Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land)) - 25 FLE 387/20
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller wendet sich Wege des einstweiligen Rechtsschutzes „gegen die Umstellung der Speisenausgabe/des Kantinenbetriebs auf Essen to go und Schließung im Betriebsrestaurant und Bistro“ durch den Beteiligten.
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Antragsteller ist der bei der vom Beteiligten geleiteten Dienststelle Hamburg der Deutschen Rentenversicherung Nord gebildete Personalrat. Die Deutsche Rentenversicherung Nord ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts unter Aufsicht des Landes Schleswig-Holstein mit Sitz in Lübeck und Zuständigkeit für die Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Es besteht eine einstufige Verwaltung mit den drei Dienststellen Hamburg, Lübeck und Neubrandenburg, alle unter Leitung des Geschäftsführers in Lübeck. Nach dem Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein ist für jede Dienststelle ein Personalrat und ist für die Körperschaft ein Gesamtpersonalrat gebildet.
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Die Kantine in der Dienststelle Hamburg wird in eigener Regie betrieben. Sie ist seit 16. März 2020 für Externe geschlossen und der Betrieb auf Interne beschränkt. In einem „Hygienekonzept während der Coronapandemie“ (B 1) ist u.a. ausgeführt:
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„Für das Essen-to-go wird Einmalbesteck ausgegeben, wenn der Kunde kein eigenes Besteck hat. Es sollte möglichst eine recyclefähige Verpackung genutzt werden.
- 5
Im Speisesaal des Betriebsrestaurants werden die Tische so positioniert, dass mindestens 1,5 Meter Abstand zum nächsten Tisch bestehen. An jedem Tisch dürfen maximal zwei Personen – ausschließlich versetzt gegenüber – sitzen. Die überzähligen Tische und Stühle werden entfernt und eine Nutzung unmöglich gemacht.“
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Soweit Beschäftigte dort Speisen erwerben, werden sie über die Bezahlfunktion ihrer Zugangskarte erfasst, im Übrigen und außerhalb der Essenszeiten, z.B. während einer Frühstückspause, nicht.
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Dienststellenübergreifend gilt in der DRV Nord die vom Gesamtpersonalrat mitbestimmte Dienstanweisung Arbeitsschutz. In deren Anlage 1 „Zeitlich befristetes betriebliches Maßnahmenkonzept zum Infektionsschutz vor SARS-CoV-2“ ist insbesondere benannt:
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„5.2.2 Tätigkeitsspezifische besondere Schutzmaßnahmen
- 9
[...]
- 10
Organisatorische Maßnahmen
[...]Tische, Stühle u.ä. in ausreichendem Abstand positionieren,
alternativ Sperrung von Sitzgelegenheiten veranlassen“[...]
„Wartebereiche der Standorte, ABS und SMD,
Pausenräume, Besprechungsräume“
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Der körperschaftsweit gebildete Krisenstab „Corona“ kam in einer Telefonkonferenz am 5. November 2020 zu dem Ergebnis (B 2):
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„Wird die Region eines Standorts nach den Maßgaben des RKI zum Hochinzidenzgebiet erklärt, sind zum Schutze der Mitarbeiter*innen weiterführende Maßnahmen beim Kantinenbetrieb notwendig.
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Zur Gewährleistung der erforderlichen Kontaktbeschränkungen sind mögliche Betriebsvarianten der Kantinen zu betrachten. Ab einem Infektionswert von 50 von 100.000 Einwohnern in der Region wird auf die Ausgabeform ‚Essen to go‘ zum Verzehr am Arbeitsplatz umgestellt. Weiterhin werden die Aufenthaltsbereiche des Bistros geschlossen.“
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Der Beteiligte legte dem Antragsteller mit E-Mail vom 6. November 2020 (ASt 4) zur Mitbestimmung vor:
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„Betreff: Personelle und organisatorische Maßnahmen zum Infektionsschutz im Zusammenhang mit der Ausbreitung SARS-CoV-2 – Umstellung der Speisenausgabe/des Kantinenbetriebs auf Essen to go und Schließung der Sitzbereiche im Betriebsrestaurant und Bistro –
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[...] Die Freie und Hansestadt Hamburg ist nach Maßgabe des RKI zum Hochinzidenzgebiet (mehr als 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner) erklärt worden, somit wird die Speisenausgabe auf ‚Essen to go‘ umgestellt und die Sitzbereiche im Betriebsrestaurant als auch im Bistro werden geschlossen. Dies gilt zunächst bis zum 20.11.2020.
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Die Entwicklung einer wirksamen Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 ist ein andauernder dynamischer Prozess, daher wird für die Zeit nach dem 20.11.2020 die Sachlage rechtzeitig neu beurteilt.
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Die Maßnahme wird abschließend gegenstandslos bei Aufhebung der Pandemie – Phase 6 nach Einteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durch das BMAS.
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Die vorstehend aufgezeigten Maßnahmen unterlagen bzw. unterliegen der Mitbestimmung nach dem MBG Schl.-H. Auf Grund der außerordentlichen Herausforderungen, die die pandemiebedingte Ausbreitung des Virus mit sich brachte bzw. bringt, duldet die Umsetzung keinen Aufschub und wurde nach § 59 Absatz 3 Satz 2 und 3 MBH Schl.-H. vorläufig getroffen.
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Für die innerbetriebliche Umsetzung wird ein Vorlauf von ca. 2 Arbeitstagen benötigt, so dass die Umstellung am Standort Hamburg am 11.11.2020 in Kraft tritt. [...]
