Urteil vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - A 2 K 12193/03

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens; der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG.
Der am XXX geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Er reiste im Jahr 1996 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, im Folgenden: Bundesamt) vom 10.08.1999 wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich seiner Abschiebung nach (Rest-)Jugoslawien (Republik Serbien und Montenegro) vorliegen. Hierzu war das Bundesamt durch das seit dem 30.07.1999 rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21.06.1999 (A 14 K 30551/96) verpflichtet worden. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte seine Entscheidung damit begründet, dass dem Kläger aufgrund seiner albanischen Volkszugehörigkeit im serbischen und montenegrinischen Teil der Bundesrepublik Jugoslawien durch die von Milosevic geführte Regierung politische Gruppenverfolgung drohe. Es seien trotz des Abkommens über den Rückzug der serbischen Truppen aus dem Kosovo keine Anzeichen dafür ersichtlich, dass das Regime von Milosevic seine Politik der ethnischen Säuberung aufgegeben habe und auf Dauer landesweit zur Gewährung und Aufrechterhaltung einer friedlichen Koexistenz zwischen den Bevölkerungsgruppen bereit wäre. Das Kosovo, in dem dem Kläger keine politische Verfolgung drohe, stelle zum Entscheidungszeitpunkt keine hinreichend sichere Fluchtalternative dar. Denn dort drohten dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit existenzielle Gefahren. Diese ergäben sich daraus, dass ca. 500.000 Kosovo-Albaner als Binnenflüchtlinge in Wäldern leben müssten. Ferner seien 2/3 der Dörfer im Kosovo zerstört. Wegen des Ausfalls der Ernte im Jahr 1999 drohe eine Hungersnot. Die medizinische und die Trinkwasserversorgung seien in der Folge der Vertreibungsmaßnahmen durch die Serben und die NATO-Luftangriffe zusammengebrochen. Außerdem sei das Kosovo großflächig vermint. In Einzelfällen komme es noch zu Übergriffen serbischer paramilitärischer Gruppen.
Am 10.07.2003 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren ein und gab dem Kläger mit Schreiben vom 30.07.2003 Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Bevollmächtigte des Klägers trug mit Schreiben vom 27.08.2003 vor, die Voraussetzungen für einen Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG lägen nicht vor.
Mit Bescheid vom 05.09.2003 - ein Zustellungsnachweis findet sich nicht in den Akten - widerrief das Bundesamt die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Außerdem stellte es fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Zur Begründung des Widerrufs führte das Bundesamt aus, die innenpolitischen Verhältnisse im Kosovo hätten sich seit Beendigung der Kampfhandlungen im Sommer 1999 grundlegend geändert. Staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Albaner könnten mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG sei nicht festzustellen.
Der Kläger hat am 23.09.2003 Klage erhoben. Er beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 05.09.2003 aufzuheben,
hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung von Ziff. 2 des Bescheides vom 05.09.2003 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
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Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig. Zur Begründung verweist sie auf die angefochtene Entscheidung.
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Die Kammer hat mit Beschluss vom 24.01.2005 den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Dem Gericht liegen die einschlägigen Behördenakten vor. Diese waren ebenso Gegen-stand der mündlichen Verhandlung wie die den Beteiligten bekannt gegebenen Erkenntnismittel.

Entscheidungsgründe

 
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Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl keiner der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung anwesend oder vertreten war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig. Dabei geht das Gericht davon aus, dass mit Klageerhebung am 23.09.2003 die Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 1 AsylVfG von zwei Wochen noch gewahrt wurde. Über die Zustellung des Bescheids vom 05.09.2003 befindet sich nämlich kein Nachweis in den Akten der Beklagten.
15 
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG besteht nicht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage hat das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgestellt (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG).
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Der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 05.09.2003 findet seine Rechtsgrundlage in § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in der seit dem 01.01.2005 geltenden Fassung. Danach sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen.
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Aufgrund dieser Vorschrift kann auch die Feststellung widerrufen werden, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, obwohl diese Vorschrift am 01.01.2005 außer Kraft getretenen ist (siehe bereits: VG Karlsruhe, Urteil v. 17.01.2005 - A 2 K 12256/03 -, ebenso: VG Karlsruhe, Urteil v. 04.02.2005 - A 3 K 11689/04 -). Denn eine vor dem 01.01.2005 getroffene Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bleibt trotz der Rechtsänderung als Verwaltungsakt wirksam (vgl. §§ 43 Abs. 2 und 3, 44 VwVfG). Sie ist nach dem 01.01.2005 als Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu behandeln. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, wonach es sich bei den in den §§ 73, 31, 42 AsylVfG vorgenommenen Änderungen betreffend §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG lediglich um redaktionelle Änderungen handelt, die zur Anpassung an das Aufenthaltsgesetz erforderlich sind (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucksache 15/420 vom 07.02.2003, S. 110 ff.). Inhaltlich werden die Voraussetzungen des alten § 51 Abs. 1 AuslG vom neuen § 60 Abs. 1 AufenthG jedenfalls mit umfasst (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucksache 15/420 vom 07.02.2003, S. 91; VG Karlsruhe, Urteil vom 17.01.2005 - A 2 K 12256/03 -).
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Für das Entfallen der Voraussetzungen einer Asylanerkennung und einer Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG bedarf es einer nachträglichen Änderung der für die positive asylrechtliche Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage. Eine lediglich abweichende Bewertung der entscheidungserheblichen Umstände auf der Grundlage einer unveränderten Tatsachenbasis oder eine Änderung der Erkenntnislage reicht demgegenüber nicht aus (BVerwG, Urteil v. 19.09.2000 - 9 C 12/00 -, BVerwGE 11, 80). Vielmehr müssen sich die tatsächlichen Verhältnisse so einschneidend und dauerhaft geändert haben, dass der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor neuer Verfolgung sicher ist und daher ohne Verfolgungsfurcht heimkehren kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.1991 - 9 C 154.90 -, BVerwGE 88, S. 367 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.03.2004 - A 6 S 219/04 -, vensa).
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Darüber hinaus ist dann, wenn - wie hier - die Feststellung des Bundesamtes auf einem rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsurteil beruht, das Rechtsinstitut der Rechtskraft zu beachten, aus dem folgt, dass ein Widerruf des Bundesamtsbescheides nur nach Änderung der für das Urteil maßgeblichen Sach- oder Rechtslage erfolgen darf. Rechtskräftige Urteile binden nach § 121 VwGO die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Dabei hindert die Rechtskraft grundsätzlich jede erneute und erst Recht jede abweichende Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung über den Streitgegenstand. Von dieser Bindung stellt § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG die Behörde nicht frei. Diese Bestimmung setzt vielmehr voraus, dass die Rechtskraftwirkung geendet hat, weil sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich verändert hat und so die sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft überschritten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.09.2001 - 1 C 7.01 -, BVerwGE 115, 118). Dies ist jedenfalls im Asylrecht nur dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001 - 1 C 7/01 -, BVerwGE 115, 118; BVerwG, Urt. v. 08.05.2003 - 1 C 15/02 -, NVwZ 2004, 113) .
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Wird auf der Grundlage des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG n.F. eine Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen, ist für die Zulässigkeit eines Widerrufs neben dem nachträglichen Entfallen der für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG maßgeblichen Umstände zusätzlich erforderlich, dass zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt auch die Voraussetzungen des mit einem weiteren Anwendungsbereich versehenen § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen.
