Beschluss vom Verwaltungsgericht Greifswald (11. Kammer) - 11 B 1033/19 HGW

Tenor

1. Die Verfahren 11 B 1033/19 HGW und 11 B 1460/19 HGW werden unter dem Aktenzeichen 11 B 1033/19 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2. Die Anträge auf Aussetzung der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung sowie auf Aussetzung der Anordnung auf Einbehalt der Dienstbezüge werden abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.

Gründe

I.

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Der Antragsteller wendet sich gegen die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Dienstbezügen durch den Antragsgegner.

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Der am 04.08.1975 in Neubrandenburg geborene Antragsteller ist Polizeioberkommissar (POK) beim Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern (LKA), ab dem 12.06.2019 war er zum Polizeipräsidium Rostock abgeordnet. Nach Abschluss seiner Polizeidienstausbildung war er in das Sondereinsatzkommando (SEK) übernommen worden und war dort zuletzt u.a. als Schießausbilder der Präzisionsschützen tätig. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder im Alter von 20 und 17 Jahren.

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Mit Verfügung vom 12.06.2019 leitete der Antragsgegner ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein und ordnete nach § 40 Landesdisziplinargesetz (LDG M-V) die vorläufige Dienstenthebung an. Zusammen mit der Zustellung dieser Maßnahmen am 13.06.2019 überreichte der Antragsgegner ein Schreiben zur vorläufigen Dienstenthebung und zur Einbehaltung von Dienstbezügen, mit dem ihm Gelegenheit zur Äußerung innerhalb von zwei Wochen gegeben wurde.

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Dem liegt der Vorwurf zugrunde, dass der Antragsteller ab April 2012 als damaliger SEK-Beamter zusammen unter anderem mit dem strafrechtlich gesondert Verfolgten G rechtswidrig Munition aus den Beständen des LKA M-V an sich nahm. Dafür habe er sich unter anderem vor Schießübungen deutlich mehr Munition, als tatsächlich verschossen werden sollte, aushändigen lassen; ein Teil der Munition habe dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG) unterlegen. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend hätte er bereits zur Zeit der Aushändigung die Absicht gehabt, einen Teil der Munition für sich zu bunkern und rechtswidrig an den Groß weiterzureichen. Die Übergabe sei dergestalt erfolgt, dass der Antragsteller – neben weiteren gesondert verfolgten SEK-Beamten – die Munition in einem Behältnis vor dem Haus des G deponiert habe. Der Antragsteller habe durch sein Verhalten gemeinschaftlich handelnd einen Betrug in einem besonders schweren Fall durch den Missbrauch seiner Befugnisse und seiner Stellung als Amtsträger begangen, §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 Strafgesetzbuch (StGB).

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Mit Verfügung vom 21.06.2019 setzte der Antragsgegner das Disziplinarverfahren gemäß § 24 Abs. 3 LDG M-V hinsichtlich der strafrechtlichen Ermittlungen im Verfahren der Staatsanwaltschaft B-Stadt (AZ. 133 Js 3328/18) aus.

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Am 04.07.2019 hat der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht gegen die vorläufige Dienstenthebung begehrt. Zur Begründung trägt er insbesondere vor, ihm sei nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden, eine Heilung sei im konkreten Fall nicht möglich gewesen. Die Vorwürfe eines Betruges sowie eines Verstoßes nach dem KrWaffKontrG seien nicht belegt, er sei vorverurteilt worden. Er habe keine Munition an G ausgehändigt. Es könnte nicht sämtliche Vorwürfe aus den strafrechtlichen Ermittlungen auch gegen Kollegen des Antragstellers zugleich diesen zugerechnet werden. Er habe keinerlei Anlass gegeben, die gedeihliche, der diese Richtung dienende Zusammenarbeit unmöglich erscheinen zu lassen. Die Vorwürfe lägen bereits mehrere Jahre zurück. Er habe keine Garantenstellung und habe die Nachrichten des G außerdienstlich erhalten. Er habe im Jahr 2016 noch nicht gewusst, dass der G nicht mehr aktiver SEK-Beamter gewesen sei, so dass er sich bei der an ihn gerichteten Anfrage des G, dass dieser „223 DK benötige“ (was auf Doppelkern-Munition im Kaliber 223 Bezug nimmt), nichts weiter gedacht habe. Erst im Nachhinein habe sich gezeigt, dass es richtig gewesen wäre, dem G von vornherein eine klare Absage zu erteilen. Er habe durch sein dienstliches Verhalten das Ansehen des SEK nicht beschädigt.

