Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (4. Kammer) - 4 A 289/16
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seine Anerkennung als Asylberechtigten, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung subsidiären Schutzes abgelehnt hat.
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Er wurde nach seinen Angaben am 12. März 1954 in Mogadischu als somalischer Staatsangehöriger geboren und gehört dem Clan der Hawiye und dem Sub-Clan Marsade an. Am 21. September 2015 stellte er einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 09. Juni 2016 gab er an, er habe sei Leben lang in Mogadischu gelebt und mangels Schulbesuchs und Berufsausbildung Aushilfstätigkeiten ausgeübt. Im Februar 2015 sei bei einer Auseinandersetzung zwischen Regierungstruppen und der Al-Shabaab sein Einfamilienhaus von einer Bombe getroffen und zerstört worden. Dabei seien seine 20jährige Tochter ums Leben gekommen und sein Sohn derart verletzt worden, dass dessen Nieren nicht mehr funktionieren. Er selbst sei am Bein verletzt worden. Mangels hinreichender Behandlungsmöglichkeit des Nierenversagens in Somalia habe er sein Grundstück verkauft und sei mit seinem Sohn ausgereist. Von seiner Ehefrau sei er im Januar 2015 geschieden worden. Diese lebe mit seinem anderen Sohn, der 13 Jahre alt sei, in Hargeisa. Weitere Verwandtschaft kenne er mit Ausnahme eines Neffen nicht. Er habe sich im Prinzip selbst aufgezogen und in keinem Kontakt zu anderen gestanden.
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Mit Bescheid vom 22. Juni 2016 lehnte das Bundesamt die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung subsidiären Schutzes ab und stellte zugleich das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Somalias fest. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Kläger mache keine die Asylberechtigung bzw. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigende Verfolgung geltend. Auch die Gewährung subsidiären Schutzes scheide aus, weil ihm kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 AsylG drohe. Es liege jedoch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der prekären Lage in Somalia und der Umstände, dass es sich bei ihm um einen älteren Mann ohne Schul- und Berufsausbildung und ohne nennenswertes Vermögen handele, im Falle der Rückkehr nach Somalia nicht in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten für sich und seinen Sohn ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren.
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Der Kläger hat am 13. Juli 2016 Klage erhoben und beruft sich auf sein Vorbringen in der Anhörung vor dem Bundesamt. Zudem verweist er auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Regensburg (RO 7 K 14.30492) und des Verwaltungsgerichts München (11 K 14.30842).
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seine Klage auf die Gewährung subsidiären Schutzes beschränkt.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Aufhebung der entgegenstehenden Regelung des Bescheids des Bundesamts vom 22. Juni 2016 als subsidiär Schutzberechtigten anzuerkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
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Im Übrigen hat die Klage Erfolg.
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Der Kläger hat in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes. Der dies ablehnende Bescheid des Bundesamts vom 22. Juni 2016 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
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Nach den §§ 4 Abs. 3, 3c AsylG kann die die Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Dabei beinhaltet „erwiesenermaßen" keine Übertragung der Beweislast auf den Antragsteller, sondern bedeutet lediglich, dass es dem Antragsteller obliegt, die allgemein bekannten oder in seiner Sphäre liegenden Tatsachen und Fakten aufzuzeigen, aus denen sich die Schutzunwilligkeit der genannten Akteure ergibt.
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Gemäß §§ 4 Abs. 3, 3e Abs. 1 AsylG wird einem Ausländer subsidiärer Schutz nicht gewährt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht oder er Zugang zu Schutz vor einem ernsthaften Schaden nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (interner Schutz).
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Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht, wenn dem Ausländer ein solcher aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dieser Prüfungsmaßstab folgt aus dem Tatbestandsmerkmal „…tatsächlich Gefahr liefe …“ in Art. 2 Buchstabe f der Richtlinie 2011/95/EU (vormals Art. 2 Buchstabe e der Richtlinie 2004/83/EG). Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser stellt bei einer Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – BVerwG 10 C 5.09 – Juris Rn.18 ff., Urteil vom 17. November 2011 – BVerwG 10 C 13/10 – Juris Rn 20, jeweils mit Verweis auf EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 – Nr. 37201/06, Saadi/Italien – NVwZ 2008, 1330).
