Beschluss vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 9 L 1924/19
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der im Verfahren 9 K 5479/19 gegen Ziffer I. des Bescheids des Antragsgegners vom 13. November 2019 erhobenen Klage wird wiederhergestellt, soweit der Antragsgegner die Sicherheitsleistung nach § 18 Abs. 4 VerpackG auf einen Betrag von mehr als € festgesetzt hat.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin 60 % und der Antragsgegner 40 %.
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Gründe:
2Mit dem Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. November 2019 wiederherzustellen,
4wendet sich die Antragstellerin nach verständiger Würdigung ihres Begehrens (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) und im Sinne von § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gegen die in Ziffer III. des mit Klage vom 18. Dezember 2019 im Verfahren 9 K 5479/19 angegriffenen Bescheids des Antragsgegners vom 13. November 2019 angeordnete sofortigen Vollziehbarkeit der in Ziffer I. dieses Bescheids festgesetzten Sicherheitsleistung. Zwar trifft der Bescheid in Ziffer III. nur die Feststellung „Der Bescheid ist sofort vollziehbar.“. Er ordnet mithin seine sofortige Vollziehung nicht ausdrücklich an. Diese Feststellung ist aber in Verbindung mit der im Bescheid gegebenen Begründung – dort S. 17 ff. – bei sachgerechter Auslegung (§§ 133, 157 BGB analog) als Anordnung der sofortigen Vollziehung zu verstehen.
5Gegenstand des Eilantrags ist nicht die Aufhebung des Bescheids vom 4. Januar 2016 gemäß Ziffer II. des Bescheids vom 13. November 2019, weil die Aufhebung der mit jenem Bescheid festgesetzten Sicherheitsleistung einen begünstigenden Verwaltungsakt darstellt und insoweit keine Antragsbefugnis besteht. Auch Ziffer IV. des Bescheids, die bestimmt, dass die Kosten des Bescheids von der Antragstellerin zu tragen sind, ist nicht Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens der Antragstellerin. Die dort getroffene Kostengrundentscheidung verweist auf einen gesonderten Kostenbescheid und enthält damit (noch) keine eigenständig anfechtbare Beschwer der Antragstellerin.
6Der so verstandene zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist er unbegründet.
7Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder zumindest eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollziehungsinteresses (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) kommt nicht in Betracht. Formelle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Der Sinn und Zweck dieses Begründungserfordernisses besteht darin, dass sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst macht und mit besonderer Sorgfalt prüft, ob vorrangige öffentliche Interessen eine Vollziehung bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts notwendig erscheinen lassen. Pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen genügen deshalb den gesetzlichen Anforderungen im Regelfall nicht. Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings auch typisierte Begründungen ausreichen. Bei allen Fällen der Anforderung einer Sicherheitsleistung von Systembetreibern ist die zu beurteilende Interessenlage im Wesentlichen gleich gelagert. In diesen Fällen ist stets abzuwägen zwischen dem Risiko eines Forderungsausfalls auf Seiten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder der öffentlichen Hand und dem Interesse eines Systembetreibers, von der Stellung einer Sicherheit bis zur Entscheidung der Hauptsache verschont zu bleiben. In solchen Fällen ist es nicht zwingend geboten, eine ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Begründung zu geben. Gerade dann, wenn wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde – wie im vorliegenden Fall – darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach ihrer Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt.
8Der Antragsgegner hat vorliegend einzelfallbezogen und unter Berücksichtigung der typischen, alle dualen Systeme betreffenden Interessenlage die für und gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung sprechenden Umstände abgewogen. Er hat – insbesondere – auf die mit Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes (VerpackG) zum 1. Januar 2019 bestehende, erweiterte Möglichkeit der Festsetzung einer Sicherheitsleistung und auf seine Erfahrungen mit den Zahlungsschwierigkeiten und der nachfolgenden Insolvenz des dualen Systems F. M. H. (im Folgenden: F1. ) hingewiesen. Insoweit könnten Leistungsstörungen im dualen System weitreichende Folgeprobleme auslösen, die nicht nur die wirtschaftliche Existenz von Entsorgern, sondern auch die Funktionsfähigkeit der Verpackungsentsorgung insgesamt gefährdeten. Denn alle dualen Systeme seien jeweils Vertragspartner derjenigen Entsorgungsdienstleister, welche nunmehr die Entsorgung wegen Zahlungsschwierigkeiten eines dualen Systems eingestellt oder diese angekündigt hätten. Die mit Bescheiden vom 4. Januar 2016 festgesetzte Sicherheitsleistung in Höhe von insgesamt 5.603.955,00 € sei zu niedrig angesetzt, um eventuelle Zahlungsausfälle eines dualen Systems aufzufangen. Ein Aufschub der Hinterlegung einer angemessenen insolvenzfesten Sicherheitsleistung könne dazu führen, dass die öffentliche Hand bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache über Jahre hinweg dem Risiko der Kostentragung für die Abholung und Entsorgung von Verpackungsabfällen und Verlusten aus der Nichtzahlung vereinbarter Mitbenutzungs- und Nebenentgelte ausgesetzt sei. Es liege deshalb im öffentlichen Interesse, die Entsorgung der Verpackungsabfälle im Falle der Nichtabholung und von Zahlungsausfällen der Systembetreiber für Mitbenutzungs- und Nebenentgelte finanziell ausreichend abzusichern und damit nicht den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und insoweit die Allgemeinheit zu belasten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände müsse das Interesse der Antragstellerin am Erhalt der aufschiebenden Wirkung im Falle der Erhebung einer Anfechtungsklage zurücktreten.
9Ob die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegebene Begründung auch materiell-rechtlich trägt, ist nicht Gegenstand der Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren.
10Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hängt von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits ab. Bei der Abwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig und besteht ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, ist eine von der Einschätzung der Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung vorzunehmen, bei der bei völliger Gleichwertigkeit der widerstreitenden Interessen wegen der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO einerseits und der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO andererseits zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO der Antrag abzulehnen und in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO dem Antrag stattzugeben ist.
11Vorliegend ergibt die Abwägung des Interesses der Antragstellerin einerseits – vorläufig von der Pflicht zur Stellung einer Sicherheit verschont zu bleiben – mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse andererseits – Absicherung zusätzlicher Kosten oder finanzieller Verluste der öffentlichen Hand infolge von bis zur Entscheidung in der Hauptsache entstehenden Zahlungsausfällen eines oder mehrerer Systembetreiber –, dass dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragstellerin der Vorrang einräumen ist, soweit sich die Antragstellerin gegen die Festsetzung der Sicherheitsleistung für Mitbenutzungs- und Nebenentgelten in Höhe von € wendet. Hingegen ist dem öffentlichen Interesse der Vorrang einzuräumen, soweit eine Sicherheitsleistung in Höhe von € zur Absicherung der Kosten der Entsorgung nicht abgeholter Leichtverpackungsabfälle (LVP) durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (Kosten der Ersatzvornahme) festgesetzt worden ist. Denn die in der Hauptsache angefochtene Festsetzung einer Sicherheitsleistung in Ziffer I. des Bescheids vom 13. November 2019 in Höhe von insgesamt € erweist sich nach der gebotenen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, soweit sie Mitbenutzungs- und Nebenentgelte absichert, und als voraussichtlich rechtmäßig, soweit sich die Sicherheitsleistung auf die Kosten der Ersatzvornahme bezieht.
12Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, weil in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft ist und es sich bei der Anordnung, eine Sicherheitsleistung beizubringen, nicht um einen Dauerverwaltungsakt handelt.
13Ermächtigungsgrundlage der Festsetzung der Sicherheitsleistung ist § 18 Abs. 4 des Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen (VerpackG). Danach kann die für die Genehmigung eines Systems zuständige Landesbehörde jederzeit verlangen, dass ein System eine angemessene, insolvenzfeste Sicherheit für den Fall leistet, dass es oder die von ihm beauftragten Dritten Pflichten nach dem VerpackG, aus der Abstimmungsvereinbarung nach § 22 Abs. 1 VerpackG oder aus den Vorgaben nach § 22 Abs. 2 VerpackG nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß erfüllen und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern oder den zuständigen Behörden dadurch zusätzliche Kosten oder finanzielle Verluste entstehen.
14Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 18 Abs. 4 VerpackG bestehen nicht. Insbesondere genügt § 18 Abs. 4 VerpackG dem Gebot der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit von Gesetzen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
15Bei § 18 Abs. 4 VerpackG handelt es sich nicht um einen abgabeähnlichen Tatbestand, an den qualifizierte Bestimmtheitsanforderungen zu stellen sind. Es genügt den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Gesetzes, dass § 18 Abs. 4 VerpackG die Forderung einer angemessenen, insolvenzfesten Sicherheit zur Abdeckung der in dieser Bestimmung ausdrücklich und abschließend aufgelisteten Sicherungstatbestände in das Ermessen der Behörde stellt, weil das Merkmal der Angemessenheit im Licht des Sicherungszwecks und mit Bezug auf die Sicherungstatbestände einer hinreichend sicheren Auslegung zugänglich ist.
16Vgl. so zu § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F.: VG Stuttgart, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 14 K 2847/15 –, juris Rn. 68, sowie ausführlich Beschluss der Kammer vom heutigen Tage im parallel gelagerten Verfahren 9 L 1960/19, zur Veröffentlichung vorgesehen bei www.nrw.de.