- 21
Es wird um Zustimmung der aufgeführten Maßnahme gebeten.“
- 22
Der Krisenstab kam in einer Telefonkonferenz vom 10. November 2020 zum Ergebnis (B 3):
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„Kantinenbetrieb Umstellung Essen to go
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Die Mitbestimmungsvorlagen für alle Standorte wurden eingereicht. Der Inzidenzwert von 50 wurde in HH und HL durchbrochen, die Umstellung auf ‚Essen to go‘ beginnt am 11.11.2020. [...]
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Auch wenn die Regelung von den jeweiligen Landesregelungen abweicht, erfolgt die Umsetzung vor dem Hintergrund der allgemeinen Kontaktbeschränkungen und somit vorsorglich zum Schutz der Mitarbeiter*innen.“
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Der Antragsteller teilte mit E-Mail seiner Vorsitzenden vom 12. November 2020 dem Beteiligten mit, dass er der Vorlage nicht zugestimmt habe und führte aus (ASt 5):
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„Die Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg – gültig ab 07.11.2020 nimmt in § 15 (2) nicht-öffentliche Kantinen vom Betriebsverbot ausdrücklich aus.
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Wir gehen davon aus, dass der Senat entsprechende Expertise und Gründe für dieses Vorgehen mit Augenmaß hat und wünschen uns dieses auch von unserer Geschäftsführung/dem Krisenstab.
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Der Vorlage war nicht zu entnehmen, weshalb das von vielen Kolleginnen und Kollegen sorgfältig beachtete und akzeptierte Hygienekonzept vor Ort sich als nicht ausreichend erwiesen hätte.
- 30
Der Betrieb der Kantine ist eine soziale Einrichtung. Es fehlen Pausenräume im Gebäude, die Kolleginnen und Kollegen sitzen den ganzen Tag in ihren Büros. Und nun soll auch noch die Pause am Platz stattfinden. Mit dem Essensmief im Raum und dem klingelnden Telefon am Platz.
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Die Kantine war wirtschaftlich gerade wieder in Fahrt gekommen, wir haben auch für die Kolleginnen und Kollegen in der Kantine eine Verantwortung.
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Ökologisch ist der Betrieb ‚to go‘ ebenfalls ein Alptraum. Die Unmengen an Plastik und Alufolie sind vermeidbar. Die neue theoretisch ‚recyclebare‘ Verpackung ist eine Mogelpackung, denn sie wird ja nicht entsprechend getrennt gesammelt und entsorgt. Darüber hinaus ist sie nicht zuverlässig und löst sich gefühlt mit jedem Gabelstich im heißen Essen auf.
- 33
Der § 59(3) MBG SH ist keine einschlägige Rechtsgrundlage für die vorläufige Regelung dieser Maßnahmen, damit ist die Schließung der Kantine unzulässig und unverzüglich zurückzunehmen.“
- 34
Der Krisenstab „Corona“ teilte dem Antragsteller mit E-Mail vom 20. November 2020 mit, dass die Umstellung des Serviceangebots der Kantine auf „Essen to go“ zunächst bis zum 30. November 2020 fortgeführt werde (ASt 9).
- 35
Auf dienststellenseitige Einladung vom 27. November 2020 (ASt 10) wurde am 30. November 2020 eine außergerichtliche Einigung versucht und dem Krisenstab vorgeschlagen, die zu erörtern, ob vergrößerte Abstände zwischen den Tischen für eine Einschränkung der Kontakte ausreichend seien. Der Krisenstab hielt dafür, die Einschränkung des Kantinenbetriebs bis zum 23. Dezember 2020 beizubehalten.
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Der Beteiligte legte dem Antragsteller mit E-Mail vom 4. Dezember 2020 (ASt 12 = B 5) zur Mitbestimmung vor:
- 37
„Betreff: Personelle und organisatorische Maßnahmen SH zum Infektionsschutz im Zusammenhang mit der Ausbreitung SARS-CoV-2 – Umstellung der Speisenausgabe/des Kantinenbetriebs auf ‚Essen to go‘ und Schließung der Sitzbereiche im Betriebsrestaurant und Bistro –
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„1. [...] An der Umstellung des Angebotes im Kantinenbereich auf ‚Essen-to-go‘ wird bis zum 23.12.2020 festgehalten. [...]
- 39
Hygienekonzepte für die Gemeinschaftsgastronomie sind in der Tat sehr sinnvoll und ermöglichen den Betrieb in einer stabilen Phase der Pandemie mit niedrigem Infektionsrisiko (Langzeitperspektive) bzw. einer klaren Tendenz dorthin. Eine solche Phase liegt derzeit aber noch nicht vor, Hamburg ist Hochinzidenzgebiet. [...]
- 40
Die Chance einer Verbreitung ist bekanntlich dort ab größten, wo viele Menschen zusammenkommen. Dies ist in der Kantine der Fall. Im Schnitt werden dort zurzeit rd. 150 Essen verkauft. Die Mitarbeiter*innen kommen aus allen Bereichen des Hauses. Eine Ausbreitung in der Kantine würde damit diverse Bereiche betreffen können. Infizieren sich mehrere würde dies zudem die Quarantäne mehrerer Bereiche auslösen. [...]
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Aufgrund der Dringlichkeit bitte ich um kurzfristige Rückantwort innerhalb von fünf Tagen.“
- 42
2. Die Maßnahme werden wir vorläufig umsetzen. Ein Aufschub ist aufgrund der Pandemiesituation nicht angezeigt. Das Abwarten auf die Beendigung eines möglichen Einigungsstellenverfahrens würde keinen effektiven Infektionsschutz in dieser Hochphase der Pandemie gewährleisten können. Ein unverzügliches Handeln ist unabweisbar gewoben. Die Maßnahme ist der Natur der Sache nach auch nicht einschränkbar. Eine Verzögerung würde zur konkreten Gefährdung überragender Gemeinschaftsgüter oder -interessen führen.
