Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 2 K 458/13

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 14. Februar 2013 wird hinsichtlich der Auflagen Nr. 1 sowie der Auflagen Nr. 3 bis 11 wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller trägt ein Drittel und die Antragsgegnerin zwei Drittel der Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der am 21.02.2013 gestellte Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 19.02.2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.02.2013 wiederherzustellen,
ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, das für den Regelfall sicherstellt, dass die Verwaltungsbehörden keine irreparablen Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben, ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 315 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21.04.1998 - 1 BvR 2311/94 - NVwZ 1998, 834 <835>). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 23.03.2004 - 1 BvR 745/01 -, juris). Daher müssen die Verwaltungsgerichte zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris unter Bezug auf BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21.04.1998 - 1 BvR 2311/94 - a.a.O.).
1. Bei der ausgehend davon gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung hinsichtlich der Auflage Nr. 2 das Interesse des Antragstellers daran, dass diese vorläufig nicht durchgesetzt wird. Denn die Verfügung ist aller Voraussicht nach rechtmäßig.
In formeller Hinsicht wurde die Sofortvollzugsanordnung gemessen an § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend begründet.
Nach § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
Bei der Bestimmung über den Ort der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung dürfte es sich allerdings wohl nicht mehr um eine Auflage, sondern um ein Versammlungsverbot im Sinne von § 15 Abs. 1 VersG handeln, verbunden mit dem „Hinweis“, bei Beachtung der neuen Route gegen eine sonst gleichartige Versammlung nicht vorgehen zu werden (vgl. bereits in ähnlichem Zusammenhang VG Karlsruhe, Beschluss vom 21.02.2008 - 2 K ... -). Zu dieser Einschätzung gelangt das Gericht aufgrund der Tatsache, dass der von der Antragsgegnerin festgesetzte Demonstrationsverlauf in räumlicher Hinsicht stark von der angemeldeten Route abweicht. Während die Anmeldung sich auf eine Strecke bezieht, bei der die Teilnehmer vom Hauptbahnhof ausgehend die Bahngleise in Richtung Norden überqueren sollen (Abschlusskundgebung auf dem Parkplatz ... ganz in der Nähe des ..., wo die rechtsgerichtete „Mahnwache“ stattfinden soll), soll nach dem Wunsch der Antragsgegnerin die Versammlung südlich der Bahnlinie verbleiben und sich im Stadtzentrum abspielen. Damit ist das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, zu dem insbesondere auch die Entscheidung über den Ort der geplanten Versammlung gehört (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - a.a.O. unter Bezug auf BVerfGE 69, 315 <343> oder <355 ff.>; 128, 226 <250 f.>) in erheblicher Weise beeinträchtigt. Insbesondere kann durch den vorgegebenen räumlichen Demonstrationsverlauf das hinter der Anmeldung stehende Ziel, in Sicht- und Hörweite der „Mahnwache“ zu gelangen beziehungsweise der „Mahnwache“ auch durch räumliche Annäherung symbolisch oder in anderer Form „entgegenzutreten“, nicht mehr in vollem Umfang erreicht werden (vgl. zu diesem Ziel etwa die vom Antragsteller verantwortete Internet-Seite ... mit dem landesweiten Aufruf „Wo immer ihr auftretet, werden wir euch im Wege stehen!“ sowie mit dem „Aktionskonsens“, der folgenden Passus enthält: „Wir stellen uns den Nazis in den Weg.“).
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Allerdings dürfte die Bestimmung auch gemessen an den besonders hohen Anforderungen für ein Versammlungsverbot rechtmäßig sein (vgl. bereits in ähnlichem Zusammenhang VG Karlsruhe, Beschluss vom 21.02.2008 - ... -).
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Die öffentliche Sicherheit im Sinne dieser Bestimmung umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Rechtsgüter droht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - VBlBW 2012, 61, m.w.N.).
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Der Begriff der unmittelbaren Gefahr in § 15 Abs. 1 VersammlG stellt besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe des Schadenseintritts und damit auch strengere Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad. Eine unmittelbare Gefährdung setzt eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen führt. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Daher müssen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare Umstände vorliegen, aus denen sich die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ergibt. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Vermutungen reichen nicht aus (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - a.a.O., m.w.N.). Notwendig ist dabei immer ein hinreichend konkreter Bezug der Erkenntnisse oder Tatsachen zu der geplanten Veranstaltung (BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 01.05.2001 -1 BvQ 21/01 - NJW 2001, 2078 <2079>).