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Mit Bescheid vom 06.09.2019 sprach der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller die Einbehaltung von 40 % der monatlichen Dienstbezüge aus. Zur Begründung stützte er sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Rahmen der vorläufigen Dienstenthebung. Zur Höhe des Einbehalts zog er grundsätzlich die Angaben des Antragstellers heran, jedoch ließ er Aufwendungen für Strom, Telefon und Mitgliedsbeiträge außer Betracht, da sie vom Regelbedarf erfasst seien. Ebenso seien Kosten für eine Studienvorbereitung für ein Kind des Antragstellers nicht zu berücksichtigen, weil diese aufgrund des Studienbeginns nicht mehr anfielen, eine Steuervorauszahlung sei ebenso wenig zu berücksichtigen.

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Am 18.09.2019 hat der Antragsteller auch gegen die Einbehaltung von Dienstbezügen einstweiligen Rechtsschutz begehrt (11 B 1460/19 HGW). Es sei nicht nachzuvollziehen, dass die Vorwürfe gegen ihn weiterhin aufrechterhalten werden. Er habe keine Munition illegal an sich genommen, insbesondere keine, die dem KrWaffKontrG unterfiele. Er reicht darüber hinaus ergänzende Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ein.

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Der Antragsteller beantragt,

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1. die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung durch Bescheid vom 12.06.2019 sowie

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2. die Anordnung auf Einbehalt von 40 % der monatlichen Dienstbezüge durch Bescheid vom 06.09.2019 auszusetzen.

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Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

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die Anträge abzulehnen.

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Er führt ergänzend im Wesentlichen aus, aufgrund der sehr besonderen Lage / Situation sei es ihm nicht zuzumuten gewesen, eine Anhörung vor Verfügung der vorläufigen Dienstenthebung durchzuführen. Eine etwaige Verletzung von Verfahrensvorschriften sei gemäß § 45 Abs. 2 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG M-V) geheilt, hierfür spreche insbesondere die Möglichkeit des Dienstherrn, die vorläufige Dienstenthebung jederzeit ganz oder teilweise aufzuheben. Die vorläufige Dienstenthebung sei angezeigt, da ein Verbleib des Antragstellers im Dienst den Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtige. Dafür sei entscheidend, ob der Beamte die ihm vorgeworfenen Taten mit dem dienstlichen Inventar oder aus den dienstlichen Räumen heraus begangen habe. Eine gedeihliche, der Dienstverrichtung dienende Zusammenarbeit mit den Beamten sei vor diesem Hintergrund nicht möglich, insbesondere da er als SEK-Beamter besonderes Vertrauen genieße, welches über das in Polizeivollzugsbeamte gesetzte Vertrauen hinausgehe. Er habe gegen seine Pflicht verstoßen, sich durch sein Verhalten der Achtung und dem Vertrauen würdig zu erweisen, die sein Beruf als Polizeibeamter erfordere. Darüber hinaus habe der Gefahr einer Ansehensschädigung des LKA M-V begegnet werden müssen. Die vorläufige Dienstenthebung habe auch dazu gedient, den Beamten aus der „Schusslinie“ zu nehmen. Eine Abordnung sei hierfür nicht ausreichend, da er weiterhin in der Landespolizei eingesetzt wäre. Darüber hinaus habe der Antragsteller eine Dienstpflicht verletzt, indem er es unterließ, seinen Dienstvorgesetzten über die Anfrage des G zur Beschaffung von Doppelkern-Munition im Kaliber223 Rem. bzw. 5.56x45 Nato, welche dem KrWaffKontrG unterlägen, zu informieren.

