Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (2. Kammer) - 2 K 2745/16

Tenor

Soweit die Beteiligten die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Die im Bescheid vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2016 enthaltene Gebührenforderung in Höhe von 30,- Euro wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung, mit der u.a. die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen wurde.

2

Der im Jahr … geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er nahm im Mai 20.. eine Beziehung zu der deutschen Staatsangehörigen A auf, mit der er sich im Juni 20.. verlobte. Der Kläger und seine Verlobte wurden am … Eltern des Kindes B. Im Januar 2014 beantragte der Kläger die Erteilung eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung zu seinem deutschen Kind, erhielt dieses am 27. März 2014 in Rabat und reiste nach Deutschland ein. Am 17. April 2014 erteilte ihm die Beklagte eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung, die bis zum 16. Oktober 2015 gültig war.

3

Am 1. September 2015 beantragte der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Er wurde am … Vater des deutschen Kindes C, dessen Mutter ebenfalls Frau A ist. Der Kläger erhob am 21. Juni 2016 beim Verwaltungsgericht Hamburg eine Untätigkeitsklage unter dem Aktenzeichen 4 K 2745/16, die später in den Zuständigkeitsbereich der Kammer zwei wechselte.

4

Im Rahmen des Verfahrens auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis holte die Beklagte Auskünfte beim Landesamt für Verfassungsschutz ein. Dieses teilte mit Schreiben vom 2. August 2016 mit, es bestünden Sicherheitsbedenken aufgrund von Erkenntnissen über den Kläger hinsichtlich der Unterstützung einer Terrororganisation. Der Kläger habe in großem Umfang dschihadistische Propagandaaktivitäten für Terrororganisationen wie Al Kaida und den IS betrieben, indem er Videos und Beiträge in sein Facebook-Profil eingestellt habe. Dieses Profil sei mit 2000 Usern vernetzt und die Videos und Beiträge seien nach wie vor für jeden Facebook Nutzer offen einsehbar und kommunizierbar. Die IS-Videos seien teilweise mit unterstützenden Kommentaren versehen sowie mit Aufrufen zum Hass. Darüber hinaus besuche der Kläger seit mindestens Oktober 2014 die Taqwa-Moschee.

5

Der Kläger wurde am 4. August 2016 zur beabsichtigten Ausweisung und zur Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis angehört. Zwischenzeitlich konkretisierte das Landesamt für Verfassungsschutz seine Einschätzungen in einem Vermerk vom 11. August 2016. Der Kläger nahm nicht Stellung.

6

Mit Bescheid vom 22. September 2016, zugestellt am 26. September 2016, wies die Beklagte den Kläger aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes aus. Sein Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt. Sie wies den Kläger darauf hin, dass er zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet sei. Sollte er nicht binnen eines Monats nach Bekanntgabe dieser Verfügung ausgereist sein, werde ihm die Abschiebung nach Marokko oder in einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht. Die Kosten einer Abschiebung habe er zu tragen. Das aufgrund der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG bestehende Einreise- und Aufenthaltsverbot werde auf den Zeitpunkt von zehn Jahren ab nachgewiesene Ausreise befristet. Das im Falle einer Abschiebung entstehende Einreise- und Aufenthaltsverbot werde auf den gleichen Zeitpunkt befristet. Für die Befristung werde eine Gebühr von 30 € erhoben. Eine Gebührenforderung ergehe gesondert. Darüber hinaus wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er gesetzlich verpflichtet sei, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die vom Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilten Erkenntnisse, die sie sich zu Eigen machte. Insbesondere führte sie aus, dass der Kläger die Ausweisungstatbestände des § 54 Abs. 1 Nr. 2 und des Nr. 5 AufenthG erfülle. Er habe massiv dschihadistische Propagandaaktivitäten für Terrororganisationen betrieben und zu Hass gegen Teile der Bevölkerung (gegen die Glaubensgemeinschaften der Juden und Schiiten) aufgerufen. Die Beklagte führte aus, dass ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse gegenüberstehe, da der Kläger mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebe. Die Ausweisungstatbestände überwögen jedoch. Von dem Kläger ginge angesichts der besonderen Gefahren des islamistischen Terrorismus aufgrund seines persönlichen Verhaltens eine besonders schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Vor dem Hintergrund einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei auch die Länge der Sperrfrist auf zehn Jahre festzusetzen. Bei schwerwiegenden Gefahren sei im Einzelfall auch eine langfristige Trennung eines Vaters von seinen deutschen Kindern mit den Grundrechten der Betroffenen vereinbar. Der Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis werde im Hinblick auf die Ausweisungsinteressen abgelehnt.

7

Der Kläger erhob am 25. Oktober 2016 hiergegen Widerspruch, begründete diesen jedoch nicht.

8

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2016 zurück und bekräftigte die in der Ausgangsverfügung getätigten Ausführungen.

9

Der Kläger stellte sodann seine Untätigkeitsklage um und beantragte am 21. Dezember 2016 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Mit Beschluss vom 19. Januar 2017 (2 E 8114/16) lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab, da keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeben seien. Das Gericht verneinte insbesondere einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Hinblick auf den absoluten Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, da ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestehe. Die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung könne auch in so genannter Sympathiewerbung auf sozialen Medien wie Facebook bestehen. Der Kläger habe nicht glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Ein Abschiebungshindernis liege in den familiären Bindungen insbesondere deshalb nicht, weil durch die Geburt seiner Kinder keine Zäsur in seinem Verhalten erkennbar geworden sei. Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde machte der Kläger geltend, es sei nicht nachvollziehbar, ob die in arabischer Schriftsprache verfassten Kommentare zutreffend übersetzt worden seien. Ein eigenständiger Aufruf zur Gewalt sei durch ihn, den Kläger, nicht erfolgt. Er habe sich das behördliche Vorgehen zur Warnung gereichen lassen und entfalte jedenfalls nun keine Aktivitäten in sozialen Medien mehr, trete nicht für salafistische Positionen ein, rufe nicht zur Gewalt auf und sei nicht gewaltbereit. Eine konkrete Gefahr drohe zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 19. Januar 2017 mit Beschluss vom 13. März 2017 (4 Bs 25/17) ab. Es führte zur Begründung aus, der Kläger habe nicht bestritten, dass es sich um sein Facebook-Profil gehandelt habe und dass ihm dessen Inhalt nicht zugerechnet werden könne. Mit dem Hinweis, es sei kein ausdrücklicher Aufruf zur Gewalt erfolgt, habe der Kläger die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur bereits relevanten Sympathiewerbung nicht in Zweifel gezogen. Allein aus dem Umstand, dass er sich nunmehr ruhig verhalte, ergebe sich keine Abkehr von der bisherigen Unterstützung des islamistischen Terrorismus.

