots (vgl. etwa VG Osnabrück, U. v. 14.01.2003 – 5 A 565/02 -, Asylmagazin – www.asyl.net- M4071- für eine erst in zwei Jahren nach der Abschiebung notwendig werdende Operation; ferner OVG Sachsen, U. v. 05.11.2003 – 2 B 528/02.A -, Asylmagazin –www.asyl.net – M4868 - für Leukämieerkrankung, bei der innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung der Therapie keine Rückfallerscheinungen aufgetreten waren). Es genügt also nicht, dass sich eine Krankheit irgendwann zu einem nicht näher absehbaren Zeitpunkt später in vollem Umfang, unter Umständen auch mit tödlichen Folgen, realisieren mag (vgl. Heinhold, InfAuslR 2000, 333 und Schöndorf/Giese, Krankheitsbedingte Abschiebungshindernisse, BAMF Schriftenreihe Nr. 6/2000, S. 99 [107]). Ist sie hingegen bereits ausgebrochen und wird behandelt und befindet sich in einem Endstadium, so genügt der Behandlungsabbruch dann für die Annahme eines Abschiebungsverbots. Dazwischen wird etwa bei einer AIDS-Erkrankung - nach der Art der Belastung und der latenten Gefahr einer Verschlechterung anhand der verschiedenen durch die unterschiedliche Virenlast bestimmten Stadien differenziert (vgl. im Einzelnen dazu mit Rspr.Nw. etwa Müller, Asylmagazin 12/2008, 8 [11, 12]; Wolff, Asylmagazin 11/2004, 16 [17]).
45 
Die Annahme eines Abschiebungsverbots scheitert aber nicht nur an der nach dem oben Gesagten dafür nicht ausreichenden Gefahr eines bei einer vollständige fehlenden Nachsorge und Behandlungsmöglichkeit in China womöglich drohenden Schadenseintritts durch Auftreten eines Rezidivs und Ausbleiben seiner Behandlung. Vielmehr fehlt es im vorliegenden Fall ganz ungeachtet dessen für die Annahme der Voraussetzungen eines gesundheitsbedingten Abschiebungsverbots auch schon selbständig tragend daran, dass nach den individuellen, wirtschaftlichen, sozialen und familiären Verhältnissen der Klägerin nach einer Rückkehr nach China und den dort vorhandenen Möglichkeiten einer Gesundheitsversorgung gar keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Klägerin dort keine weitere Nachsorge-, bzw. Vorsorgeuntersuchungen erhalten oder aber zumindest räumlich nicht erreichen oder jedenfalls nicht finanzieren könnte.
46 
Die Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung durch das Gericht hat ergeben, dass ihre Angaben, die sie zu ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation in der Klage- bzw. Antragsbegründung gemacht hat, schlichtweg nicht zutreffend waren. Sie und ihre Familie sind nicht etwa wegen Kritik an der zwangsweisen Vertreibung aus ihrem Haus und dessen Enteignung im Fokus der Regierung, die ihnen mit Repressalien wegen Staatskritik droht oder sie gar verfolgt. Sie haben auch nicht ersatzlos ihr Haus und alle Einkünfte verloren. Sie war auch nicht gezwungen, bis zur Ausreise aus Angst vor Repressalien sich monatelang nach der Aufgabe des Hauses bei Freunden verstecken zu müssen. Vielmehr hat sie in der mündlichen Verhandlung – ähnlich wie schon in der Anhörung vor dem BAMF und insoweit daher konsistent und glaubhaft – angegeben, die Familie sei vom Dorfrat ersatzweise in einem der vielen anderen leerstehenden Häuser im Dorf untergebracht worden. Dort habe sie sich bis zur Ausreise aufgehalten. Ihre Eltern hätten ihr Einkommen weiterhin in der Landwirtschaft erzielt. Sie selbst habe sich auf Kredit die Brust vergrößern lassen und mit Hilfe der finanziellen Unterstützung durch die Dorfbewohner und das Dorfkommittee die Ausreise nach Deutschland unternommen, um auf Anraten des Dorfchefs dort ein finanziell besseres Leben zu finden und dort gut leben und Geld verdienen zu können. Aus den hier als Asylsuchende während des Asylverfahrens bezogenen Leistungen habe sie mittlerweile ihre Schulden für die auf Kredit finanzierte Brustvergrößerung begleichen können. Ihr 2005 durch Kaiserschnittgeburt auf die Welt gekommener, heute also 16 Jahre alter Sohn aus der Ehe mit dem schon vor ihrer Ausreise verstorbenen Ehemann sei in China bei ihren Eltern, die sich um ihn kümmerten. Ausweislich der Atteste und ihrer Angaben im Rahmen der ärztlichen Untersuchungen hat sie vor der Ausreise auch eine Kaiserschnittgeburt in China und eine Ausschabung offenbar als Leistung des staatlichen Gesundheitssystems erhalten und insoweit mit Hilfe einer Krankenversicherung und zusätzlich aus eigenen finanziellen Mitteln finanzieren können.
