Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 4 K 3830/19

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Abschiebungsverbots hinsichtlich Algerien.
Am 23.11.2015 nahm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) seinen Asylantrag förmlich auf. Dabei gab dieser zu seiner Person an: Er sei am X.1986 in X (Algerien) geboren und algerischer Staatsangehöriger.
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 17.07.2018 gab der Kläger weiter an: Er sei am X.1986 geboren, arabischer Volkszugehöriger und sunnitischen Glaubens. Er habe vor seiner Ausreise aus Algerien mit seinen Eltern, zwei Schwestern und zwei Brüdern in einem Haus in der Stadt X, Provinz X, gelebt. Im September 2015 sei er von X aus in die Türkei geflogen, von dort mit dem Schlauchboot nach Griechenland übergesetzt und anschließend über die Balkanroute nach Deutschland gereist. Die Reise habe ihn ca. 1.000 EUR gekostet. Das Geld dafür habe er von Freunden bekommen, die mit ihm ausgereist seien. Im Oktober 2015 sei er in Deutschland angekommen. Der Hauptgrund für seinen Asylantrag sei seine gesundheitliche Lage. Er leide an einer vererbten Sichelzellenanämie. Seine beiden Brüder X und X, die noch in Algerien lebten, litten an der gleichen Erbkrankheit. Zwei weitere Brüder seien Ende der 80iger bzw. Anfang der 90er Jahre im Kleinkindalter an ihrer Sichelzellenanämie verstorben. Er sei wegen dieser Erkrankung in Algerien in ärztlicher Behandlung gewesen, aber nicht richtig versorgt worden. Er habe Infusionen erhalten und manchmal eine Spritze gegen seine Schmerzen. Eigentlich habe er regelmäßig eine solche Spritze erhalten sollen, aber das Schmerzmittel sei häufig nicht verfügbar gewesen. Um sich in Algerien angemessen behandeln zu lassen, müsse man in eine Privatklinik gehen, hierfür fehle ihm aber das Geld. Seine Familie könne ihn finanziell nicht unterstützen. Sein Vater sei seit dem Jahr 2003 Rentner; das Geld reiche schon jetzt nicht aus, um die Familie zu versorgen. Sein Bruder X sei wegen seiner Erkrankung arbeitsunfähig; er leide an einer vergrößerten Bauchspeicheldrüse und einer vergrößerten Leber, habe Probleme mit den Knochen und könne nicht richtig laufen. Seinem anderen Bruder X gehe es gesundheitlich etwas besser als X. Seine Schwester X sei arbeitslos. Seine andere Schwester X sei verheiratet und Hausfrau. In seinem Wohnort X lebten noch eine Tante väterlicherseits, ein Onkel mütterlicherseits und sieben Tanten mütterlicherseits. Der Rest seiner Großfamilie lebe in einem Dorf in der Nähe. Die männlichen Mitglieder seiner Familie seien im Wesentlichen Rentner oder Bauern. Er selbst habe je nach gesundheitlicher Lage als Helfer auf dem Markt gearbeitet. Er sei des Öfteren in Algerien ohnmächtig geworden. Sein Bauch sei immer geschwollen gewesen. Er habe eine Woche auf einen Blutspender warten müssen. Trotz Schmerzen, die er gehabt habe, habe man ihm im Krankenhaus nicht helfen können, weil die Medikamentenversorgung in Algerien nicht hinreichend gewährleistet sei. Es sei ein Überlebenskampf gewesen. Bei einer Rückkehr nach Algerien befürchte er zu sterben. Auf Frage, wie seine erkrankten Familienmitglieder in Algerien den Alltag bewältigten, gab der Kläger an: Seine Familie lebe teilweise von Almosen und erhalte von Nachbarn und Menschen, die ihr Schicksal kannten, Unterstützung; diese besorgten ihnen zum Teil die benötigten Medikamente.
Mit Bescheid vom 05.09.2019, am 07.09.2019 als Einschreiben zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt die Anträge des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1), auf Asylanerkennung (Ziff. 2) und auf subsidiären Schutz (Ziff. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4). Weiter forderte es ihn auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Algerien angedroht (Ziff. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 6).
In der Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes lägen offensichtlich nicht vor. Denn der Kläger habe weder eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG noch die Gefahr eines ihm in seinem Heimatland drohenden ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 AsylG behauptet. Er habe weiter auch keinen Anspruch auf ein Abschiebungsverbot. Eine schwerwiegende Erkrankung, die in Algerien nicht behandelbar wäre, habe er nicht substantiiert vorgetragen. Es fehle schon an einem aktuellen fachärztlichen Attest; ein solches habe er trotz Aufforderung durch das Bundesamt nicht eingereicht. Im Übrigen habe der Kläger selbst angegeben, dass seine in Algerien lebenden Brüder an der gleichen Erbkrankheit litten, so dass für eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nichts ersichtlich sei.
Der Kläger hat am 17.09.2019 Klage erhoben und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung hat er im gerichtlichen Eilverfahren vorgetragen: Es liege zumindest ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot vor. Er leide an einer Sichelzelleanämie, infolge derer er immer wieder hämolytische Krisen habe und stationär behandelt werden müsse. Seine Krankheit, die mit extremen Schmerzen am ganzen Körper, insbesondere in den Knien und den Schultergelenken, verbunden sei, bedürfe regelmäßiger Medikation und engmaschiger ärztlicher Kontrollen. Dies ergebe sich hinreichend aus den der Beklagten bereits vorliegenden Entlassberichten der Xklinik, des X Klinikums, des Klinikums X und des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) X. Diese zeigten, dass er an schwer zu behandelnden Ganzkörperschmerzen leide, bereits mehrere Milzinfarkte erlitten habe, einer systematischen Dauermedikation sowie einer Schmerzmedikation bedürfe und mindestens monatlicher Laborkontrollen sowie vierteljährlicher klinischer Verlaufskontrollen. Mittlerweile sei bei ihm auch eine vergrößerte Bauchspeicheldrüse, eine vergrößerte Leber und ein auffälliger Nierenbefund festgestellt worden. Er benötige lebenslange Therapie. Auch bei laufender Dauermedikation bestehe jederzeit die Gefahr, dass eine hämolytische Krise zu einer intensivstationären Notfallbehandlung führe. Die erforderliche medikamentöse und ärztliche Behandlung sowie regelmäßige Laboruntersuchungen seien in Algerien nicht verfügbar bzw. jedenfalls für ihn aus finanziellen Gründen nicht erreichbar. Nach Jahren der Abwesenheit werde er auf dem algerischen Arbeitsmarkt nicht mehr Fuß fassen können. Er habe auch niemanden, der ihn unterstützen könne. Seine Mutter sei alt, seine Geschwister selbst krank und außerstande, auch noch ihn zu unterhalten. Zudem bestehe bei ihm aufgrund der fehlenden Funktionsfähigkeit seiner Milz ein erhöhtes Infektionsrisiko. Wegen der schlechten hygienischen Verhältnisse und der prekären Wohnsituation in Algerien mit fehlender Wasser- und Abwasserversorgung laufe er deshalb Gefahr, sich dort eine tödlich verlaufende parasitäre Erkrankung oder eine Durchfallerkrankung zuzuziehen.
