Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (1. Kammer) - 1 A 241/16 HAL

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Miniatur Bullterrier des Klägers namens Erna, geboren am 21. Oktober 2014, Chip-Nr. E, nicht als gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA gilt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Hündin des Klägers auf Grund ihrer Rassezugehörigkeit zum Miniatur Bullterrier ein gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA ist.

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Der Kläger ist Halter der am 21. Oktober 2014 geborenen Hündin der Rasse des Miniatur Bullterriers namens Erna. Die Hündin des Klägers verfügt über eine Ahnentafel, welche sie als reinrassige Miniatur Bullterrier Hündin ausweist. Zudem ist sie im zentralen Hunderegister der Beklagten als "Miniatur Bullterrier" (Chip-Nr. E) angemeldet.

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Mit Schreiben vom 19. Februar 2015 forderte die Beklagte den Kläger erstmalig auf, einen Nachweis über den Abschluss einer Haftpflichtversicherung und einen erfolgreich abgeschlossenen Wesenstest innerhalb von 6 Monaten für seine Hündin Erna vorzulegen, um ihre Sozialverträglichkeit nachzuweisen. Zur Begründung führte sie an, dass "der Miniatur Bull Terrier" keine eigenständige Rasse, sondern vielmehr eine Varietät der Rasse "Bullterrier" sei und dieser als Listenhund aufgrund des Gesetzes als gefährlich gelte. Daher seien für die Haltung eines "Miniatur Bull Terriers" die gleichen Maßstäbe anzulegen wie für einen Bullterrier.

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Mit Schreiben vom 25. Februar 2015 erhob der Kläger gegen das Schreiben vom 19. Februar 2015 Widerspruch und führte aus, das Verwaltungsgericht Halle habe bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (1 B 246/13 HAL) entschieden, dass der Miniatur Bullterrier kein gefährlicher Hund im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 GefHuG LSA a.F. sei. Damit unterfalle seine Hündin nicht dieser Vorschrift. Mit Schreiben vom 5. März 2015 übersandte der Kläger den Nachweis über den Abschluss einer Haftpflichtversicherung.

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Mit "Bescheid" vom 1. April 2016 forderte die Beklagte den Kläger auf, einen Wesenstest seines Hundes bis zum 15. Mai 2016 vorzulegen. Zur Begründung führte sie aus, mit § 3 Abs. 2 Sätze 2 – 4 HundeG LSA habe der Gesetzgeber nunmehr eine im Sinne der Rechtsprechung des OVG LSA hinreichend bestimmte landesgesetzliche Regelung getroffen, die im Gleichklang mit dem Bundesgesetzgeber den statischen Rückgriff auf die Rassestandards der FCI aus dem Jahr 2001 zulasse. Vor diesem Hintergrund bestehe ab dem 1. März 2016 auch kein Grund mehr, bei Hunden mit der Zuordnung zum "Miniatur Bullterrier"-Standard der FCI – mit einer Widerristhöhe von unter 35,5 cm – im Einzelfall von der Vollstreckung der erforderlichen Maßnahme abzusehen.

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Mit Schreiben vom 15. April 2016 erhob der Kläger gegen den "Bescheid" der Beklagten vom 1. April 2016 Widerspruch. Zur Begründung führte er an, man könne für die Erfassung des Phänotyps nicht allein auf das äußere Erscheinungsbild abstellen. Sein Hund verfüge über eine Ahnentafel und der besagte Genotyp seines Miniatur Bullterriers stehe fest. Zudem sei der statische Rückgriff auf den zum 9. Februar 2001 geltenden FCI-Standard allein nicht ausreichend, der den Miniatur Bullterrier als Varietät des Standard-Bullterriers ausweise. Vielmehr sei auf den in Deutschland für Rasseeinteilungen ebenfalls zuständigen Verband der deutschen Hundezüchter (VDH) abzustellen, welcher ausweislich zweier Schreiben bereits am 11.07.2000 von der Existenz einer eigenständigen Rasse des Miniatur Bullterriers ausgehe. Außerdem gehe der Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Einführung des neuen Hundegesetzes in Sachsen-Anhalt zum 1. März 2016 davon aus, dass vier Rassen – nämlich der Pitbull-Terrier, der American-Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier – zur Liste der gefährlichen Hunde zu zählen seien. Die Rasse des Miniatur-Bullterriers sei darin nicht konkret aufgeführt. Außerdem zeige die uneinheitliche Durchführung des Hundegesetzes in Sachsen-Anhalt, dass es scheinbar Rechtsunklarheit für die Behandlung des Miniatur Bullterriers gebe.

