Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.
Die Berufung wird zugelassen.
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| Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die Wahl zum Gemeinderat der Beigeladenen im Mai 2019 für ungültig zu erklären. |
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| Der Gemeinderat der Beigeladenen hat achtzehn Sitze. Bei der Gemeinderatswahl am 26.05.2019 standen fünf Wahlvorschläge („Listen“) zur Wahl. Auf den Listen der CDU, der SPD und der Alternativen Liste Knittlingen (Listen Nr. 1 bis 3) waren jeweils achtzehn Kandidaten nominiert. Auf der Liste der Parteilosen Wählervereinigung (Liste Nr. 4) befanden sich drei Kandidaten. Auf der Liste Nr. 5 „Knittlingen-Aktiv“ war der Kläger allein vertreten. Der Gemeindewahlausschuss stellte fest, dass auf den Wahlvorschlag Nr. 1 sieben Sitze (23.835 Stimmen), Nr. 2 fünf Sitze (16.256 Stimmen), Nr. 3 fünf Sitze (16.549 Stimmen), Nr. 4 ein Sitz (1.735 Stimmen) und Nr. 5 kein Sitz (1.381 Stimmen) entfielen. Der Kläger zog daher nicht in den Gemeinderat ein. Bei den 1.381 Stimmen, die auf den Kläger (und seine Einzelbewerberliste) entfielen, handelte es sich im Vergleich zu allen zur Wahl angetretenen Kandidaten um die vierzehntmeisten Stimmen, die ein Bewerber persönlich erhalten hatte. Der gewählte Kandidat der Liste der Parteilosen Wählervereinigung (Liste Nr. 4), auf die nach der Sitzverteilung der achtzehnte und damit letzte Sitz im Gemeinderat der Beigeladenen entfiel, erhielt persönlich 613 Stimmen. Das Wahlergebnis wurde am 07.06.2019 öffentlich bekannt gemacht. |
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| Ebenfalls am 07.06.2019 erhob der Kläger gegen die Gemeinderatswahl der Beigeladenen Einspruch beim Landratsamt Enzkreis. Er machte geltend, er sei mit einer eigenen Liste angetreten, da er auf keine andere Liste aufgenommen worden sei. Mit den auf seine Liste entfallenen 1.381 Stimmen wäre er mit jeder anderen Liste in den Gemeinderat eingezogen. Durch das Taktieren der Anderen würden er und alle, die ihn gewählt hätten, diskriminiert. Das Wahlrecht über die Listen und die Begrenzung der Stimmenzahl auf drei Stimmen für Kandidaten, die allein auf der Liste stünden, seien nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Denn seine Wähler müssten ihre restlichen Stimmen verfallen lassen oder gegen seine Liste wählen. Wenn Chancengleichheit herrschen solle, was das Grundgesetz ausdrücklich fordere, müsse es so sein, dass jeder Wähler erstens so viele Stimmen für die Liste habe, wie es Listen gebe, dann zweitens seine personenbezogenen Stimmen, die er frei vergeben könne. Diese Ungleichbehandlung durch das Wahlrecht verfälsche das Ergebnis. |
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| Mit Bescheid vom 28.06.2019, dem Kläger zugestellt am 06.07.2019, wies das Landratsamt Enzkreis den Einspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, der Einspruch sei zulässig, da der Kläger als Wahlbewerber die Verletzung eigener Rechte geltend mache und die Quoren-Regelung nach § 31 Abs. 1 Satz 3 Kommunalwahlgesetz (KomWG) daher keine Anwendung finde. Der Einspruch sei aber nicht begründet, da die Gemeinderatswahl der Beigeladenen vom 26.05.2019 den Kläger nicht in seinen Rechten verletze. Die Gemeinderatswahl sei im Rahmen der behördlichen Wahlprüfung nach § 30 und § 32 KomWG i.V.m. § 47 Kommunalwahlordnung (KomWO) geprüft worden. Zu Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung gehöre insbesondere die Sitzverteilung auf die Wahlvorschläge nach § 25 KomWG und die Zuteilung der Sitze auf die einzelnen Bewerber nach § 26 KomWG. Bei der Wahl des Gemeinderats der Beigeladenen handle es sich um eine Verhältniswahl, da mehr als ein Wahlvorschlag abgegeben worden sei. Bei der Verteilung der Sitze auf die Wahlvorschläge bei einer Verhältniswahl finde zuerst eine Oberverteilung und anschließend eine Unterverteilung statt. Bei der sogenannten Oberverteilung würden die Sitze an die Wahlvorschläge (Listen) nach dem Verhältnis der von diesen erreichten Gesamtstimmenzahlen verteilt. Erst