Dem Gericht liegen im Wesentlichen die folgenden ärztlichen Atteste vor:
Der Bericht des Zentrums für integrative Onkologie der Xklinik vom 21.10.2015, aus dem hervorgeht, dass sich der Kläger dort vom 13.10.2015 bis 21.10.2015 in stationärer Behandlung befand und an einer Sichelzellenkrankheit mit hämolytischer Anämie leide. Er sei in reduziertem Allgemeinzustand mit Fieber und Kopfschmerz aufgenommen worden. Eigenen Angaben zufolge sei er zuvor kollabiert und kurzzeitig bewusstlos gewesen. Am 21.10.2015 habe er in stabilem Zustand entlassen werden können. Gegen die Schmerzen wurden ihm bei der Entlassung Metamizol-Tropfen zur Einnahme bei Bedarf verordnet. Zudem wurde eine onkologische Verlaufskontrolle alle drei Monate empfohlen. Eine regelmäßige Anbindung sei sinnvoll, um im Verlauf gegebenenfalls eine allogene Knochenmarktransplantation zu erwägen.
Im vorläufigen Arztbericht des X Klinikums vom 04.04.2016 heißt es, der Kläger sei dort vom 01.04.2016 bis 07.04.2016 wegen einer hämolytischen Krise bei bekannter Sichelzellenanämie stationär behandelt worden. Zur Anamnese wurde festgehalten: „Seit etwa vier Stunden plötzlicher thorakaler Schmerz mit Ausstrahlung in den Rücken und die linke Gesichtshälfte. Diese Symptome habe er schon einmal im Winter letzten Jahres gehabt.“ Medikation bei Entlassung: Novalgin 500 mg bei Bedarf.
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Nach weiteren Arztberichten des X Klinikums vom 02.09. und 13.10.2016 erlitt der Kläger zwischen August und Oktober 2016 erneut hämolytische Krisen mit diffusen Schmerzen vor allem in den Knien und den Schultergelenken, die jeweils stationär behandelt wurden und eine Erhöhung der Schmerzmittelmedikation zur Folge hatten.
11 
Aus einem Bericht der Klinik für Onkologie und Hämatologie des Klinikums X vom 05.05.2017 geht hervor, dass sich der Kläger dort nach einer Notfalleinweisung wegen einer „ischämische(n) Krise am 27.04.2017 mit ausgeprägten abdominellen Schmerzen“ bis zum 04.05.2017 in stationärer Behandlung befand. Er sei noch im Rettungswagen mit Morphin behandelt worden, da er über „stärkste abdominelle Schmerzen“ geklagt habe. Er gab an, einen Freund in X besucht zu haben.
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Ausweislich eines Arztberichts des X Klinikums vom 12.09.2017 wurde der Kläger am 11.09.2017 wegen starker Schmerzen wiederum mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus eingeliefert und dort bis zum 19.09.2017 stationär behandelt. Diagnostiziert wurden eine erneute hämolytische Krise und multiple Milzinfarkte.
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In einem ärztlichen Attest des MVZ X vom 17.11.2017 heißt es: Der Kläger befinde sich dort „aufgrund seiner chronischen Erkrankung“ in Behandlung. Er stelle sich regelmäßig (mindestens monatlich) zur Laborkontrolle vor. Er benötige eine spezifische orale Dauermedikation und eine Schmerzmedikation. Vorgesehen seien vierteljährliche klinische Untersuchungen, bei Beschwerden gegebenenfalls auch mehr. Radiologische und kardiologische Untersuchungen sollten mindestens jährlich erfolgen.
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Aus dem jüngsten vorliegenden Attest des X Klinikums vom 10.09.2019 geht hervor, dass der Kläger dort infolge einer Einweisung durch den hausärztlichen Notdienst wegen einer „hämolytische(n) Krise mit Lebersequestrationssyndrom bei bekannter Sichelzellanämie“ vom 30.08.2019 bis 10.09.2019 intensivmedizinisch behandelt wurde. Zu Anamnese und Aufnahmebefund heißt es: Der Kläger habe bei seiner Einweisung über „seit drei Tagen zunehmend stärkste Schmerzen“ im ganzen Körper, vor allem rechts thorakal, im Becken sowie im Abdomen, geklagt. In Dauermedikation befinde sich zweimal täglich Hydroxyurea (500 mg). Bei Bedarf nehme er auch Diclofenac und einen Protonenpumpeninhibitor (PPI) ein. Er sei mit „stark reduziertem Allgemeinzustand“ aufgenommen worden. Zu Therapie und Verlauf wurde im Wesentlichen ausgeführt: „Unter versierter intravenöser Volumensubstitution sowie analgetischer Therapie habe sich die Symptomatik im Verlauf langsam rückläufig gezeigt. Das Blutbild habe stabilisiert werden können, jedoch unter persistierender LDH-Erhöhung. Eine Fremdbluttransfusion sei nicht notwendig gewesen. In der Zusammenschau gehe man von einem Lebersequestrationssyndrom im Rahmen der Sichelzellenanämie aus. An dem für die Entlassung vorgesehenen Tag habe der Kläger erneut über starke Oberbauchschmerzen und rezidivierendes Erbrechen geklagt. Laborchemisch habe sich insoweit kein erklärender Befund ergeben. Auch eine notfallmäßige Gastroskopie habe keinen erklärenden Befund geliefert. Im weiteren Verlauf seien die Beschwerden komplett rückläufig gewesen. Am 11.09.2019 habe der Kläger in deutlich gebessertem Allgemeinzustand entlassen werden können. Neben der Dauermedikation mit Hydroxyurea wurde dem Kläger insbesondere eine regelmäßige hämatologische Vorstellung (alle drei Monate) empfohlen.