10

Am 26. Juli 2017 wurde der Kläger in sein Heimatland abgeschoben.

11

Er hat im vorliegenden Klageverfahren erklärt, dieses vom Ausland aus über seinen deutschen Rechtsanwalt weiterbetreiben zu wollen, hat jedoch den Rechtsstreit hinsichtlich der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und der Abschiebungsandrohung für erledigt erklärt. Insbesondere hat er zur Begründung seiner Klage ausgeführt, das Teilen fremder Filme und Beiträge auf dem eigenen Facebook-Profil stelle noch keine für eine Ausweisung relevante Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung dar. Es habe sich nicht um verbotene Aktivitäten gehandelt. Jedenfalls seien die Einträge auf der dem Kläger zuzurechnenden Facebook-Seite eher der Teilnahme an einer Demonstration gleichzusetzen und nicht derart schwerwiegend, dass sie angesichts der zwei deutschen Kleinkinder eine Ausweisung des Klägers rechtfertigen würden. Im Übrigen sei die Dauer der Einreisesperre zu lang bemessen. Seine Lebenspartnerin beziehe Leistungen nach dem SGB II und dürfe sich nicht für längere Zeit im Ausland aufhalten. Mehrere Auslandsreisen könne sie auch nicht finanzieren. Dadurch würden die Kinder faktisch ohne Erziehungsbeitrag ihres Vaters aufwachsen. Der Kläger müsse auch damit rechnen, dass ihm die Erteilung eines Visums auch nach dem Ablauf der Einreisesperre versagt werde.

12

Der Kläger beantragt,

13

den Bescheid der Beklagten vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2016 aufzuheben,

14

hilfsweise,

15

das im Bescheid der Beklagten vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2016 verfügte zehnjährige Einreiseverbot mit Sperrfrist für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf ein Jahr ab nachgewiesener Ausreise zu verkürzen.

16

Die Beklagte hat den Rechtsstreit ebenfalls hinsichtlich der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und der Abschiebungsandrohung für erledigt erklärt und beantragt im Übrigen,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie betont die Gefährlichkeit der vom Kläger geposteten und geteilten Facebook-Beiträge und die Bedeutung der Sympathiewerbung für den IS über das Internet. Die Schutzinteressen des deutschen Staates seien hoch und es wäre der Öffentlichkeit nicht vermittelbar, wenn aktive IS-Sympathisanten auch bei familiären Beziehungen nicht so lange wie möglich aus dem Bundesgebiet ferngehalten würden. Der Kläger habe bis heute nicht glaubhaft erklärt, dass er von seiner Haltung bzw. von seinen Aktivitäten abgerückt sei. In einem solchen Fall könne er jederzeit eine Überprüfung der angegriffenen Verfügung einschließlich der verfügten Sperrfrist beanspruchen.

19

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Vorsitzende als Berichterstatterin einverstanden erklärt.

20

In der mündlichen Verhandlung hat die hinzugezogene Dolmetscherin zahlreiche der vom Landesamt für Verfassungsschutz schriftlich niedergelegten Posts des Klägers bzw. Titel der geteilten Filme auf seinem Facebook-Profil übersetzt. Auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls, der Gerichtsakte, der beigezogenen Sachakten der Beklagten und der Gerichtsakte mit dem Aktenzeichen 2 E 8114/16 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

I. Soweit die Beteiligten hinsichtlich der Abschiebungsandrohung und des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog).

22

II. Im Übrigen ist die zulässige Klage im Hauptantrag nur zu einem geringen Teil begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2016 ist sowohl hinsichtlich der verfügten Ausweisung (hierzu unter 1.) als auch hinsichtlich der beiden zehnjährigen Einreisesperren sowie der Sperren der Wiedererteilung einer Aufenthaltserlaubnis (hierzu unter 2.) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 113 Abs. 1 VwGO. Dies gilt nicht für die Gebührenforderung in Höhe von 30,- Euro, die aufzuheben ist (hierzu unter 3.). Der Hilfsantrag des Klägers auf Verkürzung der Sperrfrist bleibt ebenfalls ohne Erfolg (hierzu unter 4.).

23

1. Rechtsgrundlage der Ausweisungsverfügung ist § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Hierbei sind insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Für die Abwägung hat der Gesetzgeber vorgegeben, unter welchen Voraussetzungen das öffentliche Ausweisungsinteresse (§ 54 AufenthG) und unter welchen Voraussetzungen das Bleibeinteresse des Ausländers (§ 55 AufenthG) als schwer bzw. als besonders schwer zu gewichten ist.

24

Nach diesen Grundsätzen besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach §§ 54 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG (a.). Diesem steht ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG gegenüber (b.). Bei der Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gemäß 53 Abs. 1 und 2 AufenthG überwiegt das Ausweisungsinteresse (c.).

25

a. Im Fall des Klägers besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (aa.) und nach § 54 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG (bb.). Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 AufenthG sind erfüllt (cc.). Auch die zusätzliche Begründung der Ausweisung im Hinblick auf generalpräventive Aspekte ist nicht zu beanstanden (dd.).

26

aa. Nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.

27

Voraussetzung ist damit zunächst, dass die Vereinigung ihrerseits den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristischen Charakter hat. Dies muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, Urt. v. 25.10.2011, 1 C 13/10, juris, Rn. 16). Für die erforderliche individuelle Unterstützung einer solchen Vereinigung durch den einzelnen Ausländer genügt es dagegen, dass Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen (BVerwG, Urt. v. 25.10.2011, a.a.O.). Auch wenn die Vorschrift das Vorliegen von entsprechenden Indiztatsachen genügen lässt, müssen jedenfalls hinreichend verwertbare und belegbare Tatsachen vorliegen, welche die Schlussfolgerung im Sinne des Ausweisungstatbestandes rechtfertigen. Maßgeblich ist insoweit eine wertende Gesamtbetrachtung, ob im Falle des betroffenen Ausländers die Voraussetzungen des Ausweisungstatbestands erfüllt sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.3.2005, 1 C 26/03, juris).