danach würden im Rahmen der sogenannten Unterverteilung die auf die einzelnen Wahlvorschläge entfallenden Sitze den in den Wahlvorschlägen aufgeführten Bewerbern in der Reihenfolge der von diesen erreichten Stimmenzahlen zugeteilt. Hierdurch könne es passieren, dass die nach der Oberverteilung auf einen Wahlvorschlag entfallenen Stimmen bei der Unterverteilung auf einen Bewerber dieser Liste entfielen, der weniger Einzelstimmen habe, als ein Bewerber eines anderen Wahlvorschlags. Daher könne ein Bewerber einer bestimmten Liste einen Sitz erhalten, obwohl er weniger Einzelstimmen habe als ein Bewerber einer anderen Liste. Verstöße gegen die einschlägigen Wahlvorschriften seien nicht festgestellt worden. Die Wahl sei somit gültig. Die Rechtmäßigkeitsprüfung beinhalte keine Würdigung der Gerechtigkeit und Fairness des geltenden Wahlrechts (dies folge aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nach dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG). |
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| Hiergegen hat der Kläger am 29.07.2019 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung trägt er vor, er wäre bei der Gemeinderatswahl als vierzehnter von achtzehn Bewerbern in den Gemeinderat eingezogen, wenn die Wahl als Mehrheitswahl nach § 27 KomWG durchgeführt worden wäre. Er wäre ebenfalls in den Gemeinderat eingezogen, wenn er auf einer der anderen Listen aufgestellt worden wäre. Denn der (stimmenmäßig) letzte Bewerber, der in den Gemeinderat eingezogen sei, habe nur 613 Stimmen und damit weniger als die Hälfte seiner, des Klägers, Stimmen erzielt. Dieser letzte Bewerber der Parteilosen Wählervereinigung (Liste Nr. 4) sei nur deswegen in den Gemeinderat eingezogen, weil zu den von ihm selbst erzielten Einzelstimmen noch die Stimmen der beiden weiteren Kandidaten auf der Liste Nr. 4 (591 beziehungsweise 531 Stimmen) hinzugerechnet worden seien. Dass er nicht in den Gemeinderat eingezogen sei, beruhe also darauf, dass nach § 25 KomWG die Verteilung der Sitze zunächst nach der Gesamtstimmenzahl der jeweiligen Kandidaten einer Liste auf die Listen verteilt werde. Hätten ihn nur zwei weitere Kandidaten mit geringem Stimmenanteil auf seiner Liste unterstützt, wäre er in den Gemeinderat eingezogen, selbst wenn diese beiden weiteren Kandidaten keine Chance auf den Einzug in den Gemeinderat gehabt hätten. Es stelle sich die Frage, ob dieses Ergebnis, das auf der Anwendung des baden-württembergischen Kommunalwahlgesetzes und der Gemeindeordnung beruhe, mit der Verfassung in Einklang stehe. Der Grundsatz der gleichen Wahl, der für die Gemeinden durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet sei, verlange, dass gleichermaßen für das aktive und das passive Wahlrecht jedermann sein Wahlrecht in möglichst gleicher Weise ausüben könne. Differenzierungen dürften sich angesichts der Bedeutung des gleichen Wahlrechts für die freiheitliche demokratische Grundordnung nur in einem eng bemessenen Spielraum halten und erforderten stets einen zwingenden Grund. Für das Kommunalwahlrecht werde kein bestimmtes Wahlsystem vorgeschrieben. Der Gesetzgeber sei aber verpflichtet, das ausgewählte Wahlsystem ungeachtet verschiedener Ausgestaltungsmöglichkeiten in seinen Grundelementen folgerichtig zu gestalten, er dürfe keine strukturwidrigen Elemente einführen. Aus dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl folge, dass die Stimme jedes Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben müsse. Beim Verhältniswahlrecht müsse außerdem jede Wählerstimme mit ihrem Stimmgewicht den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der Vertretung haben. Insoweit müssten jede Partei, jede Wählergruppe und auch ihre Wahlbewerber gemäß Art. 21 Abs. 1 GG grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren und die gleichen Chancen bei der Verteilung der Sitze haben. Bei der Prüfung, ob eine Differenzierung innerhalb der Wahlrechtsgleichheit gerechtfertigt sei, sei ein strenger Maßstab anzulegen. Differenzierungen im Wahlrecht müssten durch Gründe gerechtfertigt sein, die durch die