- 43
Nach ausführlicher Abwägung erfolgt die Umstellung des Angebotes im Kantinenbereich auf ‚Essen to go‘ und die Schließung der Sitzbereiche im Betriebsrestaurant als auch im Bistro bis einschließlich zum 23.12.2020 und damit lediglich für eine kurze Dauer.
- 44
Eine Schließung der Kantine ist nicht geplant, es erfolgt lediglich die Umstellung auf ‚Essen-to-go‘. Die Versorgung der Mitarbeiter mit einer warmen Mahlzeit ist also auch weiterhin gewährleistet, nur isst jeder für eine begrenzte Zeit für sich am Arbeitsplatz. Es mag störend sein, wenn die Essensgerüche am Arbeitsplatz ertragen werden müssen. Letztlich werden die Beschäftigten dadurch aber nur in einem geringeren Maß beeinträchtigt.
- 45
Ein größtmöglicher Schutz der Mitarbeiter vor einer Ansteckung mit dem Virus durch Beschränkung der sozialen Kontakte, ist ohne die Umsetzung der Maßnahme nicht gewährleistet.“
- 46
Der Antragsteller teilte dem Beteiligten mit E-Mail eines Mitglieds vom 11. Dezember 2020 mit (ASt 14 = B 6), dass er der Vorlage nicht zugestimmt habe:
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„Die bisherigen Hygienevorkehrungen der Kantine (u.a. Entzerrung und Begrenzung der Sitzplätze, Desinfektion usw.) erscheinen angemessen und ausreichend. Es fehlt zudem an Sozialräumen bzw. angemessenen Alternativen, um die Mahlzeiten einzunehmen. Schlußendlich erscheinen auch die Infektionsbestimmung des Landes Schleswig-Holstein nicht auf den Standort Hamburg anwendbar, da hier die gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen der Freien und Hansestadt Hamburg Anwendung finden müssen.“
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Der Beteiligte legte dem Antragsteller mit E-Mail vom 11. Dezember 2020 (ASt 13 = B 7) zur Mitbestimmung vor:
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„Betreff: Einschränkung des Kantinenbetriebes auf Essen-to-go
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[...] Die Zahl der Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus ist in den letzten Tagen weiterhin erheblich angestiegen. Hamburg und Schleswig-Holstein, insbesondere die Einzugsbereiche, aus denen Mitarbeiter*innen an den Standort pendeln, sind zwischenzeitlich sogenannte Corona-Hotspots. Es ist nicht zu erwarten, dass sich diese Lage zu Jahresbeginn ändert. Deshalb setzen wir auch weiterhin auf die weitestgehende Kontaktreduzierungen innerhalb der Dienststelle. Das beinhaltet, dass wir Essen-to-go beibehalten wollen und die Sitzbereiche im Betriebsrestaurant geschlossen bleiben. Die bereits mitbestimmte Schließung der Kantine zwischen Weihnachten und Neujahr bleibt davon unberührt. [...]
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Sollte der Senat eine Schließung auch der Betriebsrestaurants anordnen, dann soll die Maßnahme weitergelten, sobald eine Öffnung wieder gestattet wird. [...]
- 52
Wegen der Eilbedürftigkeit bitte ich um Zustimmung zur geplanten Maßnahme innerhalb einer abgekürzten Frist von 5 Tagen.
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2. Auf Grund der außerordentlichen Herausforderungen und der sich ständig zuspitzenden außerordentlichen Gefahrenlage, die die pandemiebedingte Ausbreitung des Virus mit sich bringt, duldet die Umsetzung der Maßnahme keinen Aufschub. Wir stehen als Behörde im Sinne der Kritis-Verordnung in einer besonderen Verantwortung. [...] Die Regelung gilt daher vorläufig über den 23.12.2020 bis zum 10.01.2021.“
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Der Antragsteller hat am 25. November 2020 beschlossen, „Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht hinsichtlich seines Mitbestimmungsrechts wegen der Schließung der Kantine im einstweiligen wie auch im Hauptsacheverfahren zu suchen“ und mit der Prozessvertretung die im Rubrum benannten Rechtsanwälte zu beauftragen.
- 55
Am 9. Dezember 2020 hat der Antragsteller durch die Prozessbevollmächtigten in der Hauptsache (25 FL 388/20) sowie im vorliegenden Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes das Verwaltungsgericht Hamburg angerufen.
- 56
Der Antragsteller beantragt,
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den Beteiligten im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, die Umstellung der Speisenausgabe/des Kantinenbetriebs auf Essen to go und Schließung im Betriebsrestaurant und Bistro in der Dienststelle Hamburg [...] vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zurück zu nehmen.
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Der Beteiligte beantragt,
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den Antrag abzuweisen.
II.
- 60
Funktional zuständig am angerufenen Gericht, sich mit der Personalvertretungssache zu befassen, ist eine Fachkammer, die in Übereinstimmung mit § 100 HmbPersVG gebildet und besetzt ist. Selbst unter der Annahme, dass der schleswig-holsteinische Gesetzgeber durch § 88 Abs. 2 MBG Schl.-H. über den Verweis auf §§ 82 Abs. 1 Satz 1, 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 937 Abs. 1 ZPO ein Gericht der Freien und Hansestadt Hamburg als örtlich zuständiges Gericht bestimmt hat, hat er damit die Entscheidung über den Rechtsstreit der in diesem anderen Land gesetz- und verfassungsgemäß gebildeten und besetzten Gerichtsbarkeit überantwortet und auf die entsprechende Anwendung der dort für Personalvertretungssachen geltenden Vorschriften in §§ 99 f. HmbPersVG verwiesen (VG Hamburg, Beschl. v. 16.10.2020, 25 FL 159/20, juris Rn. 13; vgl. Beschl. v. 11.2.2020, 25 FL 74/18, juris Rn. 21).
