|
|
|
|
| Die Klage ist zulässig. Soweit sie gegen den Bescheid des Landratsamts vom 18.06.2020 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 11.08.2020 gerichtet ist, ist sie als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Soweit der Kläger die Umschreibung seines tschechischen Führerscheins weiterverfolgt, ist die Klage als Verpflichtungsklage statthaft. Dabei kann offenbleiben, ob die ihrem Wortlaut nach auf Verpflichtung zur Bescheidung gerichtete Klage das Rechtschutzbedürfnis deshalb fehlt, weil die einschlägige Anspruchsgrundlage des § 30 FeV die Entscheidung nicht in das Ermessen der Führerscheinbehörde stellt, und auch sonst keine Umstände erkennbar sind, die einer Spruchreife entgegenstehen (vgl. zum Meinungsstand Schenke/Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 113 Rn. 193 ff.). Denn in diesem Fall wäre sie gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Umschreibung begehrt. Ist die Klage damit so oder so zulässig, aber – wie unter II. auszuführen sein wird – schon deshalb unbegründet, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage nicht vorliegen, so dass weder ein Anspruch auf Umschreibung noch auf Bescheidung des Umschreibungsanspruchs besteht, bedarf die Frage auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung keiner Entscheidung. Ferner kann dahinstehen, ob der Antrag des Klägers auf Umschreibung durch die Bescheide (konkludent) abgelehnt oder noch nicht verbeschieden wurde, denn im letztgenannten Fall lägen die Voraussetzungen des § 75 VwGO im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vor. |
|
| Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der des Landratsamts vom 18.06.2020 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 11.08.2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Landratsamt hat zurecht festgestellt, dass der Kläger nicht berechtigt ist, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (1.). Auch die Verpflichtung des Klägers, seinen Führerschein vorzulegen, ist nicht zu beanstanden (2.). Dieser hat auch keinen Anspruch auf Umschreibung seiner tschechischen Fahrerlaubnis (3.). |
|
| 1. Rechtsgrundlage für die unter Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides getroffene Feststellung ist § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV. Danach kann ein feststellender Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung, auf Grund einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis im Inland ein Kraftfahrzeug zu führen, ergehen, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV vorliegen. Formelle Bedenken sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Auch materiell-rechtlich ist die Feststellung nicht zu beanstanden. |
|
| a) Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV, dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben – vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 – im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung nach § 28 Abs. 1 FeV nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Information zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben. |
|
| b) Ein ordentlicher Wohnsitz im Inland wird nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV angenommen, wenn der Betroffene wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt. Liegen die persönlichen Bindungen im Inland, hält sich der Betroffene aber aus beruflichen Gründen in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der EU (oder EWR) auf, hat er seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt (§ 7 Abs. 1 Satz 3 FeV). Die Voraussetzung der regelmäßigen Rückkehr entfällt, wenn sich der Betroffene zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer in einem solchen Staat aufhält (§ 7 Abs. 1 Satz 4 FeV). |
|
| Diese Bestimmungen stehen mit Art. 2 Abs. 1, Art. 7 und Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403, S. 18; nachfolgend: Richtlinie 2006/126/EG), insbesondere mit der Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine, in Einklang. Voraussetzung für die Ausstellung eines Führerscheins und für dessen Erneuerung bei Ablauf der Gültigkeitsdauer ist ein ordentlicher Wohnsitz im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats im Sinne des Art. 12 Richtlinie 2006/126/EG oder der Nachweis eines dortigen Studiums während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten (Art. 7 Abs. 1 Buchstabe e, Abs. 3 Satz 1 Buchstabe b Richtlinie 2006/126/EG). Aus der Verpflichtung zur Anerkennung des Führerscheins folgt mittelbar die Anerkennung der dem Dokument zugrundeliegenden Fahrerlaubnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.07.2018 - 3 C 9.17 -, BVerwGE 162, 308 Rn. 28). Die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von durch EU-Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnissen gemäß Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 2006/126/EG gilt nicht, wenn entweder Angaben im zugehörigen Führerschein oder andere vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen vorliegen, nach denen das Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 01.03.2012 - C-467/10, Akyüz - NJW 2012, 1341 Rn. 62; Beschluss vom 09.07.2009 - C-445/08, Wierer - NJW 2010, 217 Rn. 51). Solche Informationen können insbesondere Angaben einer Einwohnermeldebehörde des Ausstellungsmitgliedstaats sein (vgl. EuGH, Beschluss vom 09.07.2009 - C-445/08, Wierer - NJW 2010, 217 Rn. 61). |
|
| Zwar ist nur der Ausstellungsmitgliedstaat für die Überprüfung zuständig, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestanforderungen, insbesondere die Voraussetzungen hinsichtlich des ordentlichen Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Hat ein Aufnahmemitgliedstaat triftige Gründe, die Ordnungsgemäßheit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu bezweifeln, so hat er dies dem Ausstellungsmitgliedstaat mitzuteilen. Es ist allein Sache dieses Mitgliedstaates, geeignete Maßnahmen in Bezug auf diejenigen Führerscheine zu ergreifen, bei denen sich nachträglich herausstellt, dass ihre Inhaber die vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllten (BVerwG, Beschluss vom 24.10.2019 - 3 B 26.19 -, juris, Rn. 21 f. m.w.N.). Zu der eigenständigen Entscheidung, dem in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein in seinem Hoheitsgebiet die Anerkennung zu versagen, ist ein Aufnahmemitgliedstaat jedoch befugt, wenn aufgrund von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass die unionsrechtlich vorgesehene Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes zum Zeitpunkt der Führerscheinausstellung nicht beachtet wurde (BVerwG, Beschluss vom 24.10.2019 - 3 B 26.19 -, juris, Rn. 23). Denn die Beachtung der sich aus dem ordentlichen Wohnsitz ergebenden exklusiven Zuständigkeit eines Mitgliedstaats trägt mangels einer vollständigen Harmonisierung der Regelungen der Mitgliedstaaten über die Erteilung des Führerscheins dazu bei, den „Führerschein-Tourismus“ zu bekämpfen, so dass die Beachtung dieses Erfordernisses unerlässlich ist, um die Einhaltung der Voraussetzung der Fahreignung zu überprüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 25.06.2015 - C-664/13 -, juris, Rn. 37 m.w.N.). |
|
| Dabei muss ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis aufgrund der vom Ausstellungsmitgliedstaat stammenden Informationen nicht bereits von vornherein abschließend erwiesen sein (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 04.03.2019 - 11 B 18.34 -, juris, Rn. 21 m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 09.01.2018 -16 B 534/17 -, juris, Rn. 14 ff. m.w.N). Vielmehr reicht es aus, wenn diese Informationen darauf „hinweisen“, dass ein Wohnsitzverstoß vorliegt. Dann können die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats auch inländische Umstände zur Beurteilung der Frage heranziehen, ob die Wohnsitzvoraussetzung eingehalten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.10.2019 - 3 B 26.19 -, juris, Rn. 25; Bayerischer VGH, Beschluss vom 23.11.2020 - 11 CS 20.2065 -, juris, Rn. 13; vgl. auch Kenntner, NJW 2020, 1556 [1558]: „zweistufiges Prüfsystem“). Es obliegt dann dem Inhaber der Fahrerlaubnis, substantiierte und verifizierbare Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im Ausstellungsmitgliedstaat sowie zu den persönlichen und beruflichen Bindungen zu machen, die im maßgeblichen Zeitraum zu dem im Führerschein angegebenen Wohnort bestanden. Dies gilt in besonderer Weise, wenn der Inhaber des Führerscheins gleichzeitig einen Wohnsitz in Deutschland beibehalten hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.10.2019 - 3 B 26.19 -, juris, Rn. 28; Bayerischer VGH, Beschluss vom 23.11.2020 - 11 CS 20.2065 -, juris, Rn. 13). |
|