Verfassung legitimiert seien und ein Gewicht hätten, das der Wahlgleichheit die Waage halten könne. Insbesondere für Kommunalwahlen sei deshalb die Einführung einer 5 %-Sperrklausel nicht zu rechtfertigen. Hier komme aufgrund der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung der Auslese der Kandidaten für die kommunale Vertretungskörperschaft besondere Bedeutung zu. Insoweit trete die Willensbildung der Bürger über politische Parteien, die auf Bundesebene stärkeres Gewicht habe, etwas in den Hintergrund. Es müsse auch für ortsgebundene, lediglich kommunale Interessen verfolgende Wählergruppen das Wahlvorschlagsrecht und für ihre Wahlkandidaten eine chancengleiche Teilnahme an den Kommunalwahlen gewährleistet werden. |
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| An diesen Grundsätzen gemessen könne das baden-württembergische Kommunalwahlrecht einer Überprüfung auf seine Verfassungsmäßigkeit nicht standhalten, weil es die Wahlmöglichkeit von Einzelkandidaten ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich gewichte und damit Einzelpersönlichkeiten unangemessen benachteilige. Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg enthalte eine in sich unstimmige Mischung von Verhältniswahl und Persönlichkeitswahl, die zudem bei unterschiedlichen Gemeindegrößen zu unterschiedlichen Wahlchancen führe. |
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| Soweit das Wahlsystem dazu führe, dass ein Kandidat, der (chancenlose) weitere Bewerber dazu bewegen könne, ihn durch eine Kandidatur auf der Liste zu unterstützen, entscheidend bessere Wahlchancen bekomme als ein Einzelkandidat, sei dies mit dem Grundsatz der Chancengleichheit der Wahl nicht zu vereinbaren. Insoweit seien zwar kleinere Unstimmigkeiten und Wertungswidersprüche bei einem Wahlsystem, das auch eine Sitzverteilung berücksichtigen müsse, unvermeidlich. Gerade die vorliegende Wahl zeige aber hier erhebliche Wertungswidersprüche, insbesondere im Vergleich zu der Liste der Parteilosen Wählervereinigung (Nr. 4). Denn diese Liste sei mit drei Kandidaten angetreten, die jeweils nur geringe Stimmenanteile erzielt hätten (der gewählte Bewerber nur 613 Stimmen), die aber durch eine Mehrzahl von Kandidaten ihre Chancen so verbessert hätten, dass er als Einzelkandidat trotz doppelter Stimmenzahl nicht in den Gemeinderat habe einziehen können. Hier zeige sich, dass das Wahlsystem in Baden-Württemberg zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung von Listen führe, bei denen viele oder gar alle Plätze besetzt werden könnten. In Verbindung mit dem Höchstzahlverfahren führe die Verbindung von Verhältniswahl und Persönlichkeitswahl dazu, dass nicht nur die Bedeutung der Einzelpersönlichkeiten für die Zusammensetzung des Gemeinderates lediglich geringe Bedeutung habe, sondern auch die Stimmenanzahl der einzelnen Kandidaten. Dieselben Stimmen führten bei einer größeren Partei mit mehreren Kandidaten und einer vollständigen Liste dazu, dass der Eintritt in den Gemeinderat erleichtert werde und die Stimmen dabei – unabhängig vom Willen des Wählers – nicht nur Auswirkungen auf den konkreten Kandidaten, sondern auch auf die Anzahl der Sitze der Liste habe, in der dieser Kandidat geführt sei. Gebe es in der Gemeinde nur eine Liste, gelte vielmehr das Mehrheitswahlrecht, das hier seinen Einzug in den Gemeinderat herbeigeführt hätte. Insoweit verfehle das Wahlsystem einen Ausgleich zwischen Persönlichkeitswahl und Verhältniswahl bei Wählervereinigungen und Parteien, weil der Vollständigkeit der Listen ausschlaggebende Bedeutung für die Wahlerfolge zukomme. Dies sei nicht nur in der beigeladenen Gemeinde der Fall, sondern führe auch in anderen Gemeinden zu extremen Verwerfungen. |
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| Aufgrund des komplizierten Wahlsystems würden die Wähler zudem häufig unveränderte Listen abgeben. Dies führe dazu, dass für alle Kandidaten auf der Liste Stimmen abgegeben würden und diese dann anderen Kandidaten (den Spitzenkandidaten) zum Einzug in die Gemeinderäte verhelfen würden. Das sei nicht nur ein Problem der Förderung von kleinen Listen, was im Zusammenhang mit dem Höchstzahlverfahren wiederholt diskutiert worden sei, sondern auch ein Problem der Einzelpersonen, die über diese Listen dann häufig zufällig und ohne ernsthafte Wählerunterstützung für ihre Person in den Gemeinderat gelangten. |
