Beschluss vom Verwaltungsgericht Freiburg - A 13 K 2458/22

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt X wird abgelehnt.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 AsylG durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt X war abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung nicht die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht bietet. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Ausführungen, die die Verneinung hinreichender Erfolgsaussichten auch unter Beachtung des - verfassungsrechtlich gebotenen - großzügigen Maßstabs (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26.09.2020 - 2 BvR 1942/18 -, juris Rn. 11 ff. und vom 29.11.2019 - 1 BvR 2666/18 -, juris Rn. 11 f.) tragen.
II. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
1. Der Antragsteller hat die einwöchige Antragsfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG versäumt. Der angegriffene Bescheid wurde ihm ausweislich des in der elektronischen Akte des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge enthaltenen Scans der Postzustellungsurkunde am 29.07.2022 zugestellt. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ging indes erst am 02.09.2022 beim Verwaltungsgericht Freiburg ein.
2. Dem Antragsteller kann auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist gewährt werden.
Ist jemand ohne sein Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dabei muss der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO), die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO) und die versäumte Rechtshandlung ist binnen der Antragsfrist nachzuholen (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
a) Im Streitfall beruht die Versäumung der Antragsfrist bereits nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten. Dieses muss sich der Antragsteller nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat zur Versäumung der Antragsfrist wörtlich ausgeführt:
Der Unterzeichner hat am 02.08.2022, nach Annahme des Mandates die Klage diktiert und zur Verschriftlichung die Absendung nach Unterschrift an seine Sekretärin, Y, weitergeleitet. In der Unterschriftenmappe ist dann die Klage zur Unterschrift am 03.08.2022 vorgelegt worden und unterzeichnet worden.
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Zu den betriebsinternen Abläufen gehört es, dass nach Unterzeichnung der Klagen diese von der Sekretärin selbstständig eingescannt und dann über das beA an die zuständigen Gerichte versandt werden.
[…]
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Wird ein Schriftsatz gemäß § 55a Abs. 1 VwGO als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht, muss er nach § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von ihr (mindestens einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg (§ 55a Abs. 4 VwGO) eingereicht werden. Ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes Dokument wird nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (im Folgenden: beA) i. S. d. § 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO eingereicht, wenn die den Schriftsatz verantwortende Person das Dokument selbst versendet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.10.2021 - 8 C 4.21 -, juris Rn. 4; BGH, Beschluss vom 30.03.2022 - XII ZB 311/21 -, juris Rn. 11 [zu § 130a Abs. 3 ZPO]; BSG, Beschluss vom 16.02.2022 - B 5 R 198/21 B -, juris Rn. 7 [zu § 65a Abs. 3 Satz 1 SGG]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.04.2022 - 19 B 2003/21 -, juris Rn. 14; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 04.06.2021 - 3 Bs 130/21 -, juris Rn. 15).
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Ausgehend hiervon war bereits die Weisung an die Sekretärin, die Antragsschrift eigenständig per beA an das Gericht zu versenden, grob sorgfaltswidrig, da diese nicht qualifiziert elektronisch signiert wurde und somit von vornherein durch die Sekretärin des Prozessbevollmächtigten nicht wirksam über das beA bei Gericht eingereicht werden konnte.
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b) Unabhängig davon kann dem Antragsteller auch deshalb keine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist gewährt werden, weil nicht glaubhaft gemacht worden ist, dass ungeachtet der - wie ausgeführt - grob sorgfaltswidrigen Weisung an die Sekretärin, die Antragsschrift eigenständig per beA zu versenden, kein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vorliegt.
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Zur Glaubhaftmachung einer unverschuldeten Fristversäumnis gehört eine aus sich heraus verständliche geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen das Fristversäumnis beruht und auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den seitens der Partei glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von der Partei beziehungsweise ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldet war (vgl. BGH, Beschluss vom 28.07.2022 - III ZB 65/21 -, juris Rn. 12; BFH, Beschluss vom 17.07.2014 - XI B 8/14 -, juris Rn. 17; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.12.2017 - 1 S 1484/17 -, juris Rn. 29; Bayerischer VGH, Beschluss vom 20.04.2022 - 23 ZB 19.2287 -, juris Rn. 6; Thüringer OVG, Beschluss vom 06.03.2019 - 2 EO 768/18 -, juris Rn. 11).
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Ausgehend hiervon bleibt nach der Schilderung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zumindest offen, ob die Versäumung der Antragsfrist auch jenseits der grob sorgfaltswidrigen Weisung an die Sekretärin zur eigenständigen Versendung der Antragsschrift über das beA auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers beruht. Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs ist unerlässlich, dass der Versendevorgang überprüft wird. Dies hat bei der Nutzung von beA/EGVP durch Prüfung des Erhalts und des Inhalts der vom EGVP an das beA versandten Eingangsbestätigung zu erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 11.05.2021 - VIII ZB 9/20 -, juris Rn. 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.07.2022 - 6 A 798/22.A -, juris Rn. 11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.09.2021 - 4 Sa 63/20 -, juris Rn. 43). Dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers seine Sekretärin dergestalt angewiesen hätte, lässt sich dem Wiedereinsetzungsantrag nicht entnehmen. Unabhängig hiervon gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle (auch) die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages durch eine dazu beauftragte Bürokraft anhand des Fristenkalenders nochmals selbständig überprüft wird, um einerseits durch Abgleich mit dem Fristenkalender zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen im Fristenkalender noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben, und um andererseits festzustellen, ob möglicherweise in einer unter Verstoß gegen die zu treffenden organisatorischen Vorkehrungen fehlerhaft als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung gleichwohl noch aussteht. Dabei ist - etwa anhand der in der Ausgangspost befindlichen Schriftstücke, der Akten oder eines zu dieser Kontrolle geführten Postausgangsbuchs - auch zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind oder zuverlässig zur Absendung kommen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15.06.2022 - IV ZB 30/21 -, juris Rn. 8 und vom 26.05.2021 - VIII ZB 55/19 -, juris Rn. 12; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.07.2022 - 3 L 66/21 -, juris Rn. 24). Dass eine derart wirksame Ausgangskontrolle durch kanzleiorganisatorische Maßnahmen sichergestellt worden wäre, kann den Angaben des Prozessbevollmächtigen des Antragstellers ebenfalls nicht entnommen werden.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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