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Nach Auffassung der Kammer wäre in dem Fall, dass die rechtsgerichtete Mahnwache und die vom Antragsteller angemeldete Versammlung zeitgleich in unmittelbarer Nachbarschaft am ... stattfinden, nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit, sondern mit Sicherheit mit einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu rechnen. Es deutet derzeit alles darauf hin, dass der Antragsteller die rechtsgerichtete „Mahnwache“ verhindern und damit zwangsläufig das Grundrecht der „Mahnwachen“-Anhänger auf Versammlungsfreiheit beeinträchtigen möchte. Es spricht viel dafür, dass eine Verletzung von § 21 VersG droht. Danach macht sich unter anderem strafbar, wer in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder zu sprengen oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, grobe Störungen verursacht. Die Blockade der nicht verbotenen „Mahnwache“ ist vom Versammlungsrecht nicht gedeckt (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.09.2012 - 5 A 1701/11 - NVwZ-RR 2013, 38). Nach § 2 Abs. 2 VersG hat im Übrigen jedermann bei öffentlichen Versammlungen und Aufzügen Störungen zu unterlassen, die bezwecken, die ordnungsgemäße Durchführung zu verhindern.
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Wie bereits oben erwähnt, tritt der Antragsteller als Verantwortlicher für die Internet-Seite ... auf. Dort ist der landesweite Aufruf veröffentlicht „Wo immer ihr auftretet, werden wir euch im Wege stehen!“. In dem ebenfalls veröffentlichten „Aktionskonsens“ heißt es unter anderem: „Wir stellen uns den Nazis in den Weg.“ Dass damit nicht lediglich versammlungsrechtskonforme Ausdrucksformen gemeint sind, sondern auch konkrete Störungen der „Mahnwache“ in gewissem Maße befürwortet werden, erschließt sich unmissverständlich aus den im Internet veröffentlichten Angaben. In dem landesweiten Aufruf ist ausgeführt:
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„Durch den Protest auf dem Marktplatz allein ist der Aufmarsch jedoch nicht zu verhindern - deshalb halten wir es für notwendig, uns den Nazis gemeinsam in den Weg zu stellen! Wenn wir es schaffen, den Naziaufmarsch zu verhindern, ist das nicht nur ein Schlag gegen die Nazi-Szene und ihr terroristisches Potential. Es ist auch ein deutliches Zeichen gegen Nationalismus, Militarismus, Rassismus und jede andere Form von Diskriminierung, die in der Gesellschaft weit verbreitet sind! Sich in den Weg zu stellen ist eine Form des zivilen Ungehorsams. Diese hat eine lange Tradition, für die Namen wie Mahatma Gandhi, Martin Luther King und viele andere stehen. Gemein ist uns, dass wir einen bewussten Regelübertritt in Kauf nehmen, denn „wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“ (Bertolt Brecht). Die positiven Erfahrungen aus Aktionen gegen die Naziaufmärsche in Städten wie Dresden, Heidelberg und Jena zeigen deutlich: Durch gut koordiniertes und organisiertes Handeln können wir die Nazis stoppen! Wenn viele Menschen aus einem breiten Spektrum der Bevölkerung zusammenkommen und ihnen im Wege stehen, ist für die Nazis kein Durchkommen! (…) Wir sind uns über die räumlichen und jahreszeitlichen Herausforderungen am ... im Klaren. Deshalb arbeiten wir kontinuierlich an einem Aktionskonzept. Unsere Aktionen werden gewaltfrei, aber dennoch entschlossen sein. Wir sind solidarisch mit allen, die mit uns das Ziel teilen, den Naziaufmarsch zu verhindern. (…) Gemeinsam können wir sie stoppen!“
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Selbst wenn all dies so aufgefasst werden könnte, dass nicht die angemeldete Versammlung selbst die „Mahnwache“ verhindern soll, sondern die Abschlusskundgebung der Versammlung in der unmittelbaren Nähe der „Mahnwache“ gewissermaßen nur die Ausgangsbasis für anschließende Störaktionen der Teilnehmer sein soll, wäre auch dies versammlungsrechtlich nicht hinnehmbar.