- 61
In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG Hamburg, Beschl. v. 2.11.2020, 14 Bs 193/20.PVL, juris Rn. 7 m.w.N.) kann der Vorsitzende bei Dringlichkeit allein und ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
III.
- 62
Der Antrag ist unzulässig (hierzu unter 1.), hilfsweise unbegründet (hierzu unter 2.).
- 63
1. Der Antrag ist unzulässig. Zwar ist das angerufene Gericht zuständig (hierzu unter a)). Doch ist der vorliegende Personalratsbeschluss ungeeignet, auf seiner Grundlage das Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes zu führen (hierzu unter b)).
- 64
a) Das angerufene Verwaltungsgericht Hamburg ist örtlich zuständig zuständig in der Hauptsache nach § 88 Abs. 2 MBG Schl.-H. i.V.m. § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.10.2019, 5 AV 1/19, juris Rn. 3) und damit wegen §§ 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, 937 ZPO auch im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes.
- 65
b) Der vorliegende Personalratsbeschluss ist ungeeignet, auf seiner Grundlage das Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes zu führen. Die Einleitung eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens durch Prozessbevollmächtigte erfordert einen wirksamen Beschluss der Personalvertretung (VGH München, Beschl. v. 16.10.2014, 17 P 13/91, NZA-RR 2015, 103, juris Rn. 20 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Im Einzelnen:
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Der Antragsteller hat am 25. November 2020 beschlossen, „Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht hinsichtlich seines Mitbestimmungsrechts wegen der Schließung der Kantine im einstweiligen wie auch im Hauptsacheverfahren zu suchen“.
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Das in diesem Beschluss benannte „Mitbestimmungsrecht wegen der Schließung der Kantine“ hat nach Maßgabe der §§ 51 f. MBG Schl.-H. die Mitbestimmung an einer innerdienstlichen Maßnahme der Dienststellenleitung beinhaltet. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 25. November 2020 kamen als „auf Schließung der Kantine“ gerichtete innerdienstliche Maßnahmen lediglich die zu diesem Zeitpunkt gegenwärtigen Maßnahmen in Betracht und als „Mitbestimmungsrecht wegen“ nur die auf diese Maßnahmen konkretisierten Mitbestimmungsrechte des Antragstellers.
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Zum Zeitpunkt 25. November 2020 war die in der Vorlage des Beteiligten vom 6. November 2020 benannte Maßnahme bereits erledigt. Sachlich beinhaltete diese Maßnahme die vom Antragsteller benannte „Schließung der Kantine“ (treffender: Einschränkung des Kantinenbetriebs) im dem Sinne, dass die Speisenausgabe zum Verzehr vor Ort eingestellt und Sitzbereiche geschlossen wurden. Zeitlich war diese Maßnahme ausdrücklich befristet, sie sollte „zunächst bis zum“ 20. November 2020 gelten, für den Folgezeitraum war noch keine Maßnahme angekündigt, sondern es sollte für die Zeit nach dem 20. November 2020 „die Sachlage rechtzeitig neu beurteilt“ werden.
- 69
Bei Beschlussfassung am 25. November 2020 war hingegen eine dem Beteiligten zurechenbare Maßnahme durch den Krisenstab gegenwärtig, nämlich die Einschränkung des Kantinenbetriebs sachlich wie bisher, zeitlich bis zum 30. November 2020, ohne weitere Mitbestimmungsvorlage. Der Beschlussfassung lag mithin zugrunde, dass der Beteiligte blind gegenüber dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers vorgegangen war. Er hatte dem Antragsteller weder eine Maßnahme nach § 52 Abs. 2 MBG Schl.-H. zur Zustimmung noch eine vorläufige Regelung nach § 58 Abs. 8 MBG Schl.-H. zur Information vorgelegt.
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Bereits bei Anrufung des Gerichts am 9. Dezember 2020 bestand die Lage vom 25. November 2020 nicht mehr fort, wie nicht aus der Antragsschrift, sondern erst aus den in der gesetzten Frist bis zum 15. Dezember 2020 eingegangenen Schriftsätzen hervorgeht. Der Beteiligte hatte schon am 4. Dezember 2020 (Nr. 1) dem Antragsteller zur Mitbestimmung vorgelegt die Maßnahme, bis zum 23. Dezember 2020 an der Einschränkung des Kantinenbetriebs festzuhalten, sowie (Nr. 2) den Antragsteller darüber informiert, die Maßnahme nach § 52 Abs. 8 MBG Schl.-H. vorläufig umzusetzen, da ein Aufschub aufgrund der Pandemiesituation nicht angezeigt sei. Die Lage hat sich überdies weiterentwickelt. Der Beteiligte hat am 11. Dezember 2020 (Nr. 1) dem Antragsteller zur Mitbestimmung vorgelegt die Maßnahme, an der Einschränkung des Kantinenbetriebs nunmehr ohne bestimmtes Enddatums festzuhalten, sowie (Nr. 2) den Antragsteller darüber informiert, die Maßnahme § 52 Abs. 8 MBG Schl.-H. vorläufig über den 23. Dezember 2020 hinaus bis zum 10. Januar 2021 umzusetzen.