28

Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terro-ristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (BVerwG, Urt. v. 30.7.2013, a.a.O. Rn. 13 zu § 54 Nr. 5 AufenthG a.F.). Bei der Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS), die auch unter den Aliasnamen „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“, „Islamischer Staat im Irak und Levante (ISIL)“ und „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIG)“ auftritt, handelt es sich um eine Vereinigung, die sich terroristisch betätigt. Diese Einschätzung entspricht der die allgemeine Auffassung der internationalen Staatengemeinschaft wiedergebenden Resolution 2249 (2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 20. November 2015, in welcher erneut unter Hinweis auf entsprechende Vorgängerresolutionen die terroristischen Handlungen des IS verurteilt und die Staatengemeinschaft zu Gegenmaßnahmen aufgerufen wurden (http://www.un.org/depts/german/sr/sr_15/sr2249.pdf; vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015, Au 1 K 14.1546, juris Rn. 36). Der IS hat sich bis in die jüngste Vergangenheit zu einer Vielzahl terroristischer Anschläge – auch in Europa – bekannt, z.B. zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin am 19. Dezember 2016 mit 12 Toten und ca. 50 Verletzten.

29

Es liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger den IS unterstützt. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG umfasst alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Terrorismus auswirken (BVerwG, Urt. v. 25.10.2011, a.a.O.). Dazu gehört jedes Tätigwerden, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung sowie ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer terroristischen Bestrebungen fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt. Der Unterstützungsbegriff ist dabei unabhängig von der strafrechtlichen Auslegung des § 129a StGB zu bestimmen und umfasst auch die Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterscheidet nicht zwischen dem Unterstützen und Werben und beinhaltet keine Beschränkung der Werbung auf ein gezieltes Werben um Mitglieder und Unterstützer (BVerwG, Urt. v. 25.10.2011, a.a.O.). Maßgeblich ist allein, ob die potentielle Gefährlichkeit der terroristischen Vereinigung gefestigt und ihr Gefährdungspotenzial gestärkt wird. Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an (BVerwG, Urt. v. 15.3.2005, a.a.O., juris Rn. 25 m.w.N.). Ob allein die Äußerung einer Sympathie für eine terroristische Vereinigung im privaten Kreis diese Anforderungen erfüllen würde, kann dahinstehen. Jedenfalls genügt eine Meinungskundgabe oder sonstige Aktivität, die geeignet ist, eine für die terroristische Organisationen vorteilhafte Außenwirkung zu erzielen (so BVerwG, Urt. v. 15.3.2005, a.a.O. zur Teilnahme an einer Demonstration für einen verbotenen Verein).

30

Insbesondere kann die Verbreitung von gewaltverherrlichenden Einträgen, die den IS, dessen Ideologie, den bewaffneten Dschihad, Selbstmordanschläge, und den Märtyrertod verteidigen bzw. glorifizieren über soziale Medien wie Facebook eine Unterstützungshandlung in Gestalt einer Sympathiewerbung im oben genannten Sinne darstellen (VG Hamburg, Beschl. v. 19.1.2017, 2 E 8114/16, n. veröff., BA S. 12; Beschl. v. 22.2.2016, 19 E 6426/15, juris Rn. 19, 22; VG München, Urt. v. 26.1.2017, M 12 K 16.5397, juris Rn. 68; VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015, Au 1 K 14.1546, juris Rn. 46). Denn hierbei handelt es sich um eine Sympathiebekundung mit großer Außenwirkung, insbesondere dann, wenn eine erhebliche Zahl von Facebook-Nutzern die Beiträge zur Kenntnis nimmt. Wie die Kammer bereits im Beschluss vom 19. Januar 2017 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (2 E 8114/16, BA S. 12 f.) ausgeführt hat, nutzt der IS nutzt im Vergleich zu anderen Gruppen in besonderer Weise soziale Medien wie Facebook, um Botschaften unter seinen Anhängern zu verbreiten und um neue Anhänger zu werben:

31

http://www.tagesspiegel.de/politik/facebook-twitter-instagram-wie-der-islamische-staat-im-internet-kaempft/10814766.html vom 10.10.2014;
https://www.welt.de/politik/deutschland/article149835714/Dschihadisten-werben-mit-Mordvideos-und-SpongeBob.html - vom 11.12.2015;
http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-09/islamischer-staat-helfer-festnahme-spanien-bruessel-wuppertal-facebook-seite vom 28.9.2016;
http://www.sueddeutsche.de/digital/propaganda-im-netz-terror-freunde-gruenden-facebook-kopie-1.2383051 vom 8.3.2015

32

Die Bedeutung sozialer Netzwerke für den IS wird auch aus der Meldung deutlich, dass, nachdem Facebook und Twitter vermehrt die Nutzung ihrer Netzwerke durch den IS erkannt und islamistische Propaganda-Accounts gelöscht haben, eine IS-Hackergruppe ein Droh-Video gegen die Leitungen dieser Unternehmen veröffentlicht haben soll:

33

http://www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-droht-chefs-von-facebook-und-twitter-a-1079168.html vom 25.2.2016

34

Wer radikales Gedankengut über soziale Medien verbreitet, auch wenn er selbst nicht aktiv zur Gewalt aufruft, betätigt sich als Teil der Propagandamaschinerie der verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen. Die Möglichkeit der Organisation mit terroristischen Bestrebungen, weitere Mitglieder und Sympathisanten zu gewinnen bzw. Kämpfer anzuwerben, erhöht sich hierdurch. Unerheblich ist hierbei, ob jemand fremde Beiträge, die eine terroristische Vereinigung unterstützen, verbreitet oder ob er dies in Gestalt eigener Beiträge tut. Denn auch „geteilte“ Beiträge Dritter, die über das eigene Profil verbreitet werden, stellen eine Sympathiebekundung mit großer Außenwirkung dar (ebenso für VG Hamburg, Beschl. v. 22.2.2016, 19 E 6426/15, juris Rn. 22, für Einträge, die mit einem „Like“ versehen wurden). Das Unterbinden der Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung entspricht vor diesem Hintergrund einem Grundinteresse der Gesellschaft, da dadurch dem internationalen Terrorismus bereits im Vorfeld die logistische Basis entzogen werden kann. Die Anwesenheit von Sympathisanten und radikalisierten Anhängern einer terroristischen Vereinigung ruft eine nur schwer berechenbare Gefährdungslage und angesichts der Anschlagsgefahr die Notwendigkeit von ersichtlichen Überwachungsmaßnahmen hervor (VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015, a.a.O.).