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Über die genannte Internet-Seite sind zudem weitere Angebote verlinkt, die eine Verhinderungsabsicht beziehungsweise die drohende Beeinträchtigung des Versammlungsrechts der „Mahnwachen“-Anhänger verdeutlichen. So heißt es auf der Seite ... „Um 15:30 Uhr startet in ... eine antifaschistische Demonstration. Anschließend gibt es vielfältige Möglichkeiten den Naziaufmarsch auf dem ... zu verhindern. Wir wollen mit möglichst vielen Leuten den Naziaufmarsch blockieren!“. Weiter ist von zivilem Ungehorsam, Blockaden und kreativen Aktionen die Rede. Die Facebook-Seite „Gegen jeden Nationalismus“ kündigt an: „Antifaschistische Demonstration gegen die Nazi-Fackelmahnwache. Anschließend Aktionen des zivilen Ungehorsams“. Ferner gibt es einen Twitter-Dienst mit dem Namen ... (= Fackeln aus).
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Hinzu kommt das Lagebild der Polizeidirektion ... vom 21.02.2013, aus dem hervorgeht, dass im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ... gegen zwei Führungsmitglieder des IgR (Initiative gegen Rechts) weitere sechs Mitglieder linksbürgerlicher Gruppierungen eine Selbstanzeige gegen sich erstattet hätten. Bei ihrer Beschuldigtenvernehmung hätten sie für 23.02.2013 angekündigt, sich den rechten Versammlungsteilnehmern friedlich in den Weg stellen zu wollen. Polizeiliche Weisungen würden nicht befolgt werden. Zur Beseitigung ihrer Blockade müssten sie von Polizeikräften weggetragen werden.
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Schließlich spricht auch für die Verhinderungsabsicht bezogen auf die „Mahnwache“, dass der Antragsteller (bzw. seine Vertreterin) sich im Kooperationsgespräch offensichtlich weigerte, einen Alternativstandort zu akzeptieren oder zu benennen.
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Die angegriffene Bestimmung leidet aller Voraussicht nach auch nicht an einem Ermessensfehler (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Insbesondere musste die Antragsgegnerin nicht in Betracht ziehen, die vom Antragsteller angemeldete Route in abgekürzter oder nur leicht veränderter Form vorzuschlagen. Dagegen spricht nicht nur, dass der Antragsteller eine Kooperation hinsichtlich alternativer Orte nach gegenwärtigem Kenntnisstand verweigert hat, sondern vor allem die Tatsache, dass angesichts der zum Ausdruck gekommenen und etwa im Internet vehement geäußerten Verhinderungsabsicht bezogen auf die „Mahnwache“ auch eine Verkürzung der angemeldeten Wegstrecke die versammlungsrechtlich relevanten Gefahren nicht ausräumen könnte. Die räumliche Verlegung ist auch sonst nicht unverhältnismäßig. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller nicht jedwede Versammlung verboten, sondern ihm einen Ort angeboten, der im Zentrum von ... gelegen ist und damit eine starke Außenwirkung der Veranstaltung ermöglicht. Auch ist der Hauptbahnhof wie gewünscht eingebunden, so dass dieser zur Anreise zur Verfügung steht, während Teilnehmer der „Mahnwache“ vom Hauptbahnhof faktisch wohl weitgehend ferngehalten werden. Mit dem festgesetzten Ort können beide Veranstaltungen stattfinden; die Gefahr einer Konfrontation der politisch entgegengerichteten Gruppierungen ist bei dem normalen Verlauf der Veranstaltungen gebannt. Damit hat die Antragsgegnerin dem Grundrecht des Antragstellers in angemessener Weise Rechnung getragen.
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Der zeitliche Abstand zwischen der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung (bis 18.00 Uhr) und dem angekündigten Beginn der „Mahnwache“ (ab 19.50 Uhr gemäß dem vorgelegten Lagebild der Polizeidirektion ...) ändert nichts, da es nach den oben angegebenen Umständen naheliegt, dass sich Teilnehmer der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung die Nähe der beiden Orte zunutze machen würden, um sich am ... festzusetzen beziehungsweise die „Mahnwache“ schon im Vorfeld zu unterbinden.