47 
Vor diesem Hintergrund kann daher nicht die Rede davon sein, im Falle ihrer Rückkehr sei sie eine kranke, alleinstehende Frau ohne jede Hilfe und Unterstützung und auf sich gestellt und könne keine weitere präventive Vorsorgeuntersuchung und je nach deren Ergebnissen im Falle des Auftauchens und der Entdeckung eines Rezidivs ihrer damaligen Tumorerkrankung auch keine dann auch erneut nötig werdende Tumorbehandlung erhalten bzw. jedenfalls nicht finanzieren. Vielmehr muss sie sich darauf verweisen lassen, mit Hilfe ihrer Eltern und ihres Bruders und auch der Dorfgemeinschaft die Kosten für eine Vorsorgeuntersuchung bzw. ggf. notwendig werdenden Rezidivbehandlung aufzubringen, zumal sie selbst wie oben dargelegt jung, aktuell gesund und arbeitsfähig ist und insoweit auch durch eigene Arbeit ein Einkommen erzielen und Rücklagen für den Krankheitsfall ansparen kann, wie dies den Auskünften zufolge auch sonst durch die staatliche Krankenversicherung im Krankheitsfall nicht vollständig abgedeckten chinesischen Bürger regelmäßig zu tun pflegen.
48 
Soweit sie in der Verhandlung angab, bis zur Ausreise gar nicht mehr gearbeitet zu haben, hat sie dafür trotz Nachfrage keinen nachvollziehbaren Grund und sonstige Einzelheiten anzugeben vermocht, so dass ihr das Gericht insoweit nicht zu glauben vermag, zumal sie noch vor der Ausreise eine kostspielige Schönheitsoperation vornehmen ließ und dafür den Kreditrahmen ihrer Kreditkarte ausschöpfen konnte, was sie bei längerer Arbeitslosigkeit höchstwahrscheinlich nicht hätte tun können. Zu den insoweit deutlich kritischen Stellungnahmen der Beklagten, was ihre Angaben zu ihrem angeblich vor der Ausreise erzielten Verdienst und die Frage der Bonität hinsichtlich eines bei diesem Verdienst das vierzigfaches Jahreseinkommen umfassenden Kreditvolumens angeht, hat die Klägerin sich bezeichnenderweise im Verlauf des Klageverfahrens auch mit keinem Wort eingelassen, sondern lediglich insoweit völlig unsubstantiiert immer wieder nur darauf verwiesen, sie könne ihre Gesundheitsversorgung nicht bezahlen.
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Zwar geht das Auswärtige Amt (Lagebericht China 2019 vom 22.12.2019 – Stand November 2019, IV. 2.2. – S. 25) davon aus, dass die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall trotz einer für 95% der Bevölkerung geltenden Krankenversicherung ungenügend sei und für Bezieher durchschnittlicher oder gar nur geringer Einkommen eine intensive ärztliche Behandlung eine enorme, oft existenzbedrohende Belastung darstelle. Allerdings geht es hier im Fall der Klägerin zunächst auch nur um die reinen Vorsorgeuntersuchungen, also gerade nicht um intensive, aufwendige, ärztliche Behandlungen.