| Die Erfüllung des Wohnsitzerfordernisses setzt insbesondere voraus, dass die aufgestellten Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Erteilung bzw. Verlängerung der Fahrerlaubnis im Ausstellungsmitgliedstaat bestehen. Durch den Eintrag eines im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats liegenden Wohnorts im Führerschein wird das tatsächliche Innehaben eines Wohnsitzes an diesem Ort nicht positiv und in einer Weise bewiesen, dass die Behörden und Gerichte anderer EU-Mitgliedstaaten dies als nicht zu hinterfragende Tatsache hinzunehmen hätten. Die Verpflichtung zu gegenseitiger Amtshilfe nach Art. 15 Satz 1 der Richtlinie 2006/126/EG vermittelt dem Aufnahmemitgliedstaat vielmehr das Recht, sich im Zweifelsfall bei den Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats über das tatsächliche Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes zu erkundigen. Dem steht die Verpflichtung dieses Staats gegenüber, einschlägige Informationen zur Verfügung zu stellen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 23.11.2020 - 11 CS 20.2065 -, juris, Rn. 15 m.w.N.). |
|
| c) Der Kläger ist seit 2002 durchgehend mit Wohnsitz in ... gemeldet. Daraus ergeben sich berechtigte Zweifel hinsichtlich der Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis, denen das Landratsamt nachgehen durfte. |
|
| aa) Die Zweifel des Landratsamts hinsichtlich des erforderlichen Wohnsitzes des Antragstellers in der Tschechischen Republik bei Erteilung der Fahrerlaubnis haben sich durch die über das Kraftfahrt-Bundesamt eingeholte Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums vom 22.05.2019 erhärtet. Es handelt sich dabei um vom Ausstellungsmitgliedstaat stammende Informationen, die darauf hinweisen, dass ein Wohnsitzverstoß vorliegt. Das tschechische Verkehrsministerium hat alle Fragen nach einem gewöhnlichen Wohnort des Antragstellers in der Tschechischen Republik während mindestens 185 Tagen im Jahr, nach familiären, beruflichen oder eigentumsbezogenen Bindungen in der Tschechischen Republik oder nach Kontakten zu dortigen Behörden oder sonstigen öffentlichen Stellen mit ‚unbekannt‘ („unknown“) beantwortet, und mitgeteilt, dass der Kläger nicht als Student in Tschechien gelebt hat. |
|
| Die Tschechische Republik führt unter anderem ein Ausländer-, Einwohnermelde- und Gewerberegister (vgl. die Angaben des Innenministeriums der Tschechischen Republik in englischer Sprache, unter anderem zur Meldepflicht von EU-Ausländern nach dem Gesetz Nr. 326/199 über den Aufenthalt von Ausländern in der Tschechischen Republik, abrufbar unter https://www.mvcr.cz/mvcren/article/eu-citizens-and-their-family-members-the-duties-of-foreign-nationals.aspx, sowie der Europäischen Union im Portal „European Justice“ zur Tschechischen Republik, u.a. im Zusammenhang mit Schriftstücken (dort unter Ziffer 4.2) unter Verweis auf das Gesetz Nr. 133/2000 über das Bevölkerungsregister und persönliche Identifikationsnummern sowie das Gesetz Nr. 326/1999 über den Aufenthalt von Ausländern in der Tschechischen Republik, abrufbar unter: https://e-justice.europa.eu/content_service_of_documents-371-cz-de.do?member=1). Erteilt die Behörde eines EU-Mitgliedsstaats, der solche Register führt, im Rahmen eines auf europäischer Ebene abgestimmten Formulars die Auskunft, dass über einen Aufenthalt des Klägers im fraglichen Zeitpunkt keine Informationen vorliegen, darf gerade wegen des Grundsatzes gegenseitigen Vertrauens und der aus Art. 15 Richtlinie 2006/126/EG folgenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu gegenseitiger Amtshilfe nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Auskunftsverweigerung handelt (vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 23.11.2020 - 11 CS 20.2065 -, juris, Rn. 19). Vielmehr ist der Auskunft die vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende unbestreitbare Sachinformation zu entnehmen, dass die gewissenhafte Überprüfung der entsprechenden Register keine Einträge über den Kläger zu Tage gefördert hat und auch der Erteilungsbehörde keine Informationen über einen vormaligen Wohnsitz des Klägers in der Tschechischen Republik vorliegen, insbesondere im Zuge des Erteilungsverfahrens, in dem eine gewissenhafte Prüfung des Wohnsitzerfordernisses zu erfolgen hat (vgl. hierzu Kenntner, NJW 2020, 1556 [1557]), keine dahingehenden Angaben aktenkundig geworden sind. Die Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums beschränkt sich auch nicht auf die Mitteilung, dass bei Erteilung der Fahrerlaubnis das Wohnsitzerfordernis nicht geprüft worden sei (vgl. hierzu EuGH, Beschluss vom 09.07.2009 - C-445/08, Wierer - NJW 2010, 217 Rn. 55). |
|