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2. Bei den Auflagen Nr. 1 sowie Nr. 3 bis 11 fällt die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus, weil diese Auflagen voraussichtlich rechtswidrig sind und damit das öffentliche Sofortvollzugsinteresse hinter dem Aufschubinteresse des Antragstellers zurückstehen muss.
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Die Kammer ist der Auffassung, dass die Auflagen Nr. 1 sowie Nr. 3 bis 11 nur auf der Grundlage und unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersG rechtmäßig sein könnten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2011 - 1 S 2901/10 - a.a.O. und Urteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - VBlBW 2012, 473). An dem damit erforderlichen Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung fehlt es jedoch, da hierfür ein strenger Maßstab gilt und ausgehend davon die Auflage Nr. 2 ausreichend sein dürfte, um die derzeit absehbaren Gefahren zu bannen.
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Die Antragsgegnerin weist in ihrer Verfügung auf Seite 11 selbst auf die seit vielen Jahren stattgefundenen Demonstrationen ähnlicher Art sowie darauf hin, dass alle Versammlungen der IgR bisher ohne besondere Störungen verlaufen seien. Ergänzend merkt die Antragsgegnerin (lediglich) an, es hätten jedoch aufgrund der linksautonomen Beteiligung stets lagebezogene polizeiliche Einsatzmaßnahmen stattgefunden. Dies lässt keine Rechtsverstöße während der Abhaltung der angemeldeten Versammlung erwarten, solange die geänderte Route gewählt wird. Gegen eine derartige Gefahr spricht ferner das breite, gesellschaftlich weit gefächerte Spektrum der Unterstützer. Hierzu zählen die evangelische Kirche ..., ..., ..., ..., ..., ... GmbH, ..., ... und seine Mitgliedergewerkschaften, ... ('...), ..., ..., ... - ..., VVN ..., ... ..., ..., ..., ... und ... Jugend. Zudem hat der Antragsteller - abgesehen von der Versammlungsroute - Bereitschaft zur Kooperation gezeigt. Insbesondere hat der Antragsteller zugesagt, Ordner in der mit der Antragsgegnerin abgesprochenen Zahl einzusetzen, für deren Unzuverlässigkeit derzeit nichts ersichtlich ist.
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Soweit die Antragsgegnerin unabhängig von der Demonstrationsroute Gewalttaten befürchtet, ist zudem der Zusammenhang mit der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung nur sehr eingeschränkt erkennbar. Die Stadt Pforzheim ist auch ohne die vom Antragsteller angemeldete Versammlung an dem symbolträchtigen Datum des 23.02. ein Anziehungspunkt für manche, oft auch zu politischer Polarisierung bereite Gruppen. An dem mangelnden Zusammenhang zwischen der Versammlung und etwaigen Zwischenfällen ändert auch das Lagebild der Polizeidirektion ... vom 21.02.2013 nichts. Vielmehr illustriert gerade das Lagebild die Vielgestaltigkeit der am 23.02. in Pforzheim zu erwartenden Ereignisse, wenn etwa darauf hingewiesen wird, die örtliche linke Szene habe die Absicht, ab 22.00 Uhr in der Innenstadt ein „Links- und Punkrock-Konzert“ auszurichten und bewerbe dieses bereits im Internet als „After-Demo-Event“. Weiter heißt es in dem Lagebild zur Gefährdungslage am 23.02.2013 in Pforzheim zusammenfassend: „Aufgrund der neuen Aufklärungserkenntnisse ist von einer deutlich größeren Teilnahme von Personen aus dem linken Spektrum auszugehen. Zusammen mit dem bürgerlichen Lager ist ein Protestpotential von mindestens 700 Personen zu erwarten. Während von Angehörigen des linksbürgerlichen Lagers gewaltfreie Blockadeaktionen zu erwarten sind, muss von den linksautonomen Szenemitgliedern mit gezielten Störaktionen gerechnet werden, in der Absicht, die rechte Versammlung zu verhindern. Eine bundesweite Mobilisierung ist bisher noch nicht erkennbar.“ Hieraus folgt schon nicht, dass die von der Antragsgegnerin verfügten Auflagen Nr. 1 sowie Nr. 3 bis 11 geeignete Mittel wären, um den Befürchtungen der Polizei entgegenzutreten. Die bloße Anzahl der zu erwartenden Protestierer begründet noch keine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