21 
Die im Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21.06.1999 festgestellte Sachlage, aufgrund derer es das Bundesamt verpflichtet hat, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festzustellen, hat sich nachträglich so wesentlich geändert, dass eine Durchbrechung der Rechtskraft des genannten Urteils gerechtfertigt ist. Insbesondere kann nun nicht mehr - wie im genannten Urteil - davon ausgegangen werden, das Kosovo, in dem der Kläger nicht politisch verfolgt werde, stelle keine hinreichend sichere und zumutbare Fluchtalternative dar. Das zu einem menschenwürdigen Leben erforderliche Existenzminimum ist jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt gewährleistet. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 23.08.2004 (A 6 S 70/04, vensa) sowie aus dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo) vom 04.11.2004 (ebenso bereits VGH Bad.-Württ., Urteil v. 17.03.2000 - 14 S 1167/98 -, juris). Diesen kann entnommen werden, dass im Hinblick auf die Versorgung mit Wohnraum, Lebensmitteln und Trinkwasser sowie im Bereich der medizinischen Versorgung so wesentliche Veränderungen eingetreten sind, dass nicht mehr davon gesprochen werden kann, es drohe ein Leben unter dem Existenzminimum oder es sei mit lebensbedrohlichen Gefahren oder Nachteilen zu rechnen. Darüber hinaus hat sich auch die vom Verwaltungsgericht Karlsruhe seinem Urteil vom 21.06.1999 noch zugrunde gelegte hohe Minengefahr durch das im Jahr 2001 durchgeführte Minenräumungsprogramm so verringert, dass nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dem Kläger drohten im Kosovo unzumutbare Nachteile. Gleiches gilt für die Gefahr, als albanischer Volkszugehöriger Opfer einer ethnisch motivierten Gewalttat zu werden. Die Unruhen vom März 2004 wurden von der albanischen Bevölkerungsmehrheit verübt und richteten sich vor allem gegen ethnische Minderheiten. Darüber hinaus hat sich die Situation mittlerweile wieder beruhigt (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.08.2004 - A 6 S 70/04 -, vensa und den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo) vom 04.11.2004).
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Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen in Bezug auf den Kläger auch nicht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vor.
23 
Gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG darf in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (Satz 1). Dabei kann eine Verfolgung im Sinne von Satz 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine inländische Fluchtalternative (Satz 4).
24 
Damit wird in § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG anders als im bisherigen § 51 Abs. 1 AuslG ausdrücklich auf das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (Genfer Konvention, BGBl. 1953 II S. 559) Bezug genommen. Die vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil v. 18.01.1994 - 9 C 48/92 -, BVerwGE, 95, 42) für § 51 Abs. 1 AuslG erkannte Identität zwischen dem Begriff „politische Verfolgung“ und den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gilt für § 60 Abs. 1 AufenthG nicht mehr. Maßgebend für die Auslegung des § 60 Abs. 1 AufenthG ist nun der Flüchtlingsbegriff nach Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (so auch: VG Stuttgart, Urteil v. 17.01.2005 - A 10 K 10587/04 -; Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 73 ff.; Duchrow, ZAR 2004, 339). Wenn nun in § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe c) AufenthG ausdrücklich bestimmt wird, dass eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auch von „nichtstaatlichen Akteuren“ ausgehen kann, sofern der Staat einschließlich internationaler Organisationen „erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten“, so stellt dies einen Perspektivwechsel von der „täterbezogenen“ Verfolgung im Sinne der von der Rechtsprechung zu Art. 16a GG und § 51 Abs. 1 AuslG entwickelten „mittelbaren staatlichen Verfolgung“ zur „opferbezogenen“ Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und damit von der „Zurechnungslehre“ zur „Schutzlehre“ dar (ebenso: VG Stuttgart, Urteil v. 17.01.2005 - A 10 K 10587/04 -; vgl. ferner Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 79 ff.).
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Diese veränderte Sichtweise des § 60 Abs. 1 AufenthG im Vergleich zu § 51 Abs. 1 AuslG ergibt sich zunächst daraus, dass die beiden auf den Wortlaut des § 51 Abs. 1 AuslG gestützten Argumente, die das Bundesverwaltungsgericht zur Begründung dafür herangezogen hat, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Begriff der „politischen Verfolgung“ des Art. 16a Abs. 1 GG identisch sind, mit der Formulierung des § 60 Abs. 1 AufenthG entfallen sind. Zur Begründung hatte das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung zum einen die amtliche Überschrift des § 51 AuslG („Verbot der Abschiebung politisch Verfolgter“) herangezogen. Die amtliche Überschrift des § 60 AufenthG lautet nun jedoch lediglich: „Verbot der Abschiebung“. Zum anderen hatte das Bundesverwaltungsgericht auf § 51 Abs. 2 S. 2 AuslG verwiesen, in dem andere Fälle geregelt waren, „in denen sich der Ausländer auf politische Verfolgung beruft“. Diese Vorschrift wurde gestrichen bzw. wurde mit der Regelung des § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG modifiziert. Die Änderung des Wortlauts der letztgenannten Vorschrift war möglich, weil die Regelung des § 51 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG ersatzlos entfallen ist. Damit wurde - was ebenfalls für die hier vertretene Sichtweise des § 60 Abs. 1 AufenthG spricht - das Vorliegen der Voraussetzungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG vom Vorliegen der Asylberechtigung materiell-rechtlich entkoppelt, auch wenn für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG weiterhin das Bundesamt zuständig und das AsylVfG anwendbar sein soll (§ 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG, § 5 AsylVfG); denn dies hängt mit der größeren länderspezifischen Sachkompetenz des Bundesamtes zusammen (vgl. auch § 72 Abs. 2 AufenthG). Des Weiteren ist aus dem Zusatz in § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG („und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht“) zu schließen, dass mit § 60 Abs. 1 AufenthG das im Begriff der „politischen Verfolgung“ enthaltene Merkmal der Verantwortlichkeit eines Staates keine Rolle mehr spielen soll. Generell ist in § 60 Abs. 1 AufenthG nur von „Verfolgung“ und nicht von „politischer Verfolgung“ die Rede.
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Die Motive des Gesetzgebers deuten ebenfalls auf eine Auslegung des § 60 Abs. 1 AufenthG im oben genannte Sinne hin (BT-Drucksache 15/420, S. 91). Zwar entspricht nach diesen § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG inhaltlich der Regelung in § 51 Abs. 1 AuslG. In der folgenden Begründung des § 60 AufenthG wird jedoch in Bezug auf die Sätze 3-5 hervorgehoben, dass mit ihnen in zum Teil die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts klarstellender, zum Teil erstreckender Weise eine Anpassung an die internationale Staatenpraxis bei der Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention erfolgen sollte und dass sich Deutschland nunmehr auch insoweit der Auffassung der überwiegenden Zahl der Staaten in der Europäischen Union anschließt.
27 
Ferner ergibt sich die oben genannte Sichtweise des § 60 Abs. 1 AufenthG aus einer Auslegung, die sich an der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (sog. „Qualifikationsrichtlinie“, ABl. Nr. L 304 vom 30.09.2004, S. 12 ff.) orientiert. Diese Auslegung ist geboten, auch wenn die Umsetzungsfrist des Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie noch nicht abgelaufen ist (Umsetzung bis 10.10.2006). Denn mit § 60 Abs. 1 AufenthG sollte das deutsche Recht schon insoweit an die genannte Richtlinie angepasst werden (ebenso bzgl. § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG: Vorläufige Anwendungshinweise des Bundesministerium des Innern zum Aufenthaltsgesetz und zum Freizügigkeitsgesetz/EU, Stand: Dezember 2004, Zif. 60. 1.4; Renner, ZAR 266 ff. (269); Duchrow, ZAR, 2004, S. 339 ff. (340); Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 73). Daher liegt es nahe, § 60 Abs. 1 AufenthG schon jetzt richtlinienkonform auszulegen, zumal eine Richtlinie auch schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist insoweit Beachtung verlangt, als es einem Mitgliedstaat verboten ist, ihre rechtzeitige Umsetzung durch kontraproduktive Maßnahmen zu vereiteln (vgl. EuGH, Urteil v. 18.12.1997 - Rs. C-129/96 - „Inter-Environnement Wallonie ASBL“, Slg. 1997, S. I-7411 ff., Rn. 40 ff.). Die Qualifikationsrichtlinie geht in Art. 2 c), Art. 6-8 jedoch nicht vom deutschen Begriff der „politischen Verfolgung“ im Sinne der sog. „Zurechnungslehre“, sondern von dem in der Genfer Konvention zugrunde gelegten Flüchtlingsbegriff im Sinne der sog. „Schutztheorie“ aus (vgl. Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 73 ff.).