17Die Beibringung einer Sicherheitsleistung beeinträchtigt ein duales System im Verhältnis zu dem öffentlichen Interesse, die flächendeckende Sammlung und Verwertung von Verpackungen sicherzustellen, nicht unverhältnismäßig. Der Absicherung der Verpflichtungen aus dem VerpackG dient die nach § 18 Abs. 4 VerpackG zu erbringende Sicherheitsleistung, die – insbesondere weil sie nicht in der Leistung eines Entgelts besteht – im Verhältnis zu der abfallwirtschaftlichen Tätigkeit der Systeme angemessen ist, um die Erfassung und Verwertung von Verpackungen auch bei Liquiditätsengpässen und Zahlungsausfällen sicherzustellen und die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vor auf Pflichtverstößen beruhenden Zahlungsausfällen zu schützen.
18Vgl. Beschluss der Kammer vom heutigen Tage im parallel gelagerten Verfahren 9 L 1960/19.
19Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 4 VerpackG liegen vor.
20Der Antragsgegner ist nach § 1 Abs. 1 und 2 Satz 2 i.V.m. Anhang Teil A der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz vom 31. März 2015 (GV. NRW S. 268), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Mai 2019 (GV.NRW S. 233) – ZustVU – zuständig für den Vollzug des Verpackungsgesetzes und damit zuständige Behörde im Sinne des § 18 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VerpackG. Die Antragstellerin ist System im Sinne des § 18 Abs. 4 i.V.m. § 3 Abs. 16 Sätze 1 und 2 VerpackG. Sie erfasst im Gebiet des Antragsgegners – dem Einzugsgebiet – beim privaten Endverbraucher als Abfall anfallende restentleerte Verpackungen flächendeckend und führt sie einer Verwertung zu.
21Der Bescheid vom 13. November 2019 ist in Ziffer I. jedoch teilweise materiell rechtswidrig. Ziffer I. des Bescheids vom 13. November 2019 ist nach summarischer Prüfung nur materiell rechtmäßig, soweit der Antragsgegner eine Sicherheitsleistung in Höhe von € zur Absicherung der Kosten der Entsorgung nicht abgeholter Leichtverpackungsabfälle (LVP) durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (Kosten der Ersatzvornahme) festgesetzt hat. Demgegenüber ist der Bescheid ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig, soweit der Antragsgegner die Sicherheitsleistung für Mitbenutzungs- und Nebenentgelten in Höhe von € festgesetzt hat.
22Die Entscheidung über die Sicherheitsleistung steht gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Ermessen des Antragsgegners. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht bei Ermessensentscheidungen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.
23Zweck der nach § 18 Abs. 4 VerpackG festzusetzenden Sicherheitsleistung ist die kostenmäßige Absicherung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder zuständigen Behörden für den Fall, dass das System Pflichten nach diesem Gesetz, aus der Abstimmungsvereinbarung nach § 22 Abs. 1 VerpackG oder aus den Vorgaben nach § 22 Abs. 2 VerpackG nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß erfüllen und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern oder den zuständigen Behörden dadurch zusätzliche Kosten oder finanzielle Verluste entstehen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt,
24vgl. BT-Drs 18/11274, S. 103,
25werden auch weiterhin die Kosten der Ersatzvornahme abgesichert, nunmehr für die Verpflichtungen aus § 14 Abs. 1 und Abs. 2 VerpackG. In dieser Hinsicht deckt sich die neue Rechtslage mit der alten Rechtslage gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F. Die hierzu ergangene Rechtsprechung lässt sich insoweit übertragen, nach der die Behörde zur Sicherung für den Fall berechtigt war, dass der Systembetreiber seine Pflichten nach der Verpackungsverordnung ganz oder teilweise nicht erfüllt und daher eine Ersatzvornahme erforderlich wird. Auch eine teilweise Zahlungseinstellung mit der Folge der Einstellung der Entsorgung durch den Auftragnehmer stellt eine Pflichtverletzung des Systembetreibers dar.
26Vgl. zur alten Rechtslage: VG Stuttgart, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 14 K 2860/15 –, juris Rn. 88.
27Die Prüfung der Ermessensausübung durch den Antragsgegner beschränkt sich im vorliegenden Fall auf die Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung. Denn eine Ermessensentscheidung darüber, ob eine und welche Sicherheitsleistung von der Antragstellerin verlangt wird, d.h. über das Ob und die Art einer Sicherheitsleistung, hat der Antragsgegner im angegriffenen Bescheid nicht getroffen. Vielmehr hat er insoweit bereits mit der Nebenbestimmung Teil A. Ziffer II. 11 des Feststellungsbescheides vom 15. Mai 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. September 2019 von dem ihr durch § 18 Abs. 4 VerpackG eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Denn mit dieser Nebenbestimmung hat der Antragsgegner geregelt, dass die Antragstellerin eine angemessene, insolvenzsichere Sicherheit für den Fall zu leisten hat, dass sie oder die von ihr Beauftragten die Pflichten nach dem VerpackG, aus der Abstimmungsvereinbarung nach § 22 Abs. 1 oder aus den Vorgaben nach § 22 Abs. 2 VerpackG nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß erfüllen und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern oder den zuständigen Behörden dadurch zusätzliche Kosten oder finanzielle Verluste entstehen. Sie hat bereits in diesem Bescheid geregelt, dass die Sicherheit in Form einer unwiderruflichen und unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Sparkasse oder Großbank oder durch eine Kreditversicherung oder durch Einzahlung von Geld auf einem Konto bei der Landeskasse Düsseldorf zu erbringen ist. Da der Bescheid vom 23. September 2019 inzwischen bestandskräftig ist, ist diese getroffene Ermessensentscheidung des Beklagten über das „Ob“ und die Art der Festsetzung einer Sicherheitsleistung unanfechtbar und daher nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
28Der Antragsgegner hat in dem hier gegenständlichen Bescheid vom 13. November 2019 auch weder erneut eine Ermessensentscheidung über das Ob noch über die Art einer Sicherheitsleistung getroffen. Vielmehr setzte er in Ziffer I. dieses Bescheids die Sicherheitsleistung auf € fest und wiederholte die bereits getroffene Regelung bezüglich der Art der Sicherheitsleistung. Die Festsetzung im Bescheid vom 13. November 2019 erfolgte, wie sich aus der Begründung des Bescheids – dort Seite 3 – ergibt, allein der Höhe nach. Dort – wie auch in dem mit Anhörungsschreiben vom 26. September 2019 übermittelten Entwurf eines Bescheids über die Festsetzung der Sicherheitsleistung – nahm der Antragsgegner Bezug auf den Feststellungsbescheid vom 15. Mai 2006 in der Fassung der Änderung durch den Bescheid vom 23. September 2019, mit dem sie die Verpflichtung der Antragstellerin, eine Sicherheitsleistung zu erbringen, dem Grunde nach feststellte. Im Übrigen begründete sie in dem angegriffenen Bescheid vom 13. November 2019 ausschließlich die Herleitung und Berechnung der Höhe der Sicherheitsleistung.
29Hat die zuständige Behörde bestandskräftig über die Sicherheitsleistung dem Grunde nach entschieden, kann der Festsetzung der Sicherheitsleistung der Höhe nach nicht entgegengehalten werden, der Eintritt des Sicherungsfalls sei aufgrund der gewählten Vertragsgestaltungen zwischen den jeweiligen Systemen und den einzelnen Erfassungsunternehmen äußerst unwahrscheinlich, so dass aus diesem Grund ein Ermessensfehler vorliege. Denn mit diesem Einwand wird vorgetragen, die Gefahr einer Ersatzvornahme durch einen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder der Realisierung sonstiger Sicherungstatbestände sei ausgeschlossen. Der Einwand greift somit die Entscheidung an, trotz der behaupteten Unwahrscheinlichkeit des Eintritts des Sicherungsfalls überhaupt eine Sicherheitsleistung festgesetzt zu haben.
30So auch im Zusammenhang mit § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F.: VG Stuttgart, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 14 K 2860/15 –, juris Rn. 78.
31Hierüber wurde aber bereits – wie ausgeführt – mit Bescheid vom 26. September 2019 unanfechtbar entschieden. Im vorliegenden Verfahren ist ausschließlich über das dem Antragsgegner durch § 18 Abs. 4 VerpackG eingeräumte Ermessen für die Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung zu entscheiden. Denn nur insoweit erfolgte in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 13. November 2019 eine Ermessensentscheidung.
32Im Hinblick auf die Ermessensausübung bezüglich der Höhe der Sicherheitsleistung ist zwischen der festgesetzten Sicherheitsleistung zur Absicherung der Kosten der Ersatzvornahme und der Sicherheitsleistung für Mitbenutzungs- und Nebenentgelte zu unterscheiden.
33Die Ermessensausübung ist fehlerhaft, wenn die behördliche Entscheidung nicht auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage beruht oder die Behörde den Sachverhalt in wesentlicher – d.h. entscheidungserheblicher – Hinsicht nicht vollständig und zutreffend ermittelt hat. Dabei überlässt es § 24 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 26 Abs. 1 VwVfG in den vom Gegenstand des Verfahrens gezogenen Grenzen jedoch grundsätzlich der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung der Behörde, welche Mittel sie zur Erforschung des Sachverhalts anwendet.
34Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. August 1998 – 11 VR 4/98 –, juris Rn. 10, vgl. ferner OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2014 – 10 A 1018/13 –, juris Rn. 12 - 15, vgl. zusammenfassend Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 114 Rn. 24-25.
35Sofern sich die Behörde auf Schätzungen stützt, muss die Schätzung im Licht des Zwecks der Ermächtigungsgrundlage (§ 40 VwVfG) plausibel und in sich schlüssig sein.
36Bei der Ermittlung von Daten ist dabei u.a. zu berücksichtigen, dass ein möglichst wirklichkeitsgetreues Ergebnis erzielt wird. Die Behörde hat ihr Ermessen nach § 40 VwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen einzuhalten. Eine Schätzung ohne Rückgriff auf verfügbare Anhaltspunkte (andere vorhandene oder bekannte Daten) wäre unverhältnismäßig.
