Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 5 K 7139/18

Tenor

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30.11.2018 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der am x geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und moslemisch-sunnitischen Glaubens. Er reiste nach seinen Angaben im Sommer 2015 in Deutschland ein, wo er am 04.05.2017 seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragte.
Am 22.11.2017 wurde der Kläger durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) angehört.
Mit Bescheid vom 28.12.2017 erkannte das Bundesamt dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu. Im Übrigen wurde der Asylantrag abgelehnt. Der Bescheid wurde am 30.12.2017 zugestellt.
Hiergegen erhob der Kläger am 03.01.2018 Klage (A 5 K 99/18), mit der er seine Flüchtlingsanerkennung begehrt, über die am 09.12.2020 ebenfalls verhandelt wurde.
Der Kläger trat mehrmals strafrechtlich in Erscheinung. Er wurde wie folgt verurteilt:
1. Mit Urteil des Amtsgerichts x vom x.2016 wurde er wegen Nötigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Beleidigung in sechs tateinheitlichen Fällen und Sachbeschädigung zu zwei Wochen Jugendarrest verurteilt. Die Vollstreckung des Jugendarrests wurde wegen der renitenten Haltung des Klägers abgebrochen.
2. Mit weiterem Urteil des Amtsgerichts x vom x 2017 wurde er wegen Diebstahls in drei Fällen, Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen zu acht Monaten Jugendstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
3. Mit weiterem Urteil des Amtsgerichts x vom x 2017 wurde er wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu vier Tagen Jugendarrest verurteilt.
4. Mit Urteil des Amtsgerichts x vom x 2017 wurde dem Kläger wegen Beleidigung und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen die Weisung erteilt, Urinproben abzugeben. Bereits die erste Urinprobe wies einen positiven Befund auf.
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5. Mit Urteil des Amtsgerichts x vom x 2017 wurde der Kläger wegen vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln und Diebstahl mit Waffen zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Bei dem Diebstahl mit Waffen hatte der Kläger ein Deo Spray in einem Supermarkt entwendet und bei der Tat wissentlich und willentlich ein Pfefferspray in seinem Rucksack mitgeführt.
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6. Mit weiterem Urteil des Amtsgerichts x vom x 2018 wurde er wegen Diebstahls schuldig gesprochen und unter Einbeziehung früherer Entscheidungen (vom x 2017, vom x 2017 und vom x 2017) zu einer Jugendstrafe von einem Jahr ohne Bewährung verurteilt. Bei dem Diebstahl hatte der Kläger auf der Straße einen Unbekannten angesprochen, in ein Gespräch verwickelt und umarmt, um ihm unbemerkt den Geldbeutel zu entwenden. Der Geschädigte bemerkte das Fehlen des Geldbeutels, während der Kläger noch in der Nähe war; der Geldbeutel konnte sichergestellt werden.
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7. Zuletzt wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts x vom x 2018 (15 Ls 111 Js 859/18jug) wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung und wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dabei wurden die Verurteilungen vom x 2018, vom x 2017, vom x 2017 und vom x 2017 einbezogen. Der Verurteilung lag ein Vorfall vom 18.11.2017 zu Grunde, bei dem der Kläger zwei Zeuginnen auf der Straße vor einer Diskothek ansprach. Nachdem diese den Kläger vergeblich aufforderten, sie in Ruhe zu lassen, baten sie die beiden Geschädigten um Unterstützung. Es kam zum Streit zwischen dem Kläger und den Geschädigten. Die drei Mitangeklagten kamen dem Kläger dabei zur Hilfe. Einer der Mitangeklagten schlug einem der Geschädigten mit Billigung der anderen Mitangeklagten mit der Faust ins Gesicht, nachdem der Geschädigte zuvor mit Pfefferspray angesprüht worden war, so dass er sich nicht mehr wehren konnte. Der Geschädigte fiel zu Boden und wurde dort von zwei der Angeklagten mit Billigung der anderen geschlagen und getreten. Dem anderen Geschädigten, der seinem Freund zu Hilfe kommen wollte, wurde durch den Kläger oder einen seiner Mittäter der Weg versperrt. Kurze Zeit später versetzte einer der Angeklagten ihm einen erheblichen Faustschlag auf den Hinterkopf. Der Kläger und die Mittäter flohen dann. Der Kläger nahm zuvor noch den Geldbeutel eines der Geschädigten mit Bargeld und persönlichen Papieren samt Kreditkarte an sich. Der erste Geschädigte erlitt ein Hämatom am linken Auge und über der rechten Stirn sowie eine Schädelprellung und mehrere Prellungen und Schürfwunden am ganzen Körper. Er litt mehrere Tage unter Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Der andere Geschädigte erlitt eine Schädelprellung und war über das Wochenende mit sehr starken Kopfschmerzen bettlägerig.
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Bei seiner Festnahme am x 2018 leistete der Kläger erheblichen Widerstand, indem er zunächst die Arme und sodann die Beine versperrte, um sich gegen das Ausziehen der Oberbekleidung bzw. der Beinbekleidung zu wehren. Des Weiteren beleidigte er die Polizeibeamten.
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Während der Untersuchungshaft griff er einen anderen Gefangenen an und versetzte ihm Faustschläge gegen die Brust, so dass dieser mit dem Rücken gegen einen Tisch prallte. Der Geschädigte zog sich multiple Hämatome im Bereich des Brustkorbs, an der linken Schulter, am Rücken und am Knie zu.
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Der Kläger verbüßte die verhängte Strafe in der Justizvollzugsanstalt x. Am 14.12.2018 wurde er aus der Haft entlassen. Die Vollstreckung der Reststrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt; die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.
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Nachdem das Bundesamt von den Verurteilungen des Klägers Kenntnis erlangt hatte, wurde ein Widerrufs-/ Rücknahmeverfahren eingeleitet. Der Kläger wurde zur beabsichtigten Rücknahme des Bescheids vom 28.12.2017 angehört.
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Mit Bescheid vom 30.11.2018 wurde der Bescheid vom 28.12.2017 zurückgenommen (1). Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (2); ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 auf das Gesetz hinsichtlich Syriens wurde festgestellt (3). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Zuerkennung subsidiären Schutzes sei nach § 73 b Abs. 3 AsylG zurückzunehmen, wenn der Ausländer nach § 4 Abs. 2 AsylG von der Gewährung subsidiären Schutz hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen sei oder eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen oder Verwendung gefälschter Dokumente für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend gewesen sei. Hier sei der Kläger von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen. Schwerwiegende Gründe rechtfertigten die Annahme, dass er eine schwere Straftat begangen habe und damit der Ausschlusstatbestand gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG erfüllt sei. Der Kläger sei rechtskräftig verurteilt worden. Die Tat, wegen derer er verurteilt worden sei, stelle eine schwere Straftat dar. Insofern können auf § 54 Abs. 1 und Abs. 1 AufenthG verwiesen werden, wonach ein Ausweisungsinteresse sogar besonders schwer wiege, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Taten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheit-oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sei, sofern die Straftat mit Gewalt oder unter Anwendung von Drohung und mit Gefahr für Leib und Leben oder mit List begangen worden sei oder eine Straftat nach § 177 StGB sei. Der Kläger sei mit großer Gewalt und Brutalität vorgegangen. Der Geschädigte, der zuvor mit Pfefferspray betäubt worden und daher nicht mehr zur Gegenwehr in der Lage gewesen sei, sei zunächst mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden. Nachdem er zu Boden gegangen sei, sei er getreten und geschlagen worden. Er habe erhebliche Verletzungen erlitten. Der Kläger habe bei seiner Festnahme erheblichen Widerstand geleistet und die Polizeibeamten beleidigt. Er habe in der U-Haft einige Tage später einen Mitgefangenen ohne rechtfertigenden Grund angegriffen und Faustschläge gegen den Brustkorb versetzt. Die Rücknahme subsidiären Schutzes erfolge mit Wirkung für die Vergangenheit. Wegen des Vorliegens des Ausschlusstatbestandes könne subsidiärer Schutz nicht zuerkannt werden. Demgegenüber läge ein Abschiebungsverbot vor.