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| Die Begrenzung der für einen Kandidaten abzugebenden Stimmen auf drei führe dazu, dass ein Wähler, der einen Einzelkandidaten wie ihn mit seinen Stimmen unterstützen möchte, von seinem Wahlrecht in unerwünscht zweckwidriger Weise Gebrauch machen müsse, wenn er die Unterstützung für ihn als Einzelbewerber nicht durch seine eigene Stimmabgabe untergraben wolle. Er müsste ihm, dem Kläger, in diesem Fall drei Stimmen geben und seine übrigen fünfzehn Stimmen verfallen lassen. Denn verteilte er die übrigen fünfzehn Stimmen auf Kandidaten anderer Wahlvorschläge mit vollständigen Listen, dann führten diese Stimmen dazu, dass aufgrund der Verhältnisse der Listen zueinander der Einzelkandidat von vornherein keine Chance habe, gewählt zu werden. Durch die weiteren fünfzehn Stimmen für andere Kandidaten würden die (allein möglichen) drei für ihn abgegebenen Stimmen wirkungslos. Bei der Gemeindegröße der Beigeladenen könne ein Einzelkandidat wie er nur in den Gemeinderat einziehen, wenn die Wähler in einer extrem taktischen Weise von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten und auf einen Großteil ihrer Stimmen verzichteten. Es verletze den Grundsatz der Stimmengleichheit, wenn ein (Einzel-)Bewerber nicht nur um Stimmen für sich werben müsse, sondern gleichzeitig die Wähler ihre Stimme für andere möglicherweise gute Kandidaten nicht abgeben dürften, um ihre Stimmen für den (Einzel-)Bewerber nicht zu entwerten. Es sei daher mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit nicht vereinbar, dass bei der Kombination von Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht die Kumulation von Stimmen zugelassen werde, aber die Zahl der kumulierbaren Stimmen unabhängig von der Größe der Gemeinde und der Gesamtzahl der abzugebenden Stimmen auf drei Stimmen begrenzt sei. Rechtfertigende Gründe dafür seien nicht erkennbar. Bei unveränderten Stimmzetteln würde er nur eine Stimme und nicht drei kumulierte Stimmen erhalten. Damit würden siebzehn Stimmen verfallen. Es wäre eine dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl entsprechende Lösung, wenn für die Sitzverteilung unveränderte Stimmzettel immer mit der vollen Stimmanzahl der betreffenden Liste gutgeschrieben würden. Abgesehen davon, dass die Abgabe eines unveränderten Stimmzettels oft auf Unkenntnis des Wahlsystems beruhen dürfte, sei es angemessen, auf diesem Wege die Wähler nicht zu taktischem Wahlverhalten zu zwingen, wenn sie ein gewünschtes Ergebnis für eine Liste herbeiführen wollen. Die Möglichkeit der Kumulation von (nur) drei Stimmen pro Kandidat führe weiter dazu, dass die Stimmengewichte je nach Gemeindegröße unterschiedlich seien. Es sei für einen Einzelkandidaten in einer kleinen Gemeinde möglich, durch kumulierte Stimmen in den Gemeinderat einzuziehen. In einer größeren Gemeinde, deren Gemeinderat – wie hier – aus achtzehn Gemeinderäten bestehe, sei es für einen Einzelkandidaten, der ohne weitere Bewerber auf seiner Liste antrete, praktisch nicht möglich, in den Gemeinderat einzuziehen. Die Stimmen, die auf einen Einzelkandidaten entfielen, fielen unabhängig von allen weiteren Rahmenbedingungen bei der Sitzverteilung im Gemeinderat nicht ins Gewicht. |