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Das oben dargelegte Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG hat über das Begriffliche hinaus auch inhaltliche Konsequenzen. Der in § 60 Abs. 1 AufenthG festgelegte Standard erfordert einen effektiven Schutz vor Verfolgung, und zwar unabhängig davon, ob die Verfolgungshandlung einem staatlichen Träger zugerechnet werden kann oder nicht (VG Stuttgart, Urteil v. 17.01.2005 - A 10 K 10587/04 -). Kommt es auf die Zurechenbarkeit im Sinne der „mittelbaren staatlichen Verfolgung“ nach der neuen Rechtslage nicht mehr an, kann danach Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure auch vorliegen, wenn der Staat bzw. die internationalen Organisationen trotz prinzipieller Schutzbereitschaft Personen oder Gruppen vor der Verfolgung durch Dritte nicht effektiv schützen können (UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Ziff. 65). Von einer mangelnden Schutzgewährung ist dabei nicht nur dann auszugehen, wenn die in § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstaben a) und b) AufenthG genannten Akteure gegen Verfolgungsmaßnahmen Privater im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel keinen effektiven Schutz gewähren können oder die Übergriffe unterstützt, gebilligt oder tatenlos hingenommen haben (vgl. zu Art. 16a Abs. 1 GG: BVerfG, Beschluss v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 -, BVerfGE 80, 315 ff). Vielmehr kommt es unter dem Gesichtspunkt der Schutzgewährung darauf an, ob der Schutz im konkreten Einzelfall effektiv und angemessen ist (so auch VG Stuttgart, Urteil v. 17.01.2005 - A 10 K 10587/04 -), wobei hier bei der prognostischen Prüfung der Frage, ob der zur Verfügung gestellte Schutz effektiv ist, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass effektiver Schutz gewährt wird, wenn die in § 60 Abs. 1 S. 4 Buchstaben a) und b) AufenthG genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat (vgl. Art. 7 Abs. 2 RL 2004/83/EG sowie Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 117 f. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des House of Lords).
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In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass albanische Volkszugehörige im Kosovo vor Verfolgung effektiv geschützt sind.
30 
In Bezug auf die früher durch die serbischen Behörden ausgehende Verfolgung ist dies schon deshalb anzunehmen, weil sich nach Beendigung der Kampfhandlungen zwischen der NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien am 10.06.1999 die jugoslawischen (serbischen) Sicherheitskräfte aus dem Kosovo zurückgezogen haben und das Kosovo seitdem unter internationaler Verwaltung steht. Diese hat eine zivile (UNMIK) und eine militärische Komponente (KFOR). Das Kosovo ist völkerrechtlich zwar weiterhin Teil des Staates Serbien und Montenegro (ehemals: Bundesrepublik Jugoslawien) und der Teilrepublik Serbien. Die VN-Mission übernimmt jedoch auf der Grundlage der VN-Sicherheitsrats-Resolution 1244 (1999) die Verantwortung für das gesamte öffentliche Leben im Kosovo. Ziele der Resolution sind der Aufbau der für demokratische und autonome Selbstverwaltung erforderlichen Strukturen, Wiederaufbau von Schlüsselinfrastrukturen und sonstiger wirtschaftlicher Wiederaufbau, humanitäre und Katastrophenhilfe, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Schutz und Förderung der Menschenrechte sowie sichere Rückkehr aller Flüchtlinge und Binnenvertriebenen. Im Kosovo sind ca. 17.800 KFOR-Soldaten stationiert (Stand: September 2004). UNMIK ist flächendeckend in den Verwaltungen aller Landkreise vertreten. Der Aufbau einer lokalen, multiethnischen Polizei ist weit vorangetrieben worden. Auch das Justizwesen wird auf multiethnischer Grundlage wieder aufgebaut. Am 23.10.2004 haben im Kosovo mittlerweile die zweiten Parlamentswahlen stattgefunden, die insgesamt friedlich und ohne Zwischenfälle verlaufen sind. Albanische Parteien bildeten erneut eine Koalitionsregierung. Vor der Parlamentswahl hatte der Chef der VN-Übergangsverwaltung (UNMIK) Jessen-Petersen die Übergabe von mehr Befugnissen an die künftige Regierung angekündigt (vgl. hierzu den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo) vom 04.11.2004; Erkenntnisse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Serbien und Montenegro/Kosovo, Berichtszeitraum August bis Dezember 2004, Stand: Dezember 2004; ferner zu § 51 Abs. 1 AuslG und Art. 16a Abs. 1 GG: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.03.2000 - A 14 S 1167/98 -, Urt. v. 16.03.2000 - A 14 S 2443/98 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 16.03.2004 - A 6 S 219/04 -).
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Aus den Unruhen vom März 2004 ist in Bezug auf Kosovo-Albaner eine hiervon abweichende Beurteilung schon deshalb ausgeschlossen, weil die dabei verübte Gewalt vor allem von Albanern ausging. Darüber hinaus hat KFOR nach der Entsendung von weiteren 2.000 Mann die Sicherheitslage nun wieder unter Kontrolle. Die Einsatztaktik der deutschen KFOR-Soldaten wurde grundlegend geändert. Die Soldaten sind jetzt auch mit „nicht letalen Kampfmitteln“ wie Reizgas, Schlagstöcken und Schilden für den Straßenkampf ausgestattet. Außerdem wurden mehr als 270 Personen nach den Unruhen vorläufig festgenommen, darunter auch führende Mitglieder des Veteranenverbandes der UCK. 73 Spezialisten sind zusätzlich zur Strafverfolgung der Straftäter nach Pristina gekommen und bereits 80 Verdächtige verurteilt. Auch 100 Fälle, in denen Angehörigen des KPS (Kosovo Police Service) Fehlverhalten vorgeworfen wird, werden von UNMIK überprüft (hierzu: Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo) vom 04.11.2004; Erkenntnisse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Serbien und Montenegro/Kosovo, Berichtszeitraum August bis Dezember 2004, Stand: Dezember 2004, S. 10; „Angst vor neuer Gewalt“, Süddeutsche Zeitung Nr. 56 vom 09.03.2005, S. 2; Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration, Kurzinformationen, „Schwere Unruhen im Kosovo“, Stand: 05.04.2004; teilweise zeitlich überholt: UNHCR-Position zur Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo im Lichte der jüngsten ethnisch motivierten Auseinandersetzungen vom 30.03.2004; Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Kosovo, Update zur Situation der ethnischen Minderheiten nach den Ereignissen vom März 2004“ vom 24.05.2004).
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Gründe, aus denen nach § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG von einem Widerruf abzusehen wäre, sind vorliegend nicht erkennbar.
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Ob der Widerruf „unverzüglich“ i.S.v. § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG erfolgte, kann dahinstehen. Denn der Kläger wäre selbst bei einer Verletzung der Pflicht zum unverzüglichen Widerruf nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Pflicht zum unverzüglichen Widerruf der Asylanerkennung dient allein dem öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beseitigung einer dem Ausländer nicht mehr zustehenden Rechtsposition. Dies ergibt sich aus Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG. Diese lassen nicht erkennen, das Gebot, die Asylanerkennung bei Eintritt der Widerrufsvoraussetzungen "unverzüglich" zu widerrufen, solle - auch - den als Asylberechtigten anerkannten Ausländer schützen, insbesondere einem Vertrauen in den Fortbestand der Asylanerkennung Rechnung tragen. Das Gesetz ordnet den Widerruf im öffentlichen Interesse an, wobei der Widerruf - im Unterschied zu einem Widerruf nach § 49 VwVfG - zunächst (vgl. § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG) nicht im Ermessen der Behörde liegt. Ebenso ist die Unverzüglichkeit des Widerrufs erkennbar allein im öffentlichen Interesse vorgeschrieben. Das ergibt sich deutlich aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Bereits nach § 16 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.d.F. des Gesetzes vom 09.07.1990 (BGBl. I S. 1354) war der Widerruf zwingend geboten. Auch bei längerem Zeitablauf nach Eintritt der Widerrufsvoraussetzungen konnte der Asylberechtigte angesichts der damaligen Rechtslage nicht darauf vertrauen, dass von einem Widerruf abgesehen würde. Die Ergänzung um das Wort "unverzüglich" in der Neuregelung des § 73 AsylVfG durch das Gesetz vom 26.06.1992 (BGBl. I S. 1126) wurde - allein - mit der Notwendigkeit der Beschleunigung des Verfahrens begründet (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 12/2062, S. 1). Die Unverzüglichkeit des Widerrufs dient demnach ausschließlich dem öffentlichen Interesse daran, den Status eines Asylberechtigten möglichst schnell auf diejenigen Personen zu beschränken, die tatsächlich Schutz vor politischer Verfolgung benötigen (BVerwG, Beschluss vom 27.06.1997 - 9 B 280/97 -, juris; VGH Bad.-Württ, Beschluss v. 26.03.1997 - A 14 S 2854/96 -, AuAS 1997, S. 162 f.; VG Sigmaringen, Urteil v. 02.12.2003 - A 4 K 11498/01 -, juris; a.A. VG Stuttgart, Urteil v. 07.01.2003 - A 5 K 11226/01 -, InfAuslR 2003, 261).