18 
Der Kläger hat am 03.01.2019 Klage erhoben.
19 
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30.11.2018 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Mit Verfügung vom 22.01.2019 wies das Regierungspräsidium x den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Die Wirksamkeit der Ausweisung steht unter dem Vorbehalt, dass das anhängige Klageverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter abgeschlossen wird. Diese Verfügung ist noch nicht bestandskräftig.
24 
In der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2020 wurde der Kläger gehört. Hinsichtlich seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
25 
Die einschlägigen Akten des Bundesamts liegen vor. Diese Akten wurden ebenso wie die Erkenntnismittel, die in der auf der Internetseite des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (www.vghmannheim.de -Service) veröffentlichten Erkenntnismittelliste „Syrien 2. Quartal 2020“ aufgeführt sind, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gemacht. Des Weiteren wurden die Gerichtsakten in einem Rechtsstreit des Klägers gegen seine Ausweisung (7 K 468/19) mit den zugehörigen Akten des Regierungspräsidiums x sowie einem Auszug aus dem Bewährungsheft, die Strafakten (einschließlich der Strafvollstreckungsakten und des Bewährungsheftes) und die Personalgefangenenakten der JVA x zum Gegenstand von Verhandlung und Entscheidung gemacht. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
27 
Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VWGO).
I.
28 
Die Voraussetzungen für die Rücknahme subsidiären Schutzes liegen nicht vor. Nach § 73 b Abs. 3 AsylG ist die Zuerkennung des subsidiären Schutzes unter anderem zurückzunehmen, wenn der Ausländer nach § 4 Abs. 2 AsylG von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen ist. Das gilt auch, wenn der Ausschlussgrund nachträglich eintritt.
29 
Hier liegt jedoch kein Ausschlussgrund gemäß § 4 Abs. 2 AsylG vor. Das gilt sowohl für den Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG (1) als auch für den Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AsylG (2). Die anderen beiden Ausschlussgründe kommen offensichtlich nicht in Betracht.
(1)
30 
Nach § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Ausländer von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat. Eine solche schwere Straftat liegt hier nicht vor.
31 
Mit § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG wurde Art. 17 Abs. 1b Richtlinie 2011/95/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, einen einheitlichen Status der Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337, S. 9) umgesetzt. Dies ist bei der Auslegung des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG zu berücksichtigen. Eine Definition der „schweren Straftat“ enthält die Richtlinie 2011/95/EG nicht. Die Richtlinie verweist zur Bestimmung des Sinnes und der Tragweite dieses Begriffs auch nicht ausdrücklich auf das nationale Recht (EuGH, Urteil vom 13.09.2018 - C-369/17 - Rn. 33). Insofern hat der Begriff der „schweren Straftat“ eine autonome und einheitliche Auslegung zu erhalten, die unter Berücksichtigung ihres Kontextes und des mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgten Ziels gefunden werden muss (EuGH, a.a.O., Rn. 36). Zweck des Art. 17 Abs. 1b Richtlinie 2011/95/EU ist es, Personen auszuschließen, die als des subsidiären Schutzes unwürdig angesehen werden, und die Glaubwürdigkeit des gemeinsamen europäischen Asylsystems zu erhalten, das sowohl die Annäherung der Bestimmungen über die Zuerkennung und die Merkmale der Flüchtlingseigenschaft als auch die Maßnahmen über die Formen des subsidiären Schutzes umfasst, die einer Person, die eines solchen Schutzes bedarf, einen angemessenen Status verleihen (EuGH, a.a.O., Rn. 51). Dieser Ausschlussgrund bildet eine Ausnahme von der in Art. 18 Richtlinie 2011/95/EU aufgestellten allgemeinen Regel und ist daher restriktiv auszulegen (EuGH, a.a.O., Rn. 52). Dabei kommt dem Kriterium des in den strafrechtlichen Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaates vorgesehenen Strafmaßes zwar eine besondere Bedeutung zu, dennoch hat die zuständige Behörde in jedem Einzelfall eine Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, die ihr bekannt sind, vorzunehmen, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen (EuGH, a.a.O. Rn. 55). Das ist anhand einer Vielzahl von Kriterien, wie unter anderem der Art der Straftat, der verursachten Schäden, der Form des zur Verfolgung herangezogenen Verfahrens, der Art der Strafmaßnahme und der Berücksichtigung der Frage zu beurteilen, ob die fragliche Straftat in den anderen Rechtsordnungen ebenfalls überwiegend als schwere Straftat angesehen werde (EuGH, a.a.O., Rn. 56).
32 
Insofern kann auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 16.02.2010 - 10 C 7.09 - zu § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylVfG) verwiesen werden, wonach es sich nach internationalen und nicht nach nationalen Maßstäben bestimmt, ob einer Straftat das geforderte Gewicht zukommt. Es muss sich um ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat handeln, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird (BVerwG, a.a.O.). Die Schwere der Tat ist dabei nicht allein abstrakt zu bestimmen, sondern im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles (Häufigkeit und Intensität der Verfehlungen) (Kraft in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Art. 17 Rn. 4, Art. 12 Rn. 51).
33 
Bei der im jeweiligen Einzelfall vorzunehmenden Gewichtung der Tat ist somit zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG einen Fall der Unwürdigkeit regelt, bei dem es weder darauf ankommt, wie lange die Tat zurücklegt, noch ob von dem betreffenden Ausländer aktuell Gefahren ausgehen (BVerwG, Urteil vom 25.03.2015 - 1 C 16.14 - juris Rn. 29). Ferner ist in systematischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 2 S. 1 AsylG als weitere Fälle der Unwürdigkeit benennt und zwar Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1) sowie Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen (§ 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylG). Im Hinblick auf diese sehr gravierenden Verhaltensweisen ist daher angesichts des vom Europäischen Gerichtshof betonten Ausnahmecharakters der Ausschlussgründe ein erhebliches Gewicht sowohl der Straftaten als auch der schwerwiegenden Gründe für die Annahme, dass diese begangen worden sind zu fordern (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 21.10.2020 - 7 K 2047/20 - juris Rn. 45).
34 
Im vorliegenden Fall wurde der Kläger rechtskräftig verurteilt, so dass zweifellos „schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen“, dass er die oben im Tatbestand näher umschriebenen Straftaten begangen hat.
35 
Es fehlt jedoch an einer „schweren Straftat“ im Sinne des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG. Die gewichtigste Straftat, wegen derer der Kläger verurteilt worden ist, ist seine Mittäterschaft bei dem am 18.11.2017 mit drei Mittätern begangenen Angriff auf zwei Geschädigte, von denen einer zu Boden stürzte, was die Täter nicht davon abhielt, weiter auf ihn einzutreten und -zuschlagen. Diese Tat wurde mit Urteil vom 03.04.2018 als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (Begehung der Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich) geahndet. Der Strafrahmen reicht in diesem Falle von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.Eine Einzelstrafe wurde insoweit nicht verhängt, da der Kläger als Jugendlicher zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wurde, in die mehrere weitere Straftaten einbezogen wurden.
36 
Das Gericht verkennt nicht, dass gefährliche Körperverletzungen teilweise als „schwere Straftat“ angesehen wurden (VG Augsburg, Urteil vom 26.03.2020 - Au 4 K 19.31338 - juris; VG Saarland, Urteil vom 09.07.2019 - 6 K 941/18 - juris; VG Trier, Urteil vom 16.01.2020 - 10 K 1424/19.TR - juris), dabei wurde jedoch jeweils nicht ausschließlich auf den Strafrahmen, sondern auf die jeweiligen Modalitäten und/oder Folgen der Taten abgestellt.