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Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für die Gefahr eines ernsthaften Schadens sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für einen ernsthaften Schaden gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit eines ernsthaften Schadens nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ eines ernsthaften Schadens, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für einen ernsthaften Schaden besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer ein drohender ernsthafter Schaden erscheint, desto unmittelbarer steht er bevor. Je schwerer der befürchtete Schaden ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht.
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Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit – wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt – eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
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Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG vorliegt. Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – BVerwG 10 C 5.09 – Juris Rn. 23 zu Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG).
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Es obliegt dem Asylbewerber, die Gründe für das Verlassen seiner Heimat schlüssig darzulegen. Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung ein ernsthafter Schaden droht. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinem persönlichen Schicksal eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1989 – BVerwG 9 B 405.89 – Juris Rn. 8; OVG Münster, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A – Juris Rn. 33).
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Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG droht.
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Die Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685; im Folgenden: EMRK) zu orientieren (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – BVerwG 10 C 15.12 – Juris Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.).
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Diese Norm bestimmt, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. Eine Behandlung ist unmenschlich, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives psychisches oder physisches Leid verursacht hat. Erniedrigend ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen (EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 (M.S.S./Belgien und Griechenland) – NVwZ 2011, 413 Rn. 220). In beiden Fällen muss die Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie in einigen Fällen auch vom Geschlecht, dem Alter und dem Gesundheitszustand der betroffenen Person ab (EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 – 30696/09 (M.S.S./ Belgien und Griechenland) – NVwZ 2011, 413 Rn. 219, und vom 28. Juni 2011 – 8319/07 u.a. (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich) – NVwZ 2012, 681, Rn. 213).
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Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung begründen. Das ist aber grundsätzlich nur in ganz außergewöhnlichen Fällen möglich, wenn die humanitären Gründe gegen eine Abschiebung „zwingend" sind. Soweit die schlechte humanitäre Lage nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen, sondern überwiegend auf direkte oder indirekte Aktionen von Konfliktparteien zurückzuführen ist, ist allerdings zudem Fähigkeit der betroffenen Person zu berücksichtigen, für ihre Grundbedürfnisse – Nahrung, Hygiene, Unterkunft – zu sorgen, sowie ihre Anfälligkeit für Misshandlungen und ihre Aussicht, dass sich ihre Lage in angemessener Zeit bessert (EGMR, Urteile vom 27. Mai 2008 – 26565/05 – NVwZ 2008, 1334, Rn. 42 ff., und vom 28. Juni 2011 – 8319/07 u.a. – NVwZ 2012, 681, Rn. 278 ff.; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – BVerwG 10 C 15.12 – Juris Rn. 25).
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Nach diesen Maßgaben droht dem Kläger im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsort Mogadischu wegen der vorherrschenden schlechten humanitären Verhältnisse eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Zum einen ist die schlechte humanitäre Lage überwiegend auf direkte oder indirekte Aktionen von Konfliktparteien zurückzuführen. Zum anderen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger in der Lage sein wird, für seine Grundbedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu sorgen.
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Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- bzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete befinden sich teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon seit längerer Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al-Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al-Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 07. März 2018 – Stand: Januar 2018, S. 4 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 12. Januar 2018, S. 12 ff., 17 ff.; amnesty international, Unsustainable returns of refugees to Somalia, 2017, S. 9 ff.). Zudem kontrolliert Al Shabaab weiterhin wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierungskräften Blockaden aufrecht. Durch Guerilla-Aktivitäten isoliert Al Shabaab mehrere Städte, die teils als Inseln im Gebiet der Gruppe aufscheinen. AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS (United Nations Support Office in Somalia) aus der Luft versorgt werden, da die Überlandrouten nicht ausreichend abgesichert sind. Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 12. Januar 2018, S. 18 f.).
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Diese Konflikte haben einen nachhaltigen negativen Einfluss auf die humanitäre Situation, wobei sich die Versorgungslage in Somalia auch so schon als dramatisch darstellt.