34 
Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG ist auf § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht anwendbar (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 12.08.2003 - A 6 S 820/03 -, vensa). Darüber hinaus hätte sie auch frühestens nach Ablauf der vom Bundesamt gesetzten Anhörungsfrist bzw. Eingang der Stellungnahme des Klägers (§ 73 Abs. 4 AsylVfG) zu laufen begonnen (BVerwG, Urteil v. 08.05.2003 - 1 C 15/02 -, das offen lässt, ob § 48 Abs. 4 VwVfG auf § 73 AsylVfG anwendbar ist).
35 
Die Entscheidung der Beklagten über den Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG war auch nicht nach § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG nach Ermessen zu treffen (siehe bereits: VG Karlsruhe, Urteil vom 17.01.2005 - A 2 K 12256/03 -.) Die ab 01.01.2005 geltende Vorschrift des § 73 Abs. 2a S. 1-3 AsylVfG ist nämlich aus Gründen des materiellen Rechts nicht auf Widerrufsentscheidungen anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt bekannt gegeben oder richtigerweise zugestellt (§ 73 Abs. 5 AsylVfG) und damit wirksam wurden (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG). Daher lassen sich aus § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, wonach das Gericht für die Entscheidung auf die Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen hat, für den vorliegenden Fall keine gegenteiligen Schlussfolgerungen ableiten.
36 
Für die ab 01.01.2005 geltende Änderung des § 73 AsylVfG existiert keine ausdrücklich geregelte Übergangsvorschrift. Die Vorschriften in §§ 87 ff. AsylVfG gelten unmittelbar nur für frühere Rechtsänderungen. Fehlt eine Übergangsvorschrift, ist zunächst die konkrete Rechtsnorm und ihre Auslegung maßgeblich für die Beantwortung der Frage, auf welche Rechtsverhältnisse die Norm angewandt werden soll. Bei Zweifelsfällen geben die Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts Anhaltspunkte (Kopp, SGb 1993, S. 593 ff. (595)). Hier folgt die Nichtanwendbarkeit des § 73 Abs. 2a AsylVfG auf vor dem 01.01.2005 bekannt gegebene Widerrufsentscheidungen aus einer Kombination aus Auslegung des § 73 Abs. 2a AsylVfG und Anwendung der allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts, die auch in § 96 VwVfG ihren Niederschlag gefunden haben. Eine vergleichende Anwendung der §§ 87 ff. AsylVfG führt hier nicht weiter, weil sich aus ihnen keine allgemein gültigen Aussagen ableiten lassen.
37 
Nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG ist über den Widerruf oder die Rücknahme einer Asylanerkennung bzw. einer Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden, wenn nach der von S. 1 vorgeschriebenen Prüfung kein Widerruf bzw. keine Rücknahme erfolgt ist. Damit ist die Erforderlichkeit der Ermessensentscheidung an die vorherige Durchführung eines Prüfverfahrens gekoppelt, das nach § 73 Abs. 2a S. 1 AsylVfG spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen hat. Sinn der Einführung einer konkreten Frist für die Überprüfung der Asylanerkennungen ist nach dem Willen des Gesetzgebers, dass die Vorschriften über den Widerruf und die Rücknahme, die in der Praxis bislang leer gelaufen sind, an Bedeutung gewinnen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucksache 15/420 vom 07.02.2003, S. 112). Damit wird wie bei dem im Jahr 1992 in Absatz 1 hinzugefügten Erfordernis eines „unverzüglichen“ Widerrufs dem öffentlichen Interesse an der Beseitigung einer dem Ausländer nicht mehr zustehenden Rechtsposition gedient. Aus § 73 Abs. 2a AsylVfG und seinem systematischen Zusammenhang mit § 26 Abs. 3 AufenthG ergibt sich weiter, dass die am 01.01.2005 eingeführte Prüfungspflicht darüber hinaus auch den Interessen des Ausländers zu dienen bestimmt ist. Denn das Bundesamt hat nach § 73 Abs. 2a S. 2 AsylVfG das Ergebnis der Prüfung der Ausländerbehörde mitzuteilen, damit diese über den Aufenthaltstitel des Ausländers befinden kann. Kommt die Prüfung zum Ergebnis, dass kein Widerruf bzw. keine Rücknahme stattfindet, hat der Ausländer, der seit drei Jahren aufgrund seiner Asylanerkennung oder des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufentG eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis und damit auf eine Verfestigung seines Aufenthaltsrechts. Daraus wird deutlich, dass jedenfalls nach der Durchführung einer Prüfung nach Satz 1 des § 73 Abs. 2a AsylVfG und möglicherweise auch nach Ablauf der Dreijahresfrist ohne Durchführung einer Prüfung das Vertrauen des Ausländers darauf, dass er nun die Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung bzw. ein verfestigtes Aufenthaltsrecht besitzt (dazu: Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucksache 15/420 vom 07.02.2003, S. 80), im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG zu berücksichtigen ist.
38 
Dieser Ermessensentscheidung bedarf es jedoch nicht in Fällen, in denen kein Vertrauensschutz zu berücksichtigen ist, weil - wie hier - vom Bundesamt gar kein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (§ 60 Abs. 1 AufenthG) wurde hier widerrufen, bevor einer Prüfung des Widerrufs oder einem dreijährigen Nichtprüfen durch das Bundesamt aufgrund der Neuregelung des § 73 Abs. 2a AsylVfG und des § 26 Abs. 3 AufenthG überhaupt ein Bedeutungsgehalt dergestalt zu kommen konnte, dass nun die Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung bestehe. Denn bis zum 01.01.2005 war das Bundesamt nicht innerhalb einer bestimmten Frist zur Prüfung, ob ein Widerruf oder eine Rücknahme in Betracht kommt, verpflichtet und musste auch keine Mitteilung nach § 73 Abs. 2a S. 2 AsylVfG an die Ausländerbehörde vornehmen.
39 
Dass § 73 Abs. 2a S. 1 und 2 AsylVfG auf die bis zum 31.12.2004 bekannt gegebenen Widerrufs- bzw. Rücknahmeentscheidungen nicht anwendbar sind, ergibt sich aus den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts, wonach neues Verfahrensrecht nicht auf abgeschlossene Verfahren angewandt werden kann (vgl. Kopp, SGb 1993, S. 593 ff.; BVerwG, Urteil v. 26.03.1985 - 9 C 47/84 -, juris; Urteil v. 18.02.1992 - 9 C 59/91 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil v. 28.05.1991 - A 16 S 2357/90 -, juris). Ob ein Verwaltungsverfahren mit Bekanntgabe, das heißt Wirksamwerden, des Verwaltungsaktes oder jedenfalls mit Abschluss eines eventuell durchzuführenden Widerspruchsverfahrens abgeschlossen ist - wofür die Zielhaftigkeit des Verwaltungsverfahrens nach § 9 VwVfG sowie der Umstand spricht, dass die Übergangsvorschriften der §§ 87 und 87a AsylVfG im Hinblick auf die Regelung der Anwendung neuer Vorschriften zwischen Verwaltungsverfahren und gerichtlichem Verfahren unterscheiden - (so im Ergebnis auch: BVerwG, Urteil v. 12.08.1977 - IV C 20.76 -, BVerwGE 54, S. 257 (259); Urteil v. 27.09.1989 - 8 C 88.88 -, BVerwGE 82, 336 ff.; Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 96, Rn. 1; P. Stelkens/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 96, Rn. 2) oder erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit (so Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 96, Rn. 4), kann vorliegend dahinstehen. Denn es können jedenfalls nicht nachträglich fristgebundene Verfahrenshandlungen verlangt werden, mit denen die Beteiligten nach dem bisherigen Recht nicht rechnen mussten und denen sie auch keine Rechnung mehr tragen können, weil die maßgeblichen Tatsachen bzw. Handlungen bereits in der Vergangenheit lagen oder in der Vergangenheit hätten gesetzt werden müssen, als die nunmehr damit verbundenen Folgerungen noch nicht daran geknüpft waren (Kopp, SGb 1993, S. 593 ff. (601)). Dies ist hier der Fall. Das Bundesamt hat bei bereits bekannt gegebenen Widerrufs- oder Rücknahmeentscheidungen keine Möglichkeit mehr, die Prüfungsfrist des § 73 Abs. 2a S. 1 AsylVfG einzuhalten und die Mitteilung nach § 73 Abs. 2a S. 2 AsylVfG im Anschluss an eine fristgerecht durchgeführte Prüfung zu machen.