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| Hinzu komme, dass nach dem bisherigen Recht der (alte) Gemeinderat durch die Gestaltung der Hauptsatzung darauf Einfluss nehmen könne, welche Chancen Einzelkandidaten bei der nächsten Wahl hätten. Der Gemeinderat der Beigeladenen hätte in der Hauptsatzung gemäß § 25 Abs. 2 GemO festlegen können, dass statt achtzehn nur vierzehn Sitze im Gemeinderat zur Verfügung gestanden hätten. Eine solche Entscheidung hätte seine Chancen als Einzelkandidat erheblich verbessert. Bei einer Stimmendifferenz zum (stimmenmäßig) letzten Kandidaten von lediglich 350 Stimmen könne insoweit nicht ausgeschlossen werden, dass die Größe des Gemeinderates zu einer möglicherweise beabsichtigten Benachteiligung für ihn als Einzelbewerber geführt habe. Da es im Vorfeld der Kommunalwahl auch verschiedene gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Bürgermeister der Beigeladenen gegeben habe, erscheine es nicht als ausgeschlossen, dass insoweit über die Größe des Gemeinderates auch Einfluss auf seine Wahlchancen genommen worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe aber nicht aus inhaltlichen Gründen im Wege der Änderung des Wahlsystems Einfluss auf die Erfolgsaussichten von Wahlbewerbern genommen werden. |
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| § 26 Abs. 2 und § 25 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GemO seien daher mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 72 Abs. 1 LV nicht vereinbar. Er rege eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht an, welche vor Einführung der Normenkontrolle in Art. 68 Abs. 1 Satz 3 LV ohne weiteres möglich gewesen sei. Die Landesverfassung bleibe möglicherweise hinter dem Grundgesetz zurück, da Art. 72 LV die Grundsätze aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zwar übernehme, in Abs. 2 aber hinsichtlich des Wahlverfahrens die Festlegung auf die Verhältniswahl enthalte, die unter dem Vorbehalt des Gesetzes stehe. |
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| den Einspruchsbescheid des Landratsamts Enzkreis vom 28.06.2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Gemeinderatswahl der Beigeladenen vom 26.05.2019 für ungültig zu erklären. |
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| Zur Begründung trägt er vor, im Rahmen der Wahlprüfung seien keine wesentlichen Verstöße gegen Wahlvorschriften festgestellt worden, sodass die Wahl mit Bescheid vom 01.07.2019 für gültig erklärt worden sei. Der Einspruch des Klägers gegen die Wahl sei mit Bescheid vom 28.06.2019 zurückgewiesen worden. Gründe für eine Ungültigkeitserklärung der Wahl lägen nicht vor. Denn die Prüfung der Wahl beschränke sich lediglich auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Wahl und umfasse folglich keine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der zugrundeliegenden einschlägigen Vorschriften. |
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| Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 19.05.2020 Stellung genommen, ohne einen Antrag zu stellen. Sie führt aus, der Kläger ziehe für seine Argumentation das Mehrheitswahlrechtssystem heran, verkenne aber, dass er sich in einem (personalisierten) Verhältniswahlsystem zur Wahl gestellt habe. Das Grundgesetz lasse den Gesetzgebern mit Blick auf das Wahlsystem einen weiten Spielraum. Art. 72 Abs. 1 LV konkretisiere die Vorgaben des Grundgesetzes und lege in Art. 72 Abs. 2 LV insbesondere fest, dass die Wahl unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältniswahl erfolgen müsse, wenn in einer Gemeinde mehr als eine gültige Wahlvorschlagsliste eingereicht worden sei. Auch durch Art. 72 Abs. 3 LV werde dem Landesgesetzgeber bei der weiteren rechtlichen Ausgestaltung ein Spielraum eingeräumt. § 26 GemO setze diese Vorgaben um. Der in allen Regelungen geforderte Grundsatz der Gleichheit der Wahl verlange, dass die Stimme jedes Wählers den gleichen Zählwert habe. Beim Verhältniswahlrecht führe die Formalisierung der Wahlrechtsgleichheit darüber hinaus dazu, dass nicht nur der gleiche Zählwert, sondern grundsätzlich auch der gleiche Erfolgswert gewährleistet sein müsse, also jeder Wahlberechtigte mit seiner Stimme den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben solle. Differenzierungen bedürften besonderer Rechtfertigung im Sinne eines „zwingenden“ oder „wichtigen“ Grundes. |