| Die Mitteilung des tschechischen Verkehrsministeriums erbringt zwar noch nicht den Vollbeweis dafür, dass der Kläger im fraglichen Zeitpunkt in der Tschechischen Republik nicht über einen Wohnsitz verfügt hat. Denn das Vorliegen eines Wohnsitzes hängt von einer Registrierung nicht ab und es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass im Einzelfall – etwa durch ein Versehen – die tatsächlich erfolgte Prüfung des Wohnsitzerfordernisses nicht aktenkundig gemacht worden ist. Es handelt sich aber um ein schwerwiegendes, wenn auch widerlegliches Indiz dafür, dass dem Kläger der Führerschein unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis erteilt worden ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger nicht etwa nur von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, seinen Wohnsitz vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, um von den dort günstigeren Bedingungen für den Erwerb der Fahrerlaubnis zu profitieren (vgl. zu diesem Aspekt EuGH, Urteil vom 01.03.2012 - C-467/10 -, juris, Rn. 76), sondern es nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Kläger sich jemals in die Tschechische Republik begeben oder mit den dortigen Behörden selbst Kontakt gehabt hat. |
|
| Eine Auslegung der Richtlinie 2006/126/EG dahingehend, dass diese in einer Situation wie der vorliegenden, in der der Betroffene in der Vergangenheit mehrfach für ungeeignet befunden wurde, ein Kraftfahrzeug zu führen und sich nicht in der Lage gesehen hat, die nötigen Schritte zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis zu gehen, der Nichtanerkennung eines von einem offensichtlich unzuständigen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins entgegenstünde, wäre mit dem von der Richtlinie 2006/126/EG verfolgten Gemeinwohlziel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen (vgl. Erwägungsgrund 2 sowie vgl. EuGH, Urteil vom 23.04.2015 - Rs. C-260/13, Aykul - juris; Urteil vom 22.05.2014 - Rs. C-356/12, Glatzel - juris) ebenso unvereinbar wie mit der der Richtlinie zugrundeliegenden Erkenntnis (vgl. Anhang III Nr. 14 Richtlinie 2006/126/EG), dass mit dem Alkoholgenuss eine große Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr einhergeht, die auf medizinischer Ebene große Wachsamkeit gebietet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2017 - 10 S 1716/15 -, juris, Rn. 58). Vor diesem Hintergrund schreibt Anhang III Nr. 14.1 Richtlinie 2006/126/EG vor, dass Bewerbern oder Fahrzeugführern, die alkoholabhängig sind oder das Führen eines Fahrzeugs und Alkoholgenuss nicht trennen können, eine Fahrerlaubnis weder erteilt noch ihre Fahrerlaubnis erneuert werden darf und Bewerbern oder Fahrzeugführern, die alkoholabhängig waren, erst nach einem nachgewiesenen Zeitraum der Abstinenz vorbehaltlich des Gutachtens einer zuständigen ärztlichen Stelle und einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle eine Fahrerlaubnis erteilt oder ihre Fahrerlaubnis erneuert werden darf. Die Verbesserung der Verkehrssicherheit zählt nach wie vor zu den von der Europäischen Union in besonderem Maße verfolgten Politikzielen (vgl. nur die Zusammenfassung im Commission Staff Working Document EU Road Safety Policy Framework 2021-2030 - Next steps towards "Vision Zero", SWD[2019] 283 final, insbesondere unter 4.3 m.w.N.). Eine Auslegung der Führerscheinrichtlinie, die dem Erwerb von Führerscheinen durch Personen, deren Fähigkeit zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen zumindest ernstlich fraglich erscheint, Vorschub leistet, weil sie die Mitgliedstaaten faktisch dazu zwingt, illegal erworbene Führerscheine sehende Auges zu akzeptieren und diese solange am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, bis diese durch Verkehrsverstöße, die unabsehbare Folgen für Dritte haben können, erneut auffällig werden, läuft daher vitalen Interessen der Union zuwider. Das Ziel der Union, bis zum Jahr 2050 die Zahl der Verkehrstoten auf Null zu reduzieren (vgl. European Commission, Communication „Europe on the Move - Sustainable Mobility for Europe: safe, connected, and clean“, COM[2018] 293 final), würde konterkariert. Hinzu kommt die Verpflichtung der Union und der Mitgliedstaaten, sich gegenüber Privaten schützend vor das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GRCh) zu stellen und diese Rechtsgüter zu schützen (vgl. Jarass, in: ders., GRCh, 4. Aufl. 2021, Art. 2 Rn. 8 und Art. 3 Rn. 10 m.w.N.). Zwar kommt der Union und den Mitgliedstaaten insofern ein weiter Einschätzungsspielraum zu; in einer Konstellation wie der Vorliegenden, in der die fehlende Zuständigkeit des Ausstellungsmitgliedstaats einerseits und zum anderen erhebliche Zweifel an der Eignung des Betroffenen, Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr sicher zu führen, offenkundig sind, vermag der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung allein es nicht zu rechtfertigen, von Personen, die sich in