35

Wie bereits im Beschluss der Kammer vom 17. Januar 2017 (a.a.O.) ausgeführt wurde, liegen hinreichend verwertbare und belegbare Tatsachen dafür vor, dass der Kläger das benannte Facebook-Profil des in Hamburg wohnhaften „D“ und damit aktive Sympathie-Werbung für den IS betrieben hat. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat im Schreiben vom 2. August 2016, das dem Gericht im Original und mit farbigen Lichtbildern vorliegt, mit einem Screenshot ein vor August 2016 auf dieser Seite veröffentlichtes Lichtbild des „D“ vorgelegt. Dieses Lichtbild weist nach Auffassung der Kammer - verglichen mit dem in der Akte befindlichen Lichtbild des Klägers aus seinem Reisepass - seine Identität nach. Dies hat er auch nicht bestritten.

36

Die zahlreichen, von der Beklagten unter Bezugnahme auf die vom Landesamtes für Verfassungsschutz angeführten, mit Quellenangaben versehenen und ausgewerteten Veröffentlichungen (Facebook-Posts) auf der Seite des „D“ u.a. im Vermerk vom 11. August 2016 stellen hinreichend verwertbare und belegbare Tatsachen für die Unterstützung der terroristischen Vereinigung IS durch den Kläger dar. Das Gericht nimmt insoweit auf die in den Gerichts- und Sachakten enthaltenen Auswertungen durch das Landesamt für Verfassungsschutz Bezug, deren in die deutsche Sprache übersetzte Inhalte der Kläger zuletzt nicht mehr bestritten hat. Dafür, dass wesentliche Übersetzungsfehler auf Seiten des Landesamtes für Verfassungsschutz vorliegen könnten, bestehen insbesondere nach der stichprobenartigen zweiten Übersetzung durch die vereidigte Dolmetscherin in der mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren zwischen 2014 und 2016 auf der Facebook-Seite des „D“ dschihadistische Propaganda betrieben und Gegner des IS diffamiert. Er hat danach nicht nur am 23. Januar 2014 ein Werbevideo eines IS Anhängers namens E gepostet, sondern auch am 23. Januar 2014 einen Film mit einer Rede von F, der Menschen zum Dschihad aufrief. In Posts aus dem Jahr 2016, zum Beispiel vom 9. Juni 2016, kritisiert der Kläger schiitische Gelehrte, die andere vom Kampf auf der Seite des IS abhalten wollten. So veröffentlichte er zum Beispiel am 28. Juli 2016 ein Video aus der damaligen IS-Provinz Aleppo, in dem sich ehemalige Milizionäre der mit dem IS verfeindeten Nusra-Front feierlich dem IS anschließen und versah es mit einem Koranzitat, das die Aufgabe eines Irrwegs durch die ehemaligen Milizionäre der Nusra-Front kommentierte.

37

Der Kläger entspricht ausweislich der geposteten Lichtbilder äußerlich den Anforderungen des IS an das Erscheinungsbild ihrer Anhänger (vgl. dazu http://www.handelsblatt.com/ politik/international/regeln-des-is-vom-bart-bis-zur-sklavin-die-buerokratie-des-terrors-/14782224.html) und zeigte sich auf einem geposteten Lichtbild mit erhobener, geballter rechter Faust unter Abspreizung des Zeigefingers der szenetypischen Pose eines Salafisten (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 22.8.2017, 1 A 2/17, juris Rn. 34). Er hat auch nicht gegenüber der Beklagten glaubhaft im Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln und von seiner Ideologie Abstand genommen. Dies würde voraussetzen, dass er sich zu seinen Aktivitäten bekennt und sich sodann in einer Art tätigen Reue glaubhaft hiervon distanziert. Konkrete Anhaltspunkte, die eine Zäsur zu seinen früheren Aktivitäten und eine Abkehr von der Unterstützung des Terrorismus des IS belegen, liegen nicht vor. Die Sympathiewerbung für den IS liegt auch nicht längere Zeit zurück, sondern wurde vom Kläger während des Zusammenlebens mit seinen Kindern bis in das Jahr 2016 über das vom Landesamt für Verfassungsschutz aufgedeckte Facebook-Profil betrieben. Allein das Schließen eines Facebook-Accounts, der den Sicherheitsbehörden bekannt geworden ist, stellt keine solche glaubhafte innere Abkehr dar. Insbesondere hat der Kläger bei der vor seiner Abschiebung erfolgten Anhörung am 26. Juli 2017 bei der Beklagten keine glaubhafte Abkehr bekundet. Vielmehr hat er mitgeteilt, dass ein Missverständnis vorliege.

38

bb. Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse zudem besonders schwer, wenn der Ausländer zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft. Hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift (§ 54 Abs. 1 Nr. 5b AufenthG). Mit dem zum 1. Januar 2016 eingeführten Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG bezweckt der Gesetzgeber die Neubewertung eines bestimmten Verhaltens als schwerwiegendes Ausweisungsinteresse. Es soll zum Ausdruck gebracht werden, dass bei so genannten „Hasspredigern“ oder Personen, die gegen andere Bevölkerungsteile hetzen, ein erhebliches Interesse an der Ausreise der Person besteht. Der Gefährdung des friedlichen Zusammenlebens in Deutschland durch „geistige Brandstifter“ soll durch die Einordnung dieser Verhaltensweisen als besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse möglichst frühzeitig und wirkungsvoll entgegen getreten werden. Das Hasspredigen wiegt danach genauso schwer wie zum Beispiel die möglicherweise durch eine solche Radikalisierung begründete Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele nach § 54 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 51). Dasselbe gilt für gleichzusetzende Aktivitäten.