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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen.

II.

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1. Die Verfahren 11 B 1033/19 HGW und 11 B 1460/19 HGW waren gemäß § 3 LDG M-V i.V.m. § 93 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden, da zwischen ihnen ein Sachzusammenhang besteht. Der Antragsteller wendet sich gegen zwei vom Antragsgegner kumulativ ausgesprochene Maßnahmen, die auf demselben Lebenssachverhalt beruhen.

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2. Die zulässigen Anträge sind unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung (a.) und der Einbehaltung der Dienstbezüge (b.), § 63 Abs. 2 LDG M-V.

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Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen liegen nur dann vor, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen der Anordnung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V erfüllt sind, (mindestens) ebenso groß ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung bestehen demnach nicht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (= mindestens 51 Prozent) für den Ausspruch der Höchstmaßnahme besteht (OVG Lüneburg, Beschl. v. 09.02.2018 – 3 ZD 10/17 –, juris, Rn. 24 und 28). So liegt der Fall hier; die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung der Dienstbezüge sind – nach der gebotenen summarischen Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhalts (OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 29) – formell und materiell rechtmäßig ergangen.

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a. Die vorläufige Dienstenthebung findet ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V. Danach kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde (§ 36 Absatz 2) einen Beamten gleichzeitig mit oder nach Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

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Die Anordnung erging formell rechtmäßig, insbesondere liegt ein Verstoß gegen eine Anhörungspflicht nicht (mehr) vor. Ein solches grundsätzliches Anhörungserfordernis folgt aus § 40 Abs. 1 Satz 3 LDG M-V i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG M-V. Die Möglichkeit der Entbehrlichkeit, rechtliches Gehör vor Erlass der Maßnahme zu gewähren, wird in der Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V selbst angedeutet, wenn ausgeführt wird, dass gleichzeitig mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens, und damit gegebenenfalls ebenfalls ohne vorherige Anhörung des Betroffenen, eine vorläufige Dienstenthebung in Betracht kommt; jedenfalls folgt eine solche Möglichkeit aus § 28 Abs. 2 und 3 VwVfG M-V. Dies kann jedoch dahinstehen, denn selbst wenn man von einer ursprünglich vor Maßnahmenerlass zu Unrecht unterbliebenen Anhörung ausgeht, wäre dieser Verfahrensmangel geheilt. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 VwVfG M-V kann die erforderliche Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit heilender Wirkung nachgeholt werden. Jedenfalls durch die Auseinandersetzung des Antragsgegners mit den gegen das Verbot vorgebrachten Argumenten im Rahmen des behördlichen als auch des gerichtlichen Antragsverfahrens wurde das in der Anhörungspflicht enthaltene Gebot gewahrt, ein etwaiges Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und – im Hinblick auf eine etwaige Abänderung der getroffenen Verfügung – in Erwägung zu ziehen (vgl. VG München, Beschl. v. 19.02.2019 – M 5 S 19.115 –, juris, Rn. 29). Aus § 40 Abs. 6 LDG M-V folgt, dass die zuständige Behörde die vorläufige Dienstenthebung jederzeit ganz oder teilweise aufheben kann. Gesetzessystematisch ergibt sich daraus die Heilungsmöglichkeit, den erst nach Erlass der Maßnahme eingehenden Vortrag des Beamten zu berücksichtigen und darauf mit der Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung zu reagieren.

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Die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung ist materiell rechtmäßig, die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V liegen vor. Die Anordnung erging taggleich mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens am 12.06.2019, eine Zustellung oder Bekanntgabe der Einleitungsverfügung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung des Disziplinarverfahrens.