der Vergangenheit bereits (mehrfach) als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, ausgehenden Gefahren für Leib und Leben Dritter sehenden Auges hinzunehmen. Auch bei der Ausgestaltung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung hat der Unionsrechtsgesetzgeber die Unionsgrundrechte zu wahren (vgl. hierzu Herrnfeld, in: Schwarze u.a., EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 67 AEUV Rn. 24 f. m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH). Der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, der dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zugrunde liegt, kann nur so lange Geltung beanspruchen, wie er nicht durch entgegenstehende Tatsachen erschüttert wird (vgl. BVerfGE 109, 13 <35 f.>; 109, 38 <61>; 140, 317 <349 Rn. 67 f. und 351 Rn. 73 f.>; BVerfG, Beschluss vom 01.12.2020 - 2 BvR 1845/18 u.a. -, juris, Rn. 67). Ein gleichsam für offenkundige Rechtsverletzungen „blindes Vertrauen“ wird nicht eingefordert (vgl. EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-163/17 -, juris, Rn. 84, wonach selbst dahingehend, dass andere Mitgliedstaaten die fundamentalen Vorgaben des Art. 4 GRCh achten, keine unwiderlegliche Vermutung besteht). Dies gilt umso mehr, als in Konstellationen wie der vorliegenden die durch eine Zulassung des Klägers zum Straßenverkehr Gefährdeten keine Möglichkeit haben, im Ausstellungsmitgliedstaat effektiven Rechtsschutz gegen ihnen drohende Grundrechtsverletzungen zu erhalten. |
|
| bb) Ist damit der durch die Ausstellung des Führerscheins begründete Anschein eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellungsmitgliedstaat zum Zeitpunkt der Ausstellung erschüttert, dürfen für die abschließende Beurteilung, ob der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt seinen ordentlichen Wohnsitz in der Tschechischen Republik hatte und diese für die Ausstellung des Führerscheins zuständig war, alle Umstände berücksichtigt werden, insbesondere auch Informationen die aus dem Inland stammen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.10.2019 - 3 B 26.19 -, juris, Rn. 25 m.w.N.). Vorliegend war der Kläger durchgehend in ... gemeldet und hat zu keiner Zeit auch nur behauptet, seinen Wohnsitz in der Tschechischen Republik gehabt zu haben; er hat vielmehr überhaupt keine Angaben dazu gemacht, wie er in den Besitz des Führerscheins gelangt ist. Zusammengenommen sind die aus der Tschechischen Republik herrührenden Information, dass den dortigen Behörden nichts über einen Wohnsitz des Klägers bekannt ist, und die im Inland vorliegenden Informationen dahingehend zu würdigen, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt einen ordentlichen Wohnsitz in der Tschechischen Republik begründet hatte. |
|
| 2. Die in Ziffer 2 des Bescheids vom 18.06.2020 ausgesprochene Verpflichtung des Klägers, seinen Führerschein dem Landratsamt vorzulegen, damit dieses auf dem Kartenführerschein einen Sperrvermerk eintragen kann, steht im Einklang mit § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 2 Satz 1 bis 3 FeV (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.01.2020 - 10 S 224/18 -, juris, Rn. 19). Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass diese Maßnahme mit Unionsrecht vereinbar ist. Denn Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2006/126/EG ermächtigt den Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes, hier also die Bundesrepublik Deutschland, auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der in der Richtlinie nicht geregelten Konstellation, dass der Staat des nur vorübergehenden Aufenthalts eine Eintragung im Führerschein vornehmen möchte (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.01.2020 - 10 S 224/18 -, juris, Rn. 22 ff., mit dem der Verwaltungsgerichtshof den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht hat). Vor diesem Hintergrund bestand kein Anlass, das Verfahren mit Blick auf das Vorabentscheidungsverfahren C-56/20 analog § 94 VwGO auszusetzen. Mit Blick darauf, dass nach Art. 2, Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 2006/126/EG allein die Verlagerung des ordentlichen Wohnsitzes gerade keine Verpflichtung des Inhabers begründen soll, seinen Führerschein umzutauschen, Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2006/126/EG aber in einem solchen Fall dem (neuen) Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes umfassende Befugnisse zur Anwendung seiner fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen überantworten, die ihn sogar zu einem Umtausch des Führerscheins gegen den Willen des Betroffenen ermächtigen, erscheint die Eintragung einer räumlichen Beschränkung des Geltungsbereichs des im Übrigen unverändert gelassenen Führerscheins als milderes, dem Ziel der gegenseitigen Anerkennung in größtmöglichen Umfang entsprechenden Mittel (vgl. ferner VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.01.2020 - 10 S 224/18 -, juris, Rn. 25, wonach der Verwaltungsgerichtshof von der Befugnis des vom Ausstellungsmitgliedstaat verschiedenen Wohnsitzmitgliedstaats, einen entsprechenden Sperrvermerk aufzunehmen, ausgeht). |