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Der Antragsteller hat bei Beschlussfassung am 25. November 2020 nicht darüber entschieden und nicht darüber entscheiden können, ob wegen seines Mitbestimmungsrechts bei den Maßnahmen vom 4. und 11. Dezember 2020 Rechtsschutz in der Hauptsache und im einstweiligen Verfahren zu suchen ist. Streitgegenstand der gerichtlichen Überprüfung der Zulässigkeit einer vorläufigen Regelung nach § 52 Abs. 8 MBG Schl.-H. ist, ob ein Mitbestimmungsfall vorliegt, d.h. die Maßnahme der Mitbestimmung unterliegt, dass das Mitbestimmungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, namentlich eine Zustimmungsverweigerung beachtlich ist, dass die beabsichtigte Maßnahme der Natur der Sache nach keinen Aufschub duldet, dass die vorläufige Regelung dem Charakter der Vorläufigkeit ausreichend Rechnung trägt und sie hinreichend begründet wurde. Dagegen ist insbesondere die Frage, ob die vorläufige Regelung zweckmäßig oder die Maßnahme – von den Voraussetzungen des § 52 Abs. 8 MBG Schl.-H. abgesehen – rechtmäßig ist, für die gerichtliche Überprüfung unerheblich (VG Hamburg, Beschl. v. 22.3.2018, 25 FLE 36/18, juris Rn. 23; vgl. OVG Münster, Beschl. v. 28.1.2003, 1 B 1681/02.PVL, juris Rn. 16 ff.). Hinsichtlich der vorläufigen Maßnahmen entsprechend den Vorlagen vom 4. und 11. Dezember 2020 jeweils unter Nr. 2 fehlt es an einer Beschlussfassung des Personalrats darüber, ob gerichtlicher Rechtsschutz nachgesucht wird.
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Eine mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2020 angekündigte Beschlussfassung vom 16. Dezember 2020 liegt dem Gericht nicht vor. Das Gericht hat das Büro der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers telefonisch am Tag der Entscheidung um 9.13 Uhr darauf hingewiesen, dass es am Nachmittag entscheiden will.
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2. Der Antrag wäre, seine Zulässigkeit unterstellt, unbegründet. Eine einstweilige Verfügung wäre nach dem anzulegenden Maßstab (hierzu unter a)) nicht zu erlassen (hierzu unter b)).
- 74
a) Über die Zuständigkeitsbestimmung im schleswig-holsteinischen Prozessrecht findet das hamburgische Prozessrecht in §§ 99 f. HmbPersVG Anwendung (s.o. II.). Für den Erlass einstweiliger Verfügungen gelten im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nach § 99 Abs. 2 HmbPersVG i.V.m. § 85 Abs. 2 ArbGG die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung über die einstweilige Verfügung mit bestimmten Maßgaben, auf die es im vorliegenden Verfahren nicht ankommt, entsprechend. Nach § 935 ZPO sind einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsverfügung). Nach § 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen außerdem zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsverfügung). Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt danach das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs voraus, der vorläufig geschützt werden soll, und eines Verfügungsgrunds, der hinreichenden Anlass für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gibt. Beides ist gemäß §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen (OVG Hamburg, Beschl. v. 2.11.2020, 14 Bs 193/20.PVL, juris Rn. 9; vgl. Beschl. v. 26.4.2019, 14 Bs 86/19.PVL, PersV 2019, 333, juris Rn. 25).
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Die einstweilige Verfügung darf grundsätzlich nicht mehr zusprechen, als im Hauptsacheverfahren bestenfalls möglich ist. Sie darf außerdem die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Allerdings kann es die Effektivität des Rechtsschutzes ausnahmsweise erfordern, durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, sofern wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht mehr erreicht werden kann und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Folgen führen würde, insbesondere wenn ein endgültiger Rechtsverlust oder ein sonstiger irreparabler Zustand drohte. Dabei sind die Belange der Beteiligten abzuwägen und besonders strenge Anforderungen an die materiellen Voraussetzungen der einstweiligen Verfügung zu stellen (OVG Münster, Beschl. v. 9.7.2012, 20 B 675/12.PVB, juris Rn. 6;VG Hamburg, Beschl. v. 22.3.2018, 25 FLE 36/18, juris Rn. 19).
- 76
b) Danach wäre eine einstweilige Verfügung nicht zu erlassen, da es an einem Verfügungsanspruch fehlt. Nach dem Erkenntnisstand des Verfahrens einstweiligen Rechtsschutzes kann der Antragsteller vom Beteiligten die erstrebte Rücknahme (hierzu unter aa)) nicht beanspruchen, da die Voraussetzungen der einschlägigen Anspruchsgrundlage (hierzu unter bb)) nicht erfüllt sind (hierzu unter cc)).
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aa) Der Antragsteller verlangt vom Beteiligten, die „Umstellung der Speisenausgabe/des Kantinenbetriebs auf Essen to go und Schließung im Betriebsrestaurant und Bistro“ zurückzunehmen, d.h. die Einschränkung des Kantinenbetriebs aufzuheben, die Speisenausgabe zum Verzehr vor Ort wieder aufzunehmen und Sitzgelegenheiten wieder zu gewähren. Die gegenwärtige vorläufige Einschränkung des Kantinenbetriebs auch ohne Zustimmung des Antragstellers gestützt auf § 52 Abs. 8 MBG Schl.-H. beruht für den Zeitraum bis zum 23. Dezember 2020 auf der Vorlage des Beteiligten vom 4. Dezember 2020 unter Nr. 2 sowie für den Zeitraum vom 4. bis 10. Januar 2021 auf der Vorlage des Beteiligten vom 11. Dezember 2020 unter Nr. 2. Die Schließung der Kantine vom 24. Dezember 2020 bis 3. Januar 2021 (Weihnachten bis Neujahr) ist hingegen bereits mitbestimmt und bleibt außer Streit und und außer Betracht.