40 
Die hilfsweise geltend gemachten Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG liegen nicht vor. Für das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG fehlt es bereits an tatsächlichen Anhaltspunkten.
41 
Die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG verlangt wegen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG dann, wenn sich der Ausländer nur auf Gefahren beruft, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, dass eine Gefahrenlage gegeben ist, die landesweit so beschaffen ist, dass der von einer Abschiebung Betroffene gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert oder der extremen Gefahr ausgesetzt wäre, mangels ausreichender Existenzmöglichkeiten an Hunger oder Krankheit zu sterben (vgl. BVerwG, Urteil v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, DVBl. 2001, 1531). Diese zu § 53 Abs. 6 AuslG ergangene Rechtsprechung gilt auch für § 60 Abs. 7 AufenthG, weil es sich insoweit nur um eine redaktionelle Änderung handelt (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 91). Eine derart extreme Gefahrenlage besteht für den Kläger im Kosovo im Hinblick auf die allgemeine soziale und wirtschaftliche Situation und die Sicherheitslage nicht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.08.2004 - A 6 S 70/04 -).
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO.
43 
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 71 Abs. 1 GKG. Der Gegenstandswert folgt aus § 83b Abs. 2 S.1 AsylVfG i.V.m. § 60 RVG.

Gründe

 
13 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl keiner der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung anwesend oder vertreten war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig. Dabei geht das Gericht davon aus, dass mit Klageerhebung am 23.09.2003 die Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 1 AsylVfG von zwei Wochen noch gewahrt wurde. Über die Zustellung des Bescheids vom 05.09.2003 befindet sich nämlich kein Nachweis in den Akten der Beklagten.
15 
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG besteht nicht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage hat das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgestellt (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG).
16 
Der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 05.09.2003 findet seine Rechtsgrundlage in § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in der seit dem 01.01.2005 geltenden Fassung. Danach sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen.
17 
Aufgrund dieser Vorschrift kann auch die Feststellung widerrufen werden, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, obwohl diese Vorschrift am 01.01.2005 außer Kraft getretenen ist (siehe bereits: VG Karlsruhe, Urteil v. 17.01.2005 - A 2 K 12256/03 -, ebenso: VG Karlsruhe, Urteil v. 04.02.2005 - A 3 K 11689/04 -). Denn eine vor dem 01.01.2005 getroffene Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bleibt trotz der Rechtsänderung als Verwaltungsakt wirksam (vgl. §§ 43 Abs. 2 und 3, 44 VwVfG). Sie ist nach dem 01.01.2005 als Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu behandeln. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, wonach es sich bei den in den §§ 73, 31, 42 AsylVfG vorgenommenen Änderungen betreffend §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG lediglich um redaktionelle Änderungen handelt, die zur Anpassung an das Aufenthaltsgesetz erforderlich sind (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucksache 15/420 vom 07.02.2003, S. 110 ff.). Inhaltlich werden die Voraussetzungen des alten § 51 Abs. 1 AuslG vom neuen § 60 Abs. 1 AufenthG jedenfalls mit umfasst (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucksache 15/420 vom 07.02.2003, S. 91; VG Karlsruhe, Urteil vom 17.01.2005 - A 2 K 12256/03 -).
18 
Für das Entfallen der Voraussetzungen einer Asylanerkennung und einer Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG bedarf es einer nachträglichen Änderung der für die positive asylrechtliche Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage. Eine lediglich abweichende Bewertung der entscheidungserheblichen Umstände auf der Grundlage einer unveränderten Tatsachenbasis oder eine Änderung der Erkenntnislage reicht demgegenüber nicht aus (BVerwG, Urteil v. 19.09.2000 - 9 C 12/00 -, BVerwGE 11, 80). Vielmehr müssen sich die tatsächlichen Verhältnisse so einschneidend und dauerhaft geändert haben, dass der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor neuer Verfolgung sicher ist und daher ohne Verfolgungsfurcht heimkehren kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.1991 - 9 C 154.90 -, BVerwGE 88, S. 367 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.03.2004 - A 6 S 219/04 -, vensa).
19 
Darüber hinaus ist dann, wenn - wie hier - die Feststellung des Bundesamtes auf einem rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsurteil beruht, das Rechtsinstitut der Rechtskraft zu beachten, aus dem folgt, dass ein Widerruf des Bundesamtsbescheides nur nach Änderung der für das Urteil maßgeblichen Sach- oder Rechtslage erfolgen darf. Rechtskräftige Urteile binden nach § 121 VwGO die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Dabei hindert die Rechtskraft grundsätzlich jede erneute und erst Recht jede abweichende Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung über den Streitgegenstand. Von dieser Bindung stellt § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG die Behörde nicht frei. Diese Bestimmung setzt vielmehr voraus, dass die Rechtskraftwirkung geendet hat, weil sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich verändert hat und so die sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft überschritten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.09.2001 - 1 C 7.01 -, BVerwGE 115, 118). Dies ist jedenfalls im Asylrecht nur dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001 - 1 C 7/01 -, BVerwGE 115, 118; BVerwG, Urt. v. 08.05.2003 - 1 C 15/02 -, NVwZ 2004, 113) .
20 
Wird auf der Grundlage des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG n.F. eine Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen, ist für die Zulässigkeit eines Widerrufs neben dem nachträglichen Entfallen der für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG maßgeblichen Umstände zusätzlich erforderlich, dass zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt auch die Voraussetzungen des mit einem weiteren Anwendungsbereich versehenen § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen.
21 
Die im Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21.06.1999 festgestellte Sachlage, aufgrund derer es das Bundesamt verpflichtet hat, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festzustellen, hat sich nachträglich so wesentlich geändert, dass eine Durchbrechung der Rechtskraft des genannten Urteils gerechtfertigt ist. Insbesondere kann nun nicht mehr - wie im genannten Urteil - davon ausgegangen werden, das Kosovo, in dem der Kläger nicht politisch verfolgt werde, stelle keine hinreichend sichere und zumutbare Fluchtalternative dar. Das zu einem menschenwürdigen Leben erforderliche Existenzminimum ist jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt gewährleistet. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 23.08.2004 (A 6 S 70/04, vensa) sowie aus dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo) vom 04.11.2004 (ebenso bereits VGH Bad.-Württ., Urteil v. 17.03.2000 - 14 S 1167/98 -, juris). Diesen kann entnommen werden, dass im Hinblick auf die Versorgung mit Wohnraum, Lebensmitteln und Trinkwasser sowie im Bereich der medizinischen Versorgung so wesentliche Veränderungen eingetreten sind, dass nicht mehr davon gesprochen werden kann, es drohe ein Leben unter dem Existenzminimum oder es sei mit lebensbedrohlichen Gefahren oder Nachteilen zu rechnen. Darüber hinaus hat sich auch die vom Verwaltungsgericht Karlsruhe seinem Urteil vom 21.06.1999 noch zugrunde gelegte hohe Minengefahr durch das im Jahr 2001 durchgeführte Minenräumungsprogramm so verringert, dass nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dem Kläger drohten im Kosovo unzumutbare Nachteile. Gleiches gilt für die Gefahr, als albanischer Volkszugehöriger Opfer einer ethnisch motivierten Gewalttat zu werden. Die Unruhen vom März 2004 wurden von der albanischen Bevölkerungsmehrheit verübt und richteten sich vor allem gegen ethnische Minderheiten. Darüber hinaus hat sich die Situation mittlerweile wieder beruhigt (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.08.2004 - A 6 S 70/04 -, vensa und den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo) vom 04.11.2004).
22 
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen in Bezug auf den Kläger auch nicht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vor.
23 
Gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG darf in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (Satz 1). Dabei kann eine Verfolgung im Sinne von Satz 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine inländische Fluchtalternative (Satz 4).