|
| 3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass das Landratsamt über den Umtausch seines Führerscheins (erneut) entscheidet. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 30 FeV in Betracht. Diese Vorschrift ermöglicht, wie von Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 2006/126/EG vorgegeben, den „Umtausch“ eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins in einen deutschen Führerschein. |
|
| Dem vom Kläger begehrten Umtausch steht nicht entgegen, dass der ihm ausgestellte tschechische Führerschein seit dem 03.06.2019 nicht mehr gültig ist. Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 FeV setzt der Umtausch keine gültige EU-Fahrerlaubnis voraus. Da der Betroffene nach einem Wohnsitzwechsel keine Verlängerung im Ausstellungsmitgliedstaat mehr erhalten kann, hätte das Erfordernis einer bestehenden Gültigkeit zur Folge, dass der Betroffene nach Ablauf der Geltungsdauer seines Führerscheins eine Fahrerlaubnis nur noch unter den Bedingungen der Ersterteilung im neuen Wohnsitzmitgliedstaat erhalten könnte. Dies erschien dem Verordnungsgeber als unzulässige Beeinträchtigung der Freizügigkeit (vgl. BR-Drs. 443/98 S. 288 f.). Eine befristete EU-Fahrerlaubnis der Klassen A und B (einschließlich ihrer Unterklassen AM, A1, A2, BE und B1) kann daher gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 FeV auch noch umgetauscht werden, wenn ihre Gültigkeit nach Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland abgelaufen ist ‚(vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.10.2019 - 3 B 26.19 -, juris, Rn. 16). |
|
| Für die Ausstellung eines deutschen Führerscheins auf der Grundlage einer EU-Fahrerlaubnis ist allein erforderlich, dass der Antragsteller Inhaber einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten EU- oder EWR-Fahrerlaubnis ist, die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat (§ 30 Abs. 1 Satz 1 FeV). Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, ergibt sich im vorliegenden Fall des Wohnsitzwechsels aus § 28 FeV. Danach dürfen die Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen, sofern keiner der in § 28 Abs. 4 FeV normierten Ausnahmetatbestände vorliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.10.2019 - 3 B 26.19 -, juris, Rn. 17). Weil der Kläger gemäß § 28 Abs. 4 Satz Nr. 2 FeV nicht berechtigt ist, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, hat er keinen Anspruch auf Erteilung einer Fahrerlaubnis im Wege des Umtauschs seines tschechischen Führerscheins. |
|
|
|
|
|
| Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 5.000 Euro festgesetzt. Dabei folgt der Berichterstatter der Empfehlung in Ziffer 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, der einen Streitwert von 5.000 Euro für die Fahrerlaubnis der Klasse B, der hier allein eine nach § 6 Abs. 3 FeV eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. hierzu grundlegend VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.2007 - 10 S 1272/07 -, juris), vorsieht. Dieser Wert erscheint nicht nur dann angemessen, wenn die Entziehung oder (Wieder-)Erteilung einer Fahrerlaubnis in Rede steht, sondern auch dann, wenn es um die Befugnis geht, von einem EU- oder EWR-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.06.2017 - 10 S 1716/15 -, juris, Rn. 63). Auch wegen des Umtauschbegehrens, das im Erfolgsfalle die Erteilung einer unbeschränkt gültigen deutschen Fahrerlaubnis zur Folge hätte, erscheint ein Abschlag nicht angezeigt. Umgekehrt besteht wegen der (Teil-)Identität dieser Streitgegenstände insgesamt kein über diesen Betrag hinausgehendes wirtschaftliches Interesse des Klägers. Der Verpflichtung, den tschechischen Führerschein vorzulegen (Ziffer 2 des Bescheides vom 18.06.2020), kommt gegenüber der Aberkennungsentscheidung unter Ziffer 1 des Bescheides keine streitwerterhöhende Bedeutung zu, weil sie bei funktionaler Betrachtung lediglich als deren Umsetzung erscheint (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.01.2020 - 10 S 224/18 -, juris, Rn. 24). |
|