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| Die in § 26 Abs. 2 Satz 4 GemO vorgesehene Begrenzung der Anhäufung der von jedem Wähler pro Wahlkandidat abgebbaren Stimmen auf drei stelle keinen Verstoß gegen die Gleichheit der Wahl dar. Denn sie sei jedenfalls eine zwangsläufige und gerechtfertigte Folge des gewählten Wahlsystems. Bei der Mehrheitswahl sei lediglich der Zählwert jeder Stimme identisch, nicht jedoch der Erfolgswert, da nur die Stimmen zum Erfolg führten, die für den oder die siegreichen Kandidaten als Person abgegeben würden. Ob der Kläger bei einem Mehrheitswahlsystem tatsächlich in den Gemeinderat der Beigeladenen gewählt worden wäre, sei auch unter Berücksichtigung seiner höheren Stimmenanzahl zweifelhaft, da die Wähler im Bewusstsein der personalisierten Verhältniswahl ihre Stimmen abgeben würden und sich bei einer reinen Mehrheitswahl womöglich anders entschieden hätten. Denn beim Mehrheitswahlsystem gehe es vereinfacht um „alles oder nichts“, wohingegen beim personalisierten Verhältniswahlsystem die Stimme(n) auch einem an sich nicht zu wählen beabsichtigten Wahlkandidaten gegeben werden könnten, da die restlichen Stimmen immer noch Berücksichtigung fänden. |
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| Bei der in Baden-Württemberg vorgesehenen (personalisierten) Verhältniswahl würden Listen von Kandidaten benötigt, die von Wählervereinigungen (u. a. politischen Parteien) aufgestellt würden. Der Wähler stimme auch formal vom Stimmzettel aus betrachtet für eine politische Richtung. Das Ziel der Verhältniswahl in radikaler Ausprägung sei, dass der Gemeinderat ein getreues Spiegelbild der politischen Gruppierung der Wählerschaft sein solle, dass also jede politische Richtung in der Stärke im Gemeinderat vertreten sein solle, die dem Gesamtanteil der für sie in der Gemeinde abgegebenen Stimmen entspreche. Diesem System entsprechend sei der Kläger nicht gewählt worden, da seine kommunalpolitische Haltung nur der einer zu geringen Anzahl an Wählern beziehungsweise Stimmen entspreche. Der Erfolgswert der Stimmen sei gleich, die Liste des Klägers sei deutlich weniger mehrheitsfähig gewesen als die anderen Wahlvorschläge. Dies verdeutliche auch der klägerische Vortrag, er habe keine Mitstreiter für seinen Wahlvorschlag gefunden und sei auch nicht auf andere Listen aufgenommen worden. Dass derjenige Wahlkandidat, der weitere Bewerber dazu bewegen könne, auf seiner Wahlvorschlagsliste zu stehen, entscheidend bessere Wahlchancen erhalte als ein Einzelkandidat, sei eine systemimmanente Folge des grundgesetzkonformen Verhältniswahlsystems. Schließlich habe es einen Grund, dass der Einzelkandidat nicht in einem Wahlvorschlag benannt worden sei. |
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| Da das Verhältniswahlsystem in seiner Reinfassung ein Kumulieren und Panaschieren nicht vorsehe, wäre es nicht verfassungswidrig und würde insbesondere keinen Verstoß gegen die Gleichheit der Wahl begründen, wenn überhaupt kein Kumulieren vorgesehen wäre. Der Landesgesetzgeber habe sich jedoch für ein personalisiertes Verhältniswahlsystem entschieden, um dem Wunsch der Wählerschaft, sich für Persönlichkeiten und nicht nur für Listen entscheiden zu können, so weit wie möglich zu entsprechen. Die klägerische Argumentation, dass wegen der Beschränkung der auf einen Wahlkandidaten anhäufbaren Stimmen die Stimmen keinen identischen Erfolgswert mehr hätten, sei unzutreffend, da die abgegebenen Stimmen grundsätzlich weiterhin den identischen Erfolgswert hätten. Die Wähler könnten bloß nicht unbegrenzt kumulieren. Sie könnten aber weiterhin nur drei Stimmen – und diese nur auf einen Wahlkandidaten zusammen – abgeben und den Rest der Stimmen verfallen lassen (oder weiter verteilen) oder (mit ähnlichen Wirkungen) überhaupt nicht zur Wahl gehen. Die Gleichheit der Wahl werde davon nicht betroffen, da bei drei (auf einen Wahlkandidaten aufgehäuften Stimmen) von drei abgegebenen Stimmen der Erfolgswert identisch sei mit dem Erfolgswert von beispielsweise achtzehn (auf verschiedene Wahlkandidaten aufgeteilten Stimmen) von achtzehn abgegebenen Stimmen. |