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bb) Als Rechtsgrundlage eines Anspruchs kommt nur § 58 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Satz 1 Nr. 2 MBG SH in Betracht. Danach sind Maßnahmen, die unter einem Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften erfolgt sind, zurückzunehmen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Die Vorschrift verleiht dem Personalrat, dessen Rechte verletzt worden sind, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Rücknahme der Maßnahme. Insbesondere bei § 52 Abs. 8 Satz 1 MBG Schl.-H. handelt es sich um eine wesentliche Verfahrensvorschrift i.S.d. § 58 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 MBG Schl.-H. (BVerwG, Beschl. v. 29.2.2012, 6 P 2/11, juris Rn. 50 f.; VG Hamburg, Beschl. v. 22.3.2018, a.a.O., Rn. 21).
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cc) Die Maßnahmen gemäß Vorlage des Beteiligten vom 4. und 11. Dezember 2020 jeweils unter Nr. 2 verletzen keine wesentlichen Verfahrensvorschriften.
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Die Maßnahmen stehen mit § 52 Abs. 8 MBG Schl.-H. im Einklang. Nach dieser Vorschrift kann die Dienststelle Maßnahmen, die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufig regeln. Die vorläufige Regelung ist als solche zu kennzeichnen und von der Dienststelle zu begründen. Die Möglichkeit zum Erlass vorläufiger Regelungen ist zwar eine Ausnahme zu dem aus § 52 Abs. 1 MBG Schl.-H- folgenden Grundsatz, dass eine der Mitbestimmung des Personalrates unterliegende Maßnahme nur mit seiner Zustimmung getroffen werden kann. Doch handelt es sich bei der Befugnis zu vorläufigen Regelungen ohne Zustimmung der Personalvertretung um eine aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Ausnahme (Widmaier, in Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 69 Rn. 36). Bei der Auslegung der Mitbestimmungstatbestände sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 24.5.1995, 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, Rn. 143 ff.) aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2, 28 Abs. 1 Satz 1 GG (zusätzlich gilt hier Art. 2 Abs. 2 und 3 Verf. Schl.-H.) hergeleiteten Grenzen zu beachten:
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„Dem Gesetzgeber sind jedoch bei einer Beteiligung der Beschäftigten an Maßnahmen, mit denen Staatsgewalt ausgeübt wird, durch das Erfordernis hinreichender demokratischer Legitimation Grenzen gesetzt. Solche Maßnahmen dürfen in keinem Fall ohne die mindestens mitentscheidende Beteiligung verantwortlicher Amtsträger erlassen werden; auch im internen Dienstbetrieb ist kein Raum für eine ‚Autonomie‘ des öffentlichen Dienstes, sei diese auch noch so eingeschränkt.
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In welcher Art und in welchen Fällen die Mitbestimmung oder eine andere Form der Beteiligung der Personalvertretung verfassungsrechtlich zulässig ist, ist unter Würdigung der Bedeutung der beteiligungspflichtigen Maßnahmen sowohl für die Arbeitssituation der Beschäftigten und deren Dienstverhältnis als auch für die Erfüllung des Amtsauftrages zu bestimmen: Die Mitbestimmung darf sich einerseits nur auf innerdienstliche Maßnahmen erstrecken und nur so weit gehen, als die spezifischen in dem Beschäftigungsverhältnis angelegten Interessen der Angehörigen der Dienststelle sie rechtfertigen (Schutzzweckgrenze). Andererseits verlangt das Demokratieprinzip für die Ausübung von Staatsgewalt bei Entscheidungen von Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrages jedenfalls, daß die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert ist (Verantwortungsgrenze).
- 83
Innerhalb dieses Rahmens gilt: Je weniger die zu treffende Entscheidung typischerweise die verantwortliche Wahrnehmung des Amtsauftrages und je nachhaltiger sie die Interessen der Beschäftigten berührt, desto weiter kann die Beteiligung der Personalvertretung reichen. Der Amtsauftrag selbst muß stets in Verantwortung gegenüber Volk und Parlament wahrgenommen werden, weil die Ausübung staatlicher Herrschaft gegenüber dem Bürger - unbeschadet möglicher Einschränkungen bei Aufgaben von besonders geringem Entscheidungsgehalt [...] - stets den demokratisch legitimierten Amtsträgern vorbehalten ist [...]. Hieraus folgen für die Beteiligung der Personalvertretung unterschiedliche Möglichkeiten und Grenzen, je nachdem, ob es sich um Angelegenheiten handelt, die in ihrem Schwerpunkt die Beschäftigten in ihrem Beschäftigungsverhältnis betreffen, typischerweise aber nicht oder nur unerheblich die Wahrnehmung von Amtsaufgaben gegenüber dem Bürger berühren (a), um Maßnahmen, die den Binnenbereich des Beschäftigungsverhältnisses betreffen, die Wahrnehmung des Amtsauftrages jedoch typischerweise nicht nur unerheblich berühren (b) oder um Maßnahmen, die schwerpunktmäßig die Erledigung von Amtsaufgaben betreffen, unvermeidlich aber auch die Interessen der Beschäftigten berühren (c).“
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Danach ist eine gleichberechtigte Mitbestimmung der Personalvertretungen des öffentlichen Dienstes verfassungsrechtlich nicht zulässig (Widmaier, a.a.O., § 71 Rn. 2). Der Umfang der Mitbestimmung bedarf stets einer Rechtfertigung, da ansonsten das Demokratieprinzip verletzt ist. Die Mitbestimmung muss sich anhand des legitimen Zwecks der Interessen der Beschäftigten als verhältnismäßige Berührung der verantwortlichen Wahrnehmung des Amtsauftrages darstellen. Sie muss in diesem Sinne geeignet, erforderlich und angemessen sein. Die Verantwortung dafür, den Amtsauftrag nach außen wahrzunehmen, verbleibt absolut bei der Dienststelle (VG Hamburg, Beschl. v. 16.10.2020, 25 FL 96/19, juris Rn. 63).