39

Erkennbar wird in diesem Tatbestand eine Parallele zum Straftatbestand der Volksverhetzung gezogen. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer u.a. eine Schrift im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht, die zum Hass gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnischer Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufgestachelt (§ 130 Abs. 2 Nr. 1a StGB) oder wer die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden (§ 130 Abs. 2 Nr. 1c StGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter Aufstachelung zum Hass ein Verhalten zu verstehen, das auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen den Betroffenen Bevölkerungsteil zu erzeugen oder zu verstärken (BGH, Urt. v. 27.7.2017, 3 StR 172/17, juris Rn. 30 m.w.N.). Ebenso wird gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 StGB bestraft, wer einen in § 130 Abs. 2 Nr. 1 a bis c StGB bezeichneten Inhalt mittels Rundfunk oder Telemedien unter anderem der Öffentlichkeit zugänglich macht. Auch Kommentare, die über ein öffentlich zugängliches Facebook-Profil veröffentlicht werden, können den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllen (OLG Hamm, Beschl. v. 26.9.2017, 4 RVs 103/17, juris; ThürOLG, Urt. v. 27.9.2016, 1 OLG 171 Ss 45/16, juris Rn. 15 ff.).Dabei darf nach der Rechtsprechung zur Strafbarkeit entsprechender Äußerungen diesen im Lichte der durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Meinungsfreiheit keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht haben, und im Fall der Mehrdeutigkeit darf nur dann von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden, wenn andere, straflose Deutungsmöglichkeiten mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden können (BVerfG, Kammerbeschl. v. 28.3.2017, 1 BvR 1384/16, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 28.7.2016, 3 StR 149/16, NStZ-RR 2016, 369, juris Rn. 20). Vergleichbare Maßstäbe sind bei der Prüfung eines Ausweisungstatbestandes aufgrund aufhetzender Äußerungen anzulegen.

40

Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass auf dem oben genannten, dem Kläger zuzurechnenden Facebook-Profil zahlreiche Posts und geteilte Nachrichten und Filme enthalten sind, die für jeden Facebook-Nutzer ersichtlich entsprechend der politischen Grundeinstellung der IS-Anhänger zum Hass gegen Teile der Bevölkerung, nämlich gegen die Glaubensgemeinschaften der Juden und der Schiiten aufrufen. Unter anderem tut der Kläger dies in einem Post vom 7. Juli 2016, in dem es in der deutschen Übersetzung des Landesamtes für Verfassungsschutz heißt:

41

„Israel ist die Hure des mittleren Ostens. Alle pflegen mit ihren Beziehungen im Geheimen, aber verleugnen es in der Öffentlichkeit.“

42

Darüber hinaus hat der Kläger am 13. Juli 2016 einen Post veröffentlicht, der von dem saudischen Prediger G stammen soll und der in der deutschen Übersetzung durch das Landesamt für Verfassungsschutz lautet:

43

„Gott hat die Juden mit den Worten Feigheit und Angst und Gier nach dem Leben beschrieben und sie wagen es nicht, die Muslime zu bekämpfen, außer mit Unterstützung der Heuchler.“

44

In einem Post vom 9. Juni 2016 kommentiert der Kläger ein Video, das Schiiten in Mekka zeigt. In der Übersetzung des Landesamtes für Verfassungsschutz lautet der Text des Klägers:

45

„Wo sind die (islamischen) Gelehrten der Herrschenden während der Verbrechen und der Beigesellung durch die ablehnenden Schiiten im besonders geschützten Haus Gottes? Gottes Fluch über euch, o ihr Agenten der Herrscher. Ich hege Groll gegen euch und verfluche euch bis zum Tag des Jüngsten Gerichts, o Agenten.“

46

Mit diesen Äußerungen macht der Kläger Juden und Schiiten verächtlich und versucht eine über die bloße Ablehnung hinausgehende feindselige Haltung zu erzeugen oder zu verstärken. Über sein Facebook-Profil und die mit ihm in Kontakt stehenden 2000 Nutzer hat der Kläger seine entsprechenden Kommentare und Aufrufen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Von straffreien, „erlaubten“ Meinungsäußerungen in sozialen Medien kann also keine Rede sein.

47

Da, wie bereits erörtert, keine erkennbare, glaubhafte Abkehr von diesen Aufrufen erfolgt ist, ist auch der Ausweisungstatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG erfüllt.

48

cc. § 53 Abs. 1 AufenthG setzt für den Erlass einer Ausweisungsverfügung weiter voraus, dass der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Dies ist vorliegend der Fall. Angesichts der mangelnden Distanzierung und Abkehr von seinem bisherigen sicherheitsgefährdenden Handeln einerseits und seiner tief verwurzelten salafistisch-dschihadistischen Grundeinstellung, wie sie insbesondere in seinen Internet-Aktivitäten zum Ausdruck kommt, ist bei einem weiteren Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet auch künftig mit weiteren sicherheitsgefährdenden Handlungen ähnlicher Ausprägung zu rechnen und damit mit einer vom Kläger ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die freiheitlich demokratische Grundordnung. Bei Würdigung des Verhaltens des Klägers ist auch in Zukunft zu erwarten, dass er seine Anwesenheit im Bundesgebiet zur (Sympathie-)Werbung für den bewaffneten Dschihad und zu ähnlichen Aktivitäten ausnutzen wird, gegebenenfalls über andere Facebook-Accounts. An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger die mögliche Rechtsverletzung ist. Die Gefahr von Terrorakten, die von Unterstützern oder Sympathisanten des IS ausgeht und für die der Kläger durch seine Sympathiewerbung den Boden bereitet hat, ist dabei so schwerwiegend, dass an die Möglichkeit einer direkten oder indirekten Beteiligung des Klägers hieran nur geringe Anforderungen zu stellen sind (ebenso VG München, Urt. v. 26.1.2017, a.a.O., juris Rn. 72). Da der Kläger trotz der drohenden Trennung von seinen Kindern nicht einmal ansatzweise den Versuch unternommen hat, sich von seinen bisherigen Aktivitäten und der IS-Ideologie zu distanzieren, besteht eine erhebliche Wiederholungsgefahr.