22

Mit der Entfernung des Antragsstellers aus dem Beamtenverhältnis ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei summarischer Prüfung des bekannten Sachverhalts zu rechnen. Der bekannte Sachverhalt macht den Ausspruch der Höchstmaßnahme und damit einen endgültigen Vertrauensverlust überwiegend wahrscheinlich. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der dem Beamten gemachte Vorwurf des Betruges im besonders schweren Fall einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, § 263 Abs. 1 und 3 Nr. 4 StGB. Eine konkrete Straferwartung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bewegt sich insoweit ohne Weiteres im Rahmen des Erwartbaren. Für die Prognoseentscheidung reicht bereits der Verdacht aus, ein Dienstvergehen begangen zu haben, das eine strafgerichtliche Verurteilung erwarten lässt, die zu einer Beendigung des Beamtenverhältnisses kraft Gesetzes führt, wie es gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG bei einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vorgesehen ist. Dies macht Maßnahmen nach § 40 LDG M-V (erst recht) zulässig (vgl. Hummel/ Köhler/ Mayer/ Baunack, BDG, 6. Auflage, § 38 Rn. 3 m.w.N).

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Bei der Gesamtwürdigung sind ebenso die Umstände zu berücksichtigen, die darüber hinaus für sich genommen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Neben dem Aspekt der fehlenden Sorgfalt im Umgang mit Waffen und Munition verletzt der Antragsteller seine beamtenrechtliche Treuepflicht gegenüber seinem Dienstherrn. Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG müssen Beamtinnen und Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG muss ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern. Daran fehlt es, wenn ein Polizeibeamter dienstliche Munition mit der Absicht rechtswidriger Weitergabe erwirbt; die Schwere eines Dienstvergehens von Berufswaffenträgern im Umgang mit Munition und Waffen rechtfertigt eine Ahndung mit einer gehörigen Disziplinarmaßnahme mit Außenwirkung (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 10.10.2013 – 10 L 4/13 –, juris, Rn. 57). Daran fehlt es ebenso, wenn sich ein Beamter augenscheinlich mittäterschaftlich von dieser rechtsstaatlichen Grundordnung lossagen und für den Tag vorbereiten will, an dem er diese Grundordnung nicht mehr gewährleisten, sondern zum Einsatz gegen diese gewappnet sein will.

24

Ein solcher Sachverhalt – in Bezug auf eine strafrechtliche Verurteilung wegen Betruges zum Nachteil des Dienstherrn einerseits, in Bezug auf die Beteiligung an Maßnahmen zur Abkehr von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung andererseits – ist zur Überzeugung des Gerichts überwiegend wahrscheinlich. Der Antragsteller unterstützte den G in seinem entsprechenden Ansinnen. In Bezug auf die strafrechtlich und disziplinarrechtlich relevanten Verfehlungen des G wird Bezug genommen auf den Beschluss der Kammer vom 02.07.2019 (11 B 436/19 HGW). Aber auch unabhängig jener Feststellungen hat die Kammer keine Zweifel an einer eigenständig zu bewertenden Tatbeteiligung des Antragstellers. Ausweislich der Aktenlage kommunizierte der Antragsteller mit dem G. Letzterer teilte ihm am 24.03.2016 mit: „Benötige 223 DK." Der Antragsteller antwortete darauf hin, dass er diese erst mal selber benötigen würde, sich aber darum kümmern wolle. Am 19.04.2016 fragte G nach dem Sachstand, woraufhin der Antragsteller mitteilte, dass es am Donnerstag, dem 21.04.2016 „klappen würde“ und erfragte die Größenordnung der Munition, woraufhin der G „alles was geht“ mitteilte. Der Antragsteller war am 21.04.2016 dienstlich zu Schießübungen eingeteilt. Am 28.04.2016 fragte der G beim Antragsteller nach: „Warst erfolgreich?“