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| Das klägerische Ansinnen ziele vielmehr in die Richtung, noch umfassender kumulieren zu können. Die Begrenzung der Höchstzahl der auf einen Wahlkandidaten kumulierbaren Stimmen entspreche jedoch der Verfassungstradition. Schon die Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vom 25.07.1955 habe diese Beschränkung der Kumulation auf drei Stimmen vorgesehen. Andere Bundesländer hätten ebenfalls solche Regelungen. Diese Begrenzung der Kumulation diene der Vermeidung der Verfälschung des Wählerwillens im gesamten Gemeindegebiet und der Sicherstellung der Abbildung eines zutreffenden Spiegelbildes der politischen Gruppierung der Wählerschaft im Gemeinderat und sei damit ausgerichtet an diesem Sinn und Zweck des Verhältniswahlsystems system- und folgerichtig. Die Verbindung von Verhältnis- und Personenwahl sei grundsätzlich grundgesetzkonform, auch soweit die Verhältniswahl nach „starren“ Listen erfolge. |
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| Soweit der Kläger beanstande, dass der Gemeinderat hätte festlegen können, dass statt achtzehn nur vierzehn Gemeinderäte in den Gemeinderat einziehen, führe dieser Ansatz nicht zu einem (erheblichen) Mangel des Wahlverfahrens. Denn die Anzahl der Mitglieder des Gemeinderats der Beklagten sei bereits am 22.07.2008 ungeachtet der Person des der Beigeladenen damals unbekannten Klägers und ungeachtet der letztlich vom Kläger in der gegenständlichen Kommunalwahl erlangten Stimmen vom Gemeinderat (und nicht vom Bürgermeister) festgelegt worden. Im Übrigen hätte der Kläger selbst bei einer Erhöhung oder Reduzierung der Anzahl der Mitglieder des Gemeinderats keinen Sitz erlangt. Letztlich habe der Kläger diesen Einspruchsgrund nicht fristgerecht geltend gemacht und sei damit gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG ausgeschlossen. Weitere Einspruchsgründe habe der Kläger nicht fristgerecht geltend gemacht und sei insoweit ebenfalls nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG präkludiert. |
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| Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 29.04.2020, 26.05.2020 und 29.05.2020 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. |
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| Der Kammer haben ein Ordner Wahlniederschriften zur Gemeinderatswahl der Beigeladenen am 26.05.2019 und die ungeheftete Akte des Landratsamts Enzkreis zum Einspruch des Klägers vorgelegen. Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt dieser Akten sowie den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. |
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| Die Kammer entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). |
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| Die zulässige Klage ist nicht begründet. |
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| 1. Die Klage ist gemäß § 32 Abs. 1 KomWG als Verpflichtungsklage statthaft (vgl. dazu nur Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Auflage 2014, § 31 Rn. 75) und auch im Übrigen zulässig. Der Kläger ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da er die Verletzung seiner Rechte als Bewerber geltend macht. Deshalb bedurfte es für seinen fristgerechten Einspruch (§ 31 Abs. 1 KomWG) auch nicht des Beitritts weiterer Wahlberechtigter nach § 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, juris Rn. 23). Ein Widerspruchsverfahren war nicht geboten (§ 31 Abs. 3 KomWG). |
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| 2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Enzkreis vom 28.06.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, den Beklagten unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 28.06.2019 zu verpflichten, die Gemeinderatswahl der Beigeladenen vom 26.05.2019 für ungültig zu erklären, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. |
|
| Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG ist die Wahl unter anderem dann für ungültig zu erklären, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind. Die Wahlanfechtung lässt sich nur auf solche Gründe stützen, die in der abschließenden Regelung des § 32 Abs. 1 KomWG aufgeführt sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 24). Entgegen der Auffassung des Beklagten kann sie allerdings auch mit der Begründung angefochten werden, dass wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verfassungswidrig seien (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, juris Leitsatz; Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 24). |