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Die Beklagte gab dem Kläger mit Schreiben vom 14. April 2016 Gelegenheit, sich zur beabsichtigten Sicherstellung und Verwahrung seines Hundes zu äußern. Der Hund des Klägers falle unter die so genannten Vermutungshunde nach § 3 Abs. 2 HundeG LSA in Verbindung mit § 4a (Anlage 6) HundeVO LSA. Es sei durch den Gesetzgeber klargestellt, dass als "Miniatur Bull Terrier" bezeichnete Hunde weiterhin von dem Begriff "Bullterrier" i.S.d. § 3 Abs. 2 HundeG LSA i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 HundEinfVerbrG erfasst seien, weil es infolge der statischen Verweisung auf die bundesgesetzliche Norm zu dem festgelegten Zeitpunkt am 9. Februar 2011 noch keinen eigenständigen FCI-Rassestandard für Miniatur Bullterrier gegeben habe. Da der Kläger nicht innerhalb der gesetzten Frist die Sozialverträglichkeit durch einen Wesenstest nachgewiesen habe, sei die kostenpflichtige Sicherstellung seines Hundes mit anschließender Verwahrung in einem Tierheim anzuordnen.

8

Am 30. August 2016 legte der Kläger den erfolgreich bestanden Wesenstest vom 7. August 2016 vor, welcher die Sozialverträglichkeit seiner Hündin bestätigte.

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Bereits am 25. Juli 2016 hat der Kläger vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben.

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Er vertieft seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren und führt im Wesentlichen an, dass es zwischen den Beteiligten unstreitig sei, dass es sich bei seinem Hund um einen Miniatur Bullterrier handle. Seine Hündin sei im zentralen Hunderegister des Landes Sachsen-Anhalt unter dieser Rasse registriert. Seine Feststellungsklage sei zulässig, weil er die Feststellung begehre, dass seine Hündin kein gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 HundeG LSA sei. Er begehre demnach die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO, welches auch hinreichend konkret sei, weil die Beklagte die Vorlage eines Wesenstestes verlange. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse sei gegeben, weil es ihm nicht zumutbar sei, Geldbußen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen § 16 Abs. 1 Nr. 5 und 6 HundeG LSA zu riskieren bzw. die Sicherstellung seiner Hündin zu dulden. Darüber hinaus unterliege seine Hündin bei der gesetzlichen Vermutung ihrer Gefährlichkeit einem Zucht-, Vermehrungs- und Handelsverbot. Darüber hinaus gelte seine Hündin nicht als gefährlicher Hund im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA, weil es unbestritten sei, dass der Miniatur Bullterrier nicht von § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrGEinfG erfasst werde. Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrGEinfG aufgeführte Aufzählung der Hunde, die als gefährlich gelten, sei abschließend. Soweit diese Rasseliste erweitert werde, widerspreche dies vielmehr zum einen den Geboten der Normenklarheit und Normenbestimmtheit, weil dies für den Normunterworfenen überhaupt nicht erkennbar sei und zum anderen stelle dies auch eine unzulässige erweiternde Auslegung bzw. Analogie dar, die im Bereich der Eingriffsverwaltung und im Hinblick darauf, dass Verstöße gegen § 16 Abs. 1 Nr. 5 und 6 HundeG LSA bußgeldbewehrt seien, unzulässig sei. Daran ändere auch § 4a HundeVO i.V.m. Anlage 6 nichts, weil dieser ebenfalls gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße. Die am Ende der Ziffer 1 in Anlage 6 der HundeVO LSA stehenden Sätze: "Der Miniatur Bull Terrier gleicht dem des Bullterriers mit der Ausnahme des Nachfolgendem: Größe: Die Widerristhöhe sollte 35,5 cm nicht überschreiten. Es gibt keine Gewichtsgrenzen." ändern an dieser Rechtsauffassung nichts. Mit diesen wenigen Sätzen sei gerade nur beschrieben, wie sich der Miniatur Bullterrier von dem Standard Bullterrier abgrenze. Aus der Anlage 6 ergebe sich daher bei objektiver Betrachtungsweise, dass der Miniatur Bullterrier gerade nicht zu den "gefährlichen Bullterriern" gehöre.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

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festzustellen, dass seine Miniatur Bullterrier Hündin namens Erna, geboren am 21. Oktober 2014, Chip-Nr. E, kein gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 HundeG LSA ist.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verteidigt ihre Rechtsauffassung und ergänzend führt ergänzend aus, der Kläger habe, obgleich er der Meinung sei, er halte keinen Listenhund, den angeforderten Wesenstest durchgeführt. Der Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt gehe ganz offensichtlich davon aus, dass ein "Miniatur Bull Terrier" als Bullterrier zu behandeln sei. Entsprechende Passagen ließen sich sowohl in der aktuellen Hundeverordnung als auch in der Verwaltungsvorschrift zum Hundegesetz finden. Die bisherige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Sachsen-Anhalt ließe sich nicht auf den vorliegenden Sachverhalt anwenden. Inzwischen sei ein neues Hundegesetz in Kraft getreten.