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Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia seit Jahrzehnten zum Land mit dem größten Bedarf an internationaler Nothilfe. Das Land ist also in hohem Grade von Hilfe abhängig. 43% der somalischen Bevölkerung leben in extremer Armut von weniger als einem US-Dollar pro Tag (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 12. Januar 2018, S. 117). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht gewährleistet. Es gibt keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe (AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 07. März 2018 – Stand: Januar 2018, S. 19). Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist von Nahrungsmittelknappheit, von Kindersterblichkeit und Unterernährung betroffen. Rund 60% des Viehbestands wurde vernichtet, wobei die Viehzucht das Haupteinkommen großer Bevölkerungsteile darstellt. Die Versorgungslage ist durch geringe Ernteerträge und Trockenperioden anhaltend schlecht. Aufgrund der schwierigen Sicherheitslage und Einschränkungen durch die Aktivitäten diverser Milizen, ist es für humanitäre Organisationen eine Herausforderung, benachteiligte Bevölkerungsteile zu erreichen. Zu Beginn des Jahres 2017 hatte sich die humanitäre Lage in Somalia nochmals mit alarmierender Geschwindigkeit verschlechtert. Der somalische Präsident hat am 28. Februar 2017 den nationalen Notstand ausgerufen und um verstärkte Hilfe der internationalen Gemeinschaft gebeten. Am 02. Februar 2017 wurde für Somalia eine Alarm-Erklärung hinsichtlich einer bevorstehenden Hungersnot („pre-famine alert“) ausgegeben. Zuletzt hat am 05. Dezember 2017 die Regierung von Puntland den Notstand ausgerufen und um Nahrungsmittel- und Wasserlieferungen gebeten (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 12. Januar 2018, S. 121 f.).
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Besonders prekär ist die Lage der Binnenvertriebene (IPDs) in Somalia, die zu Jahresbeginn 2017 ca. 1,1 Millionen betrug, davon schätzungsweise 400.000 Menschen in Mogadischu allein. Durch die Folgen der schweren aktuellen Dürre soll sich die Gesamtzahl der IDPs seitdem auf ca. 2,1 Mio. erhöht haben. Die Vertriebenen sind andauernden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, ihre besondere Schutzlosigkeit und Hilfsbedürftigkeit werden von allerlei nichtstaatlichen, aber auch staatlichen Stellen ausgenutzt und missbraucht. Schläge, Vergewaltigungen, Abzweigung von Nahrungsmittelhilfen, Bewegungseinschränkungen und Diskriminierung aufgrund von Clan- Zugehörigkeiten sind an der Tagesordnung. Rechtswidrige Zwangsräumungen, die Binnenvertriebene und die arme Stadtbevölkerung betrafen, sind nach wie vor ein großes Problem, insbesondere in Mogadischu, wo allein seit November 2016 mehr als 60.000 Menschen betroffen waren. Die Mehrheit der Vertriebenen zog in der Folge in entlegene und unsichere Außenbezirke von Mogadischu, wo es lediglich eine rudimentäre bzw. gar keine soziale Grundversorgung gibt und sie unter äußerst schlechten Bedingungen leben (AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 07. März 2018 – Stand: Januar 2018, S. 19; amnesty international, Unsustainable returns of refugees to Somalia, 2017, S. 12).
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Es besteht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Mogadischu nicht für seine Grundbedürfnisse sorgen und sein Existenzminimum sicherstellen könnte.
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Allerdings wurde 2015 ein Wirtschaftsaufschwung am Hafen Mogadischus registriert und wird Mogadischu im ostafrikanischen Raum – trotz aller Gefahren und Armutsrisiken – mittlerweile als „Boomtown“ angesehen (SpiegelOnline, Warlord City - The Business of Fear in Boomtown Mogadischu, 27.10.2017; The Guardian, Three tales of Mogadishu: violence, a booming economy … an now famine, 15.5.2017, jeweils zitiert nach Nds.OVG, Urteil vom 05. Dezember 2017 – 4 LB 50/16 – Juris Rn. 61). Dank der reduzierten Bedrohung durch Piraterie und die dadurch verbesserte Sicherheitslage interessieren sich immer mehr Investoren für Mogadischu. Es kann angenommen werden, dass es in Mogadischu viel mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt, als an anderen Orten Somalias. Der ökonomische Wiederaufbau verlangt sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften, als auch nach jungen Menschen ohne Bildung und Arbeitserfahrung. In der Stadt gibt es eine steigende Nachfrage an Hilfsarbeitern. Früher hatten die nicht Ausgebildeten größere Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. Mit der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung steigt aber auch die Nachfrage nach Dienstleistungen, z.B. nach Reinigungskräften oder anderer Hausarbeit (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 12. Januar 2018, S. 118 f.).