37 
Die Modalitäten der am 18.11.2017 begangenen Tat lassen diese als zwar kriminell und strafwürdig, jedoch nicht als so schwer erscheinen, dass der Kläger - zeitlich unbeschränkt und ohne Rücksicht auf das Bestehen einer Wiederholungsgefahr - als unwürdig anzusehen ist, den subsidiären Schutzstatus zuerkannt zu bekommen. Zwar hat das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit, das durch diese Tat verletzt wurde, einen hohen Rang. Es ist jedoch festzustellen, dass die Geschädigten keine schweren oder gar bleibenden Verletzungen erlitten. Die Beeinträchtigungen dauerten ausweislich der Feststellungen im Strafurteil nicht länger als bei einem Geschädigten „mehrere Tage“ und beim anderen „über das Wochenende“. Dem Strafurteil sowie den beigezogenen Strafakten kann auch nicht entnommen werden, dass es lediglich auf glücklichen Umständen beruhte, dass die Geschädigten keine schwereren Verletzungen erlitten. Es handelt sich um ein spontanes Geschehen; die allesamt leicht alkoholisierten Täter hatten den Angriff nicht geplant. Hinsichtlich zweier zur Tatzeit volljähriger Mittäter stellte das Strafgericht fest, dass die Taten als jugendtypische Verfehlungen bewertet werden können.
38 
Auch die übrigen Taten, wegen derer der Kläger verurteilt wurde, sind nicht als „schwere Straftaten“ im Sinne des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG anzusehen. Der in der Untersuchungshaft begangene Angriff auf den Mitgefangenen war lediglich eine einfache Körperverletzung, die ebenfalls nicht zu gravierenden oder langwierigen Gesundheitsfolgen geführt hat. Der bei seiner Festnahme begangene Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zeigt den Kläger zwar als äußerst uneinsichtig und renitent, stellt jedoch keine schwere Straftat dar. Insgesamt stellt sich der Kläger zur Zeit seiner letzten strafrechtlichen Verurteilung als Kleinkrimineller dar; es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass er „eine schwere Straftat“ begangen hat.
39 
Soweit das Bundesamt im angefochtenen Bescheid auf § 60 Abs. 8 AufenthG verwiesen hat, findet diese Bestimmung keine Anwendung, da sie sich lediglich auf den Flüchtlingsstatus und nicht auf den subsidiären Schutz bezieht. Es kann daher offenbleiben, ob diese Bestimmung mit europäischem Recht vereinbar ist (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 4 AsylG Rn. 18 FN 54; Huber in Göbel-Zimmermann/Masuch/Hruschka, AufenthG, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 86). Es erscheint jedenfalls im Hinblick auf die oben zitierte Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 13.09.2018 als problematisch, für die Schwere der Straftat allein auf das verhängte Strafmaß (§ 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG) bzw. das Strafmaß, das geschützte Rechtsgut und die typisierte Begehungsweise (§ 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG) abzustellen. Unabhängig davon kann hier nicht festgestellt werden, dass der Kläger „wegen“ von § 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG erfasster Taten zu einer Jugendstrafe von mindestens 1 Jahr verurteilt wurde. Er wurde zu einer Jugendstrafe verurteilt worden, in die zahlreiche frühere Verurteilungen einbezogen wurden. Dabei wurden Verurteilungen wegen Straftaten einbezogen, die nicht unter § 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG fallen, da sie entweder nicht gegen eines der genannten Rechtsgüter gerichtet waren (beispielsweise der Besitz von Drogen oder Beleidigungen) oder nicht mittels Gewalt, Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder List begangen wurden, wie die überwiegende Zahl der Eigentumsdelikte (vgl. VG Augsburg, Beschluss vom 26.03.2020 - Au 4 S 20.30367 - juris; VG Freiburg, Beschluss vom 08.08.2019 - A 14 K 2915/19 - juris).
(2)
40 
Der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AsylG liegt ebenfalls nicht vor. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AsylG ist ein Ausländer von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Mit dieser Bestimmung wurde der Ausschlussgrund des Art. 17 Abs. 1 d Richtlinie 2011/95/EU umgesetzt. Auch hier fehlt eine Definition der Begriffe „Gefahr für die Allgemeinheit“ bzw. „Gefahr für die Sicherheit“. Zu den in Art. 24 Abs. 1 und 3 verwendeten Begriffen „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ hat der europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 24.06.2015 – C-373/13 – juris Rn. 77 ff) entschieden, dass sie wie die gleichlautenden Begriffe in Art. 27 und 28 Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) auszulegen seien. Es erscheint jedoch fraglich, ob dasselbe für den Begriff der „Gefahr für die Allgemeinheit“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 d Richtlinie 2011/95/EU gilt (so wohl: EASO, Judical analysis: Exclusion: Articles 12 ans 17 Qualification Directive, 2. Aufl. 2020, S. 123). Es ist davon auszugehen, dass der Normgeber innerhalb derselben Richtlinie durch die Wahl unterschiedlicher Begrifflichkeiten unterschiedliche Anforderungen stellen wollte (so auch: VG Freiburg, Urteil vom 21.10.2020 - 7 K 2047/20 - juris Rn. 49).
41 
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass Art. 17 Abs. 2d Richtlinie 2011/95/EU anders als Art. 14 Abs. 4b Richtlinie 2011/95/EU, der die Voraussetzungen für eine Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft regelt, nicht voraussetzt, dass der Betreffende eine Gefahr für die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Art. 17 Abs. 1 die Richtlinie 2011/95/EU führt allein der Hinweis darauf, dass der Unionsgesetzgeber einen einheitlichen Status für alle Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird, einführen wollte, und dass er sich bei den Gründen für den Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus an den auf Flüchtlinge anzuwendenden Regelungen orientiert hat (so: EuGH, Urteil vom 13.09.2018, a.a.O., Rn. 42, unter Hinweis auf Erwägungsgründe 8, 9 und 39 der Richtlinie 2011/95/EU) nicht dazu, dass auch für den Ausschluss des subsidiären Schutzstatus eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer schweren Straftat vorausgesetzt wird (so im Ergebnis auch: Bergmann, a.a.O., R. 38).
42 
Ob dennoch zu fordern ist, dass jedenfalls künftig zumindest die Begehung „schwerer Straftaten“ im oben dargelegten Sinne droht (so: Österreichischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2011 - U1907/10; www.ris.bka.gv.at/Judikatur/; a.A. VG Freiburg, Urteil vom 21.10.2020, a.a.O.), erscheint fraglich, kann hier aber letztlich offen bleiben. Allerdings wird angesichts der Tatsache, dass auch insoweit eine Ausnahme von Art. 18 Richtlinie 2011/95/EU vorliegt, auch Art. 17 Abs. 1 d Richtlinie 2011/95/EU restriktiv auszulegen zu sein (vgl. EuGH Urteil vom 13.09.2018, a.a.O., Rn. 52). Die drohende Begehung lediglich geringfügiger Straftaten genügt daher nicht. Der Ausschlussgrund wird bei schwerer Spionage, gefährlicher Sabotage oder politischem Terrorismus und anderen Kapitaldelikten bzw. auch anderen Straftaten von besonderem Gewicht gegeben sein (Bergmann, a.a.O., § 4 AsylG Rn. 18). Von einer Gefahr für die Allgemeinheit ist bei einer Rechtsgutgefährdung auszugehen, die nicht nur eine Einzelperson betrifft und für das gesellschaftliche Zusammenleben in Sicherheit und Freiheit eine Gefährdung darstellt (Kluth in BeckOK, Ausländerrecht 27. Edition, Stand 01.10.2020, AsylG § 4 Rn. 38). Der Schutz der Allgemeinheit betrifft insbesondere die Verhinderung von erheblichen Straftaten (Hailbronner, AuslR, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 4 AsylG Rn. 76).