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Ebenso wenig erschließt sich, dass den Maßnahmen eine zutreffende Adressatenauswahl zugrunde liegt. Im Lagebild der Polizeidirektion ... vom 21.02.2013 heißt es zur linksautonomen Szene, aufgrund der Erfahrungen bei früheren Demonstrationslagen werde von der Anreise von Angehörigen des schwarzen Blocks ausgegangen. Bereits am 20.02.2013 werde die Anreise von ca. 450 gewaltorientierten Linksextremisten aus dem Rhein-Neckar-Raum, Karlsruhe, Freiburg, Tübingen, Reutlingen, Heilbronn, dem Großraum Stuttgart und dem Bodenseeraum erwartet. Behördliche Maßnahmen müssen sich aber primär gegen die Störer richten. Eine Heranziehung der Figur des Zweckveranlassers als Begründung für die Störereigenschaft eines Veranstalters kann allenfalls bei besonderen, über die inhaltliche Ausrichtung der Veranstaltung hinausgehenden provokativen Begleitumständen in Betracht kommen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des ersten Senats vom 09.06.2006 - 1 BvR 1429/06 - BVerfGK 8, 195; BVerfGE 69, 315). Hierfür fehlt es - abgesehen von der mit der Auflage Nr. 2 aufgefangenen Verhinderungsabsicht - an nachvollziehbaren Anhaltspunkten. Einem mit Gewalttätigkeiten verbundenen Zusammentreffen verschiedener Gruppen kann die Versammlungsbehörde regelmäßig durch eine räumliche Trennung der beiden Aufzüge hinreichend Rechnung tragen, wobei eine entsprechende versammlungsrechtliche Auflagenverfügung nicht einseitig zu Lasten eines Veranstalters gehen darf (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.04.2011 - 1 S 1250/11 - NVwZ-RR 2011, 602).
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Dies bedeutet nicht, dass die in den Auflagen Nr. 1 sowie Nr. 3 bis 11 aufgeführten Anforderungen inhaltlich im gesamten Umfang der Rechtslage widersprechen. Vielmehr werden in weitem Umfang auch gesetzliche Vorgaben wiederholt. Es bedarf insoweit allerdings keiner nochmaligen Anordnung in der Form eines Verwaltungsakts. Die Auflagen sind rechtswidrig, weil es ihrer nicht bedarf, um einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu begegnen.
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Soweit die Antragsgegnerin nach ihrem Erwiderungsschriftsatz der Auffassung ist, bei der Auflage Nr. 11 handele es sich gar nicht um eine Auflage im Rechtssinne, kann ihr nicht gefolgt werden. Ob eine behördliche Äußerung einen Verwaltungsakt darstellt, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei entsprechend §§ 133, 157 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen ist. Danach kommt der Auflage Nr. 11 Verwaltungsaktscharakter zu, denn sie erweckt zumindest den Eindruck einer abschließenden Einzelfallregelung. Entscheidend für ein Verständnis als Verwaltungsakt spricht, dass Nr. 11 in einer Liste von Einzelanordnungen steht, die allesamt als Verwaltungsakt zu qualifizieren sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.08.2012 - 1 S 618/12 - a.a.O.).
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Auf die Verhältnismäßigkeit und inhaltliche Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 LVwVfG) der Auflagen Nr. 1 sowie Nr. 3 bis 11 im Einzelnen kommt es, da bereits der Tatbestand des § 15 Abs. 1 VersG bezogen auf diese Auflagen nicht erfüllt ist, nicht weiter an.
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Sollte sich herausstellen, dass die Versammlung von den Angaben der Anmeldung abweicht, dass der Auflage Nr. 2 zuwidergehandelt wird oder dass die Voraussetzungen zu einem Verbot nach § 15 Abs. 1 oder 2 gegeben sind, so bleibt die Möglichkeit unbenommen, die Versammlung gemäß § 15 Abs. 3 VersG aufzulösen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG.

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