24 
Damit wird in § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG anders als im bisherigen § 51 Abs. 1 AuslG ausdrücklich auf das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (Genfer Konvention, BGBl. 1953 II S. 559) Bezug genommen. Die vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil v. 18.01.1994 - 9 C 48/92 -, BVerwGE, 95, 42) für § 51 Abs. 1 AuslG erkannte Identität zwischen dem Begriff „politische Verfolgung“ und den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gilt für § 60 Abs. 1 AufenthG nicht mehr. Maßgebend für die Auslegung des § 60 Abs. 1 AufenthG ist nun der Flüchtlingsbegriff nach Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (so auch: VG Stuttgart, Urteil v. 17.01.2005 - A 10 K 10587/04 -; Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 73 ff.; Duchrow, ZAR 2004, 339). Wenn nun in § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe c) AufenthG ausdrücklich bestimmt wird, dass eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auch von „nichtstaatlichen Akteuren“ ausgehen kann, sofern der Staat einschließlich internationaler Organisationen „erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten“, so stellt dies einen Perspektivwechsel von der „täterbezogenen“ Verfolgung im Sinne der von der Rechtsprechung zu Art. 16a GG und § 51 Abs. 1 AuslG entwickelten „mittelbaren staatlichen Verfolgung“ zur „opferbezogenen“ Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und damit von der „Zurechnungslehre“ zur „Schutzlehre“ dar (ebenso: VG Stuttgart, Urteil v. 17.01.2005 - A 10 K 10587/04 -; vgl. ferner Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 79 ff.).
25 
Diese veränderte Sichtweise des § 60 Abs. 1 AufenthG im Vergleich zu § 51 Abs. 1 AuslG ergibt sich zunächst daraus, dass die beiden auf den Wortlaut des § 51 Abs. 1 AuslG gestützten Argumente, die das Bundesverwaltungsgericht zur Begründung dafür herangezogen hat, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Begriff der „politischen Verfolgung“ des Art. 16a Abs. 1 GG identisch sind, mit der Formulierung des § 60 Abs. 1 AufenthG entfallen sind. Zur Begründung hatte das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung zum einen die amtliche Überschrift des § 51 AuslG („Verbot der Abschiebung politisch Verfolgter“) herangezogen. Die amtliche Überschrift des § 60 AufenthG lautet nun jedoch lediglich: „Verbot der Abschiebung“. Zum anderen hatte das Bundesverwaltungsgericht auf § 51 Abs. 2 S. 2 AuslG verwiesen, in dem andere Fälle geregelt waren, „in denen sich der Ausländer auf politische Verfolgung beruft“. Diese Vorschrift wurde gestrichen bzw. wurde mit der Regelung des § 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG modifiziert. Die Änderung des Wortlauts der letztgenannten Vorschrift war möglich, weil die Regelung des § 51 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AuslG ersatzlos entfallen ist. Damit wurde - was ebenfalls für die hier vertretene Sichtweise des § 60 Abs. 1 AufenthG spricht - das Vorliegen der Voraussetzungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG vom Vorliegen der Asylberechtigung materiell-rechtlich entkoppelt, auch wenn für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG weiterhin das Bundesamt zuständig und das AsylVfG anwendbar sein soll (§ 60 Abs. 1 S. 5 AufenthG, § 5 AsylVfG); denn dies hängt mit der größeren länderspezifischen Sachkompetenz des Bundesamtes zusammen (vgl. auch § 72 Abs. 2 AufenthG). Des Weiteren ist aus dem Zusatz in § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG („und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht“) zu schließen, dass mit § 60 Abs. 1 AufenthG das im Begriff der „politischen Verfolgung“ enthaltene Merkmal der Verantwortlichkeit eines Staates keine Rolle mehr spielen soll. Generell ist in § 60 Abs. 1 AufenthG nur von „Verfolgung“ und nicht von „politischer Verfolgung“ die Rede.
26 
Die Motive des Gesetzgebers deuten ebenfalls auf eine Auslegung des § 60 Abs. 1 AufenthG im oben genannte Sinne hin (BT-Drucksache 15/420, S. 91). Zwar entspricht nach diesen § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG inhaltlich der Regelung in § 51 Abs. 1 AuslG. In der folgenden Begründung des § 60 AufenthG wird jedoch in Bezug auf die Sätze 3-5 hervorgehoben, dass mit ihnen in zum Teil die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts klarstellender, zum Teil erstreckender Weise eine Anpassung an die internationale Staatenpraxis bei der Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention erfolgen sollte und dass sich Deutschland nunmehr auch insoweit der Auffassung der überwiegenden Zahl der Staaten in der Europäischen Union anschließt.
27 
Ferner ergibt sich die oben genannte Sichtweise des § 60 Abs. 1 AufenthG aus einer Auslegung, die sich an der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (sog. „Qualifikationsrichtlinie“, ABl. Nr. L 304 vom 30.09.2004, S. 12 ff.) orientiert. Diese Auslegung ist geboten, auch wenn die Umsetzungsfrist des Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie noch nicht abgelaufen ist (Umsetzung bis 10.10.2006). Denn mit § 60 Abs. 1 AufenthG sollte das deutsche Recht schon insoweit an die genannte Richtlinie angepasst werden (ebenso bzgl. § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG: Vorläufige Anwendungshinweise des Bundesministerium des Innern zum Aufenthaltsgesetz und zum Freizügigkeitsgesetz/EU, Stand: Dezember 2004, Zif. 60. 1.4; Renner, ZAR 266 ff. (269); Duchrow, ZAR, 2004, S. 339 ff. (340); Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 73). Daher liegt es nahe, § 60 Abs. 1 AufenthG schon jetzt richtlinienkonform auszulegen, zumal eine Richtlinie auch schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist insoweit Beachtung verlangt, als es einem Mitgliedstaat verboten ist, ihre rechtzeitige Umsetzung durch kontraproduktive Maßnahmen zu vereiteln (vgl. EuGH, Urteil v. 18.12.1997 - Rs. C-129/96 - „Inter-Environnement Wallonie ASBL“, Slg. 1997, S. I-7411 ff., Rn. 40 ff.). Die Qualifikationsrichtlinie geht in Art. 2 c), Art. 6-8 jedoch nicht vom deutschen Begriff der „politischen Verfolgung“ im Sinne der sog. „Zurechnungslehre“, sondern von dem in der Genfer Konvention zugrunde gelegten Flüchtlingsbegriff im Sinne der sog. „Schutztheorie“ aus (vgl. Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 73 ff.).
28 
Das oben dargelegte Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG hat über das Begriffliche hinaus auch inhaltliche Konsequenzen. Der in § 60 Abs. 1 AufenthG festgelegte Standard erfordert einen effektiven Schutz vor Verfolgung, und zwar unabhängig davon, ob die Verfolgungshandlung einem staatlichen Träger zugerechnet werden kann oder nicht (VG Stuttgart, Urteil v. 17.01.2005 - A 10 K 10587/04 -). Kommt es auf die Zurechenbarkeit im Sinne der „mittelbaren staatlichen Verfolgung“ nach der neuen Rechtslage nicht mehr an, kann danach Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure auch vorliegen, wenn der Staat bzw. die internationalen Organisationen trotz prinzipieller Schutzbereitschaft Personen oder Gruppen vor der Verfolgung durch Dritte nicht effektiv schützen können (UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Ziff. 65). Von einer mangelnden Schutzgewährung ist dabei nicht nur dann auszugehen, wenn die in § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstaben a) und b) AufenthG genannten Akteure gegen Verfolgungsmaßnahmen Privater im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel keinen effektiven Schutz gewähren können oder die Übergriffe unterstützt, gebilligt oder tatenlos hingenommen haben (vgl. zu Art. 16a Abs. 1 GG: BVerfG, Beschluss v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 -, BVerfGE 80, 315 ff). Vielmehr kommt es unter dem Gesichtspunkt der Schutzgewährung darauf an, ob der Schutz im konkreten Einzelfall effektiv und angemessen ist (so auch VG Stuttgart, Urteil v. 17.01.2005 - A 10 K 10587/04 -), wobei hier bei der prognostischen Prüfung der Frage, ob der zur Verfügung gestellte Schutz effektiv ist, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass effektiver Schutz gewährt wird, wenn die in § 60 Abs. 1 S. 4 Buchstaben a) und b) AufenthG genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat (vgl. Art. 7 Abs. 2 RL 2004/83/EG sowie Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 117 f. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des House of Lords).
29 
In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass albanische Volkszugehörige im Kosovo vor Verfolgung effektiv geschützt sind.