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Mit Verfügung vom 17.12.2020 hat das Gericht den Kläger um Vorlage eines aktuellen fachärztlichen Attests gebeten und die Beklagte um Einholung einer aktuellen medizinischen Auskunft bei EASO MedCOI zur Behandelbarkeit einer Sichelzellenanämie und insbesondere die Verfügbarkeit des Medikaments Hydroxyurea in Algerien.
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Unter dem 15.02.2021 hat das Bundesamt dem Gericht eine MedCOI-Auskunft vom 18.01.2021 (AVA 14402) vorgelegt. Aus dieser geht hervor, dass eine hämatologische, onkologische und internistische Verlaufskontrolle einer Sichelzellenanämie, eine intensivmedizinische Notfallbetreuung im Falle einer hämolytischen Krise sowie regelmäßige Laboruntersuchungen und Bluttransfusionen in Algerien grundsätzlich verfügbar seien. Außerdem sei mittlerweile das Medikament Hydroxyurea registriert und z.B. in der „Hospital Pharmacy Polyclinique 08 Mai 1945“ in Algiers erhältlich (anders noch die MedCOI-Auskunft vom 17.08.2018: Damals keine Verfügbarkeit von Hydroxyurea).
17 
In der mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte des (persönlich nicht erschienenen) Klägers die Klage – mit Stellung der Klageanträge – zurückgenommen, soweit sie auf Flüchtlingsschutz und subsidiären Schutz gerichtet war.
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Der Kläger beantragt (zuletzt noch),
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die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt, und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 05.09.2019 aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.
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Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
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die Klage abzuweisen.
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Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid und verweist auf dessen Begründung.
23 
Bereits mit Schriftsatz vom 23.09.2019 hat das Bundesamt die Abschiebungsandrohung im angefochtenen Bescheid wie folgt geändert: „Der Antragsteller wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu verlassen.“
24 
Mit Beschluss vom 14.10.2019 (A 4 K 3831/19) hat das Gericht den Antrag des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.
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Dem Gericht liegt ein pdf-Auszug der beim Bundesamt für den Kläger elektronisch geführten Verwaltungsakte (Az. 6315890-221, 285 Seiten) vor. Auf diese Akte und die Gerichtsakten (A 4 K 3830/19 und A 4 K 3831/19) wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Über die Klage entscheidet die Berichterstatterin als Einzelrichterin, da die Kammer ihr den Rechtsstreit mit Beschluss vom 14.10.2019 übertragen hat (vgl. § 76 Abs. 1 AsylG). Diese konnte auch verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, da sie in der ordnungsgemäßen Terminsladung darauf hingewiesen worden ist (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
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II. Da der Kläger seine Klage – mit Stellung der Klageanträge – zurückgenommen hat, soweit diese auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet war, wird das Verfahren insoweit eingestellt (vgl. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Einer Einwilligung der Beklagten zur nachträglichen Klagerücknahme bedurfte es nicht (Umkehrschluss aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
28 
III. Soweit der Kläger seine Klage aufrechterhalten hat, ist diese als kombinierte Verpflichtungs- und Anfechtungsklage statthaft (vgl. § 42 Abs. 1 Alt. 1 und 2 VwGO) und auch sonst zulässig. Insbesondere wurde sie am 17.09.2019 fristgerecht erhoben. Denn der am 07.09.2019 zur Post gegebene Bescheid galt gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG am 10.09.2019 (Dienstag) als zugestellt, so dass die einwöchige Klagefrist (vgl. § 74 Abs. 1 Halbs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) noch bis zum 17.09.2019 lief.
29 
Die Klage ist aber nicht begründet. Denn der Bundesamtsbescheid vom 05.09.2019 ist – soweit er angegriffen wurde – rechtmäßig und verletzt den Kläger somit nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insbesondere hat dieser im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Algerien. Im Einzelnen:
30 
1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK folgt hier insbesondere nicht aus den allgemeinen Lebensbedingungen in Algerien.
31 
1.1. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat können zwar grundsätzlich eine „Behandlung“ im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen und in Verbindung mit § 60 Abs. 5 AufenthG ein Abschiebungsverbot begründen. Dies allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn individuelle Umstände hinzutreten und eine tatsächliche Gefahr („real risk“) besteht, dass der Betroffene im Zielstaat unmenschlichen oder erniedrigenden Lebensbedingungen ausgesetzt wäre. Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ (minimum level of severity) erreichen. Die Bestimmung dieses Mindestmaßes an Schwere ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Dauer der infrage stehenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, den daraus erwachsenden körperlichen und mentalen Folgen und unter Umständen auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen. Es kann erreicht sein, wenn die betroffene Person ihren existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer (notwendigen) medizinischen Basisbehandlung erhält. Einer weitergehenden Abstraktion ist das Erfordernis, dass ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreicht sein muss, nicht zugänglich; vielmehr bedarf es stets einer tatrichterlichen Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Hinsichtlich der im Zielstaat drohenden Gefahren gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Der vom Bundesverwaltungsgericht zu § 60 Abs. 7 AufenthG entwickelte strengere Maßstab der „Extremgefahr“ ist nicht auf § 60 Abs. 5 AufenthG übertragbar (st. Rspr., vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 08.08.2018 - 1 B 25.18 -, juris Ls. 1 und Rn. 9 ff., m.w.N. auch zur einschlägigen EGMR-Rspr. und EuGH-Rspr.).
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1.2. Die tatsächlichen Verhältnisse in Algerien stellen sich nach Durchsicht der einschlägigen Erkenntnismittel derzeit wie folgt dar:
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Die politische, wirtschaftliche und soziale Lage in Algerien ist angespannt. Seit Februar 2019 kommt es zu Massenprotesten gegen das politische System; seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 haben sich die Proteste von der Straße weitgehend ins Internet verlagert. Die grundlegenden wirtschaftlichen Probleme des Landes werden durch die Folgen der Pandemie noch verstärkt. Insbesondere die jüngere Bevölkerung litt bereits vor Ausbruch der Pandemie unter einer hohen Jugendarbeitslosigkeit (etwa 30% bis 50% der 15- bis 24-Jährigen sind arbeitslos), fehlenden Berufschancen und allgemeiner Perspektivlosigkeit. Anhaltspunkte dafür, dass die Existenzsicherung infolge der Pandemie grundsätzlich infrage gestellt wäre, liegen aber nicht vor. Die Grundversorgung mit Lebensmitteln und Wohnraum und eine grundsätzlich kostenfreie medizinische Versorgung sind weiterhin gewährleistet (vgl. zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Algerien v. 11.07.2020, Stand: Juni 2020, S. 6 ff.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt Algerien, Stand: 26.06.2020, S. 27 ff.; BFA, Kurzinformation der Staatendokumentation, Afrika, COVID- 19 – aktuelle Lage, 09.07.2020, S. 14 f.).