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Wegen des weiteren Sachverhalts und den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und auf die vorgelegten Unterlagen der Klägerin Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Kammer konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).

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Die zulässige Klage ist begründet.

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Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 1. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft. Diese ist statthaft, wenn die Feststellung begehrt wird, dass wegen Ungültigkeit oder Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm kein Rechtsverhältnis zu dem anderen Beteiligten begründet ist. Gegenstand der Feststellungsklage können auch einzelne sich aus dem Rechtsverhältnis gebende Rechte und Pflichten sein. So liegt es hier. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten eine Rechtsbeziehung, aus der für den Kläger hinsichtlich seines Hundes eine gesetzliche Gefährlichkeitsvermutung und damit einhergehende Erlaubnispflicht zum Halten des Hundes, ein Zucht- und Handelsverbot etc. folgt, nicht besteht.

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Der Feststellungsklage steht auch nicht der in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO geregelte Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Danach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Diese Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht. Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010, 8 C 19/09, juris). Gestaltungs- und Leistungsklage sind allerdings nur dann vorrangig, wenn diese gleich wirksamen Rechtsschutz wie die Feststellungsklage bieten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 43 Rn. 29 m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall.

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Die als Bescheide zu qualifizierenden Schreiben der Beklagten vom 19. Februar 2015 sowie vom 1. April 2016 treffen zwar die Regelung, dass der Kläger für seine Hündin den Nachweis einer entsprechenden Haftpflichtversicherung und einen Wesenstest über ihre Sozialverträglichkeit innerhalb der gesetzten Frist vorzulegen hat, allerdings haben sich diese Bescheide, gegen die der Kläger Widerspruch erhoben hat, erledigt, weil der Kläger den ihm auferlegten Verpflichtungen nachgekommen ist.

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Trotz des Umstandes, dass sich die Bescheide der Beklagten in ihrem Regelungsgehalt durch Erfüllung der Aufforderungen erledigt haben, fehlt es dem Kläger jedoch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil er weitere ordnungsrechtliche Anordnungen und Bußgeldverhängungen befürchten muss. Das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 43 Abs. 1 VwGO ergibt sich schon aus den u.a. wirtschaftlichen Belastungen, die etwa mit der Verpflichtung zur Unfruchtbarmachung des Hundes sowie dem Zuchtverbot verbunden sind. Die Annahme der Beklagten, die Hündin des Klägers sei aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit zum Miniatur Bullterrier nach dem HundeG LSA als gefährlich einzustufen, könnte zum Anlass für verschiedene Ordnungsverfügungen genommen werden. Zwar könnte sich der Kläger gegen jeden einzelnen Bescheid mit einer Anfechtungsklage wehren, dieses Vorgehen bietet jedoch nicht den gleich effektiven und prozessökonomischen Rechtsschutz wie die negative Feststellungsklage. Der Kläger wäre gehalten, mehrere Widerspruchsverfahren zu führen und müsste befürchten, sich mit einer Vielzahl von Bußgeldverfahren konfrontiert zu sehen, um die grundsätzliche Klärung der Frage zu erreichen, ob die Haltung seines Miniatur Bullterriers erlaubnisfrei und damit zulässig ist. Ungewiss ist zudem, ob es in diesen Verfahren auf die für den Kläger maßgebliche Frage, ob es sich bei seinem Miniatur-Bullterrier um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA handelt, überhaupt streitentscheidend ankommen wird.

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Der Klarstellung bedarf an dieser Stelle, dass die vormaligen Bescheide lediglich in ihrer Begründung heranführen, dass der Hund des Klägers als gefährlich gelte; eine eigenständige Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes ist gerade nicht getroffen worden. Dass mit dem Schreiben der Beklagten vom 19. Februar 2015 und vom 1. April 2016, mit der der Kläger aufgefordert worden war, einen Wesenstest vorzulegen, eine regelnde Feststellung der Zugehörigkeit des Hundes des Klägers zu einer dort genannten Hunderassen (sog. Listenhund) getroffen worden ist, mithin die Vermutungswirkung der Gefährlichkeit des Hundes des Klägers nach § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA bestandskräftig geregelt worden wäre, legt die Beklagte nicht dar und ist auch in Auslegung der in den Bescheiden getroffenen Formulierung nicht ersichtlich.

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Die Klage ist auch begründet.

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Der Klarstellung bedarf des Weiteren zunächst, dass die Hündin des Klägers unstreitig der Rasse des Miniatur Bullterriers angehört. Der Hund ist unter der Rasse des Miniatur Bullterriers im zentralen Hunderegister der Beklagten angemeldet und während des Klageverfahrens ist die Zugehörigkeit zu dieser Rasse nicht von der Beklagten bestritten worden. Streitgegenständlich zwischen den Beteiligten ist allein die Frage, ob der Hund des Klägers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Rasse des Miniatur Bullterriers den Beschränkungen des HundeG LSA unterliegt.

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Bei der Hündin des Klägers "Erna" handelt es sich nicht um einen "Bullterrier", sondern um einen Miniatur Bullterrier, deren Gefährlichkeit nicht im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 HundeG LSA i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG vermutet wird. Insofern unterliegt die Haltung der Hündin keiner Erlaubnispflicht nach § 4 Abs. 1 HundeG LSA oder einem Zucht-, Vermehrungs-, oder Handelsverbot.

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Der von dem Kläger gehaltene Miniatur Bullterrier zählt nicht zu den in § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland vom 12. April 2001 (Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz - HundVerbrEinfG -, BGBl. I S. 530) genannten Hunden, deren Gefährlichkeit gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA vermutet und deren Haltung nur unter den in § 4 Abs. 1 HundeG LSA genannten Voraussetzungen erlaubt ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG dürfen Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier sowie deren Kreuzung untereinander oder mit anderen Hunden nicht in das Inland eingeführt oder verbracht werden.

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Die am 29. Februar 2016 eingeführte Ergänzung der Anlage 6 zu § 4a HundeVO LSA (Verordnung zur Durchführung des Hundegesetzes, GVBl. LSA Nr. 6/2016) führt zu keinem anderen Ergebnis, weil die neu gefasste Regelung in der Anlage 6:

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"Der Miniatur Bull Terrier gleicht dem des Bullterriers mit der Ausnahme des Nachfolgendem: Größe: Die Widerristhöhe sollte 35,5 cm nicht überschreiten. Es gibt keine Gewichtsgrenzen."

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nicht mit höherrangigem Recht vereinbar und zumindest teilweise nichtig ist.

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Nach Art. 80 Abs. 1 GG und Art. 79 Abs. 1 Landesverfassung LSA bedarf eine Rechtsverordnung – wie hier die Hundeverordnung des Landes Sachsen-Anhalts – einer Ermächtigungsgrundlage in Form eines Gesetzes, aus der sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung ergeben. Verstößt die Rechtsverordnung gegen höherrangiges Recht, ist sie grundsätzlich nichtig. Das gleiche gilt für Rechtsfehler, insbesondere auch für die inhaltliche Überschreitung der Grenzen der Ermächtigung (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 – 2 BvF 3/190 –, juris).

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Nach § 3 Abs. 1 und 2 HundeG LSA in der seit dem 1. März 2016 geltenden Fassung vom 23. Januar 2009 i.V.m. Anlage 6 zu § 4a der Hundeverordnung vom 27. Februar 2009 in der Fassung der letzten Änderung durch die Verordnung vom 22. Februar 2016 soll der Miniatur Bullterrier der Rasse des Bullterriers gleichgestellt sein, mit der Folge, dass dessen Gefährlichkeit unabhängig von seiner Widerristhöhe vermutet wird.

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Die Anlage 6 zu § 4a HundeVO ist indes nichtig. Dem Verordnungsgeber fehlt es bereits an einer Ermächtigung, den "Miniatur Bull Terrier" als Unterfall des "Bullterriers" in die Liste der Hunde aufzunehmen, deren Gefährlichkeit von Gesetzeswegen vermutet wird. Der Verordnungsgeber hat den von § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz gezogene "Rahmen" überschritten ohne dazu ermächtigt gewesen zu sein.

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Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 HundeG LSA bestimmt das für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung die standardgerechten Merkmale der Phänotypen für die in § 3 Abs. 1 Satz 1 HundeG LSA genannten Hunde "unter Berücksichtigung der von kynologischen Fachverbänden entwickelten und am 9. Februar 2001 geltenden Kriterien". Die vorgenannte Vorschrift verweist auf § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA, welcher auf § 2 Abs. 1 Satz 1 des Hunde-verbringungs- und einfuhrbeschränkungsgesetzes vom 12. April 2001 (HundVerbrEinfG) Bezug nimmt. Als Rassen sind in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG genannt der "Pitbull-Terrier", "American Staffordshire-Terrier", "Staffordshire-Bullterrier", "Bullterrier" sowie der Kreuzungen untereinander. Die Vorschrift des § 4a HundeVO LSA listet in Anlage 6 die phänotypischen Merkmale der vorgenannten Rassen auf.

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Ausgehend davon, dass es dem Verordnungsgeber erlaubt sein soll, den Phänotyp, das heißt das äußere Erscheinungsbild einer Rasse im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA in der Rechtsverordnung zu bestimmen, stellt bereits die Benennung einer weiteren Rasse, nämlich die des "Miniatur Bull Terriers", eine Überschreitung der eingeräumten Ermächtigung dar, weil es sich dabei nicht um die Beschreibung eines äußeren Merkmals einer Rasse, sondern vielmehr um die Zuordnung zu einer eigenständigen Rasse handelt. Durch Satz 3 des § 3 Abs. 2 HundeG LSA sollte der Verordnungsgeber die Möglichkeit erhalten, die im Bundesgesetz bestimmten Rassen, auf die in Satz 1 statisch verwiesen wird, durch Bestimmung der Merkmale der Phänotypen hinreichend bestimmbar abzugrenzen. Andererseits wird er zugleich darauf begrenzt, keine vollständig neuen Standards zu entwickeln, sondern im Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses des Bundestages zum Hundeverbringungs- und –einfuhrbeschränkungsgesetz am 9. Februar 2001 von kynologischen Fachverbänden entwickelten und zum dem Zeitpunkt entwickelten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. Gesetzesentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 9. September 2015, S. 16). Das bedeutet, der Verordnungsgeber ist dazu ermächtigt, das äußere Erscheinungsbild anhand der von kynologischen Fachverbänden entwickelten Kriterien wie Farbe, Größe, Gewicht etc. zu bestimmen, um eine Abgrenzung der Rassen zu ermöglichen. Insofern verbietet es sich von vornherein über eine Beschreibung von Merkmalen hinausgehende Kategorien in Form von einer weiter einzubeziehenden Rasse zu entwerfen. Allein die in Anlage 6 gewählte Formulierung der "[…] Der Miniatur Bull Terrier gleicht dem Bullterrier […]" stellt eine Abkehr von der Beschreibung einzelner Merkmale dar, sondern erscheint vielmehr als eine Erweiterung der Rasseliste. Es handelt sich dabei auch nicht nur um eine Klarstellung im Hinblick auf eine vorangegangene Beschreibung, sondern vielmehr um eine eigenständige Regelung, die einer gesetzlichen Grundlage entbehrt.

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Soweit die Beklagte als auch der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung (vgl. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunde ausgehenden Gefahren vom 9. September 2015, Drs. 6/4359, S. 16) darauf abstellen, dass es sich bei dem Miniatur Bullterrier um eine Varietät des Bullterriers handeln soll, verkennt diese Ansicht, dass bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Hunderverbringungs- und Einfuhrgesetzes – am 9. Februar 2001 – mehrere nationale und internationale kynologische Fachverbände, wie zum Beispiel der nationale Verband für das deutsche Hundewesen (VDH) den Miniatur Bullterrier als eigenständige Rasse anerkannt haben. Nicht allein die Kriterien des F.C.I. (Fédération Cynologique Internationale) sind daher maßgeblich für die Bestimmung der Kriterien einer Rasse, sondern vielmehr ist auf den wissenschaftliche Kenntnisstand mehrerer Fachverbände abzustellen. Bereits der Wortlaut der in § 3 Abs. 2 Satz 3 HundeG LSA bestimmt, dass das zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung die standardgerechten Merkmale der Phänotypen für die in Satz 1 genannten Hunde "[…] unter Berücksichtigung der von kynologischen Fachverbänden entwickelten und am 9. Februar 2001 geltenden Kriterien […]" bestimmen soll. Indem der Gesetzgeber eindeutig nicht nur Kriterien eines Fachverbandes (Singular), sondern vielmehr als Grundlage die Erkenntnisse der kynologischen Fachverbände (Plural) verlangt, kann rechtmäßig nicht allein auf den F.C.I-Standard abgestellt werden. In diesem Zusammenhang hat bereits das Verwaltungsgericht Magdeburg in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 ausgeführt, dass zwar der F.C.I. erst seit dem 23. Dezember 2011 den Miniatur Bullterrier unter einem eigenen FCI-Standard führe, es allerdings nicht ausschließlich für die Bewertung, ob eine eigenständige Hunderasse vorliege, auf die Bewertung des F.C.I. ankäme. Vielmehr gehe der nationale Zuchtverband, der Verband für das Deutsche Hundewesen, seit dem Jahr 2000 von einer eigenständigen Rasse aus (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 2. April 2012-, Az. 2 A 13/11-, juris). Zu Recht verweist der Kläger auf die Veröffentlichungen des größten Rassehundeverbandes der U.S.A. dem "American Kennel Club", welcher den Miniatur Bullterrier bereits seit den Jahren 1991/1992 als eigenständige Rasse betrachtet. Darüber hinaus ist die Rasse des Miniatur Bullterriers bereits seit dem Jahr 1938 von dem britischen Zuchtverband "Miniatur Bullterrier Club" als eigenständige Rasse anerkannt (vgl. Bestätigung der britischen Zuchtverbände). Letztlich erkennt die gewählte Formulierung in Anlage 6 zu § 4a HundeVO genau diesen Kenntnisstand an, indem der Miniatur Bullterrier als eigenständige Rasse explizit benannt wird. Das ausschließliche Abstellen auf den F.C.I.-Standard zu dem festgelegten Zeitpunkt am 9. Februar 2001 ist durch den Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 2 S. 3 HundeG LSA nicht gedeckt und damit rechtswidrig.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Landesgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren auf die Regelungen des Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetzes Bezug genommen hat. Das genannte Gesetz (Gesetz zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland vom 12. April 2001) nennt in § 2 Abs. 1 insoweit nur den "Bullterrier". Vom Miniatur-Bullterrier ist auch im Gesetzgebungsverfahren zum Hundeverbringungs- und - -einfuhrbeschränkungsgesetz nicht die Rede. Ohnehin ist hier der Bullterrier auch erst auf Anregung des Bundesrates in den Gesetzentwurf mit aufgenommen worden, zusätzlich zu den Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire-Terrier und Staffordshre-Bullterrier. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, das Fehlen des Bullterriers stelle einen Wertungswiderspruch dar, da dieser zur gleichen Gruppe der aufgeführten Rassen gehöre (vgl. FCI – Gruppe III – der bullartigen Terrier). Der Bullterrier unterscheide sich weder in Größe, Gewicht oder Art noch Abstammung wesentlich von den dort aufgeführten Hunderassen, so dass die Aufzählung um den Bullterrier ergänzt werden müsse, ohne den Staffordshire-Bullterrier zu streichen (Drs. 14/4451, S. 13). Dieser Hinweis auf die Größe des Hundes spricht eher dagegen, dass der Miniatur-Bullterrier, der sich in seiner Größe auch von den anderen drei Hunderassen deutlich unterscheidet, vom Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz, auf das der Landesgesetzgeber Bezug genommen hat, erfasst sein soll (vgl. VG Meiningen, Urteil vom 26. Februar 2013 – 2 K 361/12 Me –, Rn. 27, juris). Daher verbietet sich vor der Historie des Hundeverbringungs- und –einfuhrbeschränkungsgesetzes für den Verordnungsgeber die vorgesehene Rasseliste beliebig ohne ausdrückliche Ermächtigung durch Rechtsverordnung zu erweitern, zumal sich der Miniatur-Bullterrier vom Bullterrier insbesondere durch Größe und Gewicht unterscheidet. Vor diesem Hintergrund kann auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Miniatur-Bullterrier einzig im Bundesland Sachsen-Anhalt als gefährlich gelten soll, bundesweit fehlt es an einer solchen Regelung, wobei nahezu alle länderrechtlichen Regelungen auf den § 2 HundEinfVerbrG verweisen.

38

Die Nichtigkeit der Anlage 6 in der HundeVO LSA folgt auch daraus, dass der entsprechende Passus: "Der Miniatur Bull Terrier gleicht dem des Bullterriers mit der Ausnahme des Nachfolgendem: Größe: Die Widerristhöhe sollte 35,5 cm nicht überschreiten. Es gibt keine Gewichtsgrenzen." nicht hinreichend bestimmt ist und zudem nicht den strengeren Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG bzw. Art. 7 EMRK genügt.

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Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen grundsätzlich so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit grundsätzlich nicht entgegen; allerdings müssen sich aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348; VGH Mannheim, Urteil vom 28. Juli 2009 - 1 S 2340/08 -, juris). Soweit man die Anlage 6 zu § 4a HundeVO in der Weise versteht, dass der Miniatur Bullterrier im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA i.V.m. § 2 HundVerbrEinfG von Gesetzes wegen als gefährlich gilt, ist beispielsweise das Züchten und Vermehren der Hunde gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 5 HundeG LSA bußgeldbewehrt. Bußgeldbewehrte Vorschriften müssen nicht nur dem allgemeinen Gebot der Normklarheit entsprechen, sondern darüber hinaus sich an an den strengeren Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG bzw. Art. 7 EMRK messen lassen. Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein besonderes Bestimmtheitsgebot. Der Normgeber ist danach verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Sie soll einerseits sicherstellen, dass die Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Sie soll andererseits gewährleisten, dass der Gesetzgeber über die Strafbarkeit oder die Bußgeldvoraussetzungen selbst entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung oder einer Verhängung von Geldbußen festzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 2009 - 1 BvR 2717/08 -, NJW 2010, 754). Das schließt allerdings nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Ferner ist es wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Straf- und Bußgeldnormen unvermeidlich, dass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Der Begriff der Vorhersehbarkeit hängt dabei weitgehend vom Inhalt der Vorschrift ab, um die es geht, dem Sachbereich der Regelung sowie der Anzahl und dem Kreis der Personen, an die sie sich richtet. Vorhersehbar kann eine gesetzliche Vorschrift auch dann sein, wenn der Betroffene Rechtsrat einholen muss, um in einem den Umständen nach vernünftigem Ausmaß die Folgen eines bestimmten Verhaltens abzuschätzen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 18. Juni 2014 – 3 M 255/13 –, juris).

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Gemessen an diesen Grundsätzen sind die in Anlage 6 unter Ziffer 1 zuletzt eingefügten und oben bereits benannten Sätze missverständlich. Zu Recht verweist der Kläger darauf, dass der Satz "[…] Der Miniatur Bullterrier gleicht dem des Bullterriers mit Ausnahme von Nachfolgendem: Größe: Die Widerristhöhe sollte 35,5 cm nicht überschreiten. […]" gerade die Abgrenzung zum Bullterrier beschreibt. Daher ist nicht klar, ob Miniatur Bullterrier, die eine geringere Widerristhöhe als 35,5 cm haben, überhaupt unter den Rasse des Bullterriers fallen, weil gerade die Andersartigkeit des Aussehens beschrieben wird. Insbesondere in der Zusammenschau mit dem davor stehenden Satz "[…] Größe und Gewicht: keine Größen- oder Gewichtsgrenzen. […]" wird gerade nicht deutlich, ob es eine Abgrenzung der Rassen mit der Folge des Ausschlusses oder eine Gleichstellung der Rassen erfolgen soll: Man kann den Zusatz in Anlage 6 dahingehend auslegen, dass der Miniatur Bullterrier als Unterfall des Bullterriers diesem gleichgestellt werden soll und die beiden Hunde sich phänotypisch allein in ihrer Größe unterscheiden (vgl. dazu OVG LSA, Beschluss vom 26. April 2016 – 3 L 129/15 –, Rn. 33, juris). Ebenso kann der Passus dahingehend verstanden werden, dass der Miniatur Bullterrier dem Bullterrier gleichgestellt sein soll, mit Ausnahme der Miniatur Bullterrier, die eine Widerristhöhe von 35,5 cm nicht überschreiten. Die letztgenannte Lesart der Vorschrift erklärt sich vor dem Hintergrund, dass es auch Miniatur Bullterrier gibt, die phänotypisch von bestellten Sachverständigen als Miniatur Bullterrier klassifiziert werden, aber ihre Widerristhöhe die Grenze von 35,5 cm überschreitet. Der Anwendungsbereich und die Tragweite der bußgeldbewehrten Vorschrift werden aufgrund der unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten nicht eindeutig für den Normadressaten erkennbar, was sich als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG darstellt und zur Nichtigkeit führt.