43 
Ferner muss - anders als bei § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG (Art. 17 Abs. 1 b Richtlinie 2011/95/EU), der einen Fall der Unwürdigkeit regelt - jedenfalls noch eine gegenwärtige konkrete Gefahr vorliegen (Bergmann, a.a.O., Kluth, a.a.O. Rn. 39; Halibronner, a.a.O., Rn. 77). Da „schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen“ müssen, dass der Betroffene eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, muss die in diesem Zusammenhang erforderliche Prognose einer künftigen Entwicklung zur konkreten Wahrscheinlichkeit eines (weiteren) Schadenseintritts führen (Kluth, a.a.O., Rn. 40). Dabei hat - wie auch sonst bei der Beurteilung einer Wiederholungsgefahr - das Gericht eine eigenständige Prognose zu treffen (BVerwG, Urteile vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris, Rn. 23 und vom 15.01.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.03.2020 - 11 S 2293/18 - juris Rn. 12 ff).
44 
Gemessen daran liegt im vorliegenden Fall zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr vor. Ausreichend für eine solche Gefahr wäre die konkrete gegenwärtige Gefahr, dass der Kläger künftig wieder Körperverletzungen in der Art wie die zuletzt abgeurteilte begeht. Eine solche Gefahr besteht jedoch nach Auffassung des Gerichts derzeit nicht mehr.
45 
Dabei wird nicht verkannt, dass eine Wiederholungsgefahr zur Zeit der letzten strafrechtlichen Verurteilung des Klägers bestand. Dieser hatte seit 2016 eine Vielzahl von Straftaten begangen, dabei etliche, die ein erhebliches Aggressionspotenzial zeigen, wie Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzliche und versuchte Körperverletzung und zuletzt die am x 2018 abgeurteilte gefährliche Körperverletzung. Er ließ sich Verurteilungen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, nicht zur Warnung dienen, sondern wurde bewährungsbrüchig. Nachdem er gemeinsam mit anderen nach einem Wortwechsel ohne rechtfertigenden Grund zwei Passanten angegriffen hatte, widersetzte er sich seiner Festnahme mit Beleidigungen und dem Versperren von Armen und Beinen und griff wegen eines Streits um ein geöffnetes Fenster in der Untersuchungshaft einen Mitgefangenen mit Faustschlägen gegen die Brust an.
46 
Zuvor hatte der Kläger bis zu seiner Inhaftierung Unterstützungsangebote abgelehnt. So fiel er in einer Einrichtung, in der er als minderjähriger Flüchtling aufgenommen wurde, schnell durch aggressives und provozierendes Verhalten auf, hielt sich nicht an Regeln, es kam auch zu Belästigungen von Betreuerinnen. Er weigerte sich, die deutsche Sprache zu erlernen. Zuletzt erhielt er im August 2016 ein Hausverbot und wurde in Obhut des Jugendhilfewerks in x genommen. Die Aufnahme in zwei Pflegefamilien scheiterte. Zuletzt war er im Jugendhilfewerk x untergebracht, bemühte sich anfangs um Kooperation, stellte zuletzt jedoch den Schulbesuch endgültig ein und war vermehrt an den Wochenenden abgängig (Amtsgericht x, Urteile vom 27.02.2018 - 15 Ls 171 Js 40966/17.jug - UA S. 4 f und vom 03.04.2018 - 15 Ls 111 Js 859/18.jug - UA S. 5 f; vgl. auch: Anamnese im Sozialdienst der JVA x vom 16./17.04.2018, Gefangenenpersonalakten). In dem Bericht des Sozialdienstes wird auch darauf verwiesen, dass eine Gewaltproblematik bestehe; es werde schnell aggressives und provozierendes Verhalten deutlich. Der Kläger habe eine hohe Erwartungs- und Verweigerungshaltung.
47 
Nach seiner Festnahme Ende Januar 2018 befand sich der Kläger erstmals in Haft. In einem Vermerk einer Sozialarbeiterin bei der Justizvollzugsanstalt x vom 22.02.2018 (AS 31 Gefangenenpersonalakten) wird noch ausgeführt, dem (am 03.04.2018 abgeurteilten) Angriff auf den Mitgefangenen sei ein insgesamt schwieriger Verlauf auf der Krankenabteilung vorausgegangen. Der Kläger habe nicht zuverlässig mitgearbeitet und „sorgte immer mal wieder für Aufruhr“. Auch neige er dazu, sich selbst in die Opferrolle zu begeben.
48 
Diese negativen Verhaltensweisen haben sich jedoch in der Folgezeit maßgeblich geändert. Nachdem der Kläger am 10.04.2018 in die Justizvollzugsanstalt x verlegt worden war, führte er sich in der Folgezeit ordentlich. Insbesondere kam es zu keinem aggressiven Auftreten des Klägers. In einem Bericht einer Sozialarbeiterin der Justizvollzugsanstalt x vom 29.10.2018 (Vollstreckungsakte des Amtsgerichts x, 15 VRJS 25/18.jug, S. 107; Vollstreckungsheft Amtsgericht x 1 VRJS 176/18, S. 35) wird ausgeführt, der Kläger sei gut in die Insassengemeinschaft integriert. Er verhalte sich in der Regel eher unauffällig und zurückhaltend. An den Gruppenangeboten nehme er gerne und regelmäßig teil. In den Gruppen verhalte er sich stets freundlich und respektvoll. Seine Meinung behalte er meist für sich. Wenn er direkt angesprochen werde, bringe er sich aber motiviert und gerne in die Aktivitäten ein. Er habe zunächst in der Schreinerei und anschließend für vier Wochen im Elektrobetrieb gearbeitet. Seit 02.08.2018 besuche er einen Migrationskurs, um seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Die Versuche, den Kläger in Programmen unterzubringen (Drogenberatung, Anti-Aggressions-Training) seien bisher an mangelnden Deutschkenntnissen gescheitert. Aufgrund der weitgehend unauffälligen Führung spreche sich die Hauskonferenz für eine Entlassung gemäß § 88 JGG aus, sobald die Bestätigung der Unterkunft vorliege.
49 
Dementsprechend lassen sich der Gefangenenpersonalakten keine besonderen Vorkommnisse mit Gewicht entnehmen. So kam es lediglich zu drei Vorkommnissen bei der Arbeit (ungenehmigte Zigarettenpause; Arbeitsverweigerung; „Stuhldrehen“ gespielt, trotz Aufforderung, die Arbeit zu beginnen), einem Vorkommnis, bei dem er von einem anderen Gefangenen geschlagen wurde, dies jedoch in Abrede stellte, und einem Vorkommnis, bei dem er die Dusche mit Butter verschmutzte. Dies lässt zwar Unreife, nicht jedoch Aggressivität erkennen.
50 
Ein gewichtiges Indiz für eine günstige Prognose ist die Tatsache, dass die Reststrafe des Klägers mit Beschluss vom 05.12.2018 zur Bewährung ausgesetzt wurde (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.03.2020 - 11 S 2293/18 - juris Rn. 24). Hinzu kommt, dass der Kläger seit seiner Strafentlassung im Dezember 2018 nicht mehr gewalttätig agiert hat. Eine erneute Anklageschrift vom 13.11.2020 wegen fahrlässiger Körperverletzung, die sich im Bewährungsheft findet, erfolgte, weil der Kläger auf einer Kartbahn durch überhöhte Geschwindigkeit einen Unfall verursachte. Dies erscheint als Ausdruck eines gewissen Entwicklungsrückstands des Klägers, jedoch nicht als der eines erhöhten Aggressionspotenzials.