37Vgl. so aus dem Bereich der Netzregulierung: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2016 – VI-3 Kart 134/12 (V) –, juris Rn. 69.
38Nach summarischer Prüfung ist nach diesen Maßstäben die Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung für die Kosten der Ersatzvornahme nicht zu beanstanden.
39Bezüglich der Ersatzvornahme hat das VG Stuttgart zum Maßstab der Überprüfung der Ermessensausübung bei der Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung im Zusammenhang mit § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV ausgeführt:
40„Die gerichtliche Kontrolle bei behördlichen Ermessensentscheidungen ist daher auf die Überprüfung von Ermessensfehlern beschränkt. Das bedeutet, dass das Gericht nur eine Rechtmäßigkeits- und keine Zweckmäßigkeitskontrolle durchführen darf. Zudem liegt der Festsetzung einer Sicherheitsleistung eine Prognose der Kosten einer künftigen Ersatzvornahme zugrunde, die im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Anordnung betrifft in der Zukunft liegende Pflichten, und die Behörde muss abschätzen, ob und in welchem Umfang diese Pflichten entstehen werden. Eine solche Prognose ist schon ihrem Wesen nach stets mit Unwägbarkeiten hinsichtlich ungewisser zukünftiger Entwicklungen belastet. Die Anordnung der Sicherheit ist daher nur daraufhin überprüfbar, ob der Beklagte bei seiner Entscheidung den zutreffenden Maßstab zugrunde gelegt hat und ob die Prognose der voraussichtlichen Entsorgungskosten vertretbar ist.“
41VG Stuttgart, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 14 K 2860/15 –, juris Rn. 73 f.
42Dieser Maßstab ist hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolldichte auf § 18 Abs. 4 VerpackG übertragbar.
43Die vorliegend nunmehr auf Grundlage des § 18 Abs. 4 VerpackG gestellte Prognose der voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme erweist sich nach summarischer Prüfung als vertretbar.
44Das Ermessen des Antragsgegners ist nicht auf eine bestimmte Berechnungsmethode der Sicherheitsleistung reduziert. Die Behörde hat der Berechnung der Sicherheitsleistung im Hinblick auf den Eintritt des Sicherungsfalls plausible und nachvollziehbare Maßstäbe zu Grunde zu legen, die auf der Ermittlung aller relevanten Tatsachen für die Berechnung gestützt sind.
45Vgl. Thärichen/Viezens, Abfallrecht 2018, 210 (216).
46Bei der Berechnung der Sicherheitsleistung für Kosten der Ersatzvornahme hat sich der Antragsgegner, wie sich aus Ziffer I. der Begründung des Bescheids vom 13. November 2019 (Seiten 4-10) ergibt, an der Notwendigkeit orientiert, dass bei einer Nichtabholung der Verpackungsabfälle die Kosten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers für die Abholung und Entsorgung dieser Abfälle abgedeckt werden. Dieser Ansatz ist vor dem Hintergrund des § 14 Abs. 1, Abs. 2 VerpackG vertretbar und nicht zu beanstanden.
47Vertretbar ist vor dem Hintergrund der Maßgaben des § 14 Abs. 1, 2 VerpackG, dass der Antragsgegner – wie bereits zuvor – nicht das sogenannte „cyclos-Modell“ als Berechnungsgrundlage gewählt hat. Damit führt der Antragsgegner seine bereits dem Bescheid vom 4. Januar 2016 zu Grunde gelegte Praxis fort, von diesem Modell Abstand zu nehmen. Der Antragsgegner ist, solange er sein Ermessen entsprechend dem Zweck des Gesetzes ausübt (§§ 40 VwVfG NRW, 114 Satz 1 VwGO), nicht verpflichtet, eine in der Vergangenheit angewandte Berechnungsmethode fortzuführen, die er mit vertretbaren Argumenten als problematisch ansieht.
48Das Modell nach „cyclos“ berechnete die abzusichernden Kosten der Ersatzvornahme aus der Summe der Kosten für eine durchschnittliche Output-Lagermenge im Ausgang der Sortieranlage, den Kosten einer durchschnittlichen Input-Lagermenge von 3,3 Tagen im Eingang der Sortieranlage, der Kosten einer durchschnittlichen Lagermenge von 2 Tagen in der Umschlaganlage und der Kosten für die Erfassung, Sortierung und Verwertung einer Monatsmenge Leichtverpackungen an einem durchschnittlichen Stichtag.
49Gegen das „cyclos-Modell“ sprach nach Darlegung des Antragsgegners in der Begründung des angegriffenen Bescheids, dass dieses weder die Kosten anderer Systembetreiber berücksichtigt noch die Belange der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ausreichend gewürdigt habe. Es habe sich als intransparentes und insoweit ungeeignetes Mittel erwiesen, den Anforderungen an den Sinn und Zweck der Sicherheitsleistung, die Kosten einer evtl. Ersatzvornahme durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger abzudecken, gerecht zu werden.
50Diese Argumentation ist nicht zu beanstanden. Die länderoffene Arbeitsgruppe „Festsetzung von Sicherheiten nach § 18 Abs. 4 VerpackG und Beibringung von Sicherheiten“ kam zu dem Schluss, dass das „cyclos-Modell“ einen kurzfristigen Versorgungsengpass abbildete und die Kosten und Erlöse ansetzte, die für die dualen Systeme regulär für die Sortierung und stofflichen Verwertung anfielen. Die hiernach berechneten Sicherheitsleistungen genügten nicht für umfangreichere Engpässe. Die Preise für eine unter Sachzwängen erfolgende Ersatzvornahme dürften zudem bei einem Überangebot von Verpackungsabfällen, die nicht einer stofflichen, sondern thermischen Verwertung zugeführt werden müssen, höher ausfallen.
51Vgl. Arbeitspapier der länderoffenen Arbeitsgruppe „Festsetzung von Sicherheiten nach § 18 Abs. 4 VerpackG und Beibringung von Sicherheiten“, S. 6.
52Dass es der Antragsgegner daher für vorzugswürdig hält, die Höhe der Sicherheitsleistung anhand der Menge der nicht abgeholten Verpackungsabfälle, der Kosten der Abholung der erfassten Verpackungsabfälle bei den privaten Endverbrauchern und der Kosten der Entsorgung der abgeholten Verpackungsabfälle zu ermitteln, erscheint vertretbar und zudem folgerichtig.
53Diese Wahl beruht auf einem Ansatz der länderoffenen Arbeitsgruppe „Festsetzung von Sicherheiten nach § 18 Abs. 4 VerpackG und Beibringung von Sicherheiten“, nach welchem die Erfassungs- und Verbrennungskosten je Tonne mit der Erfassungsmenge im jeweiligen Berechnungszeitraum multipliziert wird. Die Kosten werden dann entsprechend dem Marktanteil auf die dualen Systeme verteilt und als Sicherheitsleistung festgesetzt. Der Berechnungszeitraum soll mit einem Monat hinreichend lange Ausfallzeiträume abdecken.
54Vgl. Arbeitspapier der länderoffenen Arbeitsgruppe „Festsetzung von Sicherheiten nach § 18 Abs. 4 VerpackG und Beibringung von Sicherheiten“, S. 7.
55Der Ansatz entspricht zudem dem Zweck des Gesetzes (§ 40 VwVfG NRW). Vorrangig zu sichern ist nicht die Verarbeitung einer regulär anfallenden Stichtagsmenge, sondern die flächendeckende Sammlung aller restentleerten Verpackungen bei den privaten Endverbrauchern (Holsystem) oder in deren Nähe (Bringsystem) oder durch eine Kombination beider Varianten in ausreichender Weise (§ 14 Abs. 1 VerpackG) und deren Zuführung zu einer Verwertung (§ 14 Abs. 2 VerpackG). Folgerichtig hat sich der Antragsgegner an diesen Kriterien als Parameter für die Berechnung der Sicherheitsleistung orientiert.
56Hiervon ausgehend sind daher, wie von dem Antragsgegner in der Begründung des Bescheids (Seite 4) zu Grunde gelegt, Grundlage der Berechnung der Sicherheitsleistung die Menge der nicht abgeholten Verpackungsabfälle, die Kosten der Abholung der erfassten Verpackungsabfälle bei den privaten Verbrauchern und die Kosten der Entsorgung der erfassten Verpackungsabfälle.
57Die herangezogenen Berechnungsparameter sind nicht zu beanstanden.
58Der Antragsgegner durfte die ihm aus den Mengenstromnachweisen der dualen Systeme bekannten Gesamterfassungsmengen von Leichtverpackungen aus dem vorangegangenen Kalenderjahr heranziehen. Von der so ermittelten Gesamterfassungsmenge ausgehend begegnet es keinen Bedenken, dass für die Kosten der Erfassung und Verwertung von Leichtverpackungsabfällen rechnerisch gemittelte Werte angesetzt wurden und die Berechnung der Höhe der Sicherheitsleistung damit im Ergebnis eine Schätzung darstellt.
59Vertretbar gewählte Grundlage der Schätzung sind die bei dem Antragsgegner durch Mengenstromnachweise der dualen Systeme bekannten Gesamterfassungsmengen von Leichtverpackungen in Nordrhein-Westfalen. Die Gesamterfassungsmenge der Verpackungen im dem Bescheid vorangehenden Kalenderjahr 2018 beträgt danach 610.107,75 Tonnen. Die Menge wurde, wie sich aus dem Verwaltungsvorgang ergibt (Bl. 50 VV), in insgesamt 111 Vertragsgebieten ermittelt. Zutreffend hat der Antragsgegner auf Grund der ihm bekannten Mengenstromnachweise die auf öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger anfallenden Mengen von insgesamt 26.916 Tonnen abgezogen, weil es für die auf öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger selbst entfallenden Mengen keiner Sicherheitsleistung bedarf.
