Gerichtsbescheid vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - 14 K 1031/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger war Geschäftsführer der Firma „C. Transport und Handelsgesellschaft mbH“ mit Sitz in Bochum. Mit Schreiben des Amtsgerichts D. vom 28. November 2019, ihm nach eigenen Angaben am 5. Dezember 2019 zugestellt, wurde der Kläger zu der beabsichtigten Löschung als Geschäftsführer aus dem Handelsregister angehört, da ihm aufgrund eines durch Strafbefehl abgeschlossenen Strafverfahrens wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung die Ausübung eines Gewerbes gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GmbHG untersagt worden sei. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, innerhalb einer gesetzten Frist einen neuen Geschäftsführer zu bestellen, anderenfalls werde die Gesellschaft aus dem Handelsregister gelöscht.
3Die Firma wurde vom Kläger am 13. Dezember 2019 beim Gewerberegister der Beklagten rückwirkend zum 31. Oktober 2019 abgemeldet.
4Die Gesellschaft war Halterin, unter anderen, zweier geschlossener Sattelanhänger mit den Fahrzeugidentifikationsnummern X. , amtl. Kennzeichen XX XX 000 und X1. , amtl. Kennzeichen XX XX 000, sowie eines Pkw mit der Fahrzeugidentifikationsnummer X2. , amtl. Kennzeichen XX XX 000.
5Am 11. Februar 2020 wurde der Beklagten durch die Anzeige der Haftpflichtversicherung gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt bekannt, dass der Versicherungsschutz für die oben genannten Fahrzeuge seit dem 8. Dezember 2019 erloschen war.
6Sie erließ daher am 11. Februar 2020 hinsichtlich jedes der drei Fahrzeuge jeweils eine an den Kläger adressierte Ordnungsverfügung, mit welcher sie den Betrieb der Fahrzeuge mit sofortiger Wirkung untersagte und den Kläger zur Abmeldung innerhalb von drei Tagen nach Zustellung aufforderte.
7In der Begründung führte sie jeweils aus, dass aufgrund der bestehenden Gefahr im Verzuge und dem öffentlichen Interesse von einer vorherigen Anhörung abgesehen worden sei. Nach ihren Feststellungen sei der Kläger der Verfügungsberechtigte über die Fahrzeuge. Gleichzeitig drohte sie die Festsetzung des unmittelbaren Zwangs in Gestalt der zwangsweisen Stilllegung des jeweiligen Fahrzeuges an und ordnete jeweils die sofortige Vollziehbarkeit der Ordnungsverfügung an. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die zwangsweise Stilllegung durch den Nachweis einer bestehenden Versicherung abgewendet werden könne.
8Die Ordnungsverfügungen wurden dem Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde jeweils am 13. Februar 2020 zugestellt.
9Da die Fahrzeuge weder abgemeldet noch ein bestehender Versicherungsschutz nachgewiesen wurde, setzte der Antragsgegner mit an den Kläger adressierten Ordnungsverfügungen vom 21. Februar 2020 die zwangsweise Stilllegung der Fahrzeuge fest.
10Die Festsetzungsverfügungen wurden dem Kläger am 25. Februar 2020 durch den Außendienst der Beklagten in den Wohnungsbriefkasten geworfen, da er zunächst nicht angetroffen wurde. Nachdem der Kläger vom Außendienst danach noch angetroffen wurde, erklärte er, er sei nicht zuständig und über die Fahrzeuge wolle er nicht mit den Mitarbeitern des Außendienstes sprechen.
11Am 25. Februar 2020 wurde der Sattelanhänger mit dem amtl. Kennzeichen XX XX 000 durch den Außendienst der Beklagten zwangsweise stillgelegt, die Kennzeichen entstempelt und das Fahrzeug von Amts wegen abgemeldet.
12Der Kläger hat am 13. März 2020 Klage gegen die Ordnungsverfügungen der Beklagten vom 11. Februar 2020 und die Zwangsmittelfestsetzungen vom 21. Februar 2020 bezüglich der drei zuvor genannten Fahrzeuge erhoben Gleichzeitig hat er einen Antrag auf Wiederherstellung, bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gestellt, der mit Beschluss vom 8. Juni 2020 - 14 L 365/20 - abgelehnt wurde.