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Die Versorgung mit Standard-Medikamenten ist in den algerischen Städten grundsätzlich gewährleistet. Der Import von bestimmten Medikamenten ist zwar verboten, um die lokale Produktion zu stärken; die meisten Medikamente stehen jedoch als lokal produzierte Generika zur Verfügung. Die gesetzliche Sozial- und Krankenversicherung ermöglicht in staatlichen Krankenhäusern eine grundsätzlich kostenlose und in privaten Einrichtungen eine kostenrückerstattungsfähige ärztliche Behandlung; immer häufiger ist jedoch auch ein Eigenanteil zu übernehmen. Die höheren Kosten bei einer Behandlung in einer Privatklinik werden von der Sozialversicherung nicht oder nur teilweise übernommen. Algerier, die nach jahrelanger Abwesenheit aus dem Ausland zurückkehren, sind nicht mehr gesetzlich sozial- und krankenversichert und müssen daher sämtliche Behandlungskosten selbst übernehmen, sofern sie nicht als Kinder oder Ehegatten von Versicherten oder durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit erneut bei der Sozialversicherung eingeschrieben werden. Die Erstversorgung in einem staatlichen Krankenhaus ist allerdings auch für nichtversicherte Algerier kostenfrei. Außerdem haben bedürftige Algerier, die nicht über eine Krankenversicherung verfügen und ihre Mittelosigkeit glaubhaft machen, die Möglichkeit, bei der zuständigen Sozialstelle ihrer Heimatgemeinde – Wohnort der Familie bzw. beim Fehlen naher Verwandte, der Geburtsort – ein sog. „carnet de démunis“ zu beantragen. Eine solche Bescheinigung der eigenen Mittellosigkeit berechtigt den Betroffenen zum kostenlosen Bezug von Medikamenten, zu Arztbesuchen sowie Laboruntersuchungen für einen symbolischen Dinar und zum Erhalt einer Minimalrente (vgl. zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Hannover v. 25.02.2015; Auswärtiges Amt, Lagebericht Algerien v. 11.07.2020, Stand: Juni 2020, S. 22; BFA, Länderinformationsblatt Algerien, Stand: 26.06.2020, S. 29 ff.).
35 
1.3. Dies zugrunde gelegt, kommt die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen der allgemeinen Lebensverhältnisse in Algerien weiterhin nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht, in denen zusätzliche gefahrerhöhende Umstände hinzutreten. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
36 
Das Gericht hat zwar keine Zweifel daran, dass der Kläger an einer bösartigen Bluterkrankung (Sichelzellenanämie) leidet und deshalb einer regelmäßigen ärztlichen und medikamentösen Behandlung bedarf. Nach den vorgelegten ärztlichen Unterlagen kam es bei ihm – jedenfalls bis zur Klageerhebung im September 2019 – in größeren Abständen von jeweils mehreren Monaten zu hämolytischen Krisen, welche jeweils eine stationäre Aufnahme für die Dauer von bis zu etwa zehn Tagen erforderten, in denen sein Zustand wieder stabilisiert werden konnte und seine Beschwerden vollständig zurückgingen. Ausweislich des jüngsten vorliegenden Attests des X Klinikums vom 10.09.2019 war eine Fremdbluttransfusion bis zuletzt nicht notwendig. Vielmehr erhielt der Kläger bislang Hydroxyurea (500mg) als Dauermedikation sowie ein Schmerzmittel (Diclofenac) und ein Medikament zur Hemmung überschüssiger Magensäure (PPI) bei Bedarf. Ihm wurde außerdem nahegelegt, sich wegen seiner Bluterkrankung alle drei Monate hämatologisch vorzustellen. Ob er dieser Empfehlung nachgekommen ist bzw. nachkommt und wie sich die Erkrankung und gegebenenfalls die Behandlung in der Zwischenzeit entwickelt hat, ist nicht bekannt. Denn auf die Aufforderung des Gerichts vom Dezember 2020, ein aktuelles (fach-)ärztliches Attest einzureichen, hat der Kläger bis heute nicht reagiert. In der mündlichen Verhandlung vom 29.07.2021 ist er nicht erschienen. Seine allein anwesende Prozessbevollmächtigte gab auf Frage an, seit geraumer Zeit keinen Kontakt mehr zu ihm zu haben. Neuere Atteste konnte sie nicht vorlegen und auch zum derzeitigen Gesundheitszustand sowie der aktuellen Lebenssituation des Klägers keine substantiierten Angaben machen.