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Nach diesen Vorgaben ist § 52 Abs. 8 MBG Schl.-H. erfüllt. Die Maßnahmen sind vorläufig, da sie jeweils befristet sind. Die Maßnahme dulden der Natur der Sache nach keinen Aufschub. Im Einzelnen:
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Eine Maßnahme duldet der Natur der Sache nach keinen Aufschub, wenn sie nach Art und Inhalt ihres Regelungsgegenstandes trotz des noch laufenden Mitbestimmungsverfahrens und der fehlenden Zustimmung des Personalrats eine vorläufige Regelung erfordert, um die Erfüllung von Pflichten und Aufgaben der Dienststelle im öffentlichen Interesse sicherzustellen. Nicht ausreichend ist, dass die Maßnahme eilbedürftig ist. Maßgeblich ist, ob ohne eine vorläufige Regelung wichtige dienstliche oder persönliche Belange nachhaltig beeinträchtigt oder gefährdet werden. Beispiele für derartige Maßnahmen sind die aus dienstlichen Gründen nicht mehr aufschiebbare Versetzung eines Beamten, die als vorläufige Regelung durch Abordnung bewirkt werden kann, die Einstellung von Arbeitskräften, derer die Dienststelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben unbedingt bedarf, durch befristete Arbeitsverträge (BVerwG, Beschl. v. 25.10.1979, 6 P 53/78, juris Rn. 17) oder die Teilabordnung von Lehrern zur Abdeckung des Unterrichtsbedarfs an einer anderen Schule zwecks Abwendung eines drohenden Unterrichtsausfalls (BVerwG, Beschl. v. 2.8.1993, 6 P 20/92, juris Rn. 10). Demgegenüber genügt z. B. bei einer Einstellung nicht das allgemeine Interesse daran, dass der Beschäftigte seine Tätigkeit zum vereinbarten Zeitpunkt aufnimmt. Vielmehr müssen weitere Faktoren, die die Unaufschiebbarkeit begründen, hinzutreten, z.B. dass zur Sicherung des Dienstablaufs Arbeitskräfte eingestellt werden müssen, dass für die Tätigkeit nur ein Bewerber in Betracht kommt, der den Arbeitsplatz nur bei sofortiger Entscheidung übernimmt, oder dass ein plötzlich ausgeschiedener oder verhinderter Beschäftigter ersetzt werden muss (VG Hamburg, Beschl. v. 22.3.2018, 25 FLE 36/18, juris Rn. 26 m.w.N.)
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Das gegenwärtige dynamische Infektionsgeschehen in der COVID-19-Pandemie erfordert sofortiges Handeln, insbesondere (mindestens) eine Einschränkung des Kantinenbetriebs ohne Abwarten des Zustimmungsverfahrens.
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Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat in § 15 der Hamburgische SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung (Abs. 1) den Betrieb von Gaststätten sowie Speiselokalen und Betrieben, in denen Speisen zum Verkehr an Ort und Stelle angeboten werden, verboten und in (Abs. 2) von diesem Verbot nicht-öffentliche Personalrestaurants, nicht-öffentliche Kantinen oder Speisesäle in medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen oder Einrichtungen der Betreuung ausgenommen. Damit liegt gerade keine Regelung der Landesregierung durch Rechtsverordnung vor, die die vorläufigen Maßnahmen durch den Beteiligten entbehrlich machen würde. Die Rechtsverordnung ist aber entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht Ausdruck von Expertise dahingehend, dass nicht-öffentliche Personalrestaurants notwendig uneingeschränkt weiterbetrieben werden sollten. Es belegt vielmehr gerade entgegen der Rüge des Antragstellers das Augenmaß des Beteiligten, dass er den Ernst der Stunde erkannt hat.
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Der Beteiligte hat in der Vorlage vom 4. Dezember 2020 zutreffend ausgeführt, dass die Chance einer Verbreitung dort ab größten ist, wo viele Menschen zusammenkommen. Dies ist in der Kantine der Fall. Im Schnitt werden dort zurzeit rund 150 Essen verkauft. Die Beschäftigte kommen aus allen Bereichen des Hauses. Eine Ausbreitung in der Kantine würde damit diverse Bereiche betreffen können. Infizieren sich mehrere würde dies zudem die Quarantäne mehrerer Bereiche auslösen. Der Schwellenwert von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner und Woche ist auch in Hamburg (weit) überschritten, so dass von einem Hochinzidenzgebiet gesprochen werden muss, in dem die Gesundheitsämter nicht mehr in der Lage sind, Infektionsketten nachzuverfolgen.
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Das Zusammenkommen vieler Personen zum Verzehr von Speisen erhöht das Risiko einer weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 in einer Weise, dass kein Mitbestimmungsverfahren abgewartet werden kann, um ihm zu begegnen. Es bedarf sofort weiterer Kontaktbeschränkungen. Die vorliegende Einschränkung des Kantinenbetriebs dient dazu und geht jedenfalls nicht weiter als die gegebene Gefahr im Verzug.
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Das aus epidemiologischer Sicht ein schnelles Vorgehen zur Kontaktbeschränkung unerlässlich ist, erhellen die in dieser Hinsicht einschlägigen Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschl. v. 8.12.2020, 20 NE 20.2461, juris Rn. 36 ff.):
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„Die streitgegenständliche Kontaktbeschränkung und die Schließung der Gastronomiebetriebe dienen dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems (§ 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG). Sie erfolgen, um Kontakte zu reduzieren. Immer dann, wenn Menschen aufeinandertreffen und sich austauschen, ist das Risiko einer Ansteckung besonders groß. Dies gilt im privaten wie auch im öffentlichen Raum. Die bisherigen Erfahrungen in der Bundesrepublik und in anderen Staaten zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus nur durch eine strikte Minimierung der physischen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann (BT-Drucksache 19/23944 S. 31). Auch die Untersagung der Gastronomie entspricht diesen Vorgaben, sie ist grundsätzlich geeignet, Kontakte zu reduzieren und somit dem Infektionsgeschehen entgegen zu wirken.