51 
Ausweislich der Berichte seiner Bewährungshelferin zeigt sich der Kläger nach seiner Haftentlassung nunmehr bereit, Unterstützungsangebote anzunehmen. Er hält ständigen Kontakt mit seiner Bewährungshelferin; in der Wohngruppe, in der er seit seiner Haftentlassung untergebracht ist, hält er sich an die bestehenden Regeln und die Kooperation mit ihm verläuft positiv (vgl. Berichte vom 23.04.2020, S. 101 Bewährungsheft, und vom 03.09.2020, S. 135 Bewährungsheft). Dies wird auch von einem Sozialarbeiter der Institution, in der der Kläger untergebracht ist, bestätigt (Schreiben vom 07.12.2020, vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung überreicht). Es wird betont, dass der Kläger motiviert und bemüht ist. Allerdings fehlen ihm nach diesem Schreiben noch für die Berufstätigkeit bzw. die Absolvierung einer Ausbildung notwendige Entwicklungsschritte, wie die Fähigkeit, zuverlässig am Morgen aufzustehen sowie Lese- und Schreibkenntnisse. Insgesamt wird dem Kläger jedoch bescheinigt, einen großen Schritt getan zu haben. Zwar ist der Kläger nach den Ausführungen des Sozialarbeiters rasch überfordert. Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass dies dazu führt, dass der Kläger erneut gewalttätig geworden ist. Auch Misserfolgserlebnisse, die der Kläger seit seiner Haftentlassung hinnehmen musste, wie die Tatsache, die Schule ohne Schulabschluss verlassen zu müssen, haben nicht erneut zu aggressiven Durchbrüchen geführt. Vielmehr nimmt der Kläger nunmehr an einer Maßnahme der Arbeitsagentur zur Überleitung auf den Arbeitsmarkt teil (vgl. AS 143 Bewährungsheft; Schreiben des Sozialarbeiters vom 07.12.2020). Für eine gewachsene Einsicht des Klägers spricht, dass dieser im November 2020 selbst beantragt hat, die Bewährungszeit zu verlängern. Das veranschaulicht, dass der Kläger daran interessiert ist, weiterhin die Unterstützung seiner Bewährungshelferin zu haben.
52 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eingeräumt, seine Straftaten seien „ein Fehler“ gewesen. Auch wenn er wiederum „mildernde Umstände“ geltend macht, so wird deutlich, dass er sich damit gegen eine Verurteilung nicht nur seiner Tat, sondern seiner Person als solcher wehrt („Ich bin kein schlechter Mensch“). Er hat nunmehr ein Ziel, da er Friseur werden möchte. Das Gericht gewann den Eindruck eines im Wesentlichen noch unreifen und wenig intellektuellen Menschen, der jedoch mittlerweile eingesehen hat, dass Gewalt keine Lösung ist.
53 
Eine Gesamtbetrachtung dieser Entwicklung ergibt, dass eine langfristig geglückte Integration des Klägers derzeit alles andere als gewiss ist, dass jedoch eine gegenwärtige konkrete Gefahr für die Allgemeinheit, wie sie für den Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 Nr. 4 AsylG erforderlich ist, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht festgestellt werden kann.
54 
Soweit sich der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung auf den Beschluss vom 11.11.2020 im Verfahren 7 K 468/19 berufen hat, mit dem die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren gegen die Ausweisungsverfügung abgelehnt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass dort ein anderer Maßstab für die Wiederholungsgefahr gilt. Die Ausweisung des Klägers durch das Regierungspräsidium x, die Gegenstand des Verfahrens 7 K 468/19 ist, erfolgte gerade unter dem Vorbehalt, dass das vorliegende Verfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als subsidiärer Schutzberechtigte abgeschlossen wird. Insoweit hatte die 7. Kammer im dortigen Verfahren die Bestimmung des § 53 Abs. 3 b AufenthG, für die dieselben Maßstäbe gelten dürften wie für § 4 Abs. 2 Nr. 4 AsylG, nicht zu prüfen.
55 
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Entscheidung sich auf die derzeitige Sachlage bezieht. Sollte der Kläger erneut ein oder gar mehrere Gewaltdelikte begehen, wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erneut einen Widerruf zu prüfen haben. Es liegt nahe, dass die Frage einer Gefahr für die Allgemeinheit dann anders zu beurteilen sein wird.
II.
56 
Unter diesen Umständen fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die Entscheidungen in Ziff. 2 und 3 des angefochtenen Bescheids, da es insoweit bei Ziff. 1 des Bescheids vom 28.12.2017 bleibt, mit der dem Kläger - bestandskräftig - subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist. Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass Ziff. 1 des Bescheids vom 28.12.2017 rechtmäßig ist (vgl. Urteil vom heutigen Tage im Verfahren A 5 K 99/18).
III.
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83 Buchst. b AsylG).

Gründe

 
26 
Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
27 
Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VWGO).
I.
28 
Die Voraussetzungen für die Rücknahme subsidiären Schutzes liegen nicht vor. Nach § 73 b Abs. 3 AsylG ist die Zuerkennung des subsidiären Schutzes unter anderem zurückzunehmen, wenn der Ausländer nach § 4 Abs. 2 AsylG von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen ist. Das gilt auch, wenn der Ausschlussgrund nachträglich eintritt.
29 
Hier liegt jedoch kein Ausschlussgrund gemäß § 4 Abs. 2 AsylG vor. Das gilt sowohl für den Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG (1) als auch für den Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AsylG (2). Die anderen beiden Ausschlussgründe kommen offensichtlich nicht in Betracht.
(1)
30 
Nach § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Ausländer von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat. Eine solche schwere Straftat liegt hier nicht vor.
31 
Mit § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG wurde Art. 17 Abs. 1b Richtlinie 2011/95/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, einen einheitlichen Status der Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337, S. 9) umgesetzt. Dies ist bei der Auslegung des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG zu berücksichtigen. Eine Definition der „schweren Straftat“ enthält die Richtlinie 2011/95/EG nicht. Die Richtlinie verweist zur Bestimmung des Sinnes und der Tragweite dieses Begriffs auch nicht ausdrücklich auf das nationale Recht (EuGH, Urteil vom 13.09.2018 - C-369/17 - Rn. 33). Insofern hat der Begriff der „schweren Straftat“ eine autonome und einheitliche Auslegung zu erhalten, die unter Berücksichtigung ihres Kontextes und des mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgten Ziels gefunden werden muss (EuGH, a.a.O., Rn. 36). Zweck des Art. 17 Abs. 1b Richtlinie 2011/95/EU ist es, Personen auszuschließen, die als des subsidiären Schutzes unwürdig angesehen werden, und die Glaubwürdigkeit des gemeinsamen europäischen Asylsystems zu erhalten, das sowohl die Annäherung der Bestimmungen über die Zuerkennung und die Merkmale der Flüchtlingseigenschaft als auch die Maßnahmen über die Formen des subsidiären Schutzes umfasst, die einer Person, die eines solchen Schutzes bedarf, einen angemessenen Status verleihen (EuGH, a.a.O., Rn. 51). Dieser Ausschlussgrund bildet eine Ausnahme von der in Art. 18 Richtlinie 2011/95/EU aufgestellten allgemeinen Regel und ist daher restriktiv auszulegen (EuGH, a.a.O., Rn. 52). Dabei kommt dem Kriterium des in den strafrechtlichen Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaates vorgesehenen Strafmaßes zwar eine besondere Bedeutung zu, dennoch hat die zuständige Behörde in jedem Einzelfall eine Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, die ihr bekannt sind, vorzunehmen, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen (EuGH, a.a.O. Rn. 55). Das ist anhand einer Vielzahl von Kriterien, wie unter anderem der Art der Straftat, der verursachten Schäden, der Form des zur Verfolgung herangezogenen Verfahrens, der Art der Strafmaßnahme und der Berücksichtigung der Frage zu beurteilen, ob die fragliche Straftat in den anderen Rechtsordnungen ebenfalls überwiegend als schwere Straftat angesehen werde (EuGH, a.a.O., Rn. 56).