37 
Trotz dieser nicht unerheblichen Erkrankung hat der Kläger keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Denn bei einer Gesamtwürdigung aller dem Gericht bekannten Umstände ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich sein Gesundheitszustand durch eine Abschiebung nach Algerien erheblich verschlechtern würde. Nach der aktuellen MedCOI-Auskunft vom 18.01.2021 steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die zur Behandlung seiner Bluterkrankung notwendigen Therapiemaßnahmen (Dauermedikation mit Hydroxyurea 500mg und Schmerzmittel bei Bedarf, regelmäßige ärztliche Verlaufskontrollen und Laboruntersuchungen, stationäre Notfallaufnahme im Falle einer hämolytischen Krise, gegebenenfalls Fremdbluttransfusionen) in Algerien grundsätzlich verfügbar sind. Weiter ist auch nicht substantiiert dargetan, dass sich der Kläger die benötigte medizinische Behandlung nicht wird leisten können. Hiergegen spricht schon, dass seine in Algerien lebenden Brüder seinen Angaben zufolge ebenfalls an einer Sichelzellenanämie leiden und die Finanzierung der benötigten Medikamente – jedenfalls mit der Unterstützung durch Angehörige und Nachbarn – sicherstellen können. Zudem befindet sich der mittlerweile 35-jährige Kläger im arbeitsfähigen Alter und war nach eigenen Angaben bis zu seiner Ausreise im September 2015 in der Lage, sein Existenzminimum (durch eigene Erwerbstätigkeit und die Unterstützung seiner Familie) zu sichern, obwohl er damals bereits an der geltend gemachten Sichelzellenanämie litt. Voraussichtlich wird er im Falle einer Rückkehr auch wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen können. Denn aus den vorgelegten Attesten geht nicht hervor, dass er infolge seiner Blutkrankheit bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme nur eingeschränkt erwerbsfähig oder gar arbeitsunfähig wäre. Von der Möglichkeit, Art und Häufigkeit seiner Schmerzsymptome und gegebenenfalls hierdurch bedingte Einschränkungen im Alltag in der mündlichen Verhandlung zu schildern, hat er keinen Gebrauch gemacht. Im Übrigen ist aber auch davon auszugehen, dass der Kläger, falls er – entgegen der Annahme des Gerichts – doch nur eingeschränkt erwerbsfähig wäre oder auf dem algerischen Arbeitsmarkt wegen seiner mehrjährigen Abwesenheit sowie der angespannten wirtschaftlichen Lage des Landes nicht sogleich Fuß fassen könnte, auf Unterstützung durch Verwandte und Dritte zurückgreifen könnte, wie sie offenbar seinen ebenfalls erkrankten Brüdern zuteilwird.
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2. Der Kläger hat weiterhin auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
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2.1. Sind schon die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG wegen schlechter humanitärer Bedingungen im Zielstaat nicht erfüllt, kann insoweit auch keine „extreme Gefahrenlage“ (dazu BVerwG, Urt. v. 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris Rn. 21 ff. m.w.N.) bestehen, die allein es erlauben würde, die für § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geltende Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu überwinden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 131 ff., ebenso Urt. v. 05.03.2020 - A 10 S 1272/17 -, juris Rn. 72, jeweils m.w.N.).
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2.2. Eine „erheblichen konkreten Gefahr“ im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
41 
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen anzunehmen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Nach Satz 4 der Vorschrift ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist.
42 
Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des betroffenen Ausländers, die dieser nicht mit einer Vielzahl seiner Landsleute teilt, so dass kein Bedürfnis für eine ausländerpolitische Leitentscheidung gemäß § 60a Abs. 1 AufenthG besteht und die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG nicht greift, aufgrund der Verhältnisse im Zielstaat verschlimmert, ist als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist. Hinsichtlich der befürchteten individuellen Gesundheitsgefahr gilt damit der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn bei der gebotenen qualifizierenden Betrachtungsweise des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für den Eintritt der Gesundheitsgefahr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Die Gesundheitsgefahr ist hinreichend „konkret“, wenn die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald, d.h. zeitnah nach der Rückkehr des Betroffenen, einträte. Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung miteinzubeziehen. Eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gesundheitsgefahr kann sich dementsprechend auch daraus ergeben, dass die notwendige medizinische Behandlung oder Medikation im Zielstaat der Abschiebung zwar allgemein zur Verfügung steht, sie dem Betroffenen im Einzelfall jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. zum Ganzen zusammenfassend BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 - 1 C 3.11 -, juris Rn. 34; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 -, juris Ls. und Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 -, juris Ls. sowie VGH-Bad.-Württ., Urt. v. 11.04.2018 - A 11 S 1729/17 -, juris Rn. 368 ff. m.w.N.). Die mögliche Unterstützung durch Angehörige ist ebenfalls in die gerichtliche Prognose miteinzubeziehen, ob eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 -, juris Rn. 10).
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Krankheitsbedingte Gefahren, die sich allein als Folge des Abschiebungsvorgangs bzw. wegen des Verlassens des Bundesgebiets, nicht aber wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ergeben können, begründen hingegen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG und sind deshalb nicht vom Bundesamt im Asylverfahren, sondern als inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse von der zuständigen Ausländerbehörde zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 -, juris Ls. 2; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.11.2002 - A 12 S 907/00 -, juris Rn. 61).
44 
Diese Voraussetzungen für die Annahme einer krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG sind nicht erfüllt. Denn das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers infolge einer Abschiebung nach Algerien lebensbedrohlich oder zumindest wesentlich verschlechtern würde. Auf die obigen Ausführungen unter 1.3. wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Dass der Kläger in seinem Heimatland voraussichtlich nicht eine mit der Versorgung in Deutschland gleichwertige Behandlung seiner Sichelzellenanämie und der dadurch ausgelösten Schmerzsymptomatik erhalten wird, begründet noch kein Abschiebungsverbot nach 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Denn die Vorschrift gewährt keinen Anspruch auf eine bestmögliche medizinische Versorgung, sondern bietet nur Schutz vor schwerwiegenden Beeinträchtigungen an Leib und Leben aufgrund krankheitsbedingter oder sonstiger Gefahren im Zielstaat (vgl. Bayer. VGH, Beschl. v. 13.11.2018 - 10 ZB 18.30896 -, juris Rn. 6: Zur Sichelzellenanämie bei einem nigerianischen Kind). Vom Eintritt solch schwerwiegender, mit § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unvereinbarer Gesundheitsfolgen ist beim Kläger mit Blick auf die grundsätzliche Behandelbarkeit seiner Erkrankung in Algerien (s.o.) und den Umstand, dass seine Brüder dort offenbar seit mehreren Jahren mit einem vergleichbaren Krankheitsverlauf leben können, aber nicht auszugehen.
45 
3. Der angegriffene Bescheid begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
46 
Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 beruht auf § 34 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Das Bundesamt hat dem Kläger folgerichtig zur Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet eine Ausreisefrist von einer Woche gesetzt (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Mit Schriftsatz vom 23.09.2019 hat es den Bescheid dahingehend abgeändert, dass die einwöchige Ausreisefrist erst mit der Bekanntgabe der ablehnenden gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu laufen beginnt und ihn damit nachträglich an die unionsrechtlichen Vorgaben angepasst, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urt. v. 19.06.2018, C-181/16, , juris Rn. 61 ff. und Beschl. v. 05.07.2018, C-269/18 PPU, juris Rn. 49 ff.) bei der Verbindung einer ablehnenden Asylentscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu beachten sind (vgl. zum Ganzen eingehend BVerwG, Urt. v. 20.02.2020 - 1 C 19.19 -, juris, insb. Ls. 5 und Rn. 54 f.).