13Er macht geltend, die Fahrzeuge befänden sich nicht im Eigentum der Firma „C. Transport und Handelsgesellschaft mbH“, deren ehemaliger Geschäftsführer er gewesen sei. Sie seien nur angemietet und auf die Firma zugelassen gewesen. Da er nicht mehr berechtigt sei, als verantwortlicher Geschäftsführer zu handeln, werde ihm objektiv Unmögliches abverlangt.
14Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
15die Ordnungsverfügungen der Beklagten vom 11. Februar 2020 betreffend die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen XX XX 000, XX XX 000 und XX XX 000 und die Festsetzungsverfügungen vom 21. Februar 2020 bezüglich dieser drei Fahrzeuge aufzuheben.
16Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
17die Klage abzuweisen.
18Hinsichtlich des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX 000 sei die Klage bereits unzulässig, da die zwangsweise Stilllegung bereits erfolgt sei. Die streitgegenständliche Ordnungsverfügung habe sich insoweit durch die Entstempelung des Kennzeichens und die Abmeldung des Fahrzeuges erledigt.
19Hinsichtlich der anderen beiden Fahrzeuge sei die Klage unbegründet. Die Firma „C. Transport und Handelsgesellschaft mbH“ sei als Halterin der Fahrzeuge eingetragen. Der Kläger sei Inhaber und Geschäftsführer dieser Gesellschaft gewesen. Die Firma sei bei der Gewerbeabteilung abgemeldet und es sei davon auszugehen, dass die GmbH auch im Handelsregister gelöscht worden sei. Die Gesellschaft sei daher zum Zeitpunkt der Ordnungsverfügung nicht mehr existent gewesen und habe deshalb nicht mehr in Anspruch genommen werden können. Die Beklagte habe demnach nur noch den Kläger persönlich, als ehemaligen gesetzlichen Vertreter der Halterin und als Nutzer der Fahrzeuge in Anspruch nehmen können. Der ehemalige Geschäftsführer der Firma sei in der Lage, entweder die Kennzeichenschilder zur Außerbetriebsetzung der Fahrzeuge vorzulegen oder aber Auskunft zum Verbleib der Zulassungsbescheinigungen und Kennzeichenschilder zu erteilen. Die Beklagte habe sich daher an den Kläger wenden müssen, weil anderenfalls der Zweck des § 25 Abs. 4 der Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) nicht hätte erreicht werden können.
20Im Übrigen nimmt sie Bezug auf die streitgegenständlichen Ordnungsverfügungen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten Hefte 1-3).
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
23Soweit die Ordnungsverfügung und die Zwangsmittelfestsetzung hinsichtlich des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen XX XX 000 Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, ist die Klage unzulässig geworden, da sich sowohl die Ordnungsverfügung, als auch die Zwangsmittelfestsetzung gemäß § 43 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW (VwVfG) erledigt haben und damit wirkungslos sind.
24Der auf die Aufhebung dieser Verfügungen gerichtete Antrag geht somit ins Leere, so dass das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Klage insoweit entfallen ist.
25Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
26Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 4 FZV, auf den die Ordnungsverfügungen vom 11. Februar 2020 gestützt sind, liegen hier unstreitig vor, da der erforderliche Haftpflichtversicherungsschutz für die von den Ordnungsverfügungen erfassten Fahrzeuge nach der über das Kraftfahrtbundesamt an die Antragsgegnerin übermittelten Versicherungsmitteilung erloschen war. Dem ist der Kläger auch nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens im vorläufigen Rechtsschutz nicht entgegengetreten.
27Die Behörde hat in einem solchen Fall nicht zu prüfen, ob erneuter, oder anderweitiger Versicherungsschutz bestand, denn nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 4 FZV kommt es allein darauf an, dass die Zulassungsstelle eine Anzeige des Versicherers über das Nicht(fort)bestehen einer Versicherung erhält. In einem solchen Fall ist sie zu unverzüglichem Handeln verpflichtet. Dies dient dem Interesse aller Verkehrsteilnehmer daran, dass keine Kraftfahrzeuge am Straßenverkehr teilnehmen, die nicht über die erforderliche Haftpflichtversicherung verfügen.