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Unter diesem Sachverhalt drängt es sich zur Überzeugung der Kammer auf, dass der Antragsteller bewusst und gewollt dem G dienstliche Munition verschaffen wollte und schuldhaft ein schwerwiegendes Dienstvergehen beging. Der Sachverhalt ist weder substantiiert widerlegt noch denklogisch ausgeschlossen. Die Ausführungen des Antragstellers erscheinen eher als verfahrensbezogener Rechtfertigungsversuch denn als nachvollziehbare und in sich schlüssige Sachverhaltsalternative. Sein sinngemäßer Vortrag, er habe dem G lediglich dienstlich Munition auf dessen Anfrage zukommen lassen wollen, denn er habe nicht gewusst, dass dieser kein aktiver SEK-Beamter mehr sei (vgl. z.B. Bl. 34 Bd. II d.A.), erscheint lebensfremd. Es stellt sich schon die Frage, warum der Antragsteller überhaupt der Ansicht gewesen sein könnte, dem G Munition besorgen zu müssen und zu dürfen, wenn dieser selbst dienstlich befugt bzw. in der Lage gewesen wäre, Munition für dienstlich veranlasste Schießübungen zu erhalten. Dies umso mehr, da die konkrete Anfrage des G nicht nur lediglich einmalig beispielsweise im Zuge einer konkreten Schießübung erfolgte, sondern sich über einen längeren Zeitraum erstreckte und mit mehreren Nachfragen verbunden war. Dies spricht eher für ein tatplanmäßiges Vorgehen der Beteiligten, ein bloßes kollegiales Aushelfen mit Dienstbezug kann darin keinesfalls gesehen werden. Darüber hinaus bleibt es inhaltsleer, was der Antragsteller mit seiner Äußerung, er würde die Munition erstmal selber benötigen und dass es am 21.04.2016, einem Tag, an dem er dienstlich zu Schießübungen eingeteilt war, klappen würde und nach der Anzahl der zu besorgenden Munition nachfragte, wenn er doch dem Kollegen lediglich dienstlich aushelfen wollte; der G hätte sich zwischenzeitlich doch längst selbst um die Munition kümmern können, wenn er sie denn auf legalem Dienstwege erhalten hätte wollen und dürfen. Darüber hinaus ist ohnehin fraglich und erschließt sich jedenfalls nicht ohne Weiteres, ob der Antragsteller befugt gewesen wäre, Munition für Kollegen in Empfang zu nehmen und an diese zum Verbrauch weiterzuleiten. Seine weitergehende Aussage, dass er sich sodann noch am 28.04.2016 mündlich gegenüber dem G geäußert und die Munitionsbeschaffung abgesagt habe (Bl. 11 Bd. II d.A.), erscheint ebenso als bloße Schutzbehauptung. Es erschließt sich nicht, warum er zunächst schriftlich dem Ansinnen des G augenscheinlich entsprechen wollte, aber im Ergebnis dann doch mündlich abgesagt haben will, ohne dass sich eine Absage in der dokumentierten Kommunikation zwischen den Beteiligten auch nur ansatzweise ergibt. Die Einlassung des Antragstellers als wahr unterstellt, wäre sie in sich widersprüchlich, denn es wäre aus seiner Sicht kein Grund ersichtlich, warum er dem G damals dann doch nicht mehr dienstlich aushelfen wollte. Nach seinem jetzigen Vortrag war das Aushelfen die Grundlage für sein Verhalten, es ist kein Umstand erkennbar, warum er damals von seinem in seinen Augen nicht zu beanstandenden Verhalten abgerückt sein sollte. Erst mit dem heutigen – also damals noch nicht vorhandenen – Wissen stellt sich sein Verhalten, sich nicht sofort, sondern erst in einem persönlichen Gespräch gegenüber dem G positioniert zu haben, nunmehr als nicht richtig dar (Bl. 34, 35 Bd. II d.A.).

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Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Ist die von der Norm vorausgesetzte Prognose sachlich gerechtfertigt, sind weitere Ermessenserwägungen regelmäßig nicht indiziert (OVG Lüneburg, Beschl. v. 09.02.2018 – 3 ZD 10/17 –, juris, Rn. 30). So auch hier, andere Maßnahmen, beispielsweise die erfolgte Abordnung zum Polizeipräsidium Rostock (Bl. 41 Bd. I d.A.) sind nicht (gleich) geeignet, auf die Verfehlungen des Antragstellers, die nicht ausschließlich tätigkeitsbezogen, sondern in dessen Person begründet sind, angemessen zu reagieren, denn ein anderes Tätigkeitsfeld trägt nicht dazu bei, auf die voraussichtliche Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu reagieren. Es handelt sich wie dargestellt um eine schwerwiegende Verfehlung.

