Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (3. Kammer) - 3 A 780/14 HGW

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um einen Ausbaubeitrag.

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Die Stadt Eggesin baute die Ortsdurchfahrt der Ueckermünder Straße (Landesstraße 28) in den Teileinrichtungen Gehweg und Beleuchtung aus. Im südlichen Bereich wird die ausgebaute Anlage durch ein förmlich festgesetztes Sanierungsgebiet begrenzt, im nördlichen Bereich durch das Ende der festgesetzten Ortsdurchfahrt. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks G1 mit einer Fläche von 5.979 Quadratmetern. Mit Bescheid vom 14. November 2013 setzte der Beklagte gegen den Kläger einen Ausbaubeitrag in Höhe von 870,10 Euro fest. Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2014 zurück.

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Am 5. September 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, sein Grundstück sei als gefangenes Hinterliegergrundstück nicht bevorteilt. Es verfüge über keine rechtlich gesicherte Zufahrt zur ausgebauten Anlage.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 14. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2014 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verteidigt die angefochtenen Bescheide. Dem Kläger werde die notwendige Zugangsmöglichkeit über das Flurstück G2 vermittelt, für das ein Notwegerecht bestehe. Zudem habe der Grundstückseigentümer die Hinterliegersituation selbst herbeigeführt, indem er in den 1990-er Jahren das vormalige Flurstück G3 geteilt und das an die Straße anliegende Flurstück G2 veräußert habe, ohne sich eine Zuwegung zu sichern.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V dürfen Kommunalabgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Die hier im Streit stehende Beitragserhebung findet in der Satzung der Stadt Eggesin über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 21. Dezember 2006 (nachfolgend: Straßenbaubeitragssatzung) eine genügende Rechtsgrundlage. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung bestehen nach jetziger Erkenntnis nicht. Entsprechende Rügen werden vom Kläger auch nicht erhoben.

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Auch die Rechtsanwendung im Einzelfall begegnet keinen Bedenken. Beitragsfähige Anlage bei einer durchlaufenden klassifizierten Straße wie hier sind nur die innerhalb der gemäß § 5 Abs. 2 StrWG M-V festgesetzten Ortsdurchfahrt gelegene Teileinrichtungen, die in der Straßenbaulast der Gemeinde liegen (VG Greifswald, Urt. v. 13.02.2012 – 3 A 1017/10 –, juris Rn. 27). Das sind im vorliegenden Fall der Gehweg und die Straßenbeleuchtung, die der Beklagte ausgebaut und abgerechnet hat. Eine Abschnittsbildung war zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auch im südlichen Bereich der Anlage nicht erforderlich, da die Grenzen des Sanierungsgebietes kraft Gesetzes einen Zwangsabschnitt entstehen lassen (VG Greifswald, Urt. v. 12.12.2013 – 3 A 552/11 –, juris Rn. 20, m.w.N.).

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Das Grundstück des Klägers ist auch zu Recht in den Vorteilsausgleich einbezogen worden. Es weist die erforderliche räumlich enge Beziehung zur ausgebauten Straße auf. Mit dem Begriff der Möglichkeit in § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V ist klargestellt, dass eine Beitragserhebung nur gerechtfertigt ist, wenn die Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage vom betreffenden Grundstück aus rechtlich und tatsächlich möglich und diese Möglichkeit hinreichend qualifiziert ist. Der durch den Straßenbaubeitrag abgegoltene Vorteil liegt in der dem Grundstück durch die Ausbaumaßnahme vermittelten verbesserten Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage (OVG Greifswald, Beschl. v. 16.12.2014 – 1 L 274/11 –, juris Rn. 12). Dabei kann auch sogenannten gefangenen Hinterliegergrundstücken, also solchen Grundstücken, die ausschließlich über die jeweils in Beziehung zur ausgebauten Anlage vorgelagerten Anliegergrundstücke eine Verbindung zum gemeindlichen Verkehrsnetz haben, eine vorteilsrelevante qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit vermittelt werden. Sie besteht in aller Regel dann, wenn von einem solchen Hinterliegergrundstück über ein Anliegergrundstück eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage besteht (OVG Greifswald, Urt. v. 05.11.2014 – 1 L 220/13 –, juris Rn. 33). Daher ist es erforderlich, dass die Verbindung des Hinterliegergrundstücks zur betreffenden Straße zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht rechtlich gesichert ist. Diese Sicherung kann regelmäßig durch eine Grunddienstbarkeit oder die Eintragung einer Baulast erfolgen. Die erforderliche Sicherung der Zugangsmöglichkeit kann aber auch durch ein Notwegerecht vermittelt werden (VG Greifswald, Urt. v. 26.07.2012 – 3 A 229/09 –, juris Rn. 23).

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Ein solches Notwegerecht besteht hier gemäß § 918 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift hat der Eigentümer desjenigen Teils, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden, wenn infolge der Veräußerung eines Teils des Grundstücks der veräußerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Weg abgeschnitten wird. Das ist vorliegend der Fall. Durch die Teilung des vormaligen Flurstückes G3 und die Veräußerung des Flurstücks G2 hat das in Anspruch genommene und beim Veräußerer verbliebene Grundstück seine Verbindung zur Ueckermünder Straße durch eine willkürliche Handlung (§ 917 BGB) des vormaligen Eigentümers verloren. Der Umstand, dass das klägerische Grundstück tatsächlich über die Flurstücke G4, G5, G6 und G7 erreicht werden kann, führt zu keiner anderen rechtlichen Betrachtung. Das kraft Gesetzes entstehende Notwegerecht will sicherstellen, dass ein Grundstück, bei dem bisher über das nunmehr veräußerte Grundstück eine Verbindung mit dem öffentlichen Weg tatsächlich und rechtlich möglich war, nicht verbindungslos wird und eine ordnungsgemäße Benutzung nicht mehr möglich wäre. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass ein Notwegerecht kraft Gesetzes dann nicht entsteht, wenn trotz des Eigentümerwechsels beim Anliegergrundstück das Hinterliegergrundstück dennoch weiterhin über eine (rechtlich dinglich gesicherte) Verbindung zu einem öffentlichen Weg verfügt (vgl. VGH München, Beschl. v. 28.08.2008 – 4 ZB 08.1071 –, juris Rn. 10). Fehlt es – wie hier – an dieser dauerhaften rechtlichen Sicherung, kann die Veräußerung den Erwerber nicht zu Lasten anderer Grundstücksnachbarn von dessen Duldungspflicht gemäß § 918 Abs. 2 BGB freistellen (BGH, Urt. v. 23.01.1970 – V ZR 2/67 –, juris Rn. 33). Dies rechtfertigt die Heranziehung des klägerischen Grundstücks zum Ausbaubeitrag.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 124, 124a VwGO bestehen nicht.

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