60Dass der Antragsgegner den insgesamt abzusichernden Betrag für die Erfassung von Leichtverpackungen aus der so ermittelten Menge, multipliziert mit den geschätzten Kosten der Erfassung je Tonne, ermittelt hat, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Der Antragsgegner hat auf Seite 7 seines Bescheids dargelegt, dass er sich zur Schätzung der Erfassungskosten von den Systembetreibern insgesamt 15 Erfassungsverträge für die Fraktion LVP, hiervon sieben aus städtischen und acht aus ländlichen Gebieten hat vorlegen lassen. Aus einer Streubreite von 119 €/t bis 228 €/t errechne sich der Mittelwert in Höhe von 166 €/t, der der Berechnung der Sicherheitsleistung zugrunde gelegt werde. Die der Sicherheitsleistung zugrunde gelegten Erfassungskosten verschiedener dualer Systeme seien nachprüfbar und vergleichbar mit den in den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern ermittelten Erfassungskosten. Es sei daher nicht erkennbar, dass es für eine Plausibilisierung der Abfrage zusätzlicher Erfassungsverträge zwingend bedurft hätte. Dass die Schätzung und Berechnung auf einer länderübergreifend abgestimmten Vereinheitlichung des Berechnungsverfahrens beruht, ist gemäß Stellungnahme des Bundeskartellamts vom 18. Juni 2010 unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden; Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
61Der rechnerisch gebildete Schätzwert von 166 €/t ist vertretbar ermittelt.
62Im Rahmen einer Vertretbarkeitskontrolle nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO und des Untersuchungsgrundsatzes (§§ 24 Abs. 1, 26 VwVfG NRW) kann dem Antragsgegner nicht abverlangt werden, eine andere Berechnungsmethode zu wählen oder den Sachverhalt über die vorgenommene Schätzung hinaus auszuermitteln. Die wesentlichen, für die Entscheidung erheblichen Grundlagen liegen auf Grund der als vertretbar anzusehenden Schätzung vor. Zwar lässt die Mittelung des Tonnenpreises eine nach den dem Antragsgegner bekannten tatsächlichen Erfassungsmengen und an die Entsorger gemäß den herangezogenen Erfassungsverträgen gewichtete Berechnung des abzusichernden Betrags außer Betracht. Eine Gewichtung nach Strukturklassen (groß-/städtische, ländlich-dichte bzw. ländliche Gebiete) haben beispielsweise die bayerischen Behörden in den von dem Antragsgegner angeführten Bescheiden vom 9. August 2019 vorgenommen. Es drängt sich jedoch nicht auf, dass die gewählte Berechnungsmethode in Ansehung des Gesetzeszwecks, im Sicherungsfall auf die geleisteten Sicherheiten zurückgreifen zu können, um kurzfristig die Vergütung der Erfassungsunternehmen sicherzustellen, zu unvertretbaren Verzerrungen führt. Die ermittelte Varianzbreite des Tonnenpreises von 119 €/t bis 228 €/t lässt den Mittelwert von 166 €/t plausibel erscheinen, ohne dass zu erwarten wäre, dass weitere oder sämtliche Erfassungsverträge ausgewertet werden müssten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Hochrechnung dieses Werts auf die dem Antragsgegner bekannte Gesamterfassungsmenge zu einem Betrag führt, der den Sicherungsfall nicht abdecken kann. Hinsichtlich der Plausibilitätskriterien hat der Antragsgegner dargelegt, dass er Erfassungsverträge aus ländlichen und städtischen Gebieten herangezogen hat. Schließlich hat er den Wert von 166 €/t einer Plausibilitätskontrolle unterzogen, indem er ihn mit den in anderen Bundesländern ermittelten Werten abgeglichen hat. Zu einer ähnlichen Größenordnung kam auf ähnlichem Ermittlungsweg mit 166,69 €/t das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, wie sich aus entsprechenden Festsetzungen von Sicherheitsleistungen vom 9. August 2019 ergibt.
63Bezüglich der Kosten der Verwertung zieht der Antragsgegner die Verbrennungskosten heran. Zutreffend stellt er darauf ab, dass bei dem Ausfall eines oder mehrerer Systeme mit unvorhersehbar großen Mengen Leichtverpackungen gerechnet werden muss, für die Entsorgungskapazitäten erforderlich würden. Daher sei auf die Verbrennung abzustellen. Hiergegen – und gegen den Rückgriff auf die in EUWID 50/2018, S. 18 ff. publizierten Preisspannen für die Verbrennung von Leichtverpackungen, aus denen der Antragsgegner aus einer Bandbreite von 75 €/t bis 170 €/t für die Region West den Mittelwert von 122 €/t gebildet hat, ist nichts einzuwenden. Die Bandbreite gibt die im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bekannte Marktlage wieder und führt zu einer vertretbaren Kalkulation des Sicherungsfalls. Folgerichtig hat der Antragsgegner auch nicht auf die – gleichwohl vom
64VG Stuttgart, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 14 K 2860/15 –, juris Rn. 92,
65als ermessensgerecht erachteten Zahlen des Bundeskartellamts aus dem Jahr 2011 – zurückgegriffen.
66Der Bemessung der Sicherheitsleistung nach den Kosten der Verbrennung kann nicht entgegengehalten werden, dass diese Grundannahme nicht der nach § 6 Abs. 1 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes – KrWG – geltenden Abfallhierarchie folgt. Danach sind die Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling gegenüber der sonstigen Verwertung von Abfällen, insbesondere der energetischen Verwertung und Verfüllung, für Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung vorrangig (§ 6 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 KrWG). Es handelt sich um eine Zielhierarchie, die ein Abwägungsprogramm für Einzelfallentscheidungen bei der Erfüllung der Verwertungspflicht nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 KrWG vorgibt.
67Beckmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, § 6 KrWG Rn. 43 f.
68Hieraus folgt, dass für den Fall eines Systemausfalls aus § 6 KrWG keine feststehenden Maßstäbe zu gewinnen sind, wie die anfallenden Leichtverpackungen zu entsorgen sind. Bei realistischer Betrachtung, auf die es für die Abschätzung der von dem öffentlich-rechtlichen Träger zu tragenden Kosten der kurzfristigen und effizienten Verwertung der anfallenden Leichtverpackungen ankommen dürfte, kann nicht – wie mitunter im „cyclos-Modell“ – angenommen werden, dass im Fall einer Ersatzvornahme – wie im Normalfall üblich – stoffliche Wiederverwertung oder Recycling in Betracht kommen. Es dürfte zutreffend sein, dass die gefahrenabwehrrechtliche Handlungspflicht von der öffentlichen Hand verlangt, die gesammelten Leichtverpackungen zeitnah einer Verwertung zuführen zu können. Vor diesem Hintergrund konnte der Antragsgegner ermessensfehlerfrei die Verbrennung der kurzfristig anfallenden Leichtverpackungen in Betracht ziehen.
69Ermessensfehler ergeben sich nicht daraus, dass etwaige Erlöse aus der Verwertung von Leichtverpackungen nicht auf die Sicherheitsleistung angerechnet werden. Zwar haben manche Verpackungsabfälle, wie beispielsweise PET-Flaschen, einen positiven Marktwert.
70Vgl. EUWID 41/2019, S. 18 f.
71Jedoch ist nicht im Vorhinein abstrakt bestimmbar, für welche Abfallfraktionen sich in welcher Größenordnung Erlöse ergeben. In der abzusichernden Notsituation des Systemausfalls ist die öffentliche Hand auch nicht in erster Linie verpflichtet, solche Erlöse zu generieren. Ergeben sich solche dennoch, so mindert das die Inanspruchnahme der Sicherheit erst im Nachhinein. Mögliche Erlöse können aber nicht bereits vorab die Sicherheitsleistung vermindern, da bei Eintritt des insoweit zutreffend angenommenen worst-case-Szenarios ansonsten die Gefahr einer Unterdeckung im Sicherungsfall bestünde.
72Zudem sind im Zusammenhang mit der Festsetzung der Sicherheit etwaige Erlöse grundsätzlich nicht relevant. Bezogen auf den Betrieb von Abfallentsorgungsanlagen hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen klargestellt, dass Abfälle, die einen sog. positiven Marktwert haben, nicht zu berücksichtigen sind; denn es ist nicht Sinn der Sicherheitsleistung, dass der Staat zum Erhalt des Sicherungsmittels am Markt teilnimmt, um bei dem Verkauf von auf dem Betriebsgrundstück verbliebenem Abfall möglichst günstige Preise zu erzielen. Ebenso wenig kann eine etwaige Abfallbehandlung durch den von der Sicherheitsleistung betroffenen Betreiber (oder einen Dritten) mit der Folge einer Erhöhung des Marktwerts unterstellt werden. Vielmehr ist bei der Bestimmung des Marktwerts der Abfall im Augenblick der Anlieferung maßgeblich. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Sicherheitsleistung, die der präventiven Durchsetzung der Nachsorgepflichten nach endgültiger Betriebsstilllegung dient, also den Fall der faktischen Einstellung aller Handlungen - auch etwaiger Behandlungsmaßnahmen - meint.
73OVG NRW, Beschluss vom 2. Februar 2011 – 8 B 1675/10 –, juris Rn. 39.
74Dieser Gedanke lässt sich hinsichtlich der Beurteilung der Ermessensausübung des Antragsgegners auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen. Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, im Falle eines Systemausfalls für die Systeme die bestmöglichen Konditionen am Markt zu erzielen und das den Systemen im Falle der gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG abgesicherten Pflichtverletzung zuzurechnende Schadensausmaß zu minimieren.