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Dass in China heutzutage auch Vorsorgeprogramme und auch im überschaubaren Rahmen finanzierbare Impfmöglichkeiten (unter anderem mit demselben Impfstoff, den die Klägerin schon in Deutschland erhalten hat, nämlich mit Gardasil) bezüglich Gebärmutterhalskrebserkrankungen der dort lebenden chinesischen Frauen existieren, ergibt sich aus den in der mündlichen Verhandlung eingeführten Erkenntnismittel. Auf das Sitzungsprotokoll, in dem diese im Einzelnen nebst Kurzangabe ihres Inhalts aufgeführt werden, wird Bezug genommen.
51 
(Im Einzelnen geht es um folgende Erkenntnismittel: allgemein zur Gesundheitsversorgung IOM Länderinformationsblatt China 2019 S. 4- https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_China_DE.pdf, wonach grundständige Krankenhäuser sowohl in größeren als auch kleineren Städten zu finden seien und für die Landbevölkerung eine sehr preiswerte Krankenversicherung mit 75% Deckung existiere und Medikamente auf dem gut entwickelten Markt überall erhältlich und bei lokal hergestellten Medikamenten die Kosten dafür auch gering seien; Don Hackett, China´s HPV Vaccine Coming Soon, Artikel vom 30.04.2020 updated 18.06.2020 - https://www.vaxbeforecancer.com/chinas-hpv-vaccine-coming-soon, wonach China im Kampf gegen Gebärmutterhalskrebs einen großen Schritt durch Entwicklung eines eigenen Impfstoffs (Cecolin) vorangekommen sei, dass ab Mai 2020 auch in kommunalen Krankenhäusern auf Provinzebene für ca. 46 Dollar erhältlich sei, was umgerechnet 580 Yuan betrage, und daher for viele arme Patienten erschwinglich sei; ebenso China Global Television Network, CGTN, China-made HPV vaccine comes to the rescue, Artikel vom 09.01.2020 -https://news.cgtn.com/news/2020-01-09/China-made-HPV-vaccine-comes-to-the-rescue-N7kwyGP9yo/index.html, wonach der eigene chinesisch entwickelte Impfstoff mit 47 Dollar halb so teuer wie aus dem Ausland importierter Impfstoff sei; dazu, dass schon 2017 das chinesische Pharmaunternehmen CJMT, eine Tochter des Staatskonzerns Sinopharm Group, eine exclusive Lizenz des Früherkennungstests für Gebärmutterhalskrebs GynTect für China erworben hat um damit den Früherkennungsbedarf der in China lebenden ca. 550 Mio. Frauen über 15 Jahre zu decken und dass es um ein Milliardengeschäft geht: Artikel vom 05.04.2017 - https://www.oncgnostics.com/blog/2017/04/06/gyntect-bald-in-china-verfuegbar-onc gnostics-erteilt-exklusive-lizenz-an-chinesische-sinopharm-tochter/).
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Chemo- und Strahlentherapien sind auch in China für Krebspatienten verfügbar und finanzierbar (vgl. MEDCOI Auskunft vom 04.01.2018 an Belgisches Immigrationsamt – BDA-20171206-CN-6691 zur Brustkrebsbehandlung einer 57 Chinesin und MedCOI – Auskunft vom 11-03 – 2019 BMA 12121 des Immigration und Naturalization Service der Niederlande zur Prostata-Krebs-Behandlung eines 67-jährigen Chinesen).
53 
Anders als noch vor Jahrzehnten ist China heute auch kein Entwicklungsland mehr, sondern eine führende, wissenschaftlich, technisch und medizinisch starke Weltmacht, der die Gesundheit ihrer Bürger anders als vielen anderen Großmächten, nicht gleichgültig ist, sondern die sich aktiv darum kümmert, wie auch die aktuelle Bewältigung der Corona-Krise in China zeigt.
54 
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, trägt sie gem. § 155 Abs. 2 VwGO die Kosten, soweit sie im Übrigen mit ihrer Klage unterlegen ist, trägt sie gem. § 154 Abs. 1 VwGO auch die übrigen Kosten des – gem. § 83b AsylG gerichtkostenfreien – Verfahrens.

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