30 
In Bezug auf die früher durch die serbischen Behörden ausgehende Verfolgung ist dies schon deshalb anzunehmen, weil sich nach Beendigung der Kampfhandlungen zwischen der NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien am 10.06.1999 die jugoslawischen (serbischen) Sicherheitskräfte aus dem Kosovo zurückgezogen haben und das Kosovo seitdem unter internationaler Verwaltung steht. Diese hat eine zivile (UNMIK) und eine militärische Komponente (KFOR). Das Kosovo ist völkerrechtlich zwar weiterhin Teil des Staates Serbien und Montenegro (ehemals: Bundesrepublik Jugoslawien) und der Teilrepublik Serbien. Die VN-Mission übernimmt jedoch auf der Grundlage der VN-Sicherheitsrats-Resolution 1244 (1999) die Verantwortung für das gesamte öffentliche Leben im Kosovo. Ziele der Resolution sind der Aufbau der für demokratische und autonome Selbstverwaltung erforderlichen Strukturen, Wiederaufbau von Schlüsselinfrastrukturen und sonstiger wirtschaftlicher Wiederaufbau, humanitäre und Katastrophenhilfe, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Schutz und Förderung der Menschenrechte sowie sichere Rückkehr aller Flüchtlinge und Binnenvertriebenen. Im Kosovo sind ca. 17.800 KFOR-Soldaten stationiert (Stand: September 2004). UNMIK ist flächendeckend in den Verwaltungen aller Landkreise vertreten. Der Aufbau einer lokalen, multiethnischen Polizei ist weit vorangetrieben worden. Auch das Justizwesen wird auf multiethnischer Grundlage wieder aufgebaut. Am 23.10.2004 haben im Kosovo mittlerweile die zweiten Parlamentswahlen stattgefunden, die insgesamt friedlich und ohne Zwischenfälle verlaufen sind. Albanische Parteien bildeten erneut eine Koalitionsregierung. Vor der Parlamentswahl hatte der Chef der VN-Übergangsverwaltung (UNMIK) Jessen-Petersen die Übergabe von mehr Befugnissen an die künftige Regierung angekündigt (vgl. hierzu den Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo) vom 04.11.2004; Erkenntnisse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Serbien und Montenegro/Kosovo, Berichtszeitraum August bis Dezember 2004, Stand: Dezember 2004; ferner zu § 51 Abs. 1 AuslG und Art. 16a Abs. 1 GG: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.03.2000 - A 14 S 1167/98 -, Urt. v. 16.03.2000 - A 14 S 2443/98 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 16.03.2004 - A 6 S 219/04 -).
31 
Aus den Unruhen vom März 2004 ist in Bezug auf Kosovo-Albaner eine hiervon abweichende Beurteilung schon deshalb ausgeschlossen, weil die dabei verübte Gewalt vor allem von Albanern ausging. Darüber hinaus hat KFOR nach der Entsendung von weiteren 2.000 Mann die Sicherheitslage nun wieder unter Kontrolle. Die Einsatztaktik der deutschen KFOR-Soldaten wurde grundlegend geändert. Die Soldaten sind jetzt auch mit „nicht letalen Kampfmitteln“ wie Reizgas, Schlagstöcken und Schilden für den Straßenkampf ausgestattet. Außerdem wurden mehr als 270 Personen nach den Unruhen vorläufig festgenommen, darunter auch führende Mitglieder des Veteranenverbandes der UCK. 73 Spezialisten sind zusätzlich zur Strafverfolgung der Straftäter nach Pristina gekommen und bereits 80 Verdächtige verurteilt. Auch 100 Fälle, in denen Angehörigen des KPS (Kosovo Police Service) Fehlverhalten vorgeworfen wird, werden von UNMIK überprüft (hierzu: Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Kosovo) vom 04.11.2004; Erkenntnisse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Serbien und Montenegro/Kosovo, Berichtszeitraum August bis Dezember 2004, Stand: Dezember 2004, S. 10; „Angst vor neuer Gewalt“, Süddeutsche Zeitung Nr. 56 vom 09.03.2005, S. 2; Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration, Kurzinformationen, „Schwere Unruhen im Kosovo“, Stand: 05.04.2004; teilweise zeitlich überholt: UNHCR-Position zur Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo im Lichte der jüngsten ethnisch motivierten Auseinandersetzungen vom 30.03.2004; Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Kosovo, Update zur Situation der ethnischen Minderheiten nach den Ereignissen vom März 2004“ vom 24.05.2004).
32 
Gründe, aus denen nach § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG von einem Widerruf abzusehen wäre, sind vorliegend nicht erkennbar.
33 
Ob der Widerruf „unverzüglich“ i.S.v. § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG erfolgte, kann dahinstehen. Denn der Kläger wäre selbst bei einer Verletzung der Pflicht zum unverzüglichen Widerruf nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Pflicht zum unverzüglichen Widerruf der Asylanerkennung dient allein dem öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beseitigung einer dem Ausländer nicht mehr zustehenden Rechtsposition. Dies ergibt sich aus Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG. Diese lassen nicht erkennen, das Gebot, die Asylanerkennung bei Eintritt der Widerrufsvoraussetzungen "unverzüglich" zu widerrufen, solle - auch - den als Asylberechtigten anerkannten Ausländer schützen, insbesondere einem Vertrauen in den Fortbestand der Asylanerkennung Rechnung tragen. Das Gesetz ordnet den Widerruf im öffentlichen Interesse an, wobei der Widerruf - im Unterschied zu einem Widerruf nach § 49 VwVfG - zunächst (vgl. § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG) nicht im Ermessen der Behörde liegt. Ebenso ist die Unverzüglichkeit des Widerrufs erkennbar allein im öffentlichen Interesse vorgeschrieben. Das ergibt sich deutlich aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Bereits nach § 16 Abs. 1 S. 1 AsylVfG i.d.F. des Gesetzes vom 09.07.1990 (BGBl. I S. 1354) war der Widerruf zwingend geboten. Auch bei längerem Zeitablauf nach Eintritt der Widerrufsvoraussetzungen konnte der Asylberechtigte angesichts der damaligen Rechtslage nicht darauf vertrauen, dass von einem Widerruf abgesehen würde. Die Ergänzung um das Wort "unverzüglich" in der Neuregelung des § 73 AsylVfG durch das Gesetz vom 26.06.1992 (BGBl. I S. 1126) wurde - allein - mit der Notwendigkeit der Beschleunigung des Verfahrens begründet (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 12/2062, S. 1). Die Unverzüglichkeit des Widerrufs dient demnach ausschließlich dem öffentlichen Interesse daran, den Status eines Asylberechtigten möglichst schnell auf diejenigen Personen zu beschränken, die tatsächlich Schutz vor politischer Verfolgung benötigen (BVerwG, Beschluss vom 27.06.1997 - 9 B 280/97 -, juris; VGH Bad.-Württ, Beschluss v. 26.03.1997 - A 14 S 2854/96 -, AuAS 1997, S. 162 f.; VG Sigmaringen, Urteil v. 02.12.2003 - A 4 K 11498/01 -, juris; a.A. VG Stuttgart, Urteil v. 07.01.2003 - A 5 K 11226/01 -, InfAuslR 2003, 261).
34 
Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG ist auf § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht anwendbar (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 12.08.2003 - A 6 S 820/03 -, vensa). Darüber hinaus hätte sie auch frühestens nach Ablauf der vom Bundesamt gesetzten Anhörungsfrist bzw. Eingang der Stellungnahme des Klägers (§ 73 Abs. 4 AsylVfG) zu laufen begonnen (BVerwG, Urteil v. 08.05.2003 - 1 C 15/02 -, das offen lässt, ob § 48 Abs. 4 VwVfG auf § 73 AsylVfG anwendbar ist).
35 
Die Entscheidung der Beklagten über den Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG war auch nicht nach § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG nach Ermessen zu treffen (siehe bereits: VG Karlsruhe, Urteil vom 17.01.2005 - A 2 K 12256/03 -.) Die ab 01.01.2005 geltende Vorschrift des § 73 Abs. 2a S. 1-3 AsylVfG ist nämlich aus Gründen des materiellen Rechts nicht auf Widerrufsentscheidungen anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt bekannt gegeben oder richtigerweise zugestellt (§ 73 Abs. 5 AsylVfG) und damit wirksam wurden (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG). Daher lassen sich aus § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, wonach das Gericht für die Entscheidung auf die Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen hat, für den vorliegenden Fall keine gegenteiligen Schlussfolgerungen ableiten.