32 
Insofern kann auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 16.02.2010 - 10 C 7.09 - zu § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylVfG) verwiesen werden, wonach es sich nach internationalen und nicht nach nationalen Maßstäben bestimmt, ob einer Straftat das geforderte Gewicht zukommt. Es muss sich um ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat handeln, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird (BVerwG, a.a.O.). Die Schwere der Tat ist dabei nicht allein abstrakt zu bestimmen, sondern im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles (Häufigkeit und Intensität der Verfehlungen) (Kraft in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Art. 17 Rn. 4, Art. 12 Rn. 51).
33 
Bei der im jeweiligen Einzelfall vorzunehmenden Gewichtung der Tat ist somit zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG einen Fall der Unwürdigkeit regelt, bei dem es weder darauf ankommt, wie lange die Tat zurücklegt, noch ob von dem betreffenden Ausländer aktuell Gefahren ausgehen (BVerwG, Urteil vom 25.03.2015 - 1 C 16.14 - juris Rn. 29). Ferner ist in systematischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass § 4 Abs. 2 S. 1 AsylG als weitere Fälle der Unwürdigkeit benennt und zwar Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1) sowie Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen (§ 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylG). Im Hinblick auf diese sehr gravierenden Verhaltensweisen ist daher angesichts des vom Europäischen Gerichtshof betonten Ausnahmecharakters der Ausschlussgründe ein erhebliches Gewicht sowohl der Straftaten als auch der schwerwiegenden Gründe für die Annahme, dass diese begangen worden sind zu fordern (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 21.10.2020 - 7 K 2047/20 - juris Rn. 45).
34 
Im vorliegenden Fall wurde der Kläger rechtskräftig verurteilt, so dass zweifellos „schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen“, dass er die oben im Tatbestand näher umschriebenen Straftaten begangen hat.
35 
Es fehlt jedoch an einer „schweren Straftat“ im Sinne des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG. Die gewichtigste Straftat, wegen derer der Kläger verurteilt worden ist, ist seine Mittäterschaft bei dem am 18.11.2017 mit drei Mittätern begangenen Angriff auf zwei Geschädigte, von denen einer zu Boden stürzte, was die Täter nicht davon abhielt, weiter auf ihn einzutreten und -zuschlagen. Diese Tat wurde mit Urteil vom 03.04.2018 als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (Begehung der Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich) geahndet. Der Strafrahmen reicht in diesem Falle von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.Eine Einzelstrafe wurde insoweit nicht verhängt, da der Kläger als Jugendlicher zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wurde, in die mehrere weitere Straftaten einbezogen wurden.
36 
Das Gericht verkennt nicht, dass gefährliche Körperverletzungen teilweise als „schwere Straftat“ angesehen wurden (VG Augsburg, Urteil vom 26.03.2020 - Au 4 K 19.31338 - juris; VG Saarland, Urteil vom 09.07.2019 - 6 K 941/18 - juris; VG Trier, Urteil vom 16.01.2020 - 10 K 1424/19.TR - juris), dabei wurde jedoch jeweils nicht ausschließlich auf den Strafrahmen, sondern auf die jeweiligen Modalitäten und/oder Folgen der Taten abgestellt.
37 
Die Modalitäten der am 18.11.2017 begangenen Tat lassen diese als zwar kriminell und strafwürdig, jedoch nicht als so schwer erscheinen, dass der Kläger - zeitlich unbeschränkt und ohne Rücksicht auf das Bestehen einer Wiederholungsgefahr - als unwürdig anzusehen ist, den subsidiären Schutzstatus zuerkannt zu bekommen. Zwar hat das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit, das durch diese Tat verletzt wurde, einen hohen Rang. Es ist jedoch festzustellen, dass die Geschädigten keine schweren oder gar bleibenden Verletzungen erlitten. Die Beeinträchtigungen dauerten ausweislich der Feststellungen im Strafurteil nicht länger als bei einem Geschädigten „mehrere Tage“ und beim anderen „über das Wochenende“. Dem Strafurteil sowie den beigezogenen Strafakten kann auch nicht entnommen werden, dass es lediglich auf glücklichen Umständen beruhte, dass die Geschädigten keine schwereren Verletzungen erlitten. Es handelt sich um ein spontanes Geschehen; die allesamt leicht alkoholisierten Täter hatten den Angriff nicht geplant. Hinsichtlich zweier zur Tatzeit volljähriger Mittäter stellte das Strafgericht fest, dass die Taten als jugendtypische Verfehlungen bewertet werden können.
38 
Auch die übrigen Taten, wegen derer der Kläger verurteilt wurde, sind nicht als „schwere Straftaten“ im Sinne des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG anzusehen. Der in der Untersuchungshaft begangene Angriff auf den Mitgefangenen war lediglich eine einfache Körperverletzung, die ebenfalls nicht zu gravierenden oder langwierigen Gesundheitsfolgen geführt hat. Der bei seiner Festnahme begangene Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zeigt den Kläger zwar als äußerst uneinsichtig und renitent, stellt jedoch keine schwere Straftat dar. Insgesamt stellt sich der Kläger zur Zeit seiner letzten strafrechtlichen Verurteilung als Kleinkrimineller dar; es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass er „eine schwere Straftat“ begangen hat.
39 
Soweit das Bundesamt im angefochtenen Bescheid auf § 60 Abs. 8 AufenthG verwiesen hat, findet diese Bestimmung keine Anwendung, da sie sich lediglich auf den Flüchtlingsstatus und nicht auf den subsidiären Schutz bezieht. Es kann daher offenbleiben, ob diese Bestimmung mit europäischem Recht vereinbar ist (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 4 AsylG Rn. 18 FN 54; Huber in Göbel-Zimmermann/Masuch/Hruschka, AufenthG, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 86). Es erscheint jedenfalls im Hinblick auf die oben zitierte Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 13.09.2018 als problematisch, für die Schwere der Straftat allein auf das verhängte Strafmaß (§ 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG) bzw. das Strafmaß, das geschützte Rechtsgut und die typisierte Begehungsweise (§ 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG) abzustellen. Unabhängig davon kann hier nicht festgestellt werden, dass der Kläger „wegen“ von § 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG erfasster Taten zu einer Jugendstrafe von mindestens 1 Jahr verurteilt wurde. Er wurde zu einer Jugendstrafe verurteilt worden, in die zahlreiche frühere Verurteilungen einbezogen wurden. Dabei wurden Verurteilungen wegen Straftaten einbezogen, die nicht unter § 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG fallen, da sie entweder nicht gegen eines der genannten Rechtsgüter gerichtet waren (beispielsweise der Besitz von Drogen oder Beleidigungen) oder nicht mittels Gewalt, Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder List begangen wurden, wie die überwiegende Zahl der Eigentumsdelikte (vgl. VG Augsburg, Beschluss vom 26.03.2020 - Au 4 S 20.30367 - juris; VG Freiburg, Beschluss vom 08.08.2019 - A 14 K 2915/19 - juris).
(2)
40 
Der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AsylG liegt ebenfalls nicht vor. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AsylG ist ein Ausländer von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Mit dieser Bestimmung wurde der Ausschlussgrund des Art. 17 Abs. 1 d Richtlinie 2011/95/EU umgesetzt. Auch hier fehlt eine Definition der Begriffe „Gefahr für die Allgemeinheit“ bzw. „Gefahr für die Sicherheit“. Zu den in Art. 24 Abs. 1 und 3 verwendeten Begriffen „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ hat der europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 24.06.2015 – C-373/13 – juris Rn. 77 ff) entschieden, dass sie wie die gleichlautenden Begriffe in Art. 27 und 28 Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) auszulegen seien. Es erscheint jedoch fraglich, ob dasselbe für den Begriff der „Gefahr für die Allgemeinheit“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 d Richtlinie 2011/95/EU gilt (so wohl: EASO, Judical analysis: Exclusion: Articles 12 ans 17 Qualification Directive, 2. Aufl. 2020, S. 123). Es ist davon auszugehen, dass der Normgeber innerhalb derselben Richtlinie durch die Wahl unterschiedlicher Begrifflichkeiten unterschiedliche Anforderungen stellen wollte (so auch: VG Freiburg, Urteil vom 21.10.2020 - 7 K 2047/20 - juris Rn. 49).