28Da die Behörde zu unverzüglichem Handeln verpflichtet ist, konnte eine vorherige Anhörung gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG unterbleiben.
29Die Beklagte durfte die Maßnahme auch gegen den Kläger als den ehemaligen Gesellschafter und Geschäftsführer der als Halterin der Fahrzeuge im Fahrzeugregister geführten Firma „C. Transport und Handelsgesellschaft mbH“ nicht nur in seiner Eigenschaft als handelndes Organ der Gesellschaft, sondern ‑ nach deren Liquidation - auch persönlich richten.
30Diese Durchgriffsmöglichkeit folgt aus der Garantenstellung des Antragstellers für die Abwehr von Gefahren für den allgemeinen Straßenverkehr durch die nicht mehr ordnungsgemäß versicherten Fahrzeuge der (liquidierten) GmbH.
31Grundsätzlich trifft die Pflicht, für den ununterbrochenen Nachweis eines Versicherungsschutzes bei der Zulassungsstelle Sorge zu tragen, den Kraftfahrzeughalter, hier also die „C. Transport und Handelsgesellschaft mbH“ als juristische Person.
32Diese handelt durch ihren gesetzlichen Vertreter, in der Regel den Geschäftsführer. Die Gesellschaft ist nach den unwidersprochenen Feststellungen der Beklagten jedoch nicht mehr existent, so dass - unabhängig von dem den Kläger treffenden Betätigungsverbot - der Kläger nicht mehr als deren Geschäftsführer tätig sein kann.
33Die über die Liquidation der GmbH hinausgehende Verantwortlichkeit des Klägers folgt hier zum Einen aus der Verpflichtung der für die GmbH handelnden Organe auch bei der Abwicklung der Gesellschaft dafür zu sorgen, dass es nicht zu Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, etwa - wie hier - durch den Wegfall der Pflichthaftpflichtversicherung bei für den Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeugen, kommt.
34Zum Anderen folgt diese fortwirkende Verantwortlichkeit des Klägers aus der Bestimmung des § 13 Abs. 4 FZV und der darin geregelten Verpflichtung der Fahrzeughalterin, bzw. der für sie handelnden Organe, einen Halterwechsel umgehend der Zulassungsstelle zu melden.
35Diese Pflicht trifft bei juristischen Personen deren gesetzliche Vertreter, hier den Kläger als Geschäftsführer. Sie besteht für den Kläger auch nach der gewerberechtlichen Abmeldung der Gesellschaft und deren offenbar erfolgter Löschung im Handelsregister fort.
36Auch wenn der Kläger aufgrund der Gewerbeuntersagung zwar möglicherweise nicht mehr selbst als Geschäftsführer tätig werden durfte um die Gesellschaft abzuwickeln, hätte es ihm zumindest oblegen einen neuen Geschäftsführer zu bestimmen, um die notwendigen Maßnahmen, wie z.B. die Abmeldung der Fahrzeuge bei Ablauf des Versicherungsschutzes, oder aber die Anzeige gegenüber der Zulassungsstelle über den Halterwechsel, zu gewährleisten.
37Solche Maßnahmen hat er jedoch offensichtlich unterlassen.
38Eine Person kann als Verhaltensstörer durch Unterlassen angesehen werden, wenn ihr eine Art Garantenstellung für den Schutz der Rechtsgüter obliegt. Nur in den Fällen des Unterlassens gefahrabwendender Maßnahmen trotz Garantenstellung wird durch den Inhaber der tatsächlichen Gewalt eine seine Verhaltensverantwortung begründende erhebliche Mitursache der Gefahr oder Störung gesetzt.
39Vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. März 2009 - 6 A 2130/08 -, m.w.N., juris
40Eine solche Garantenstellung im weiteren Sinne hat der Kläger als ehemaliger Geschäftsführer und Gesellschafter inne.