41

Der in der Rechtsverordnung erfolgten Erweiterung der Rasseliste dürfte zudem das in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelte Beobachtungsgebot entgegenstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es Sache des Normgebers, im Hinblick auf den jeweiligen Lebensbereich darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Situationen entgegengewirkt werden soll, die nach seiner Einschätzung zu Schäden führen können. Die Anforderungen an die Gewissheit seiner Annahmen und den Grad der geforderten Wahrscheinlichkeit richten sich nach der Art der zu ergreifenden Maßnahme (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 – a.a.O.) Ein Anlass zum Handeln des Normgebers kann auch dann gegeben sein, wenn das schädigende Ereignis das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren voraussetzt, soweit diese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zusammentreffen können (BVerfG Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 - a.a.O. <160>). Der Normgeber darf deshalb zum Schutz des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesundheit Vorkehrungen treffen, wenn genügend Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Hunde bestimmter Rassen – sei es auch erst im Zusammenwirken mit anderen Faktoren – für diese Schutzgüter in besonderer Weise gefährlich werden können. Allerdings muss der Normgeber die weitere Entwicklung beobachten. Das Bundesverfassungsgericht ist dabei in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Ursachen aggressiven Verhaltens von Hunden der verschiedenen Rassen und über das Zusammenwirken unterschiedlicher Ursachen sowie die tatsächlichen Annahmen des Normgebers über die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen beließen noch erhebliche Unsicherheit. Es sei deshalb notwendig, die Gefährdungslage, die durch das Halten von Hunden entstehen könne, und die Ursachen dafür weiter im Blick zu behalten und insbesondere das Beißverhalten der Hunde künftig mehr noch als bisher zu überprüfen und zu bewerten. Werde dabei die prognostische Einschätzung der Gefährlichkeit dieser Hunde durch den Normgeber nicht oder nicht in vollem Umfang bestätigt, werde er seine Regelung den neuen Erkenntnissen anpassen müssen (vgl. BVerfG a.a.O.). In diesem Sinne ist es für die Rechtmäßigkeit von Verordnungen, die die Listung von Hunderassen vorsehen, von Bedeutung, ob der Verordnungsgeber dem Beobachtungsgebot des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen hat. Bereits in der Begründung des Gesetzesentwurfs zur Änderung des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren (vgl. Drs. 6/4359) heißt es auf Seite 11, dass die Hunderasse der Bullterrier (einschließlich des Miniatur Bullterrier) die einzige im Bundesgesetz genannte Rasse sei, die nicht zu den zehn Hunderassen mit dem statistisch auffälligen Verhalten gehöre. Sie belege hinsichtlich der Vorfälle und registrierten Anzahl in der Gesamtstatistik 2009-2012 lediglich Platz 23 und in der Fortschreibung nach Angaben des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt mit drei Biss- und sonstigen Vorfällen bei einer registrierten Anzahl von 259 Hunden für den Zeitraum von 2009 bis 2015 den 35. Platz. Bereits aus dieser Erkenntnis lässt sich keine besondere Gefährlichkeit des Bullterriers und erst recht keine besondere Gefährlichkeit des Miniatur Bullterriers ableiten. Bereits aus dieser Beobachtung heraus verbietet sich eine willkürliche Erweiterung der Rasseliste, weil sie nicht dem Zweck der Gefahrenabwehr dient, sondern vielmehr den Versuch darstellt, ein bestehendes Abgrenzungsproblem durch einen weiterreichenden Grundrechtseingriff aus der Welt zu schaffen.

42

Die Erweiterung der Anlage 6 zu § 4a HundeVO, abweichend von der landesgesetzlichen Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 3 HundeVO, verstößt damit gegen höherrangiges Recht und entspricht weder dem Inhalt der Ermächtigungsgrundlage noch dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot und ist wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm – zumindest – unwirksam.

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Schließlich ist der Hund des Klägers auch keine Kreuzung mit einer der in § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA genannten gefährlichen Hunderassen. Es ist davon auszugehen, dass der Hund des Klägers eindeutig als reinrassiger Miniatur-Bullterrier einzuordnen ist. Dies ergibt sich nachvollziehbar aus den Feststellungen der Vorlage der Ahnentafel. Auch die Beklagte hat nicht in Zweifel gezogen, dass es sich bei dem Hund des Klägers um einen reinrassigen Miniatur-Bullterrier handelt, der nicht aus einer entsprechenden Kreuzung mit den in § 3 Abs. 2 Satz 1 HundeG LSA genannten gefährlichen Hunden oder anderen Hunden hervorgegangen ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

46

Die Berufung wird zugelassen, weil die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen (vgl. OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 L 166/07 -, juris [m. w. N.]; vgl. zudem: BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1987 - 1 B 23.87 -, InfAuslR 1987, 278). Der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt hat in einem Beschluss vom 14. September 2018 (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 14. September 2018, 3 L 244/18 –, n.v.) die Frage nach der Vereinbarkeit von § 4a Hundeverordnung i.V.m. der Anlage 6 mit höherrangigem Recht offen gelassen. Abgesehen davon gibt es eine abweichende, erstinstanzliche Entscheidungen (vgl. VG Halle, Urteil vom 22. Januar 2019 – 4 A 144/18 HAL). Insoweit besteht ein Bedürfnis für eine Vielzahl von Hundehaltern, die hier aufgeworfenen Rechtsfragen obergerichtlich einer Klärung zuzuführen.


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