47 
Die Ausreisefrist ist auch nicht von einer Woche auf 30 Tage zu verlängern, obwohl die Klage nur als einfach unbegründet abgewiesen wird. Denn nach dem negativen Ausgang des Eilverfahrens war der Kläger stets vollziehbar ausreisepflichtig, so dass es zur Abwicklung seiner persönlichen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet keiner längeren Ausreisefrist bedarf. § 37 Abs. 2 AsylG ist in diesem Fall nicht analog anwendbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.03.2001 - 9 C 22.00 -, juris Rn. 21 f.).
48 
Die Befristungsentscheidung in Ziffer 6 des Bescheids, die als konstitutiver Erlass eines behördlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auszulegen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.08.2018 - 1 C 21.17 -, juris Rn. 25), hat der Kläger nicht gesondert angegriffen. Ermessensfehler des Bundesamts hinsichtlich der Länge der gesetzten Frist (vgl. 11 Abs. 3 AufenthG, § 114 Satz 1 VwGO) sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.
49 
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Gründe

26 
I. Über die Klage entscheidet die Berichterstatterin als Einzelrichterin, da die Kammer ihr den Rechtsstreit mit Beschluss vom 14.10.2019 übertragen hat (vgl. § 76 Abs. 1 AsylG). Diese konnte auch verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, da sie in der ordnungsgemäßen Terminsladung darauf hingewiesen worden ist (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
27 
II. Da der Kläger seine Klage – mit Stellung der Klageanträge – zurückgenommen hat, soweit diese auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet war, wird das Verfahren insoweit eingestellt (vgl. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Einer Einwilligung der Beklagten zur nachträglichen Klagerücknahme bedurfte es nicht (Umkehrschluss aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
28 
III. Soweit der Kläger seine Klage aufrechterhalten hat, ist diese als kombinierte Verpflichtungs- und Anfechtungsklage statthaft (vgl. § 42 Abs. 1 Alt. 1 und 2 VwGO) und auch sonst zulässig. Insbesondere wurde sie am 17.09.2019 fristgerecht erhoben. Denn der am 07.09.2019 zur Post gegebene Bescheid galt gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG am 10.09.2019 (Dienstag) als zugestellt, so dass die einwöchige Klagefrist (vgl. § 74 Abs. 1 Halbs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) noch bis zum 17.09.2019 lief.
29 
Die Klage ist aber nicht begründet. Denn der Bundesamtsbescheid vom 05.09.2019 ist – soweit er angegriffen wurde – rechtmäßig und verletzt den Kläger somit nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insbesondere hat dieser im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Algerien. Im Einzelnen:
30 
1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK folgt hier insbesondere nicht aus den allgemeinen Lebensbedingungen in Algerien.
31 
1.1. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat können zwar grundsätzlich eine „Behandlung“ im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen und in Verbindung mit § 60 Abs. 5 AufenthG ein Abschiebungsverbot begründen. Dies allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn individuelle Umstände hinzutreten und eine tatsächliche Gefahr („real risk“) besteht, dass der Betroffene im Zielstaat unmenschlichen oder erniedrigenden Lebensbedingungen ausgesetzt wäre. Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ (minimum level of severity) erreichen. Die Bestimmung dieses Mindestmaßes an Schwere ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Dauer der infrage stehenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, den daraus erwachsenden körperlichen und mentalen Folgen und unter Umständen auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen. Es kann erreicht sein, wenn die betroffene Person ihren existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach findet oder keinen Zugang zu einer (notwendigen) medizinischen Basisbehandlung erhält. Einer weitergehenden Abstraktion ist das Erfordernis, dass ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreicht sein muss, nicht zugänglich; vielmehr bedarf es stets einer tatrichterlichen Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Hinsichtlich der im Zielstaat drohenden Gefahren gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Der vom Bundesverwaltungsgericht zu § 60 Abs. 7 AufenthG entwickelte strengere Maßstab der „Extremgefahr“ ist nicht auf § 60 Abs. 5 AufenthG übertragbar (st. Rspr., vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 08.08.2018 - 1 B 25.18 -, juris Ls. 1 und Rn. 9 ff., m.w.N. auch zur einschlägigen EGMR-Rspr. und EuGH-Rspr.).
32 
1.2. Die tatsächlichen Verhältnisse in Algerien stellen sich nach Durchsicht der einschlägigen Erkenntnismittel derzeit wie folgt dar:
33 
Die politische, wirtschaftliche und soziale Lage in Algerien ist angespannt. Seit Februar 2019 kommt es zu Massenprotesten gegen das politische System; seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 haben sich die Proteste von der Straße weitgehend ins Internet verlagert. Die grundlegenden wirtschaftlichen Probleme des Landes werden durch die Folgen der Pandemie noch verstärkt. Insbesondere die jüngere Bevölkerung litt bereits vor Ausbruch der Pandemie unter einer hohen Jugendarbeitslosigkeit (etwa 30% bis 50% der 15- bis 24-Jährigen sind arbeitslos), fehlenden Berufschancen und allgemeiner Perspektivlosigkeit. Anhaltspunkte dafür, dass die Existenzsicherung infolge der Pandemie grundsätzlich infrage gestellt wäre, liegen aber nicht vor. Die Grundversorgung mit Lebensmitteln und Wohnraum und eine grundsätzlich kostenfreie medizinische Versorgung sind weiterhin gewährleistet (vgl. zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Algerien v. 11.07.2020, Stand: Juni 2020, S. 6 ff.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt Algerien, Stand: 26.06.2020, S. 27 ff.; BFA, Kurzinformation der Staatendokumentation, Afrika, COVID- 19 – aktuelle Lage, 09.07.2020, S. 14 f.).