49

dd. Darüber hinaus ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Ausweisung auch generalpräventiv durch die Gefahr von weiteren sicherheitsgefährdenden Aktivitäten ähnlichen Gewichts durch andere Ausländer begründet hat. Der Gesetzgeber wollte diese Möglichkeit der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen auch für das reformierte Ausweisungsrecht mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (vom 27. Juli 2015, BGBl. I S. 1386) beibehalten (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 34; VGH München, Beschl. v. 19.9.2016, 19 CS 15.1600, juris; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, zu § 53 AufenthG, Rn. 53). Voraussetzung für eine generalpräventive Begründung ist, dass die Ausweisung insoweit ein geeignetes und erforderliches Mittel zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Von ihr muss eine angemessene Wirkung der generalpräventiven Absicht zu erwarten sein. Das ist der Fall, wenn nach der Lebenserfahrung damit gerechnet werden kann, dass sich andere Ausländer mit Rücksicht auf eine kontinuierliche Ausweisungspraxis ordnungsgemäß verhalten (BVerwG, Urt. v. 13.11.1979, 1 C 100.76, juris). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können unter anderem Straftaten aus generalpräventiven Gründen eine Ausweisung von Ausländern rechtfertigen, wenn durch die Ausweisung andere Ausländer von der Begehung solcher Straftaten abgehalten werden sollen. Dasselbe gilt für die Ausweisung eines aktiven, vernetzten IS-Unterstützers. Angesichts der Internetpräsenz des Klägers mit 2000 Usern auf dem aufgedeckten Facebook-Profil und seiner daraus abzuleitenden Einbindung in die salafistische Szene in Deutschland ist seine Ausweisung geeignet, andere Ausländer von der Unterstützung der terroristischen Vereinigung IS abzuschrecken.

50

Unter welchen Voraussetzungen eine allein auf generalpräventive Gründe gestützte Ausweisung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zulässig ist, kann vorliegend dahinstehen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 14.2.2012, 1 C 7/11, juris Rn. 17).

51

b. Diesem Ausweisungsinteresse steht ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG gegenüber. Denn der Kläger hat vor seiner Abschiebung mit seinen beiden deutschen Kleinkindern in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt. In seiner Person liegende Bleibeinteressen etwa in Gestalt eines langjährigen legalen Aufenthalts oder einer gelungenen Integration sind nicht ersichtlich. Der Kläger hielt sich lediglich über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren legal in Deutschland auf, davon etwa ein Jahr mit einer Fiktionsbescheinigung. Seit dem 22. September 2016 war er lediglich geduldet. Eine Integration in die hiesigen wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse ist ihm in dieser Zeit nicht gelungen. Insbesondere hat er nicht durch eine eigene Erwerbstätigkeit zum Lebensunterhalt seiner Familie beigetragen.

52

c. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gemäß 53 Abs. 1 und 2 AufenthG überwiegt bei der Interessenabwägung das Ausweisungsinteresse.

53

Hinsichtlich des Schutzes der familiären Beziehungen ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes anerkannt, dass selbst schwerwiegende Beeinträchtigungen familiärer Beziehungen nicht stets das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung verdrängen. Vielmehr ist anhand der sog. "Boultif-Kriterien" ein gerechter Ausgleich der gegenläufigen Interessen zu finden (vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 18.10.2006, Nr. 46410/99, Üner, juris Rn. 57 ff.) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zu berücksichtigen, dass Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewährt und allein aufgrund formal-rechtlicher Bindungen ausländerrechtliche Schutzwirkungen nicht entfaltet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.12.2008, 2 BvR 1830/08, juris). Wie der Europäische Gerichtshof betont auch das Bundesverfassungsgericht, dass selbst gewichtige familiäre Belange sich nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durchsetzen (z.B. Beschl. v. 23.1.2006, 2 BvR 1935/05, juris Rn. 23). Es ist zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für eine gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.12.2008 a.a.O., Beschl. v. 5.6.2013, 2 BvR 586/13, NVwZ 2013, 1207). Über die familiären Belange hinaus ist das Interesse des Klägers an einem Verbleib im Bundesgebiet unter Berücksichtigung der Dauer seines Aufenthalts und des Maßes seiner Integration angemessen zu würdigen.

54

Im vorliegenden Fall hat der Kläger - wie dargestellt - über einen Zeitraum von etwa drei Jahren im Bundesgebiet gelebt und während dieser Zeit eine familiäre Lebensgemeinschaft mit einem bzw. beiden deutschen Söhnen geführt, die Zeitpunkt seiner Abschiebung 3 1/2 Jahre bzw. 1 1/2 Jahre alt waren. Das Gericht verkennt nicht, dass die Ausweisung das Führen der familiären Lebensgemeinschaft erheblich beeinträchtigt, da Kinder in diesem Alter nur sehr eingeschränkt in der Lage sind, intensive familiäre Kontakte über elektronische Medien oder über eine telefonische Verbindung zu führen. Auch dürften sich Besuche der Kindsmutter mit den beiden Söhnen im Heimatland des Klägers in Grenzen halten. Zwar ist Marokko nach wie vor ein touristisches Ziel und ohne größeren finanziellen Aufwand von Deutschland aus erreichbar. Andererseits verfügt die Kindsmutter als SGB II-Berechtigte nicht über die erforderlichen Mittel, häufige und längere Auslandsreisen zu finanzieren. Ob der Kläger in der Lage ist, diese Kosten zu tragen, entzieht sich der Kenntnis des Gerichts. Die Söhne des Klägers werden somit im ungünstigsten Fall durch die Trennung von ihrem Vater nur noch in geringem Umfang elterliche oder erzieherische Fürsorge von seiner Seite erfahren können. Zwar dürfte die islamistische Haltung des Klägers der Kindsmutter von Beginn der Beziehung an nicht verborgen geblieben sein, so dass sie selbst nicht damit rechnen konnte, dauerhaft mit dem Kläger und den gemeinsamen Kindern eine familiäre Lebensgemeinschaft in Deutschland führen zu können. Allerdings kann dieser Umstand den Kindern des Klägers, aus deren Perspektive die familiären Belange zu prüfen sind, nicht angelastet werden, da sie keine Entscheidung zur Begründung einer familiären Beziehung getroffen haben. Weder die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet noch eine mögliche Integration sprechen für den Kläger. Während seines lediglich dreijährigen Aufenthalts in Deutschland war der Kläger in keiner Weise wirtschaftlich integriert und hat auch den Integrationskurs nicht besucht.