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Die getroffenen Maßnahmen dürften auch erforderlich und angemessen sein. Ausweislich der Begründung der Verordnung (a.a.O.) hat der mit Inkrafttreten der 8. BayIfSMV am 2. November 2020 einhergehende sog. ‚Lockdown Light‘ bislang allerdings noch keine hinreichende Abnahme der Zahl der Neuinfektionen bewirkt. Vielmehr scheint sich die Zahl der Neuinfektionen langsam auf einem hohen Niveau zu stabilisieren, ein klarer Rückgang der Fallzahlen in Bayern ist aber nicht zu verzeichnen. Seit dem 21. Oktober 2020 überschreitet die Zahl der neuen Fälle nach Meldedatum beinahe jeden Tag (mit Ausnahme von vier Wochenendtagen) den Höchstwert vom 1. April 2020 (damals 1988 Fälle nach Meldedatum). Die Höchstwerte im November sind mehr als doppelt so hoch (https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/#meldedatum). Am 30. November 2020 liegt die 7-Tages-Inzidenz für Bayern bei 175 und damit auf einem sehr hohen Niveau und über dem Bundesdurchschnitt von 138 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov_2020/2020-11-30-de.pdf?__blob=publicationFile). Als Ziel des ‚Lockdown Light‘ war eine 7-Tage-Inzidenz von höchstens 50 (Schwellenwert) ausgegeben worden. Dies ist der Wert, bei welchem erfahrungsgemäß eine Kontaktpersonennachverfolgung durch die Gesundheitsämter noch gewährleistet werden kann und der mittlerweile auch in § 28a Abs. 3 Satz 4, 9 und 10 IfSG als verbindlicher Schwellenwert für die Abgrenzung zwischen breit angelegten Schutzmaßnahmen und umfassenden Schutzmaßnahmen gesetzlich verankert ist.
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Nach den Vorgaben des § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG sind bei einer Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen umfassende Schutzmaßnahmen zu erlassen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Die Möglichkeiten zur Eindämmung hängen dabei von der Inzidenz ab. Dort wo das Infektionsgeschehen noch nicht 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen erreicht hat, ist eine individuelle Kontaktnachverfolgung regelmäßig noch leistbar, so dass schwerwiegende Einschränkungen des öffentlichen Lebens nicht absolut notwendig sind (BT-Drucksache 19/23944 S. 34). Damit ist Bayern mit einer landesweiten Inzidenz vor Verordnungserlass von 175, welche sich im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Wesentlichen nicht verändert hat, sehr weit von den gesetzlichen Vorgaben entfernt, so dass akuter Handlungsbedarf bestand und besteht.
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So begründet der Antragsgegner entsprechende Kontaktbeschränkungen durch die 9. BayIfSMV (a.a.O.): ‚Zur Verminderung des Übertragungsrisikos sind die schnelle Isolierung von positiv getesteten Personen sowie die Identifikation und die frühzeitige Quarantäne enger Kontaktpersonen erforderlich. Die Unterbrechung von Infektionsketten wird durch das gesteigerte Infektionsgeschehen und die diffuse Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung zunehmend erschwert. Daher ist es notwendig, durch eine erhebliche Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen einzudämmen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in die Größenordnung von unter 50 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen zu senken.‘“
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Seit der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat sich die Lage selbst in Norddeutschland weiter dramatisch verschärft und sind weitestgehende Kontaktbeschränkungen ohne Aufschub umso mehr geboten.
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Referenzen
- § 52 Abs. 8 Satz 1 MBG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvF 1/92 1x (nicht zugeordnet)
- 6 P 20/92 1x (nicht zugeordnet)
- 17 P 13/91 1x (nicht zugeordnet)
- § 88 Abs. 2 MBG 2x (nicht zugeordnet)
- 25 FL 74/18 1x (nicht zugeordnet)
- 25 FL 159/20 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 51 f. MBG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 935 Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand 1x
- 25 FL 96/19 1x (nicht zugeordnet)
- § 28a Abs. 3 Satz 4, 9 und 10 IfSG 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 82 Örtliche Zuständigkeit 2x
- § 52 Abs. 1 MBG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 937 Zuständiges Gericht 2x
- § 100 HmbPersVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 940 Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes 1x
- 14 Bs 86/19 1x (nicht zugeordnet)
- 14 Bs 193/20 2x (nicht zugeordnet)
- § 99 Abs. 2 HmbPersVG 1x (nicht zugeordnet)
- 5 AV 1/19 1x (nicht zugeordnet)
- 6 P 53/78 1x (nicht zugeordnet)
- § 58 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 MBG 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 85 Zwangsvollstreckung 3x
- 25 FL 388/20 1x (nicht zugeordnet)
- § 58 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Satz 1 Nr. 2 MBG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- 1 B 1681/02 1x (nicht zugeordnet)
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- ZPO § 936 Anwendung der Arrestvorschriften 1x
- 6 P 2/11 1x (nicht zugeordnet)
- 25 FLE 36/18 3x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 2 MBG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 99 f. HmbPersVG 2x (nicht zugeordnet)
- 20 B 675/12 1x (nicht zugeordnet)
- § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG 1x (nicht zugeordnet)
- § 58 Abs. 8 MBG 1x (nicht zugeordnet)