34 
Die Versorgung mit Standard-Medikamenten ist in den algerischen Städten grundsätzlich gewährleistet. Der Import von bestimmten Medikamenten ist zwar verboten, um die lokale Produktion zu stärken; die meisten Medikamente stehen jedoch als lokal produzierte Generika zur Verfügung. Die gesetzliche Sozial- und Krankenversicherung ermöglicht in staatlichen Krankenhäusern eine grundsätzlich kostenlose und in privaten Einrichtungen eine kostenrückerstattungsfähige ärztliche Behandlung; immer häufiger ist jedoch auch ein Eigenanteil zu übernehmen. Die höheren Kosten bei einer Behandlung in einer Privatklinik werden von der Sozialversicherung nicht oder nur teilweise übernommen. Algerier, die nach jahrelanger Abwesenheit aus dem Ausland zurückkehren, sind nicht mehr gesetzlich sozial- und krankenversichert und müssen daher sämtliche Behandlungskosten selbst übernehmen, sofern sie nicht als Kinder oder Ehegatten von Versicherten oder durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit erneut bei der Sozialversicherung eingeschrieben werden. Die Erstversorgung in einem staatlichen Krankenhaus ist allerdings auch für nichtversicherte Algerier kostenfrei. Außerdem haben bedürftige Algerier, die nicht über eine Krankenversicherung verfügen und ihre Mittelosigkeit glaubhaft machen, die Möglichkeit, bei der zuständigen Sozialstelle ihrer Heimatgemeinde – Wohnort der Familie bzw. beim Fehlen naher Verwandte, der Geburtsort – ein sog. „carnet de démunis“ zu beantragen. Eine solche Bescheinigung der eigenen Mittellosigkeit berechtigt den Betroffenen zum kostenlosen Bezug von Medikamenten, zu Arztbesuchen sowie Laboruntersuchungen für einen symbolischen Dinar und zum Erhalt einer Minimalrente (vgl. zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Hannover v. 25.02.2015; Auswärtiges Amt, Lagebericht Algerien v. 11.07.2020, Stand: Juni 2020, S. 22; BFA, Länderinformationsblatt Algerien, Stand: 26.06.2020, S. 29 ff.).
35 
1.3. Dies zugrunde gelegt, kommt die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen der allgemeinen Lebensverhältnisse in Algerien weiterhin nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht, in denen zusätzliche gefahrerhöhende Umstände hinzutreten. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
36 
Das Gericht hat zwar keine Zweifel daran, dass der Kläger an einer bösartigen Bluterkrankung (Sichelzellenanämie) leidet und deshalb einer regelmäßigen ärztlichen und medikamentösen Behandlung bedarf. Nach den vorgelegten ärztlichen Unterlagen kam es bei ihm – jedenfalls bis zur Klageerhebung im September 2019 – in größeren Abständen von jeweils mehreren Monaten zu hämolytischen Krisen, welche jeweils eine stationäre Aufnahme für die Dauer von bis zu etwa zehn Tagen erforderten, in denen sein Zustand wieder stabilisiert werden konnte und seine Beschwerden vollständig zurückgingen. Ausweislich des jüngsten vorliegenden Attests des X Klinikums vom 10.09.2019 war eine Fremdbluttransfusion bis zuletzt nicht notwendig. Vielmehr erhielt der Kläger bislang Hydroxyurea (500mg) als Dauermedikation sowie ein Schmerzmittel (Diclofenac) und ein Medikament zur Hemmung überschüssiger Magensäure (PPI) bei Bedarf. Ihm wurde außerdem nahegelegt, sich wegen seiner Bluterkrankung alle drei Monate hämatologisch vorzustellen. Ob er dieser Empfehlung nachgekommen ist bzw. nachkommt und wie sich die Erkrankung und gegebenenfalls die Behandlung in der Zwischenzeit entwickelt hat, ist nicht bekannt. Denn auf die Aufforderung des Gerichts vom Dezember 2020, ein aktuelles (fach-)ärztliches Attest einzureichen, hat der Kläger bis heute nicht reagiert. In der mündlichen Verhandlung vom 29.07.2021 ist er nicht erschienen. Seine allein anwesende Prozessbevollmächtigte gab auf Frage an, seit geraumer Zeit keinen Kontakt mehr zu ihm zu haben. Neuere Atteste konnte sie nicht vorlegen und auch zum derzeitigen Gesundheitszustand sowie der aktuellen Lebenssituation des Klägers keine substantiierten Angaben machen.
37 
Trotz dieser nicht unerheblichen Erkrankung hat der Kläger keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Denn bei einer Gesamtwürdigung aller dem Gericht bekannten Umstände ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich sein Gesundheitszustand durch eine Abschiebung nach Algerien erheblich verschlechtern würde. Nach der aktuellen MedCOI-Auskunft vom 18.01.2021 steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die zur Behandlung seiner Bluterkrankung notwendigen Therapiemaßnahmen (Dauermedikation mit Hydroxyurea 500mg und Schmerzmittel bei Bedarf, regelmäßige ärztliche Verlaufskontrollen und Laboruntersuchungen, stationäre Notfallaufnahme im Falle einer hämolytischen Krise, gegebenenfalls Fremdbluttransfusionen) in Algerien grundsätzlich verfügbar sind. Weiter ist auch nicht substantiiert dargetan, dass sich der Kläger die benötigte medizinische Behandlung nicht wird leisten können. Hiergegen spricht schon, dass seine in Algerien lebenden Brüder seinen Angaben zufolge ebenfalls an einer Sichelzellenanämie leiden und die Finanzierung der benötigten Medikamente – jedenfalls mit der Unterstützung durch Angehörige und Nachbarn – sicherstellen können. Zudem befindet sich der mittlerweile 35-jährige Kläger im arbeitsfähigen Alter und war nach eigenen Angaben bis zu seiner Ausreise im September 2015 in der Lage, sein Existenzminimum (durch eigene Erwerbstätigkeit und die Unterstützung seiner Familie) zu sichern, obwohl er damals bereits an der geltend gemachten Sichelzellenanämie litt. Voraussichtlich wird er im Falle einer Rückkehr auch wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen können. Denn aus den vorgelegten Attesten geht nicht hervor, dass er infolge seiner Blutkrankheit bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme nur eingeschränkt erwerbsfähig oder gar arbeitsunfähig wäre. Von der Möglichkeit, Art und Häufigkeit seiner Schmerzsymptome und gegebenenfalls hierdurch bedingte Einschränkungen im Alltag in der mündlichen Verhandlung zu schildern, hat er keinen Gebrauch gemacht. Im Übrigen ist aber auch davon auszugehen, dass der Kläger, falls er – entgegen der Annahme des Gerichts – doch nur eingeschränkt erwerbsfähig wäre oder auf dem algerischen Arbeitsmarkt wegen seiner mehrjährigen Abwesenheit sowie der angespannten wirtschaftlichen Lage des Landes nicht sogleich Fuß fassen könnte, auf Unterstützung durch Verwandte und Dritte zurückgreifen könnte, wie sie offenbar seinen ebenfalls erkrankten Brüdern zuteilwird.