55

Diesem somit allein familiär begründeten Bleibeinteresse stehen hohe, vom Gesetzgeber als außerordentlich bedeutsam eingestufte, oben ausführlich beschriebene, öffentliche Interessen gegenüber. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (BVerfG, Beschl. v. 18.7.1973, 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73, BVerfGE 35, 382,402 f.; Urt. v. 20.4.2016, 1 BvR 966/09 u.a., BVerfGE 141, 220, juris Rn. 96, 132; BVerwG, Beschl. v. 19.9.2017, 1 VR 8/17, juris Rn. 41). Fährt der Kläger damit fort, den IS im Bundesgebiet mindestens zu unterstützen und damit die Begehung von Terrorakten durch den IS zu erleichtern, gefährdet dies überragend wichtige, unwiederbringliche Rechtsgüter von Verfassungsrang, nämlich Leib und Leben einer Vielzahl von Rechtsgutsträgern sowie die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen. Angesichts der öffentlich gezeigten Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und der wachsenden Gefahren insbesondere durch im Inland befindliche Unterstützer islamistischer und salafistischer Gruppen ist die Bundesrepublik Deutschland auch bei familiären Bindungen im Bundesgebiet nicht gehalten abzuwarten und mit großem personellen und finanziellen Aufwand - und den bestehenden Risiken einer nicht hinreichenden Überwachung – zu beobachten, ob ein Ausländer wie der Kläger nunmehr seine Aktivitäten einstellt, ob er weiterhin auf Sympathiewerbung für diese Vereinigung betreibt, ob er weitere, die terroristische Vereinigung unterstützende Aktivitäten entfaltet und sich gegebenenfalls selbst an möglichen Terroranschlägen beteiligt.

56

Dem Kläger ist vor diesem Hintergrund zuzumuten, den bestehenden, intensiven Kontakt zu seinen in Deutschland lebenden deutschen Kleinkindern mit Hilfe elektronischer Medien sowie gelegentlicher Besuche aufrecht zu erhalten. Im Falle einer Distanzierung von seiner Ideologie und seinen Aktivitäten für die terroristische Organisation des IS kann er jederzeit im Interesse seiner Kinder ein Wiederaufgreifen des Verfahrens beantragen.

57

2. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot, das sowohl aufgrund der Abschiebung (siehe hierzu unter a.) und auch aufgrund der Ausweisung des Klägers (unter b.) festgesetzt bzw. befristet wurde, ist auch hinsichtlich der zehnjährigen Dauer (c.) nicht zu beanstanden.

58

a. Unschädlich ist, dass die Beklagte davon ausgegangen ist, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Falle der vollzogenen Abschiebung auf der gesetzlichen Bestimmung des § 11 Abs. 1 AufenthG beruht und dass sie als Ausländerbehörde gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG eine Befristungsentscheidung zu Gunsten des ausgewiesenen Ausländers zu treffen hatte. Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend.

59

Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 13.7.2017, 1 VR 3/17 u.a., juris, Leitsatz 1 und Rn. 71 f. zur Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG) kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie vom 16.12.2008, ABl. EU L 348/98 v. 24.12.2008 - RFRL) jedenfalls, soweit es an eine Abschiebung anknüpft, schon nicht wirksam aufgrund einer gesetzlichen Bestimmungen eintreten; vielmehr bedarf es dafür einer behördlichen Entscheidung. Auch im Beschluss vom 22. August 2017 (1 A 10/17 u.a., juris Rn. 5) betont das Bundesverwaltungsgericht:

60

„Einer gesetzlichen Überarbeitung des § 11 AufenthG bedarf es schon deshalb, weil das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG im Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie nicht mit deren Art. 11 Abs. 2 zu vereinbaren ist. Denn danach bedarf das mit einer Rückkehrentscheidung (vgl. Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie) einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot (vgl. Art. 3 Nr. 6 der Richtlinie) stets einer behördlichen oder richterlichen Einzelfallentscheidung, die auch seine Dauer festlegen muss.“

61

Auch aus Art. 11 RFRL geht hervor, dass die Rückführungsrichtlinie von der behördlichen oder gerichtlichen Festsetzung der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls ausgeht und nicht von einer gesetzlichen Anordnung, die lediglich durch die Behörde zu befristen ist (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 26.7.2017, C-225/16, juris Rn. 50).

62

Allerdings können behördliche Befristungsentscheidungen eines vermeintlich kraft Gesetzes eintretenden Einreiseverbots regelmäßig dahin verstanden werden, dass damit ein Einreiseverbot von bestimmter Dauer angeordnet wird. Zur Begründung hat sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere darauf gestützt, dass nach Art. 3 Nr. 6 RFRL als „Einreiseverbot“ die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme gilt, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht (BVerwG, Beschl. v. 13.7.2017, a.a.O., juris Rn. 72). Dieser Rechtsauffassung schließt sich das Gericht an.

63

b. Das Bundesverwaltungsgericht hat bislang offen gelassen, ob es das in § 11 Abs. 1 AufenthG gesetzlich geregelte Einreise- und Aufenthaltsverbot für Ausweisungen als richtlinienkonform ansieht (vgl. Urt. v. 25.7.2017, 1 C 12/16, juris Rn. 34). Es hat bislang insbesondere keine Aussage dazu getroffen, ob in der Ausweisung eine Rückführungsentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie liegt (ebenso offen gelassen im Urt. v. 22.2.2017, 1 C 27/16, juris Rn. 21). Auch im vorliegenden Fall ist nicht entscheidungserheblich, ob das auf die Ausweisung folgende Einreise- und Aufenthaltsverbot von Gesetzes wegen angeordnet und behördlich befristet werden durfte. Auch bei unterstellter Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie kann die behördliche Befristungsentscheidung als behördliche Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots angesehen werden.

64

c. Die Dauer der Einreise- und Aufenthaltsverbote von jeweils 10 Jahren ist nicht zu beanstanden.

65

Die Ausländerbehörde hat über die Dauer des mit einer Ausweisung oder Abschiebung verbundenen Einreise- und Aufenthaltsverbots seit dem Inkrafttreten des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) nach Ermessen zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.2017, 1 C 27/16, juris Rn. 18). Die Frist darf gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Frist soll gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 AufenthG zehn Jahre nicht überschreiten. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsinteresses und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf bei einer spezialpräventiv motivierten Ausweisung der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Frist muss sich an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und ggf. relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in §§ 53 Abs. 2, 55 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen und in einem sich ggf. anschließenden gerichtlichen Verfahren unter Kontrolle zu halten (OVG Münster, Urt. v. 10.5.2016, 18 A 610/14, juris Rn. 100).