41 
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass Art. 17 Abs. 2d Richtlinie 2011/95/EU anders als Art. 14 Abs. 4b Richtlinie 2011/95/EU, der die Voraussetzungen für eine Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft regelt, nicht voraussetzt, dass der Betreffende eine Gefahr für die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Art. 17 Abs. 1 die Richtlinie 2011/95/EU führt allein der Hinweis darauf, dass der Unionsgesetzgeber einen einheitlichen Status für alle Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird, einführen wollte, und dass er sich bei den Gründen für den Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus an den auf Flüchtlinge anzuwendenden Regelungen orientiert hat (so: EuGH, Urteil vom 13.09.2018, a.a.O., Rn. 42, unter Hinweis auf Erwägungsgründe 8, 9 und 39 der Richtlinie 2011/95/EU) nicht dazu, dass auch für den Ausschluss des subsidiären Schutzstatus eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer schweren Straftat vorausgesetzt wird (so im Ergebnis auch: Bergmann, a.a.O., R. 38).
42 
Ob dennoch zu fordern ist, dass jedenfalls künftig zumindest die Begehung „schwerer Straftaten“ im oben dargelegten Sinne droht (so: Österreichischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2011 - U1907/10; www.ris.bka.gv.at/Judikatur/; a.A. VG Freiburg, Urteil vom 21.10.2020, a.a.O.), erscheint fraglich, kann hier aber letztlich offen bleiben. Allerdings wird angesichts der Tatsache, dass auch insoweit eine Ausnahme von Art. 18 Richtlinie 2011/95/EU vorliegt, auch Art. 17 Abs. 1 d Richtlinie 2011/95/EU restriktiv auszulegen zu sein (vgl. EuGH Urteil vom 13.09.2018, a.a.O., Rn. 52). Die drohende Begehung lediglich geringfügiger Straftaten genügt daher nicht. Der Ausschlussgrund wird bei schwerer Spionage, gefährlicher Sabotage oder politischem Terrorismus und anderen Kapitaldelikten bzw. auch anderen Straftaten von besonderem Gewicht gegeben sein (Bergmann, a.a.O., § 4 AsylG Rn. 18). Von einer Gefahr für die Allgemeinheit ist bei einer Rechtsgutgefährdung auszugehen, die nicht nur eine Einzelperson betrifft und für das gesellschaftliche Zusammenleben in Sicherheit und Freiheit eine Gefährdung darstellt (Kluth in BeckOK, Ausländerrecht 27. Edition, Stand 01.10.2020, AsylG § 4 Rn. 38). Der Schutz der Allgemeinheit betrifft insbesondere die Verhinderung von erheblichen Straftaten (Hailbronner, AuslR, 86. Aktualisierung Juni 2014, § 4 AsylG Rn. 76).
43 
Ferner muss - anders als bei § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG (Art. 17 Abs. 1 b Richtlinie 2011/95/EU), der einen Fall der Unwürdigkeit regelt - jedenfalls noch eine gegenwärtige konkrete Gefahr vorliegen (Bergmann, a.a.O., Kluth, a.a.O. Rn. 39; Halibronner, a.a.O., Rn. 77). Da „schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen“ müssen, dass der Betroffene eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, muss die in diesem Zusammenhang erforderliche Prognose einer künftigen Entwicklung zur konkreten Wahrscheinlichkeit eines (weiteren) Schadenseintritts führen (Kluth, a.a.O., Rn. 40). Dabei hat - wie auch sonst bei der Beurteilung einer Wiederholungsgefahr - das Gericht eine eigenständige Prognose zu treffen (BVerwG, Urteile vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris, Rn. 23 und vom 15.01.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.03.2020 - 11 S 2293/18 - juris Rn. 12 ff).
44 
Gemessen daran liegt im vorliegenden Fall zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr vor. Ausreichend für eine solche Gefahr wäre die konkrete gegenwärtige Gefahr, dass der Kläger künftig wieder Körperverletzungen in der Art wie die zuletzt abgeurteilte begeht. Eine solche Gefahr besteht jedoch nach Auffassung des Gerichts derzeit nicht mehr.
45 
Dabei wird nicht verkannt, dass eine Wiederholungsgefahr zur Zeit der letzten strafrechtlichen Verurteilung des Klägers bestand. Dieser hatte seit 2016 eine Vielzahl von Straftaten begangen, dabei etliche, die ein erhebliches Aggressionspotenzial zeigen, wie Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzliche und versuchte Körperverletzung und zuletzt die am x 2018 abgeurteilte gefährliche Körperverletzung. Er ließ sich Verurteilungen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, nicht zur Warnung dienen, sondern wurde bewährungsbrüchig. Nachdem er gemeinsam mit anderen nach einem Wortwechsel ohne rechtfertigenden Grund zwei Passanten angegriffen hatte, widersetzte er sich seiner Festnahme mit Beleidigungen und dem Versperren von Armen und Beinen und griff wegen eines Streits um ein geöffnetes Fenster in der Untersuchungshaft einen Mitgefangenen mit Faustschlägen gegen die Brust an.
46 
Zuvor hatte der Kläger bis zu seiner Inhaftierung Unterstützungsangebote abgelehnt. So fiel er in einer Einrichtung, in der er als minderjähriger Flüchtling aufgenommen wurde, schnell durch aggressives und provozierendes Verhalten auf, hielt sich nicht an Regeln, es kam auch zu Belästigungen von Betreuerinnen. Er weigerte sich, die deutsche Sprache zu erlernen. Zuletzt erhielt er im August 2016 ein Hausverbot und wurde in Obhut des Jugendhilfewerks in x genommen. Die Aufnahme in zwei Pflegefamilien scheiterte. Zuletzt war er im Jugendhilfewerk x untergebracht, bemühte sich anfangs um Kooperation, stellte zuletzt jedoch den Schulbesuch endgültig ein und war vermehrt an den Wochenenden abgängig (Amtsgericht x, Urteile vom 27.02.2018 - 15 Ls 171 Js 40966/17.jug - UA S. 4 f und vom 03.04.2018 - 15 Ls 111 Js 859/18.jug - UA S. 5 f; vgl. auch: Anamnese im Sozialdienst der JVA x vom 16./17.04.2018, Gefangenenpersonalakten). In dem Bericht des Sozialdienstes wird auch darauf verwiesen, dass eine Gewaltproblematik bestehe; es werde schnell aggressives und provozierendes Verhalten deutlich. Der Kläger habe eine hohe Erwartungs- und Verweigerungshaltung.
47 
Nach seiner Festnahme Ende Januar 2018 befand sich der Kläger erstmals in Haft. In einem Vermerk einer Sozialarbeiterin bei der Justizvollzugsanstalt x vom 22.02.2018 (AS 31 Gefangenenpersonalakten) wird noch ausgeführt, dem (am 03.04.2018 abgeurteilten) Angriff auf den Mitgefangenen sei ein insgesamt schwieriger Verlauf auf der Krankenabteilung vorausgegangen. Der Kläger habe nicht zuverlässig mitgearbeitet und „sorgte immer mal wieder für Aufruhr“. Auch neige er dazu, sich selbst in die Opferrolle zu begeben.