38 
2. Der Kläger hat weiterhin auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
39 
2.1. Sind schon die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG wegen schlechter humanitärer Bedingungen im Zielstaat nicht erfüllt, kann insoweit auch keine „extreme Gefahrenlage“ (dazu BVerwG, Urt. v. 08.09.2011 - 10 C 14.10 -, juris Rn. 21 ff. m.w.N.) bestehen, die allein es erlauben würde, die für § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geltende Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu überwinden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -, juris Rn. 131 ff., ebenso Urt. v. 05.03.2020 - A 10 S 1272/17 -, juris Rn. 72, jeweils m.w.N.).
40 
2.2. Eine „erheblichen konkreten Gefahr“ im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
41 
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen anzunehmen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Nach Satz 4 der Vorschrift ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist.
42 
Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des betroffenen Ausländers, die dieser nicht mit einer Vielzahl seiner Landsleute teilt, so dass kein Bedürfnis für eine ausländerpolitische Leitentscheidung gemäß § 60a Abs. 1 AufenthG besteht und die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG nicht greift, aufgrund der Verhältnisse im Zielstaat verschlimmert, ist als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist. Hinsichtlich der befürchteten individuellen Gesundheitsgefahr gilt damit der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn bei der gebotenen qualifizierenden Betrachtungsweise des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für den Eintritt der Gesundheitsgefahr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Die Gesundheitsgefahr ist hinreichend „konkret“, wenn die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald, d.h. zeitnah nach der Rückkehr des Betroffenen, einträte. Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung miteinzubeziehen. Eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gesundheitsgefahr kann sich dementsprechend auch daraus ergeben, dass die notwendige medizinische Behandlung oder Medikation im Zielstaat der Abschiebung zwar allgemein zur Verfügung steht, sie dem Betroffenen im Einzelfall jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. zum Ganzen zusammenfassend BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 - 1 C 3.11 -, juris Rn. 34; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 -, juris Ls. und Urt. v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 -, juris Ls. sowie VGH-Bad.-Württ., Urt. v. 11.04.2018 - A 11 S 1729/17 -, juris Rn. 368 ff. m.w.N.). Die mögliche Unterstützung durch Angehörige ist ebenfalls in die gerichtliche Prognose miteinzubeziehen, ob eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 -, juris Rn. 10).
43 
Krankheitsbedingte Gefahren, die sich allein als Folge des Abschiebungsvorgangs bzw. wegen des Verlassens des Bundesgebiets, nicht aber wegen der spezifischen Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ergeben können, begründen hingegen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG und sind deshalb nicht vom Bundesamt im Asylverfahren, sondern als inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse von der zuständigen Ausländerbehörde zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 -, juris Ls. 2; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.11.2002 - A 12 S 907/00 -, juris Rn. 61).
44 
Diese Voraussetzungen für die Annahme einer krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG sind nicht erfüllt. Denn das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers infolge einer Abschiebung nach Algerien lebensbedrohlich oder zumindest wesentlich verschlechtern würde. Auf die obigen Ausführungen unter 1.3. wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Dass der Kläger in seinem Heimatland voraussichtlich nicht eine mit der Versorgung in Deutschland gleichwertige Behandlung seiner Sichelzellenanämie und der dadurch ausgelösten Schmerzsymptomatik erhalten wird, begründet noch kein Abschiebungsverbot nach 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Denn die Vorschrift gewährt keinen Anspruch auf eine bestmögliche medizinische Versorgung, sondern bietet nur Schutz vor schwerwiegenden Beeinträchtigungen an Leib und Leben aufgrund krankheitsbedingter oder sonstiger Gefahren im Zielstaat (vgl. Bayer. VGH, Beschl. v. 13.11.2018 - 10 ZB 18.30896 -, juris Rn. 6: Zur Sichelzellenanämie bei einem nigerianischen Kind). Vom Eintritt solch schwerwiegender, mit § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unvereinbarer Gesundheitsfolgen ist beim Kläger mit Blick auf die grundsätzliche Behandelbarkeit seiner Erkrankung in Algerien (s.o.) und den Umstand, dass seine Brüder dort offenbar seit mehreren Jahren mit einem vergleichbaren Krankheitsverlauf leben können, aber nicht auszugehen.
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3. Der angegriffene Bescheid begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
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Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 beruht auf § 34 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Das Bundesamt hat dem Kläger folgerichtig zur Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet eine Ausreisefrist von einer Woche gesetzt (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Mit Schriftsatz vom 23.09.2019 hat es den Bescheid dahingehend abgeändert, dass die einwöchige Ausreisefrist erst mit der Bekanntgabe der ablehnenden gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu laufen beginnt und ihn damit nachträglich an die unionsrechtlichen Vorgaben angepasst, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urt. v. 19.06.2018, C-181/16, , juris Rn. 61 ff. und Beschl. v. 05.07.2018, C-269/18 PPU, juris Rn. 49 ff.) bei der Verbindung einer ablehnenden Asylentscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu beachten sind (vgl. zum Ganzen eingehend BVerwG, Urt. v. 20.02.2020 - 1 C 19.19 -, juris, insb. Ls. 5 und Rn. 54 f.).
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Die Ausreisefrist ist auch nicht von einer Woche auf 30 Tage zu verlängern, obwohl die Klage nur als einfach unbegründet abgewiesen wird. Denn nach dem negativen Ausgang des Eilverfahrens war der Kläger stets vollziehbar ausreisepflichtig, so dass es zur Abwicklung seiner persönlichen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet keiner längeren Ausreisefrist bedarf. § 37 Abs. 2 AsylG ist in diesem Fall nicht analog anwendbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.03.2001 - 9 C 22.00 -, juris Rn. 21 f.).
48 
Die Befristungsentscheidung in Ziffer 6 des Bescheids, die als konstitutiver Erlass eines behördlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auszulegen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.08.2018 - 1 C 21.17 -, juris Rn. 25), hat der Kläger nicht gesondert angegriffen. Ermessensfehler des Bundesamts hinsichtlich der Länge der gesetzten Frist (vgl. 11 Abs. 3 AufenthG, § 114 Satz 1 VwGO) sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

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