36 
Für die ab 01.01.2005 geltende Änderung des § 73 AsylVfG existiert keine ausdrücklich geregelte Übergangsvorschrift. Die Vorschriften in §§ 87 ff. AsylVfG gelten unmittelbar nur für frühere Rechtsänderungen. Fehlt eine Übergangsvorschrift, ist zunächst die konkrete Rechtsnorm und ihre Auslegung maßgeblich für die Beantwortung der Frage, auf welche Rechtsverhältnisse die Norm angewandt werden soll. Bei Zweifelsfällen geben die Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts Anhaltspunkte (Kopp, SGb 1993, S. 593 ff. (595)). Hier folgt die Nichtanwendbarkeit des § 73 Abs. 2a AsylVfG auf vor dem 01.01.2005 bekannt gegebene Widerrufsentscheidungen aus einer Kombination aus Auslegung des § 73 Abs. 2a AsylVfG und Anwendung der allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts, die auch in § 96 VwVfG ihren Niederschlag gefunden haben. Eine vergleichende Anwendung der §§ 87 ff. AsylVfG führt hier nicht weiter, weil sich aus ihnen keine allgemein gültigen Aussagen ableiten lassen.
37 
Nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG ist über den Widerruf oder die Rücknahme einer Asylanerkennung bzw. einer Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden, wenn nach der von S. 1 vorgeschriebenen Prüfung kein Widerruf bzw. keine Rücknahme erfolgt ist. Damit ist die Erforderlichkeit der Ermessensentscheidung an die vorherige Durchführung eines Prüfverfahrens gekoppelt, das nach § 73 Abs. 2a S. 1 AsylVfG spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen hat. Sinn der Einführung einer konkreten Frist für die Überprüfung der Asylanerkennungen ist nach dem Willen des Gesetzgebers, dass die Vorschriften über den Widerruf und die Rücknahme, die in der Praxis bislang leer gelaufen sind, an Bedeutung gewinnen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucksache 15/420 vom 07.02.2003, S. 112). Damit wird wie bei dem im Jahr 1992 in Absatz 1 hinzugefügten Erfordernis eines „unverzüglichen“ Widerrufs dem öffentlichen Interesse an der Beseitigung einer dem Ausländer nicht mehr zustehenden Rechtsposition gedient. Aus § 73 Abs. 2a AsylVfG und seinem systematischen Zusammenhang mit § 26 Abs. 3 AufenthG ergibt sich weiter, dass die am 01.01.2005 eingeführte Prüfungspflicht darüber hinaus auch den Interessen des Ausländers zu dienen bestimmt ist. Denn das Bundesamt hat nach § 73 Abs. 2a S. 2 AsylVfG das Ergebnis der Prüfung der Ausländerbehörde mitzuteilen, damit diese über den Aufenthaltstitel des Ausländers befinden kann. Kommt die Prüfung zum Ergebnis, dass kein Widerruf bzw. keine Rücknahme stattfindet, hat der Ausländer, der seit drei Jahren aufgrund seiner Asylanerkennung oder des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufentG eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis und damit auf eine Verfestigung seines Aufenthaltsrechts. Daraus wird deutlich, dass jedenfalls nach der Durchführung einer Prüfung nach Satz 1 des § 73 Abs. 2a AsylVfG und möglicherweise auch nach Ablauf der Dreijahresfrist ohne Durchführung einer Prüfung das Vertrauen des Ausländers darauf, dass er nun die Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung bzw. ein verfestigtes Aufenthaltsrecht besitzt (dazu: Begründung des Gesetzentwurfes, BT-Drucksache 15/420 vom 07.02.2003, S. 80), im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG zu berücksichtigen ist.
38 
Dieser Ermessensentscheidung bedarf es jedoch nicht in Fällen, in denen kein Vertrauensschutz zu berücksichtigen ist, weil - wie hier - vom Bundesamt gar kein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (§ 60 Abs. 1 AufenthG) wurde hier widerrufen, bevor einer Prüfung des Widerrufs oder einem dreijährigen Nichtprüfen durch das Bundesamt aufgrund der Neuregelung des § 73 Abs. 2a AsylVfG und des § 26 Abs. 3 AufenthG überhaupt ein Bedeutungsgehalt dergestalt zu kommen konnte, dass nun die Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung bestehe. Denn bis zum 01.01.2005 war das Bundesamt nicht innerhalb einer bestimmten Frist zur Prüfung, ob ein Widerruf oder eine Rücknahme in Betracht kommt, verpflichtet und musste auch keine Mitteilung nach § 73 Abs. 2a S. 2 AsylVfG an die Ausländerbehörde vornehmen.
39 
Dass § 73 Abs. 2a S. 1 und 2 AsylVfG auf die bis zum 31.12.2004 bekannt gegebenen Widerrufs- bzw. Rücknahmeentscheidungen nicht anwendbar sind, ergibt sich aus den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts, wonach neues Verfahrensrecht nicht auf abgeschlossene Verfahren angewandt werden kann (vgl. Kopp, SGb 1993, S. 593 ff.; BVerwG, Urteil v. 26.03.1985 - 9 C 47/84 -, juris; Urteil v. 18.02.1992 - 9 C 59/91 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil v. 28.05.1991 - A 16 S 2357/90 -, juris). Ob ein Verwaltungsverfahren mit Bekanntgabe, das heißt Wirksamwerden, des Verwaltungsaktes oder jedenfalls mit Abschluss eines eventuell durchzuführenden Widerspruchsverfahrens abgeschlossen ist - wofür die Zielhaftigkeit des Verwaltungsverfahrens nach § 9 VwVfG sowie der Umstand spricht, dass die Übergangsvorschriften der §§ 87 und 87a AsylVfG im Hinblick auf die Regelung der Anwendung neuer Vorschriften zwischen Verwaltungsverfahren und gerichtlichem Verfahren unterscheiden - (so im Ergebnis auch: BVerwG, Urteil v. 12.08.1977 - IV C 20.76 -, BVerwGE 54, S. 257 (259); Urteil v. 27.09.1989 - 8 C 88.88 -, BVerwGE 82, 336 ff.; Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., § 96, Rn. 1; P. Stelkens/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 96, Rn. 2) oder erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit (so Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 96, Rn. 4), kann vorliegend dahinstehen. Denn es können jedenfalls nicht nachträglich fristgebundene Verfahrenshandlungen verlangt werden, mit denen die Beteiligten nach dem bisherigen Recht nicht rechnen mussten und denen sie auch keine Rechnung mehr tragen können, weil die maßgeblichen Tatsachen bzw. Handlungen bereits in der Vergangenheit lagen oder in der Vergangenheit hätten gesetzt werden müssen, als die nunmehr damit verbundenen Folgerungen noch nicht daran geknüpft waren (Kopp, SGb 1993, S. 593 ff. (601)). Dies ist hier der Fall. Das Bundesamt hat bei bereits bekannt gegebenen Widerrufs- oder Rücknahmeentscheidungen keine Möglichkeit mehr, die Prüfungsfrist des § 73 Abs. 2a S. 1 AsylVfG einzuhalten und die Mitteilung nach § 73 Abs. 2a S. 2 AsylVfG im Anschluss an eine fristgerecht durchgeführte Prüfung zu machen.
40 
Die hilfsweise geltend gemachten Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG liegen nicht vor. Für das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG fehlt es bereits an tatsächlichen Anhaltspunkten.
41 
Die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG verlangt wegen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG dann, wenn sich der Ausländer nur auf Gefahren beruft, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, dass eine Gefahrenlage gegeben ist, die landesweit so beschaffen ist, dass der von einer Abschiebung Betroffene gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert oder der extremen Gefahr ausgesetzt wäre, mangels ausreichender Existenzmöglichkeiten an Hunger oder Krankheit zu sterben (vgl. BVerwG, Urteil v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, DVBl. 2001, 1531). Diese zu § 53 Abs. 6 AuslG ergangene Rechtsprechung gilt auch für § 60 Abs. 7 AufenthG, weil es sich insoweit nur um eine redaktionelle Änderung handelt (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 91). Eine derart extreme Gefahrenlage besteht für den Kläger im Kosovo im Hinblick auf die allgemeine soziale und wirtschaftliche Situation und die Sicherheitslage nicht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.08.2004 - A 6 S 70/04 -).
42 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO.
43 
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 71 Abs. 1 GKG. Der Gegenstandswert folgt aus § 83b Abs. 2 S.1 AsylVfG i.V.m. § 60 RVG.

Sonstige Literatur

 
44 
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
45 
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, Postfach 11 14 51, 76064 Karlsruhe, oder Nördliche Hildapromenade 1, 76133 Karlsruhe, zu stellen.
46 
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
47 
Lässt der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt.
48 
Bei der Beantragung der Zulassung der Berufung muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen.
49 
Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit der Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

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Referenzen