48 
Diese negativen Verhaltensweisen haben sich jedoch in der Folgezeit maßgeblich geändert. Nachdem der Kläger am 10.04.2018 in die Justizvollzugsanstalt x verlegt worden war, führte er sich in der Folgezeit ordentlich. Insbesondere kam es zu keinem aggressiven Auftreten des Klägers. In einem Bericht einer Sozialarbeiterin der Justizvollzugsanstalt x vom 29.10.2018 (Vollstreckungsakte des Amtsgerichts x, 15 VRJS 25/18.jug, S. 107; Vollstreckungsheft Amtsgericht x 1 VRJS 176/18, S. 35) wird ausgeführt, der Kläger sei gut in die Insassengemeinschaft integriert. Er verhalte sich in der Regel eher unauffällig und zurückhaltend. An den Gruppenangeboten nehme er gerne und regelmäßig teil. In den Gruppen verhalte er sich stets freundlich und respektvoll. Seine Meinung behalte er meist für sich. Wenn er direkt angesprochen werde, bringe er sich aber motiviert und gerne in die Aktivitäten ein. Er habe zunächst in der Schreinerei und anschließend für vier Wochen im Elektrobetrieb gearbeitet. Seit 02.08.2018 besuche er einen Migrationskurs, um seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Die Versuche, den Kläger in Programmen unterzubringen (Drogenberatung, Anti-Aggressions-Training) seien bisher an mangelnden Deutschkenntnissen gescheitert. Aufgrund der weitgehend unauffälligen Führung spreche sich die Hauskonferenz für eine Entlassung gemäß § 88 JGG aus, sobald die Bestätigung der Unterkunft vorliege.
49 
Dementsprechend lassen sich der Gefangenenpersonalakten keine besonderen Vorkommnisse mit Gewicht entnehmen. So kam es lediglich zu drei Vorkommnissen bei der Arbeit (ungenehmigte Zigarettenpause; Arbeitsverweigerung; „Stuhldrehen“ gespielt, trotz Aufforderung, die Arbeit zu beginnen), einem Vorkommnis, bei dem er von einem anderen Gefangenen geschlagen wurde, dies jedoch in Abrede stellte, und einem Vorkommnis, bei dem er die Dusche mit Butter verschmutzte. Dies lässt zwar Unreife, nicht jedoch Aggressivität erkennen.
50 
Ein gewichtiges Indiz für eine günstige Prognose ist die Tatsache, dass die Reststrafe des Klägers mit Beschluss vom 05.12.2018 zur Bewährung ausgesetzt wurde (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.03.2020 - 11 S 2293/18 - juris Rn. 24). Hinzu kommt, dass der Kläger seit seiner Strafentlassung im Dezember 2018 nicht mehr gewalttätig agiert hat. Eine erneute Anklageschrift vom 13.11.2020 wegen fahrlässiger Körperverletzung, die sich im Bewährungsheft findet, erfolgte, weil der Kläger auf einer Kartbahn durch überhöhte Geschwindigkeit einen Unfall verursachte. Dies erscheint als Ausdruck eines gewissen Entwicklungsrückstands des Klägers, jedoch nicht als der eines erhöhten Aggressionspotenzials.
51 
Ausweislich der Berichte seiner Bewährungshelferin zeigt sich der Kläger nach seiner Haftentlassung nunmehr bereit, Unterstützungsangebote anzunehmen. Er hält ständigen Kontakt mit seiner Bewährungshelferin; in der Wohngruppe, in der er seit seiner Haftentlassung untergebracht ist, hält er sich an die bestehenden Regeln und die Kooperation mit ihm verläuft positiv (vgl. Berichte vom 23.04.2020, S. 101 Bewährungsheft, und vom 03.09.2020, S. 135 Bewährungsheft). Dies wird auch von einem Sozialarbeiter der Institution, in der der Kläger untergebracht ist, bestätigt (Schreiben vom 07.12.2020, vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung überreicht). Es wird betont, dass der Kläger motiviert und bemüht ist. Allerdings fehlen ihm nach diesem Schreiben noch für die Berufstätigkeit bzw. die Absolvierung einer Ausbildung notwendige Entwicklungsschritte, wie die Fähigkeit, zuverlässig am Morgen aufzustehen sowie Lese- und Schreibkenntnisse. Insgesamt wird dem Kläger jedoch bescheinigt, einen großen Schritt getan zu haben. Zwar ist der Kläger nach den Ausführungen des Sozialarbeiters rasch überfordert. Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass dies dazu führt, dass der Kläger erneut gewalttätig geworden ist. Auch Misserfolgserlebnisse, die der Kläger seit seiner Haftentlassung hinnehmen musste, wie die Tatsache, die Schule ohne Schulabschluss verlassen zu müssen, haben nicht erneut zu aggressiven Durchbrüchen geführt. Vielmehr nimmt der Kläger nunmehr an einer Maßnahme der Arbeitsagentur zur Überleitung auf den Arbeitsmarkt teil (vgl. AS 143 Bewährungsheft; Schreiben des Sozialarbeiters vom 07.12.2020). Für eine gewachsene Einsicht des Klägers spricht, dass dieser im November 2020 selbst beantragt hat, die Bewährungszeit zu verlängern. Das veranschaulicht, dass der Kläger daran interessiert ist, weiterhin die Unterstützung seiner Bewährungshelferin zu haben.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eingeräumt, seine Straftaten seien „ein Fehler“ gewesen. Auch wenn er wiederum „mildernde Umstände“ geltend macht, so wird deutlich, dass er sich damit gegen eine Verurteilung nicht nur seiner Tat, sondern seiner Person als solcher wehrt („Ich bin kein schlechter Mensch“). Er hat nunmehr ein Ziel, da er Friseur werden möchte. Das Gericht gewann den Eindruck eines im Wesentlichen noch unreifen und wenig intellektuellen Menschen, der jedoch mittlerweile eingesehen hat, dass Gewalt keine Lösung ist.
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Eine Gesamtbetrachtung dieser Entwicklung ergibt, dass eine langfristig geglückte Integration des Klägers derzeit alles andere als gewiss ist, dass jedoch eine gegenwärtige konkrete Gefahr für die Allgemeinheit, wie sie für den Ausschlussgrund des § 4 Abs. 2 Nr. 4 AsylG erforderlich ist, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht festgestellt werden kann.
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Soweit sich der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung auf den Beschluss vom 11.11.2020 im Verfahren 7 K 468/19 berufen hat, mit dem die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren gegen die Ausweisungsverfügung abgelehnt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass dort ein anderer Maßstab für die Wiederholungsgefahr gilt. Die Ausweisung des Klägers durch das Regierungspräsidium x, die Gegenstand des Verfahrens 7 K 468/19 ist, erfolgte gerade unter dem Vorbehalt, dass das vorliegende Verfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als subsidiärer Schutzberechtigte abgeschlossen wird. Insoweit hatte die 7. Kammer im dortigen Verfahren die Bestimmung des § 53 Abs. 3 b AufenthG, für die dieselben Maßstäbe gelten dürften wie für § 4 Abs. 2 Nr. 4 AsylG, nicht zu prüfen.
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Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Entscheidung sich auf die derzeitige Sachlage bezieht. Sollte der Kläger erneut ein oder gar mehrere Gewaltdelikte begehen, wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erneut einen Widerruf zu prüfen haben. Es liegt nahe, dass die Frage einer Gefahr für die Allgemeinheit dann anders zu beurteilen sein wird.
II.
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Unter diesen Umständen fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die Entscheidungen in Ziff. 2 und 3 des angefochtenen Bescheids, da es insoweit bei Ziff. 1 des Bescheids vom 28.12.2017 bleibt, mit der dem Kläger - bestandskräftig - subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist. Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass Ziff. 1 des Bescheids vom 28.12.2017 rechtmäßig ist (vgl. Urteil vom heutigen Tage im Verfahren A 5 K 99/18).
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83 Buchst. b AsylG).

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