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Gleichwohl ist es für Somalier fast unmöglich, ohne ein familiäres Netzwerk ihre Grundbedürfnisse zu sichern. Dies gilt insbesondere für unfreiwillige Rückkehrer. Zwar zählen Unterstützung durch (Groß-) Familie und Clan weiterhin zu den wichtigsten Faktoren für Akzeptanz in der Gemeinschaft, Sicherheit und Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Unterkunft und Nahrung. Dabei gilt als allgemeine Regel, dass Somalier auch entfernte Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen unterstützen. Soweit Unterkunft und Nahrung betroffen sind, ist jedoch nicht der Clan, sondern die Familie der erste Ansprechpartner. Allerdings leistet die Groß- oder Kernfamilie in der Regel nur für einige Tage Unterstützung und kann nicht als langfristige Lösung für Lebensunterhalt oder Unterkunft angesehen werden. Nur wenn eine Person in einem Gebiet weder über enge Familienangehörige noch über andere Verwandte verfügt, kann der Clan um Hilfe gebeten werden. Allerdings wurde das Konzept der Clansolidarität in Süd-/Zentralsomalia angesichts der Dauer des dort herrschenden Konflikts überdehnt. Dementsprechend sehen sich viele Familien- und Clannetzwerke heute nicht mehr in der Lage, vertriebenen Verwandten zu helfen. Ohne familiäre Unterstützung laufen Rückkehrer daher Gefahr, sich in einem Lager für Binnenvertriebene wiederzufinden (EASO, Süd- und Zentralsomalia: Länderüberblick, August 2014, S. 126; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 12. Januar 2018, S. 128 f.; UNHCR, Position on Returns to Southern and Central Somalia (Update I), Mai 2016, S. 9).
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Der Kläger hat zwar sein ganzes Leben bis zur Ausreise in Mogadischu verbracht und kennt sich mit den dortigen Strukturen aus. Er gehört zudem einem Mehrheitsclan an. Indes unterstützen in Mogadischu die Clans ihre Mitglieder nicht mehr in wirtschaftlichen Fragen bzw. in Fragen des Lebensunterhalts. Dieser Verpflichtung kommt nur noch die Kernfamilie nach (EASO, Süd- und Zentralsomalia: Länderüberblick, August 2014, S. 60). Über eine Kern- oder Großfamilie verfügt der Kläger aber nicht. Zudem hat er, nachdem er sein Grundeigentum zur Finanzierung seiner Flucht veräußert hatte, auch keinerlei Vermögen. Auf Rimessen kann er ebenfalls nicht zugreifen. Darüber hinaus ist er bereits 64 Jahre alt und verfügt weder über eine Schul- noch eine Berufsausbildung. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden (so auch das Bundesamt im angegriffenen Bescheid), dass der Kläger in der Lage wäre, sich eine das Existenzminimum sichernde Lebensgrundlage selbst erwirtschaften zu können und seine Grundbedürfnisse in ausreichender Weise zu befriedigen. Das gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass mit der zunehmenden Sicherheit in Mogadischu auch aus anderen Teilen des Landes unausgebildete Arbeitskräfte auf der Suche nach Arbeit in die Hauptstadt gekommen und dementsprechend unqualifizierte Arbeitskräfte, bei denen es nur um physische Kraft geht (Bauwirtschaft, Hafenarbeiter etc.), in Mogadischu zahlreich verfügbar sind und junge Kandidaten bevorzugt werden (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 12. Januar 2018, S. 119).
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Eine interne Fluchtalternative (§§ 4 Abs. 3, 3e AsylG) besteht angesichts der beschriebenen Situation ebenfalls nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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