41Auch soweit der Kläger vorträgt, keine Verfügungsgewalt mehr über die Fahrzeuge zu haben, da diese an den Leasinggeber zurückgegeben worden seien, steht das seiner Inanspruchnahme nicht entgegen.
42Zwar würde durch eine solche, bislang lediglich unsubstantiiert behauptete aber nicht nachgewiesene, Rückgabe der Fahrzeuge sowohl die tatsächliche Verfügungsgewalt, als auch die wirtschaftliche Verantwortlichkeit der „C. Transport und Handelsgesellschaft mbH“ als der im Fahrzeugregister eingetragenen Halterin tatsächlich entfallen, sodass sie nicht mehr im Sinne des § 25 Abs. 4 FZV als Halterin der Fahrzeuge anzusehen wäre.
43Aufgrund der bislang bekannten Umstände, denen der Kläger nicht entgegengetreten ist, konnte die Beklagte aber nicht ausschließen, dass die Fahrzeuge sich tatsächlich noch im Besitz des Klägers befinden. Jedenfalls konnte die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger - wenn er nicht über die tatsächliche Verfügungsgewalt verfügt - zumindest in der Lage ist, Auskunft über den Verbleib der nicht mehr versicherten Fahrzeuge und der Zulassungsbescheinigung sowie der Fahrzeugkennzeichen zu geben. Auch wenn eine solche Auskunftserteilung - etwa durch die Aufforderung, eine Erklärung nach § 13 Abs. 4 FZV abzugeben - nicht ausdrücklich in den Ordnungsverfügungen erwähnt wurde, wäre es dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, eine solche, durch Unterlagen über die Rückgabe der Fahrzeuge oder notfalls eine eidesstattliche Versicherung substantiierte Auskunft als Austauschmittel im Sinne des § 21 Satz 2 Ordnungsbehördengesetz NRW (OBG) zu erteilen und dadurch der Ordnungsverfügung in ausreichendem Maße nachzukommen.
44Da der Kläger keine der oben genannten Verpflichtungen bislang erfüllt hat, bestehen auch gegen die Festsetzung des unmittelbaren Zwangs zur Stilllegung der Fahrzeuge durch Verfügungen vom 21. Februar 2020, keine rechtlichen Bedenken.
45Sowohl die Ordnungsverfügungen vom 11. Februar 2020 als auch die Festsetzungsverfügungen vom 21. Februar 2020 stellen sich auch als verhältnismäßiges Mittel dar. Ein gleich geeignetes, in die Rechtssphäre des Antragstellers weniger eingreifendes Mittel zur Abwehr der durch die fehlende Haftpflichtversicherung entstandene Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die öffentliche Sicherheit in Gestalt der allgemeinen Rechtsordnung ist nicht ersichtlich.
46Insbesondere die in § 13 Abs. 4 Satz 5 ff FZV vorgesehene Möglichkeit der Beklagten, die Zulassungsbescheinigung im Verkehrsblatt mit einer Frist von vier Wochen zur Vorlage bei ihr aufzubieten, wenn weder der bisherige Halter oder Eigentümer seiner Mitteilungspflicht über einen Halterwechsel nachkommt, oder das Fahrzeug nicht umgemeldet oder außer Betrieb gesetzt wird, scheidet vorliegend als Handlungsalternative aus. Denn die Beklagte ist hier eingeschritten, um die Gefahr durch die weggefallene Haftpflichtversicherung zu beseitigen. Insofern ist unverzügliches Handeln geboten, so dass ein Aufgebotsverfahren allein aufgrund der Zeitspanne, in der das Fahrzeug unversichert am Straßenverkehr teilnehmen könnte, bis die Abmeldung eintritt, ausscheidet.
47Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
48Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
- § 25 Abs. 4 FZV 2x (nicht zugeordnet)
- § 13 Abs. 4 Satz 5 ff FZV 1x (nicht zugeordnet)
- 14 L 365/20 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- VwVfG § 28 Anhörung Beteiligter 1x
- 6 A 2130/08 1x (nicht zugeordnet)
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- VwGO § 154 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- GmbHG § 6 Geschäftsführer 1x
- § 13 Abs. 4 FZV 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x