75Es ist sachgerecht, die Kosten für die Menge der anfallenden Verpackungen auf Grundlage der Mengenstromnachweise der Systembetreiber nach den Marktanteilen der Systeme im Land Nordrhein-Westfalen zu gewichten. Denn die Gesamtkosten für die Entsorgung der Verpackungsmengen müssen im Fall des Ausfalls der Systembetreiber abgesichert sein. Dem steht nicht entgegen, dass jedes duale System auf Grund eines Losverfahrens in einem oder mehreren Erfassungsgebieten als Ausschreibungsführer die Hauptkostenverantwortung, d.h. 50 % der Entsorgungskosten plus die Hälfte seines landesweiten Marktanteils an den verbleibenden 50 % der Entsorgungskosten in diesem Erfassungsgebiet trägt. Denn hieraus erwachsende Ungenauigkeiten sind dem von den Systembetreibern gewählten kartellrechtlich unbedenklichen Kostenverteilungssystem geschuldet. Es handelt sich mithin um, von den Systembetreibern selbst in Kauf genommene systemimmanente Verzerrungen, die zu Gunsten oder zu Lasten eines bestimmten Systems wirken können. Abgemildert werden sie dadurch, dass sich die Anzahl der Erfassungsgebiete, in denen die Hauptkostenverantwortung vom einzelnen Systembetreiber zu tragen ist, wiederum nach seinen Marktanteilen bestimmt, so dass es auch hier zu Durchschnittswerten beim einzelnen Systembetreiber kommt. Im Übrigen ist dieses Kostenverteilungssystem im funktionierenden Markt relevant, nicht jedoch in Fällen der Störung desselben. Wenn aber schon im Kostenverteilungssystem unter den Systembetreibern wesentlich auf die landesweiten Marktanteile und nicht auf diejenigen im konkreten Erfassungsgebiet abgestellt wird, ist es nicht zu beanstanden, wenn auch der Antragsgegner dieses Kriterium bei der Bestimmung der Höhe der Sicherheit und nicht die bei einer Leistungsstörung eines Systembetreibers eigentlich relevante Kostenverantwortung dieses Systembetreibers heranzieht oder die bei einer Leistungsstörung des Entsorgers eines Erfassungsgebiets relevanten Marktanteile der einzelnen Systeme in diesem Gebiet und die Kosten des einen hauptverantwortlichen Systembetreibers der Berechnung der Sicherheitsleistung zugrunde legt.
76Der Antragsgegner durfte bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung auf die Marktanteile des III. Quartals 2019 abstellen. Dabei handelt es sich um die im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zuletzt bekannten und von der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (im Folgenden: Zentrale Stelle) auf Grund der Planmengen festgestellten Marktanteile.
77Das VerpackG ordnet die Marktanteilsberechnung der Zentralen Stelle zu (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14, 15 und 16 VerpackG). Grundlage jeder Marktanteilsberechnung sind die Datenmeldungen der Systeme nach § 20 Abs. 1 VerpackG nach deren Prüfung durch die Zentrale Stelle gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 VerpackG. Bei der Prüfung werden unter anderem die „Gegenmeldungen“ der Hersteller nach § 10 VerpackG und die Vollständigkeitserklärungen nach § 11 VerpackG, soweit diese abgegeben werden, zum Abgleich herangezogen. Grundlage für die Berechnung, Feststellung und Veröffentlichung der den jeweiligen Systemen gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 VerpackG vierteljährlich zuzuordnenden Marktanteile an der Gesamtmenge der an allen Systemen beteiligten Verpackungen sind die Zwischenmeldungen der Systeme nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 VerpackG. Die Systeme müssen bis zum 15. Kalendertag des letzten Monats des jeweils laufenden Quartals die für das folgende Quartal erwartete Masse an beteiligten Verpackungen (aufgeschlüsselt nach Materialart und Masse der Verpackungen sowie zugeordnet nach Herstellern unter Angabe der jeweiligen Registrierungsnummer) gegenüber der Zentralen Stelle angeben (Zwischenmeldung). Welche Mengen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 VerpackG „erwartet“ sind, ist gesetzlich nicht definiert. Es handelt sich insoweit um Planmeldungen (BT-Drs 18/11274, S. 105), d.h. um die Meldung von Mengen, bezüglich derer die Systeme aufgrund von Herstellermeldungen von einer Beteiligung im Folgequartal ausgehen. Nach ihrem Marktanteilsberechnungskonzept gibt die Zentrale Stelle Verpackungsregister die Marktanteile jeweils drei Tage vor Quartalsende bekannt.
78Vgl. Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister, Marktanteilsberechnung – Konzept – Stand: 25. Oktober 2018, abrufbar unter https://www.verpackungsregister.org/fileadmin/ files/Pruefleitlinien/Marktanteilsberechnung_Konzept.PDF, Abschnitt 4.1.
79Dass der Antragsgegner die Marktanteile nach den Planmengen des letzten Quartals vor dem Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids – hier: des III. Quartals 2019 – und nicht die Marktanteile nach den Ist-Mengen zu Grunde legt, ist nicht zu beanstanden. Die Ist-Mengen werden erst auf Grund der Angaben der Systeme zum 1. Juni des Folgejahres ermittelt und den einzelnen Systemen zugeordnet.
80Vgl. Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister, Marktanteilsberechnung – Konzept – Stand: 25. Oktober 2018, abrufbar unter https://www.verpackungsregister.org/fileadmin/ files/Pruefleitlinien/Marktanteilsberechnung_Konzept.PDF, Abschnitt 4.1.2.
81Während es vertretbar ist, für die Gesamtmenge als verlässliche Kenngröße die Menge des vorangegangenen Kalenderjahres heranzuziehen, begegnet es angesichts der auch von der Antragstellerin angesprochenen Volatilität des Markts die unterjährig gemeldeten Planmengen zur Ermittlung der Marktanteile zu Grunde zu legen. Hingegen war der Antragsgegner nicht gehalten, die so ermittelten Marktanteile in kurzen Zeitabständen, mitunter quartalsweise, zu aktualisieren. Gewisse Abweichungen von den tatsächlichen Marktanteilen oder späteren Veränderungen sind hinzunehmen. Weil in dieser Hinsicht der Zweck des § 18 Abs. 4 VerpackG, eine effektive und möglichst realitätsnahe Sicherheitsleistung, nicht verfehlt wird, hat das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO keine Zweckmäßigkeitskontrolle durchzuführen. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob eine entsprechende Dynamisierung rechtlich und bescheidtechnisch ohne Weiteres „automatisierbar“ wäre. Unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität spricht Überwiegendes dafür, die Berechnung im Jahresturnus zu aktualisieren. Zudem dient eine Sicherheitsleistung nicht dazu, gewissermaßen tagesaktuelle Kosten und Erlöse abzubilden.
82Vgl. VG Köln, Beschluss vom 19. März 2012 – 13 L 57/12 – n.v., Beschlussabdruck, S. 6.
83Zutreffend verweist der Antragsgegner darauf, dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens und Gesichtspunkte der Verwaltungspraktikabilität dagegen sprechen, die Höhe der Sicherheitsleistung in solch kurzen Abständen zu aktualisieren. Im Licht des Gesetzeszwecks, die Erfassung von Leichtverpackungsabfällen abzusichern, ist es der Antragstellerin zumutbar, dass der Antragsgegner als verlässliche Datengrundlage die Abfallmengen des vorangegangenen Kalenderjahres zu Grunde legt.
84Es ist schließlich nicht zu beanstanden, dass als Schätzung der Marktanteile neuer Systembetreiber regelmäßig und auch vorliegend für die Systeme Q. H. und S. H. grundsätzlich ein Marktanteil von 2 % angenommen wird. Mangels belastbarer Daten ist es vertretbar, die Berechnung der Marktanteile durch eine pauschalierte Abschätzung zu korrigieren und die realistische Anpassung dieser Größe bei einer späteren Neufestsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung vorzunehmen. Schon im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung belastbare Anhaltspunkte, dass dieser Anteil – was sich zu Gunsten der Antragstellerin auswirken würde – tatsächlich höher läge, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere kommt es für den maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nicht darauf an – und kann bei summarischer Prüfung auch nicht nachvollzogen werden –, dass das System Q. im Jahr 2020 einen Marktanteil von 5 % durch Lizenzierung von % der Gesamtmenge der bei der M1. E. H. anfallenden Verpackungsabfälle erlangen sollte. Das im Verfahren beigefügte Schreiben der M1. E. H. vom 16. Dezember 2019 belegt diesen Zusammenhang nicht.
85Schließlich ist für das Gericht auch hinsichtlich der konkreten Dauer der Absicherung von einem Monat ein Ermessensfehler nicht erkennbar. Insbesondere handelt es sich nicht um einen unverhältnismäßig langen Zeitraum und damit nicht um eine Ermessensüberschreitung. Vielmehr hält sich der Antragsgegner hiermit im Rahmen seines Ermessensspielraumes. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass gerade im Falle von Zahlungsschwierigkeiten eines Systembetreibers eine Ersatzvornahme über einen längeren Zeitraum erforderlich werden kann, wobei ein Zeitraum von einem Monat sich zumindest noch innerhalb des Möglichen bewegt.
86Vgl. insoweit ebenso VG Stuttgart, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 14 K 2860/15 –, juris Rn. 102.
87Mit der Besicherung der Gesamterfassungsmenge wird, wie sich aus Seite 5 des angegriffenen Bescheids ergibt, ein sogenanntes worst-case-Szenario, der Totalausfall aller Systeme, zu Grunde gelegt.
88Bereits unter § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F. war es zum Schutz der Gebührenzahler zulässig, auf das worst-case-Szenario des Ausfalls aller Systeme abzustellen, um in einem solchen Extremfall die Erfassung und Verwertung der anfallenden Verpackungsabfälle durch Ersatzvornahme der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger aus den Mitteln der geleisteten Sicherheiten zu garantieren. Denn bereits die Vielzahl der beteiligten Akteure und die im Jahr 2014 aufgetretenen rechtlichen Differenzen zwischen den Systembetreibern, die dazu führten, dass ausweislich des Berichts des Bundeskartellamts vom 15. Juni 2015 (BT-Drucksache 18/5210, S. 85) die vollständige Bezahlung der bereits beauftragten Entsorgungsunternehmen zumindest für den Zeitraum von einem Monat zu scheitern drohte, lässt nicht den Schluss zu, dass es sich nur um ein theoretisches Szenario handelt.
89Ob die Erfassungsunternehmen (möglicherweise) aufgrund der bestehenden Verträge nicht zur Verweigerung der Leistung berechtigt sind, die Erstinverkehrbringer ihre Mengenanteile (möglicherweise) zeitnah bei anderen Systembetreibern lizenzieren oder die übrigen Systembetreiber die Zahlungen kurzfristig übernehmen würden, um nicht selbst die Flächendeckung zu verlieren, kann letztlich dahinstehen. Denn bereits die Vielzahl der beteiligten Akteure und die Vielzahl der rechtlichen bzw. tatsächlichen Möglichkeiten stützen eher die Annahme eines Risikos für eine Funktionsstörung bei der Abholung der in gelben Säcken oder Tonnen bereitgestellten Verkaufsverpackungen und lassen jedenfalls nicht den Schluss zu, dass die vom Antragsgegner getätigte Prognose nur rein theoretisch denkbar und damit der Zeitraum von einem Monat - wie von der Antragstellerin vorgetragen - unverhältnismäßig ist.
90Vgl. zu § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F.: VG Stuttgart, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 14 K 2860/15 –, juris Rn. 101, 103.
91Vor diesem Hintergrund entspricht die Zugrundelegung des worst-case-Szenarios gerade nach der Ausweitung der Sicherungstatbestände in § 18 Abs. 4 VerpackG dem Gesetzeszweck. Eine Prüfung, wie die zwischen den Systemen und den Entsorgungsunternehmen bestehenden Vertragsverhältnisse zivilrechtlich im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit eines worst-case-Szenarios oder des Ausmaßes des Sicherungsfalls zu bewerten sind, bedarf – zumal im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – keiner abschließenden zivilrechtlichen Bewertung. Insbesondere braucht nicht entschieden zu werden, ob die Annahme des Antragsgegners zutrifft, im Fall von Zahlungsschwierigkeiten oder der Insolvenz auch nur eines Systems würden die beauftragten Entsorgungsunternehmen ihre Erfassungsleistungen einstellen. Der Antragsgegner stützt sich für seine Annahme, dass ein solches Szenario drohe, auf
92Gaßner/Viezens, Schritte bei Insolvenz eines Systembetreibers, Gutachten vom 2. Mai 2014, S. 17-20, 21 ff.
93Danach entstünden wegen der Konstruktion der in einem Erfassungsgebiet aufein-ander bezogenen Erfassungs- und Miterfassungsverträge zwischen den Systemen und Erfassungsunternehmen ein Zurückbehaltungsrecht des Erfassungsunternehmens gegenüber allen Systemen, bis die übrigen Systeme einer Anpassung der Gestalt zustimmten, dass das Erfassungsunternehmen wieder 100 % seiner Leistung vergütet erhalte. Im Ergebnis seien Entsorgungsunternehmen als Auftragnehmer auf Grund von Erfassungs- bzw. Miterfassungsverträgen gegenüber auch nur einem System bei Anhaltspunkten für eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit wegen der Verflechtung der Erfassungs- und Miterfassungsverträge im Ergebnis berechtigt, gegenüber allen den Auftrag erteilenden Systemen zivilrechtliche Gestaltungsrechte geltend zu machen und die vertraglich vereinbarte Erfassung von Leichtverpackungen zu verweigern. Das gelte insbesondere, wenn ein System mit einem hohen Marktanteil ausfalle. Dass der Schaden im Zusammenhang mit der F1. -Insolvenz habe begrenzt werden können, habe insbesondere mit dem geringen Marktanteil der F1. zu tun gehabt. Wenn aber schon in einem Erfassungsgebiet dasjenige System die Leistung einstelle, das – als Ausschreibungsführer – die Hauptkostenverantwortung in diesem Gebiet habe, fehlten dem Entsorgungsunternehmen mehr als 50 % der Einnahmen. Eine Fortführung der Erfassungsleistungen sei dann nicht vorstellbar. Es bestehe auch das Risiko, dass wegen der vertraglichen Konstruktion der Abfallbeseitigung ein großer Entsorger seine Leistungen einstelle und damit in zahlreichen Erfassungsgebieten ein Sicherungsfall eintrete.
94Die sich in Verbindung mit dieser Rechtsauffassung stellenden und zwischen den Beteiligten im Einzelnen umstrittenen Fragen sind, soweit ersichtlich, bislang nicht für die vorliegende Fallkonstellation verbindlich entschieden worden. Ebensowenig, wie mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Rechtsauffassung des Antragsgegners zutrifft und sich die tatsächlichen Verhältnisse entsprechend entwickeln, kann mit der Antragstellerin angenommen werden, im Falle von Zahlungsschwierigkeiten bzw. Insolvenzen könne es schon aus Rechtsgründen zu keiner flächendeckenden Einstellung der Entsorgungsleistungen kommen. Die Antragstellerin verweist insoweit auch auf
95Bundeskartellamt, Sektoruntersuchung duale Systeme, Zwischenbilanz der Wettbewerbseröffnung, Bericht gemäß § 32e GWB – Dezember 2012, S. 50,
96wonach aus kartellbehördlicher Sicht ein Systemzusammenbruch auf realitätsfernen Annahmen beruhe, weil die etwaige Insolvenz eines oder mehrerer Systembetreiber eine ungleich geringere Gefahr für die Systemstabilität darstelle als die etwaige Insolvenz eines Monopolanbieters. Die Präsenz mehrerer Systemanbieter leiste somit tendenziell sogar einen positiven Beitrag zur Stabilität des Gesamtsystems. Dem stellt der Antragsgegner seine Sichtweise entgegen, dass im Zuge der F1. -Insolvenz das Clearing-System zur Ermittlung der Marktanteile – einer Voraussetzung für die Ermittlung und Festsetzung von Sicherheitsleistungen – gefährdet gewesen sei und zu Außenständen der Kommunen in Höhe von etwa vier Millionen Euro bei Mitbenutzungs- und Nebenentgelten geführt haben. Die Krise habe nur auf Grund der Tolerierung von Wettbewerbsbeschränkungen durch das Bundeskartellamt überwunden werden können. Die hingenommenen Wettbewerbsbeschränkungen bestanden darin, dass die Systeme nach Kündigung der Clearingverträge durch mehrere Systembetreiber in Ermangelung wettbewerbsneutraler Mengenmeldungen einmalig eine Vereinbarung über Markt- und Kostenanteile geschlossen hatten, um eine Unterdeckung des Entsorgungssystems zu vermeiden.
97Vgl. Bericht des Bundeskartellamts über seine Tätigkeit in den Jahren 2013/2014 sowie über die Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet, BT-Drs. 18/5210, S. 85, vgl. auch Schulze, Kartellrechtliche Fragen in Bezug auf Clearingverträge der dualen Systeme, AbfallR 2017, 286 (287).
98Diese Fragenkomplexe müssen nicht prognostisch abschließend dahin bewertet werden, mit welcher Sicherheit ein teilweiser oder vollständiger Ausfall der Systeme droht. Es genügt, dass ein solcher Ausfall auf Grund der Konstruktion der Entsorgung von Verpackungsabfällen im Bereich des Möglichen liegt. Jedenfalls führt die Insolvenz eines Systems zu Zahlungsausfällen im Verhältnis zwischen dem System und dem von ihm beauftragten Entsorgungsunternehmen. Eine Ungewissheit, ob ein solcher Fall flächendeckende Auswirkungen auf die Entsorgung von Verpackungsabfällen hat, kann nicht den Zufälligkeiten abfallwirtschaftlicher Marktmechanismen und dem Verhalten der Akteure überlassen werden.
99Die Antragstellerin kann dem von dem Antragsgegner zu Grunde gelegten worst-case-Szenario auch nicht entgegenhalten, es sei im Falle der F1. -Insolvenz weder überhaupt noch flächendeckend zu einer abzusichernden Ersatzvornahme gekommen, weil die anderen Systeme Unterstützungsleistungen in Gestalt einer freiwilligen Einzahlung von € in die Insolvenzmasse auf Grund der Massebeteiligungsvereinbarung vom 31. Mai 2018 erbracht hätten. Dieser Geschehensablauf im Einzelfall der F1. -Insolvenz bietet keine dauerhafte Gewähr dafür, dass nicht in künftigen, vergleichbaren Fällen insbesondere die sich aus § 14 Abs. 1 und 2 VerpackG ergebenden Verpflichtungen im Falle eines Systemausfalls zuverlässig erfüllt werden. Vielmehr verdeutlicht der Umstand, dass im Fall der F1. -Insolvenz ein Massebeteiligungsvertrag geschlossen wurde, den seinerzeit entstandenen Handlungsbedarf. Im Übrigen kann aus dem Einzelfall der F1. -Insolvenz keine gesicherte Prognose auf die Stabilität der dualen Systeme hergeleitet werden. Hinzu treten mit dem System der Clearing-Verträge im Zusammenhang stehende Finanzierungsrisiken.
100Besteht somit hinsichtlich komplexer rechtlicher und abfallwirtschaftlicher Fragen und deren Folgen eine erhebliche Unsicherheit, bedarf es einer Sicherheitsleistung, die den insoweit in Betracht kommenden Sicherungsfall wirksam abbildet. Ermessensgerecht ist daher vor dem Hintergrund des Zwecks des § 18 Abs. 4 VerpackG, insbesondere in Verbindung mit § 14 Abs. 1 und 2 VerpackG, die Absicherung eines umfassenden Systemausfalls.
101Die Kammer folgt vor diesem Hintergrund dem Urteil des VG Stuttgart zur alten Rechtslage, dessen Überlegungen auf die gleichbleibende und fortbestehende Problematik der Absicherung der Erfassung und Verwertung übertragen werden können:
102„Indem der Beklagte von den in Baden-Württemberg tätigen Systembetreibern eine Sicherheitsleistung verlangt, die in der Summe (in etwa) 100 % der laut der Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes in einem Monat anfallenden Kosten der Erfassung, Sortierung und Verwertung umfasst, legte er der Berechnung der Sicherheitsleistung ein Szenario zugrunde, wonach die in Baden-Württemberg tätigen Systembetreiber und die Entsorgungsunternehmen ihre Tätigkeit - zumindest für einen Zeitraum von einem Monat (vgl. hierzu unter 2.b.dd.) - in vollem Umfang einstellen. Hiermit stellte der Beklagte zulässigerweise zum Schutz der Gebührenzahler auf ein worst-case-Szenario ab. Dieses ist auch nicht derart unwahrscheinlich, dass ein Abstellen hierauf unverhältnismäßig wäre. Denn bereits die Vielzahl der beteiligten Akteure und die im Jahr 2014 aufgetretenen rechtlichen Differenzen zwischen den Systembetreibern, die dazu führten, dass ausweislich des Berichts des Bundeskartellamtes vom 15.06.2015 (BT-Drucksache 18/5210, S. 85) die vollständige Bezahlung der bereits beauftragten Entsorgungsunternehmen zu scheitern drohte, lassen - entgegen der Ansicht der Klägerin - zumindest für den Zeitraum von einem Monat nicht den Schluss zu, dass es sich nur um ein theoretisches Szenario handelt. Dies gilt umso mehr, als die Auseinandersetzungen zwischen den Systembetreibern um die Mengenmeldungen an die Clearingstelle - wie oben dargelegt - auch aktuell noch fortbestehen.“
103VG Stuttgart, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 14 K 2847/15 –, juris Rn. 101.
104Anpassungen des Verpackungsgesetzes, insbesondere § 9 VerpackG (Registrierungspflicht), § 10 VerpackG (Datenmeldungen) und § 20 VerpackG (Meldepflichten der dualen Systeme) beugen nicht dem vertretbar zu Grunde gelegten Szenario eines Ausfalls aller Systeme vor.
105Folgerichtig und rechnerisch richtig erfolgt die Berechnung der Sicherheitsleistung nach der tatsächlich von den Systembetreibern realisierten Sammelmenge, ausgewiesen in den Mengenstromnachweisen der Systembetreiber als materialbezogene Erfassungsmenge pro Kalenderjahr und Bundesland. Aus der Jahresabfallmenge hat der Antragsgegner die maximal mögliche Verpackungsmenge gebildet, die wegen des Verstoßes eines oder mehrerer Systembetreiber gegen die Pflicht zur flächendeckenden Abholung von dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger zu entsorgen sein könnte. Für das Land Nordrhein-Westfalen errechnet sich entsprechend seinem Anteil an dem in dem Kalenderjahr 2018 erfassten Leichtverpackungen eine Erfassungsmenge von 610.107,750 t, abzüglich 26.916 t, die auf die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger entfallen. Es verbleibt eine auf ganze Tonnen aufgerundete Menge von 583.191 t pro Jahr, was 48.599,25 t pro Monat entspricht. Bei Erfassungs- und Verwertungskosten von insgesamt 288 €/t ergeben sich 13.996.512 €. Bei einem Marktanteil der Antragstellerin von % entfällt auf diese ein Betrag von €, von dem als zu leistende Sicherheit nach Abzug der pauschaliert geschätzten Marktanteile in Höhe von 4 % für die beiden neu hinzugetretenen Systeme € für die Entsorgung der Fraktion Leichtverpackungen verbleiben.
106Die Festsetzung der Sicherheitsleistung ist in dieser Höhe verhältnismäßig.
107Sie ist geeignet, im Fall des Ausfalls einer oder mehrerer Systeme sicherzustellen, dass die Verpflichtungen der Systeme, insbesondere die vom gemischten Siedlungsabfall getrennte, flächendeckende Sammlung aller restentleerten Verpackungen bei den privaten Endverbrauchern (Holsystem) oder in deren Nähe (Bringsystem) oder durch eine Kombination beider Varianten in ausreichender Weise und für den privaten Endverbraucher unentgeltlich sicherzustellen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 VerpackG), kurzfristig von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern erfüllt werden, falls die von den Systemen beauftragten Entsorger wegen des Ausfalls der Vergütungen die Sammlung der Verpackungen ganz oder teilweise einstellen. Sie ist erforderlich, um diese Verpflichtungen zumindest während einer überschaubaren Übergangszeit sicherzustellen. Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin keine Vermögenswerte, etwa Geld oder Wertpapiere (§ 232 Abs. 1 Nr. 1 BGB) zu hinterlegen, sondern eine Bankbürgschaft beizubringen hat, steht die angeordnete Sicherheitsleistung nicht außer Verhältnis zu der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin. Denn der Betrag muss nicht sofort und real zur Verfügung gestellt werden, sondern sichert lediglich zu gegebener Zeit den Rückgriff auf einen Teil der gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG absicherbaren Kosten.
108Materiell rechtswidrig ist jedoch die Berechnung der Höhe der Sicherheitsleistung für die Mitbenutzungs- und Nebenentgelte. Sie ist ermessensfehlerhaft erfolgt.
109Der Antragsgegner darf die Neben- und Mitbenutzungsentgelte auf Grundlage einer plausiblen Schätzung berechnen. Dass er diesen Ansatz gewählt hat, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, weil, wie er ausführt, für das Jahr 2019 keine verlässlichen Orientierungswerte für Mitbenutzungs- und Nebenentgeltansprüche, die gemäß § 22 Abs. 3, 4 und 9 VerpackG in der seit dem 1. Januar 2019 geltenden Fassung nach den Vorgaben des Bundesgebührenrechts zu kalkulieren sind, vorlagen.
110Der Antragsgegner hat sich bei der Prognose über den Kostenausfall vertretbar an dem Zahlungsausfall während der Insolvenz der F1. orientiert. Damals ist dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger im Zeitraum eines halben Jahres ein unmittelbarer Schaden i.H.v. 4.000.000 € durch nicht gezahlte Mitbenutzungs- und Nebenentgelte entstanden. Die Sicherheitsleistung deckt den Fall ab, dass Zahlungsschwierigkeiten eines Systembetreibers einen längeren Zahlungsausfall erwarten lassen. Nach dem
111Arbeitspapier der länderoffenen Arbeitsgruppe „Festsetzung von Sicherheiten nach § 18 Abs. 4 VerpackG und Beibringung von Sicherheiten“, S. 7 f.,
112könnte ein Zeitraum von sechs Monaten für die Berechnung in Betracht kommen. Da die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vorleistungspflichtig sind, ergibt sich ein Sicherungsbedürfnis für den Vorleistungszeitraum. Der Zeitraum von drei Monaten entspricht dem üblichen Zahlungszeitraum für Mitbenutzungs- und Nebenentgelte und der Empfehlung, dass die Nebenentgelte auf Grund des Marktanteils der jeweiligen Systeme in einem Bundesland für den jeweils geltenden Abrechnungszeitraum berechnet werden.
113Für die Antragstellerin legt der Antragsgegner einen Marktanteil an diesen Entgelten in Höhe von % zu Grunde. Dieser Prozentsatz setzt sich zusammen aus dem nicht repräsentativ ermittelten Marktanteil der Antragstellerin für Neben- und Mitbenutzungsentgelte von % und dem auf die Antragstellerin entfallenden Anteil am bisher auf den auf das inzwischen eingestellte System der S1. H. entfallenden Marktanteil von %. Der Antragsgegner hat so einen zukünftig zu erwartenden Marktanteil der Antragstellerin von %, gebildet.
114Diesen Prozentanteil vermag das Gericht nicht abschließend nachzuvollziehen. Aus den Verwaltungsvorgängen ist nicht ersichtlich, wie der Wert ermittelt worden ist. Der per E-Mail vom 12. November 2019 übermittelte „Auszug aus einem Nebenentgeltschreiben“ genügt nicht zur Plausibilisierung. Der dort bezifferte Betrag von € entspricht nicht dem %igen Anteil der Antragstellerin an dem Gesamtbetrag von 10.299.474,00 €
115Zudem ist die Grundlage der Berechnung der durchschnittlichen Höhe der Neben- und Mitbenutzungsentgelte derzeit nicht plausibel. Der Antragsgegner geht von 1,30 €/Einwohner und Jahr an Nebenentgelten und 1,00 €/Einwohner und Jahr an Mitbenutzungsentgelten aus. Zur Ermittlung der Pauschalwerte hat der Antragsgegner bei 44 öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern die mit den Systembetreibern vereinbarten Nebenentgelte pro Jahr ermittelt. Im Hinblick auf die Mitbenutzungsentgelte hat er die Kosten der mit den Systembetreibern vereinbarten Entgelte pro Jahr für die Mitbenutzung der PPK-Erfassungsstruktur bei 22 öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern erfragt. Diese Werte wurden jeweils ins Verhältnis zur Einwohnerzahl des herangezogenen Erfassungsgebiets gesetzt, so dass sich ein Eurobetrag je Einwohner des jeweiligen Erfassungsgebiets ergab. Sodann wurde anhand dieser Daten der Durchschnitt der von diesen 22 bzw. 44 öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern erhobenen Mitbenutzungs- und Nebenentgelte berechnet. Bei den so ermittelten Werten von 1,23 € für Nebenentgelte und 1,04 € für Mitbenutzungsentgelte soll es sich um Entgelte je Einwohner aller Erfassungsgebiete handeln (vgl. Bl. 290 VV, 368 VV). Die Mitbenutzungsentgelte wurden auf 1,00 € ab- und die Nebenentgelte auf 1,30 € aufgerundet. Aus diesen Beträgen wurde unter Zugrundelegung von 17.912.134 Einwohnern im Land Nordrhein-Westfalen im Jahr 2017 ein Betrag von 23.285.774,00 € zur Absicherung der Nebenentgelte/Jahr und ein Betrag von 17.912.134,00 € zur Absicherung der Mitbenutzungsentgelte/Jahr errechnet. Der Antragsgegner setzte einen abzusichernden Zeitraum von drei Monaten an. Abzusichern war demnach auf Grundlage eines Jahresbetrags von 41.197.908,00 € ein Quartalsbetrag von insgesamt 10.299.477,00 €.
116Die Tatsachengrundlage dieser Schätzung ist nicht nachvollziehbar. Es begegnet erheblichen Bedenken, dass diese Werte eine realitätsnahe Abbildung der zu sichernden Mitbenutzungs- und Nebenentgelte darstellen.
117Der Antragsgegner argumentiert, dass der Rückgriff auf die noch unter dem zwischenzeitlich überholten § 6 Abs. 5 Satz 4 VerpackV a.F. berechneten Entgelte mangels verlässlicher Orientierungswerte für – die nach neuer Rechtslage berechneten – Mitbenutzungs- und Nebenentgeltansprüche gemäß § 22 Abs. 3, 4 und 9 VerpackG erfolgt ist. Gegen die Schätzung von Daten, die real noch nicht vorliegen, ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Wenn aber auf die früheren Entgelte zurückgegriffen wird, muss die Tatsachengrundlage nach den eingangs dargelegten Maßstäben im Wesentlichen vollständig und zutreffend sein.
118Vorliegend erscheint bereits die Auswahl der Berechnungsgrundlage nicht hinreichend repräsentativ. Während in der Berechnungsgrundlage zahlreiche nordrhein-westfälische Großstädte fehlen, sind zahlreiche kleinere kreisangehörige Gemeinden gelistet. Ausführungen in der Begründung des angegriffenen Bescheids, weshalb der Datenbestand dieser Gemeinden zugrunde gelegt wurde, fehlen. Die vom Antragsgegner behauptete Repräsentanz der Auswahl von einerseits 44, andererseits 22 öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern erschließt sich dem Gericht nicht. Die Auswahlkriterien sich weder dem Bescheid noch dem beigezogenen Verwaltungsvorgang zu entnehmen.
119Die vorgenommene rein rechnerische Ermittlung des Durchschnittswerts der Entgelte je Einwohner und ihre Hochrechnung auf das Land Nordrhein-Westfalen ist nicht mehr vertretbar.
120In die später auf die Einwohner des Landes hochgerechneten Durchschnittswerte der Entgelte je Einwohner sind die Durchschnittswerte des einzelnen Erfassungsgebiets mit gleichem Gewicht eingeflossen, obgleich ihnen aufgrund der in den Erfassungsgebieten divergierenden Einwohnerzahlen ein dem Verhältnis der Einwohnerzahlen entsprechendes Gewicht zukommen müsste, um einen repräsentativen Durchschnittswert der Entgeltkosten je Einwohner aller Erfassungsgebiete zu erhalten. Ohne Not hat sich der Antragsgegner durch die doppelte Durchschnittsbildung – einmal auf der Ebene der einzelnen Gemeinden und einmal bei der Gesamtbetrachtung aller Erfassungsgebiete – einer wesentlich realitätsnäheren Berechnung der tatsächlich abzusichernden Entgelte verschlossen. Ein Grund hierfür ist nicht ersichtlich, aber notwendig, um dem Sicherungszweck des § 18 Abs. 4 VerpackG zu genügen. Denn auf Grundlage der hier vorgenommenen Berechnung ist nicht auszuschließen, dass die doppelte Mittelung der herangezogenen Jahresentgelte pro Einwohner zu einer Verzerrung der insgesamt abzusichernden Entgelte führt, die entweder eine Untersicherung der Mitbenutzungs- und Nebenentgelte bewirkt und damit den Zweck des § 18 Abs. 4 VerpackG verfehlen würde, oder eine Übersicherung bewirkt, die die Grenzen des Ermessens zu Lasten der Antragstellerin überschreiten würde.
121Soweit die Sicherheitsleistung zur Absicherung der Kosten der Ersatzvornahme nach summarischer Prüfung voraussichtlich rechtmäßig festgesetzt worden ist, besteht ein besonderes öffentliches Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung. An der Verfügbarkeit der Sicherheitsleistung besteht ein hinreichend gewichtiges fiskalisches Interesse, weil sie die Finanzierbarkeit des Entsorgungssystems sicherstellen soll und damit der Gefahrenabwehr dient, ohne auf allgemeine öffentliche Mittel zurückgreifen zu müssen. Die sofortige Vollziehbarkeit dient damit dem Schutz der öffentlichen Hand und letztendlich der Gesamtheit der Gebührenzahler. Dass die Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung erst im November 2019 und somit etwa zehn Monate nach Inkrafttreten des § 18 Abs. 4 VerpackG erfolgt ist, steht der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nicht entgegen. Es ist offensichtlich, dass der Antragsgegner mit einer gewissen Übergangszeit die Anpassung an die neue, seit dem 1. Januar 2019 geltende Rechtslage vorgenommen hat, ohne dass ersichtlich ist, dass er grundlos mit der Festsetzung der Sicherheitsleistung zugewartet und mit der zunächst auf Grund des Bescheids vom 4. Januar 2016 fortgeltenden niedrigeren, nur die Fälle des § 6 Abs. 5 Satz 3 VerpackV a.F. abdeckenden Sicherheitsleistung eine Untersicherung der Entsorgung von Verpackungsabfällen hingenommen hätte. Ein Vertrauen der Antragstellerin, von einer höheren Sicherheitsleistung auf Dauer verschont zu bleiben, ist bei der vorliegenden Sachlage mit Sicherheit nicht schützenswert.
122Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
123Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Kammer bemisst die Bedeutung der behördlich verfügten Erhöhung der von einem Bankinstitut zu gewährleistenden Bürgschaftssumme im Wesentlichen nach den jährlichen Finanzierungsmehrkosten, die der Antragstellerin durch die Erhöhung der Bürgschaftssumme entstehen.
124So auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Januar 2020 – 10 S 1579/18 –, juris Rn. 2; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.12.2011 - OVG 11 S 62.11 - juris Rn. 17.
125Die Mehrkosten durch die Auferlegung einer Sicherheitsleistung liegen im Wesentlichen in den Bankkosten für die Bereitstellung der Sicherheit (hier in Gestalt einer Bürgschaft); denn durch die Beibringung der auferlegten Sicherheit wird lediglich verhindert, dass sich der Anlagenbetreiber (beispielsweise durch Insolvenz) seinen ihn ohnehin treffenden (mit der Bürgschaftssumme monetarisierten) Entsorgungspflichten entziehen kann, ohne dass ihm aber in der Höhe der Bürgschaftssumme zusätzliche (Zahlungs- oder Entsorgungs-)Pflichten auferlegt würden.
126VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Januar 2020 – 10 S 1579/18 –, juris Rn. 3.
127Die allgemeinen Kosten für einen Avalkredit betragen nach dem Vortrag der Antragstellerin 1 % p.a. Nach ihren Angaben hat sie bereits eine Bankbürgschaft über die mit Bescheid vom 4. Januar 2016 festgesetzte Summe von € beigebracht. Die Bürgschaftssumme kann sie gemäß den von ihr angegebenen Bedingungen ihrer Hausbank noch um € erhöhen. Die Kosten der Erhöhung sind mit € p.a. anzusetzen. Den Restbetrag in Höhe von € muss sie ihrem Vortrag gemäß in Bar hinterlegen. Hierfür veranschlagt die Antragstellerin Kosten in Höhe von 6 % p.a., mithin € p.a. Von der sich ergebenden Summe von € p.a. ist der dreifache Jahresbetrag anzusetzen (§ 52 Abs. 3 Satz 2 GKG), mithin 224.606,25 €. Dieser Wert war im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu halbieren.
128Rechtsmittelbelehrung:
129Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
130Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV), bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
131Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
132Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
133Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
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Referenzen
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- § 20 VerpackG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 6x
- § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14, 15 und 16 VerpackG 1x (nicht zugeordnet)
- 13 L 57/12 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 155 1x
- 9 K 5479/19 2x (nicht zugeordnet)
- § 11 VerpackG 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 Abs. 1 Satz 1 VerpackG 1x (nicht zugeordnet)
- 9 L 1960/19 2x (nicht zugeordnet)
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- 3 Kart 134/12 1x (nicht zugeordnet)
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- § 10 VerpackG 2x (nicht zugeordnet)
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- Urteil vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 14 K 2847/15 2x
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- BGB § 232 Arten 1x
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- GWB § 32e Untersuchungen einzelner Wirtschaftszweige und einzelner Arten von Vereinbarungen 1x
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