66

Ermessensfehler der Beklagten sind nicht ersichtlich; insbesondere hat sie zu Recht eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung angenommen, so dass die Sperrfristen gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre überschreiten durften. Wie oben dargestellt, begründen die festgestellte Sympathiewerbung des Klägers für die Terrororganisation Islamischer Staat sowie die bislang ausgebliebene Distanzierung hiervon eine fortbestehende schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

67

Der Umstand, dass die Beklagte trotz der familiären Beziehungen des Klägers zu seinen beiden deutschen Kleinkindern jeweils die nach § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vorgesehene regelhafte Höchstfrist von 10 Jahren festgesetzt hat, ist angesichts der geschilderten, fortbestehenden Gefährdungslage nicht unverhältnismäßig. Sie ist geeignet, erforderlich und angemessen, um der vom Kläger nach wie vor ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu begegnen. Zwar schreitet die Entwicklung von Kleinkindern schnell fort und sind diese - wie dargestellt - nur sehr eingeschränkt in der Lage, auf anderem Wege als im persönlichen Umgang Kontakt zu halten, so dass eine Entfremdung vom Vater eher zu befürchten ist als bei größeren Kindern. Eine kürzere Sperrfrist wäre jedoch nicht geeignet, dem Kläger vor Augen zu führen, dass Aktivitäten aufgrund seiner ideologischen Grundeinstellung, die deutsche Sicherheitsinteressen massiv gefährden, auch bei familiären Beziehungen nicht hingenommen werden müssen. Das Gericht hat wie die Beklagte bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es sich bei der Befristungsentscheidung um eine allein auf die gegenwärtigen Verhältnisse gestützte Prognose handelt und sie jederzeit bei einer Änderung der Verhältnisse nach unten korrigiert werden kann. Dies wäre dann der Fall, wenn sich Anhaltspunkte für eine glaubwürdige Abkehr von der Ideologie des IS ergäben. In letzterem Fall hat die Beklagte zugesagt, auf einen entsprechenden Antrag hin nicht nur das Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Ausweisung zu prüfen, sondern eine kürzere Sperrfrist zu bestimmen. Insofern liegt es in der Hand des Klägers, den deutschen Sicherheitsbedürfnissen entgegenzukommen, und zugleich die Interessen seiner Kinder an der Führung einer familiären Gemeinschaft in Deutschland zu wahren. Er selbst setzt seine Prioritäten.

68

Der vom Kläger geltend gemachte Umstand, dass auch nach dem Ablauf einer Sperrfrist die Erteilung eines Visums problematisch sein könnte, ist abhängig von späteren, gegenwärtig nicht absehbaren Entwicklungen und berührt den hier zu entscheidenden Streitgegenstand nicht.

69

3. Soweit die Beklagte im angegriffenen Bescheid vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2016 dem Grunde nach „für die Befristung gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 der Aufenthaltsverordnung“ eine Gebühr in Höhe von 30,- Euro verlangt hat, ist der Bescheid jedoch rechtswidrig.

70

Maßgeblich für die Beurteilung dieser Regelung ist die zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides gültige Fassung des § 47 der Aufenthaltsverordnung, d.h. die Fassung vom 18. Dezember 2015, die bis zum 31. August 2017 gültig war (AufenthV 2015). Die gebührenpflichtigen Tatbestände sind nach § 69 Abs. 2 AufenthG in Kapitel drei der Aufenthaltsverordnung benannt. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV 2015 sind an Gebühren für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG) 30 € zu erheben; im Übrigen benennt dieses Kapitel der Aufenthaltsverordnung 2015 weitere, die Ausländer begünstigende Amtshandlungen der Ausländerbehörde und die hierfür anfallenden Gebühren.

71

Wie oben erörtert, handelt es sich jedenfalls bei der Festsetzung der die Abschiebung betreffenden Sperrfrist nicht um eine den Ausländer begünstigende Befristungsentscheidung nach „§ 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG“. Ob bereits der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides die Vorschrift des § 11 AufenthG neugefasst war, so dass sie im ersten Absatz keinen Satz 3 mehr besaß, der Gebührenforderung entgegensteht, kann dahinstehen. Jedenfalls handelt es sich bei der die Abschiebung betreffenden Entscheidung über die Sperrfrist nicht um eine reine Befristungsentscheidung im Sinne des § 11 Abs. 1 AufenthG, da, wie unter 2 a. erörtert, diese Entscheidung auch als behördliche Festsetzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu bewerten ist. Für eine solche (den Ausländer auch belastende) behördliche Entscheidung sahen zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt weder das Aufenthaltsgesetz noch die Aufenthaltsverordnung 2015 die Ermächtigung für eine Gebührenforderung vor. Dahinstehen kann, ob die Befristungsentscheidung hinsichtlich der Ausweisungsverfügung zu Recht mit einer Gebührenforderung in Höhe von 30 € versehen wurde. Da die Beklagte in den angegriffenen Verwaltungsakten die Gebührenforderung nicht differenziert für beide Sperrfristen festgesetzt hat, und jede für sich eine Gebühr von 30 € auslösen könnte, ist die Gebührenforderung im Ganzen aufzuheben.

72

4. Der Hilfsantrag des Klägers auf Verkürzung der Sperrfrist(en) für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf ein Jahr ab nachgewiesener Ausreise hat aus den oben unter Ziffer 2 c. dargelegten Gründen keinen Erfolg. Denn die Festlegung der beiden Sperrfristen von zehn Jahren ist nicht zu beanstanden.

73

III. Die Kostenentscheidung ergeht hinsichtlich der für erledigt erklärten Klageanträge gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Gericht die Ausweisung des Klägers für rechtmäßig hält und dass dementsprechend die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Erfolgsaussichten gehabt hätte. Auch die Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden (vgl. zu beiden Aspekten den Beschl. der Kammer v. 19.1.2017, 2 E 8114/16 und OVG Hamburg, Beschl. v. 13.3.2017, 4 Bs 25/17).

74

Soweit über die Klage in der Hauptsache zu entscheiden war, folgt die Kostenentscheidung aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zunächst eine Untätigkeitsklage erhoben und diese nach dem Erlass des Widerspruchsbescheides umgestellt hat. Die Untätigkeitsklage hatte jedoch keine Aussicht auf Erfolg, da die Beklagte nicht ohne zureichenden Grund gemäß § 75 Satz 1 und 2 VwGO nicht vor Ablauf von drei Monaten über den Verlängerungsantrag entschieden hat. Sie hat – wie sich aus dem ermittelten Sachverhalt ergibt – zu Recht auf die Auskünfte des Landesamtes für Verfassungsschutz gewartet, bevor sie über die beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entschieden hat. Das Gericht misst im Übrigen dem geringfügigen Obsiegen des Klägers hinsichtlich der Gebühr in Höhe von 30 € keine Bedeutung für die Kostenfolge zu.

75

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen