Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 4 K 1239/10

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 36.903,62 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antragsteller, ein am ... 1945 geborener Richter am Amtsgericht, begehrt,
„den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Eintritt des Ruhestands des Antragstellers über den 31.07.2010 hinaus aufzuschieben bis zu einer spätestens vor dem 31.07.2013 ergehenden rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag des Antragstellers in der Hauptsache, der darauf gerichtet ist festzustellen, dass seine nach § 6 Abs. 1 LRiG anstehende Versetzung in den Ruhestand rechtswidrig ist und er daher weiter als Richter bis zum 31.07.2013 zu beschäftigen ist.“
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Die Kammer hat bereits Bedenken, ob der Antrag zulässig ist. Denn den vorliegenden Akten lässt sich nicht entnehmen, dass der Antragsteller zuvor beim Antragsgegner die Hinausschiebung seines Ruhestands beantragt hat. Letztlich braucht dies im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ebenso wenig abschließend geklärt zu werden wie die Frage, ob dem Erlass einer einstweiligen Anordnung hier das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache in einem Eilverfahren entgegen steht. Denn es fehlt jedenfalls an der notwendigen Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
§ 6 Abs. 1 LRiG bestimmt, dass der Richter auf Lebenszeit mit dem Ende des Monats in den Ruhestand tritt, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet. Dies ist beim Antragsteller mit Ablauf des 31.07.2010 der Fall, sodass ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung ausscheidet.
Nach § 6 Abs. 2 LRiG kann der Eintritt in den Ruhestand nicht hinausgeschoben werden. § 51 LBG, nach dem unter bestimmten Voraussetzungen der Eintritt in den Ruhestand längstens bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres hinausgeschoben werden kann, findet angesichts dieser spezielleren Regelung gemäß § 8 LRiG keine Anwendung.
Die Festsetzung der Altersgrenze für Richter in § 6 Abs. 1 und 2 LRiG verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht.
Sie ist auch mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000, die in Deutschland durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 2006, S. 1897; AGG) umgesetzt wurde, vereinbar. Dieses Gesetz gilt gemäß § 24 für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse unter Berücksichtigung der besonderen Rechtsstellung der Beamten bzw. Richter entsprechend.
Die Festlegung einer Altersgrenze, mit deren Erreichen der Richter zwangsweise in den Ruhestand tritt, führt zwar dazu, dass dieser allein wegen seines Alters von der weiteren aktiven Berufstätigkeit bei seinem Dienstherrn ausgeschlossen wird und stellt damit eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 Abs. 2a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates bzw. im Sinne von § 3 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG dar. Sie ist deshalb nur zulässig, wenn sie durch einen der in der durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umgesetzten Richtlinie vorgesehenen Gründe gerechtfertigt ist.
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Insoweit lässt sich zwar allein aus dem Erwägungsgrund Nr. 14 der Richtlinie 2000/78/EG keine Rechtfertigung herleiten, wonach die Richtlinie die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand nicht berührt. Dieser Erwägungsgrund berechtigt die Mitgliedsstaaten zwar, im nationalen Recht eine konkrete Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand festzulegen. Die sich aus dieser Altersgrenze ergebenden Konsequenzen für die einzelnen Beschäftigten bei der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses müssen jedoch an den Maßstäben des Diskriminierungsverbotes nach der Richtlinie gemessen werden (EuGH, Urt. v. 16.10.2007 - C 411/05 - Palacios de la Villa, Rdnr. 44, NJW 2007, 3339 ff.; Urt. v. 05.03.2009 - C 388/07 - Age Concern England, Rdnr. 25, juris).
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Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie können jedoch von den Mitgliedsstaaten Ungleichbehandlungen wegen Alters als nicht diskriminierend eingestuft werden, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind. In den §§ 8 und 10 AGG hat der Bundesgesetzgeber entsprechende Regelungen zur Umsetzung dieser Richtlinie getroffen.
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Die in § 6 LRiG festgesetzte Altersgrenze ist nach Maßgabe dieser Kriterien gerechtfertigt.
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Zu der im Beamtenrecht des Landes Hessen festgelegten Altersgrenze von 65 Jahren hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof zu Recht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt (VG Frankfurt, Beschl. v. 06.08.2009 - 9 L 1887/09.F - und Beschl. v. 29.03.2010 - 9 K 3854/09.F -) in seinem Beschluss vom 28.09.2009 -1 B 2487/09 - Folgendes ausgeführt:
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„Als Beispiel für derartige zulässige Ungleichbehandlungen nennt Art. 6 Abs. 1 Satz 2 a) ausdrücklich "… die Festlegung besonderer Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen". Diese Befugnis, einzelne Ungleichbehandlungen wegen des Alters nicht als Diskriminierung einzustufen, hat der Bundesgesetzgeber im AGG aufgegriffen und eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des Alters sowohl wegen konkreter beruflicher Anforderungen für zulässig erachtet (§ 8 AGG) als auch allgemein dann, wenn sie objektiv und angemessen durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein (§ 10 Satz 1 und 2 AGG). Als Beispiele für derartige zulässige unterschiedliche Behandlungen werden in § 10 Ziffer 5 AGG ausdrücklich Vereinbarungen genannt, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsehen, zu dem der oder die Beschäftige eine Rente wegen Alters beantragen kann. Diese Regelung entspricht zwar nicht unmittelbar dem Zwangseintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der beamtenrechtlichen Altersgrenze, weil diese Altersgrenze nicht im Wege der Vereinbarung ausgehandelt, sondern vom Gesetzgeber festgelegt wurde. Sie lässt jedoch bereits erkennen, dass eine Zwangspensionierung nicht von vornherein ausgeschlossen sein soll, sondern lediglich an besondere Voraussetzungen wie die Möglichkeit des Bezuges von Altersrente anknüpft.“
...
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„Die Festsetzung der Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand ist somit an den Kriterien von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie bzw. § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG zu messen und setzt im Einzelnen voraus, dass diese Maßnahme objektiv und angemessen sowie im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, wobei unter rechtmäßigen Zielen insbesondere solche aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind. Diesen Kriterien wird die Festlegung des Ruhestandsalters auf 65 Jahre durch den hessischen Landesgesetzgeber entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts gerecht.
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Zwar nennt § 50 Abs. 1 HBG das mit der Altersgrenze verfolgte Ziel nicht. Dies ist jedoch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. nur Urteile vom 16.10.2007 - C 411/05 - [Palacios de la Villa] sowie vom 05.03.2009 - C 388/07 - [Age Concern England]) auch nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, dass andere, aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Zieles ermöglichen. Bezüglich der Altersgrenze von 65 Jahren lassen sich derartige Gesichtspunkte u. a. aus der historischen Entwicklung sowie der Gesetzesbegründung zum Hessischen Beamtengesetz (LT-Drs. IV/940 S. 2636) entnehmen. Danach wollte der hessische Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt einer günstigen Altersschichtung die herkömmliche Altersgrenze von 65 Jahren beibehalten und hat - damals - sogar ausdrücklich auf die Möglichkeit der Weiterbelassung für bestimmte Zeit verzichtet. Die Festlegung gerade auf 65 Jahre ist also nicht etwa willkürlich gewählt worden, sondern entspricht langjähriger Praxis nicht nur im Beamtenrecht, sondern auch beim Rentenalter für gesetzlich versicherte Beschäftigte. Die Festlegung einer zwingenden Altersgrenze dient auch dazu, dem gesellschaftlichen Konsens Rechnung zu tragen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt die älteren Beschäftigten zurücktreten müssen (und dürfen), um für die jüngeren Kollegen und nachfolgende Berufsanfänger Arbeitsplätze frei zu machen. Hinzu kommt, dass mit fortschreitendem Alter die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit erfahrungsgemäß nachlässt und damit zunehmend zu befürchten ist, dass die konkreten Aufgaben zum Nachteil des Dienstherrn/Arbeitgebers und der Allgemeinheit sowie auch zum Nachteil des einzelnen Bediensteten, der zunehmend mehr Kraft für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung aufwenden muss, nicht mehr adäquat wahrgenommen werden können. Demgemäß beruht die Festlegung der beamtenrechtlichen Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand auch auf der generalisierenden Überlegung, dass bei Erreichen eines bestimmten Alters der Eintritt der Dienstunfähigkeit unwiderleglich vermutet wird (vgl. zuletzt noch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23.05.2008 - 2 BvR 1081/07 - NVwZ 2008, 1233 f. = ZBR 2008, 411 = DVBl. 2008, 997 ff. zum Pensionsalter für Polizeivollzugsbeamte in Rheinland-Pfalz, m. w. N.). Die den Beamten grundsätzlich treffende Pflicht zur lebenslangen Dienstleistung findet ihre Schranke in der Dienstfähigkeit des Beamten. In diesem Bereich hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum und kann auf der Grundlage von Erfahrungswerten generalisierende Regelungen dazu treffen, bis zu welchem Zeitpunkt er die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit der jeweiligen Beamtengruppe noch als gegeben ansieht (BVerfG, Beschluss vom 23.05.2008 2 BvR 1081/07 - a. a. O.). Selbst wenn der Bundesgesetzgeber für seine Beamten sowie für die gesetzliche Sozialversicherung das Rentenalter mittlerweile schrittweise auf 67 Jahre anhebt, verletzt der hessische Landesgesetzgeber nicht die Grenzen seines Gestaltungsspielraumes, wenn er (bislang) an der Altersgrenze von 65 Jahren festhält.
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Das ausweislich der Gesetzesbegründung verfolgte Ziel einer günstigen Schichtung des Altersaufbaus in der hessischen Beamtenschaft und damit auch in der Staatsanwaltschaft. stellt ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie bzw. § 10 Abs. 1 Satz 1 AGG dar. Der Ruhestandseintritt älterer Beschäftigter ermöglicht Berufsanfängern erst den Zugang zum Berufsbeamtentum. Darüber hinaus soll dieser Prozess unter personalplanerischen Gesichtspunkten möglichst kontinuierlich und vorhersehbar ausgestaltet werden, damit sich innerhalb der Belegschaft Beamte aller Altersgruppen wiederfinden und geeigneter Nachwuchs rechtzeitig rekrutiert werden kann (vgl. zu derartigen Überlegungen des Dienstherrn bei der Berufsgruppe der Gerichtsvollzieher VG Gießen, Beschluss vom 22.04.2008 - 5 L 729/08 -). Nur so können ältere, hochqualifizierte Beamte ihre Erfahrungen an jüngere Kollegen weitergeben und damit im Interesse der Allgemeinheit für eine gleichbleibend hohe Qualität der Verwaltung sorgen. Andererseits kann die erfahrungsgemäß aufgrund des Alters nachlassende Leistungsfähigkeit durch leistungsfähigere jüngere Kollegen kompensiert werden. Außerdem entsteht durch das planbare und kontinuierliche Freiwerden von Beförderungsstellen ein zusätzlicher Anreiz für nachrückende Beschäftigte, sich verstärkt zu engagieren, wodurch die Motivation im öffentlichen Dienst insgesamt verbessert werden kann. Der Überalterung entgegenzuwirken und die Zukunftschancen Jüngerer zu fördern, sind somit zulässige Ziele, die der Gesetzgeber einer Regelaltersgrenze zu Grunde legen kann (so schon BVerfG, Urteil vom 10.04.1984 - 2 BvR 19/82 - BVerfGE 67, 1 ff., sowie Beschluss vom 10.12.1985 - 2 BvL 18/83 - NVwZ 1986, 369 ff.).
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Dieses Ziel muss der Gesetzgeber auch nicht so ausdifferenzieren, dass er im Einzelnen eine konkret wünschenswerte Altersschichtung nach der Anzahl der Beschäftigten in einer bestimmten Alters- und/oder Besoldungsgruppe beschreibt, dies möglicherweise noch nach Beschäftigungsbereichen oder aktuellen Rahmenbedingungen wie der demographischen Entwicklung variiert oder ein allumfassendes Gesamtkonzept vorlegt, in das die von ihm gewünschte Schichtung des Altersaufbaus eingegliedert ist. Vielmehr haben die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum, innerhalb dessen sie einen gerechten Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen finden müssen (so ausdrücklich EuGH, Urteil vom 05.03.2009 - C 388/07 -).“
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Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs an (im Ergebnis ebenso: VG Düsseldorf, Urt. v. 08.03.2010 - 13 K 6883/09 -, VG Gelsenkirchen, Urt. v. 19.02.2010 - 12 K 1310/08 - und VG Aachen, Urt. v. 18.09.2009 - 1 L 339/09- jeweils juris; OVG NW Beschl. v. 30.09.2009 - 1 B 1412/09 - NVwZ-RR 2010, 102). Diese Erwägungen sind auf die in § 6 Abs. 1 LRiG bestimmte Altersgrenze in gleicher Weise übertragbar. Auch wenn sich in der baden-württembergischen Regelung - ebenso wie in der hessischen - das Regelungsziel nicht ausdrücklich aus der Norm selbst ergibt, ist - jedenfalls nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung - nicht erkennbar, dass die zur Erreichung eines durchmischten Altersaufbaus der Bediensteten getroffenen und der Lebenserfahrung entsprechenden Erwägungen gerade bei der Altersgrenze für Richter nicht zugrunde lagen. Gründe, welche die Annahme rechtfertigten, dass der Regelung demgegenüber eine andere, nicht einer legitimen Zielsetzung dienende Motivation des Gesetzgebers zugrunde lagen, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Insoweit muss eine abschließende Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dementsprechend hat auch der Antragsgegner vorgetragen, dass die Normierung einer starren Altersgrenze das legitime Ziel verfolge, eine günstige Schichtung des Altersaufbaus der Richterschaft zu bewirken.
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Hiergegen vermag der Antragsteller nicht erfolgreich einzuwenden, der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe die Maßstäbe für die Bestimmung des legitimen Ziels einer Altersgrenze verkannt. Der Antragsgegner weist zu Recht darauf hin, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof das von dem Landesgesetzgeber mit der Altershöchstgrenze verfolgte Ziel unter anderem wegen des damit „verbundene[n] Ausscheiden[s] Älterer zugunsten der nachrückenden Generation" als legitim eingeordnet hat und diese Zielbestimmung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie entspricht. Denn dieser hat gerade betont, dass Maßnahmen zur „Förderung von Einstellungen unbestreitbar ein legitimes Ziel der Sozial- und Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten“ darstellen und dass deshalb auch insbesondere Maßnahmen als im Sinne des Art. 6 der Richtlinie legitim anzusehen sind, die „den Zugang jüngerer Personen" zu bestimmten Berufszweigen begünstigen sollen (vgl. EuGH, Urt. v. 12.01.2010, - C 341/08 - Petersen, juris; Urt. v. 16.10. 2007 - C 411/05 - Palacios de la Villa, RN. 65).
21 
Bei dem Ziel eines durchmischten Altersaufbaus handelt es sich - entgegen der Ansicht des Antragstellers - um ein objektives, namentlich im Allgemeininteresse liegendes Ziel. Dass im Staatsdienst durch eine Altersgrenze der Zugang jüngerer Personen und ein durchmischter Altersaufbau erreicht werden soll, dient nicht dem individuellen Interesse des Dienstherrn, sondern dem allgemeinen Interesse der Bevölkerung an einem vernünftigen Altersaufbau der bei einer Behörde Beschäftigten. Hiermit werden eine durchmischte Leistungsfähigkeit und durch den Erfahrungsaustausch zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern Synergieeffekte erzielt, die einer effektiven Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben dienen. Insoweit lässt sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch nicht entnehmen, dass für die Legitimierung einer Altersbeschränkung stets ein konkreter Anlass (etwa die konkrete Arbeitsmarktsituation) Voraussetzung ist.
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Die feste Altersgrenze von 65 Jahren ist eine geeignete und angemessene Maßnahme im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie (vgl. hierzu Hess. VGH, Beschl. v. 28.09.2009 - a.a.O.-). Anderenfalls müsste im Einzelfall ohne vorherige Planbarkeit für die Zurruhesetzung die Dienstunfähigkeit eines Richters festgestellt bzw. nach dem Modell des Antragstellers in regelmäßigen Abständen die Dienstfähigkeit überprüft werden. Eine derartige in jedem Einzelfall notwendige Überprüfung könnte zu einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten und internen Auseinandersetzungen führen, die den Arbeitsablauf stören sowie dem Ansehen der Richterschaft insgesamt Schaden zufügen und die Arbeitsqualität negativ beeinflussen würden. Darüber hinaus würden erhebliche personelle Ressourcen allein für die Feststellung der Dienst- bzw. Dienstunfähigkeit in jedem Einzelfall gebunden und Kosten verursacht, was ebenfalls nicht dem allgemeinen Interesse dienen würde.
23 
Das ausgewählte Mittel der Altersgrenze von 65 Jahren ist auch im Übrigen angemessen und erforderlich. Insbesondere entstehen dem zur Ruhe gesetzten Richter auch keine unangemessenen Nachteile. Vielmehr steht ihm als Ausgleich für den Eintritt in den Ruhestand ein seiner Laufbahn und Dienstzeit entsprechendes Ruhegehalt zu.
24 
Die in § 6 Abs. 1 LRiG getroffene Regelung ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
25 
Der Antragsteller ist nicht in seinem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
26 
Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn die (un)gleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Regelung fehlt Ein solcher Fall läge vor, wenn zwischen den Gruppen, die ungleich behandelt werden, keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Schlechterstellung rechtfertigen können (BVerfG, Beschl. v. 23.05.2008 - 2 BvR 1081/07 - m.w.N., juris)
27 
Mangels eines vergleichbaren Tätigkeitsfeldes und mangels eines vergleichbaren für Richter geltenden Sonderstatus (vgl. insbesondere die Regelungen zur richterlichen Unabhängigkeit in Art. 97 GG und in § 1 LRiG) ist bereits fraglich, ob eine geeignete Vergleichsgruppe gebildet werden kann.
28 
Abgesehen davon ist der Gesetzgeber frei, darüber zu befinden, was als im Wesentlichen gleich und was als so verschieden anzusehen ist, dass die Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. Er ist befugt, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen. Jede gesetzliche Regelung der Altersgrenzen muss generalisieren und enthält daher auch unvermeidbare Härten. Daraus sich ergebende Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (BVerfG, Beschl. v. 23.05.2008 - a.a.O - m.w.N.)
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Der baden-württembergische Gesetzgeber hat bei der Festsetzung der Altersgrenze für Richter den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Es kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass deren Festsetzung aus unsachgemäßen Gründen erfolgte. Soweit der Antragsteller auf die in § 50 Abs. 1 LBG geregelte Altersgrenze für Landesbeamte, die entsprechend auch für Universitätsprofessoren anwendbar ist (§ 45 LHG) abstellt, ist diese derzeit ebenfalls mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. Ein Rechtsanspruch auf „Verlängerung“ über diesen Zeitpunkt hinaus besteht nicht. § 51 LBG sieht lediglich vor, dass auf Antrag des Beamten und bei Vorliegen eines dienstlichen Interesses eine Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand bis längstens zur Vollendung des 68. Lebensjahres in das Ermessen der Einstellungsbehörde gestellt wird.
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Hinsichtlich der vom baden-württembergischen Gesetzgeber für Richter nicht vorgesehenen Möglichkeit des Hinausschiebens der Altersgrenze lässt sich ein sachlicher Grund bereits aus der in Art. 97 GG verankerten Garantie der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit des Richters herleiten. Ermessensentscheidungen des Dienstherrn über eine Verschiebung der für den Eintritt in den Ruhestand maßgeblichen Altersgrenze nach dem Muster des § 51 LBG könnten bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs auf Richter, je nachdem, wie die vorzunehmende Einzelfallprüfung ausfällt und die Entscheidung begründet wird, diese richterliche Unabhängigkeit berühren. Auch dann, wenn sich der Dienstherr auf sonstige Gründe stützt, bliebe häufig zumindest der Anschein bestehen, dass die Entscheidung auch (mit) aus solchen Motiven erwachsen könnte, welche die richterliche Unabhängigkeit tangieren. Schon vor diesem Hintergrund durfte der Landesgesetzgeber - sachlich gerechtfertigt - von einer Erstreckung der Regelung des § 51 LBG auf Richter absehen. Denn diese (Ermessens-) Vorschrift verlangt die tatbestandliche Prüfung, dass die Verlängerung im "dienstlichen Interesse steht" (vgl. auch: VG Düsseldorf Urt. v. 08.03.2010 - 13 K 6883/09 - juris).
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Auch kann der Antragsteller auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 1 GG nicht ohne weiteres - und erst recht nicht offensichtlich - verlangen, dass er auf der Grundlage einer für die Richter im Verhältnis zu § 51 LBG modifizierten Regelung nicht nur mit den Beamten "gleich", sondern im Ergebnis (mit Blick auf den Wegfall der tatbestandlich Voraussetzung des dienstlichen Interesses) sogar günstiger behandelt würde.
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Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass der baden-württembergische Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum überschritten hat und die Festlegung des Ruhestandseintritts für Richter mit Vollendung des 65. Lebensjahrs sich nicht sachlich rechtfertigen lässt. Der Gesetzgeber kann auf der Grundlage von Erfahrungswerten generalisierende Regelungen dazu treffen, bis zu welchem Zeitpunkt er die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit der jeweiligen Beamtengruppe noch als gegeben ansieht (BVerfG, Beschl. v. 23.05.2008 - 2 BvR 1081/07 - NVwZ 2008, 1233). Einen allgemeinen Erfahrungswert, dass die Festlegung der „Leistungsgrenze“ auf die Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr sachlich gerechtfertigt wäre, gibt es nicht. Aus der vom Antragsteller angeführten gestiegenen Lebenserwartung allein lässt sich nicht folgern, dass die sachlichen Gründe für die hier getroffene pauschalierende Altersgrenze, nämlich das sinkende Leistungsvermögen, nicht mehr zugrundegelegt werden dürften. Soweit der Antragsteller Untersuchungsergebnisse anführt, welche ein Anstieg der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit von über 65-Jährigen zum Gegenstand haben sollen, hat er nicht glaubhaft gemacht, dass derzeit ein weiteres Festhalten an der bisherigen Altersgrenze nicht mehr sachgemäß wäre. Die von ihm angeführten Quellen sind im Eilverfahren auf ihren wissenschaftlichen Gehalt nicht nachprüfbar. Insoweit lassen sich den Ausführungen des Antragstellers auch keine Anhaltspunkte dazu entnehmen, dass sie auch die konkreten Anforderungen, die für die Ausübung des richterlichen Amtes zu stellen sind, zum Gegenstand haben. Es ist zudem nicht dargetan, dass den genannten Untersuchungen Erhebungen zugrunde lagen, die sich konkret auf deutsche Lebensverhältnisse bezogen und insbesondere auch auf die Leistungsfähigkeit durchschlagende Lebensgewohnheiten berücksichtigt haben.
33 
Die Altersgrenze verstößt ferner nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn als hergebrachtem - und auch auf die Richterschaft übertragbaren - Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG. Art. 33 Abs. 5 GG fordert weder eine auf ein bestimmtes Lebensalter gerichtete noch eine für alle Beamten einheitliche Festsetzung der Altersgrenze. Der Gesetzgeber kann für einzelne Beamtengruppen besondere Altersgrenzen festsetzen. Er hat hier einen weiten Gestaltungsspielraum und kann auf der Grundlage von Erfahrungswerten generalisierende Regelungen dazu treffen, bis zu welchem Zeitpunkt er die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit der jeweiligen Beamtengruppe noch als gegeben ansieht (BVerfG, Beschl. v. 23.05.2008 - a.a.O -). Dieser Gestaltungsspielraum ist - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - nicht überschritten.
34 
Sofern der Antragsteller rügt, Art. 2 Abs. 1 GG sei verletzt, kommt eine verfassungsrechtliche Prüfung im vorliegenden Falle deshalb nicht in Betracht, weil diese Vorschrift nur insoweit heranzuziehen ist, als nicht bestimmte Lebensbereiche durch besondere Grundrechte geschützt sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.06.1959 - 1 BvR 71/57 - NJW 1959, 1579 - BVerfGE 1, 264 (273 f.). Der Antragsteller macht geltend, er sei in seiner Berufsfreiheit verletzt, wofür Art. 12 Abs. 1 GG maßgebend ist.
35 
Die Festsetzung einer Altersgrenze für einzelne Berufe verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. dazu bereits: BVerfG, Beschl. v. 16.06.1959 - a.a.O. -). Ein Höchstalter für eine Berufstätigkeit stellt eine Zulassungsvoraussetzung dar. Höchstaltersgrenzen greifen auf der "Stufe" der subjektiven Zulassungsvoraussetzungen in die Freiheit der Berufswahl ein. Sie gehen davon aus, dass Menschen mit einem bestimmten Alter durchschnittlich den Anforderungen des betreffenden Berufs nicht mehr genügen. Als subjektive Zulassungsvoraussetzung darf die Altersgrenze für Richter nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit stehen und - wie dies schon für Regelungen auf der Stufe der Berufsausübung gilt - nicht etwa in sich schon eine verfassungswidrige, weil übermäßige, nicht mehr zumutbare Belastung enthalten.
36 
Es stellt keine unverhältnismäßige Zulassungsbeschränkung dar, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass bei Richtern mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine Abnahme der Leistungsfähigkeit erreicht ist, die einen Einschnitt rechtlicher Art erlaubt.
37 
Der Antragsteller vermag hiergegen auch nicht einzuwenden, dass die Beschränkung deswegen unverhältnismäßig sei, weil ein Richter - im Gegensatz zu gefahrgeneigten Tätigkeiten wie bei Bauingenieuren - durchweg eine geistige Tätigkeit ausübe. Der Beruf eines Richters stellt, entgegen der Auffassung des Antragstellers, nicht nur hohe Anforderungen an die volle und ständige geistige Leistungsfähigkeit, sondern erfordert auch eine - nicht durch Alterserscheinungen geminderte - ausreichende körperliche Fitness. Insofern kommt es nicht nur auf die Fähigkeit an, bloße „Kopfarbeit“ zu leisten. Vielmehr ist auch ein gewisses körperliches Durchhaltevermögen Voraussetzung, um auch unter erschwerten Bedingungen, richtig und sachgerecht entscheiden zu können. Erwähnt seien z. B. nächtliche Bereitschaftsdienste oder die Wahrnehmung von ganztägigen Außenterminen, die - etwa in Bausachen - umfangreiche Augenscheinseinnahmen vor Ort, ggf. unter ungünstigen Witterungsbedingungen erfordern. Es trifft - entgegen der Auffassung des Antragstellers - auch nicht generell zu, dass richterliche Entscheidungen revidierbar sind und keinen unmittelbaren, irreversiblen Schaden anrichten. Ein großer Anteil richterlicher Entscheidungen kann unmittelbare und nicht mehr rückgängig zu machende Auswirkungen auf grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Betroffenen zur Folge haben, wie dessen körperliche Unversehrtheit und Freiheit. Dies gilt insbesondere bei freiheitsentziehenden Maßnahmen, Anordnungen von körperlichen Zwangsuntersuchungen, aber auch bei Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der Abschiebung eines Ausländers, der gesundheitliche Beeinträchtigungen oder die Gefahr politischer Verfolgung im Zielstaat geltend macht.
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Das Erreichen der Altersgrenze stellt zwar für jeden betroffenen Richter einen Einschnitt dar, dessen Gewicht jedoch nicht die Grenzen der grundrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit überschreitet, zumal ein Ausgleich dadurch geschaffen wird, dass Versorgungsbezüge geleistet werden.
39 
Der Eintritt in den Ruhestand bei Erreichen der Altersgrenze stellt - anders als Antragsteller meint - auch keine Verletzung der Menschenwürde dar. Anhaltspunkte für eine solche Annahme hat die Kammer nicht. Vielmehr wird im Allgemeinen weder vom Kreis der mit 65 Jahren - oder zuvor - in den Ruhestand getretenen Richter noch von der sonstigen Allgemeinheit die Pensionierung als herabwürdigende unmenschliche Behandlung empfunden. Allein der von subjektiven Präferenzen getragene Wille eines Einzelnen, an seiner Berufstätigkeit auch nach Erreichen der Altersgrenze festhalten zu wollen, ist für die Einordnung eine Behandlung als menschenunwürdig nicht maßgeblich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 und § 53 Abs. 3 Nr. 1 VwGO. Die Kammer sieht keine Veranlassung, den Streitwert im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu reduzieren, da mit dem Antrag eine Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt wird (vgl. ebenso: OVG NW, Beschl. v. 30.09.2009 - 1 B 1412/09 - NVwZ-RR 2010,203, VG Aachen, Beschl. v. 18.09.2009 -1 L 339/09 - juris; a.A.: Hess. VGH, Beschl. v. 28.09.2009 - a.a.O. -).

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