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b. Rechtsgrundlage für die Anordnung der Einbehaltung von Dienstbezügen vom 06.09.2019 ist § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V. Danach kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde (§ 36 Absatz 2) anordnen, dass bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge des Beamten einbehalten werden, wenn die Voraussetzungen nach § 40 Absatz 1 Satz 1 vorliegen.

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Die Einbehaltung der Dienstbezüge ist formell rechtmäßig. Der Antragsteller wurde mit Schreiben vom 12.06.2019 angehört, mit Schreiben vom 25.06.2019 teilte er seine wirtschaftlichen Verhältnisse mit. Die nach § 41 Abs. 2 Satz 1, § 3 LDG M-V i.V.m. § 94 ff. VwVfG M-V erforderliche Zustellung wurde am 12.09.2019 bewirkt.

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Die Einbehaltung ist auch materiell rechtmäßig. Die erforderliche vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers erging zeitlich vorgelagert. Die Ermessensausübung des Antragsgegners ist nicht zu beanstanden. Insbesondere sind keine Umstände ersichtlich, die auf eine aus den verringerten Monatsbezügen zu schließende, dem Alimentationsgrundsatz widersprechende Existenzbedrohung des Antragstellers schließen ließen. Es verbleiben ausreichende finanzielle Mittel, um einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten, wobei zumutbare Einschränkungen des Lebensstandards durch den Betroffenen hinzunehmen sind (BVerwG, Beschl. v. 24.04.1980 – 1 DB 9/80 –, juris, Rn. 12 m.w.N.). Der Antragsteller hat keine durchgreifenden Argumente vorgetragen, die dies substanziell in Zweifel ziehen würden oder dass der verbleibende monatliche Betrag nicht ausreicht, um seine Lebensgrundlage in einem angemessenen Maße zu erhalten. Die Berechnung des Kürzungsbetrages durch den Antragsteller begegnet keinen Bedenken. Der Familie des Antragstellers steht insgesamt ein monatliches Nettoeinkommen von 5.171,17 € zur Verfügung. Auch unter Berücksichtigung des Gebots des hinreichenden Abstands des gekürzten Betrages gegenüber dem Regelsatz der Sozialhilfe (vgl. statt vieler OVG Magdeburg, Beschl. v. 23.11.2015 – 10 M 8/15 – juris, Rn. 9, nach dem das verbleibende Netto-Gehalt nach Abzug der berücksichtungsfähigen Aufwendungen um mindestens 15 % über dem sozialhilferechtlichen Regelbedarf zu liegen hat) ist der dem Antragsteller verbleibende Mehrwert nicht zu beanstanden. Nach Abzug der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen verbleibt insgesamt ein Mehrwert von 825,76 € und damit von ca. 58 Prozent des Regelbedarfs der Familie in Höhe von 1.408,- €. Dabei bleiben nachgereichte Belege der finanziellen Verhältnisse des Beamten grundsätzlich unberücksichtigt, sie machen die Berechnung durch den Dienstherrn nicht rückwirkend unzutreffend (vgl. Hummel/ Köhler/ Mayer/ Baunack, BDG, 6. Auflage, § 38 Rn. 9). So liegt der Fall hier, die vom Antragsteller nachgereichten Nachweise lassen die ursprüngliche Einbehaltung unberührt. Der Antragsgegner wies in der Einbehaltungsentscheidung bereits darauf hin, dass geänderte wirtschaftliche Verhältnisse (durch die Studienaufnahme eines Kindes des Antragstellers) von ihm in eigener Zuständigkeit berücksichtigt und die Berechnung des Einbehaltungsbetrages entsprechend angepasst werden wird (Bl. 110 d.BA II). Hierzu ist er entsprechend § 41 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 40 Abs. 6 LDG M-V auch berechtigt.

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c. Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

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Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, § 77 LDG M-V i.V.m. Anlage Gebührenverzeichnis.

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