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| Der Kläger rügt der Sache nach die Verfassungsmäßigkeit der kommunalwahlrechtlichen Vorschriften über die Stimmabgabe bei der Verhältniswahl nach § 26 Abs. 2 Satz 3 und 4 GemO, § 19 Abs. 2 KomWG sowie die Bestimmungen über die sich an die Stimmabgabe anschließende Verteilung der Sitze zunächst auf die einzelnen Wahlvorschläge nach dem Verhältnis der ihnen zufallenden Gesamtstimmenzahl gemäß § 25 Abs. 1 KomWG (Oberverteilung) und erst dann auf die in den Wahlvorschlägen aufgeführten einzelnen Bewerber gemäß § 26 Abs. 1 KomWG (Unterverteilung). |
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| Nach Auffassung des Klägers führt das mit diesen Vorschriften für die baden-württembergischen Kommunalwahlen festgelegte Wahlsystem der personalisierten Verhältniswahl zu einer gleichheitswidrigen strukturellen Benachteiligung von Einzelbewerbern gegenüber „vollständigen“ Wahlvorschlägen, das heißt Wahlvorschlägen, die so viele Bewerber enthalten, wie Gemeinderäte zu wählen sind (§ 26 Abs. 4 Satz 1 GemO). Diese strukturelle Benachteiligung ergebe sich daraus, dass der Wähler einer Einzelbewerberliste lediglich höchstens drei Stimmen geben könne, während er einem vollständigen Wahlvorschlag die Gesamtzahl der ihm – in Abhängigkeit von der Zahl der zu wählenden Gemeinderäte (§ 26 Abs. 2 Satz 3 GemO) – zustehenden Stimmen (hier achtzehn) zukommen lassen könne. Die Chancen, in den Gemeinderat einzuziehen, seien für einen Einzelbewerber beziehungsweise dessen Liste daher von vornherein viel geringer als für einen vollständigen Wahlvorschlag. Eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Einzelbewerbern im System der personalisierten Verhältniswahl sei weiter darin zu erkennen, dass einem Einzelbewerber auch dann der Einzug in den Gemeinderat verwehrt sein könne, wenn auf ihn persönlich mehr Stimmen entfielen als auf einen Listenkandidaten, dem (lediglich) aufgrund der höheren Zahl der auf dessen Liste entfallenen Stimmen der Einzug in den Gemeinderat gelinge. |
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| Die einschlägigen Vorschriften der Gemeindeordnung und des Kommunalwahlgesetzes, die für die Kommunalwahl in Baden-Württemberg das System der personalisierten Verhältniswahl vorschreiben, sind jedoch mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben sowohl des Grundgesetzes als auch der Landesverfassung vereinbar. Die konkrete Ausgestaltung des Kommunalwahlsystems in Baden-Württemberg als personalisierte Verhältniswahl und die sich aus diesem System ergebenden Folgen für die Wahlchancen von Einzelbewerbern verletzen weder den Grundsatz der Gleichheit der Wahl noch den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien, Wählervereinigungen und sonstigen Kandidaten. |
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| Zwar kommt es bei der in Baden-Württemberg vorgesehenen Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts als personalisierte Verhältniswahl auf der Ebene der Stimmabgabe zu einer Differenzierung zwischen vollständigen Wahlvorschlägen und Einzelbewerberlisten beziehungsweise – genauer – zu einer Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen. Ebenso kann in diesem Wahlsystem strukturbedingt der – auch hier gegebene – Fall eintreten, dass ein Listenkandidat, der auf sich persönlich eine geringere Zahl an Stimmen vereinigt als ein Einzelbewerber, aufgrund der auf den Wahlvorschlag des Listenkandidaten insgesamt entfallenden Stimmen einen Gemeinderatssitz erlangt, während der Einzelbewerber, dessen Wahlvorschlag eine geringere Stimmzahl errungen hat als der Wahlvorschlag des Listenkandidaten, an der sogenannten „faktischen“ Sperrwirkung scheitert und nicht in den Gemeinderat einzieht. Sowohl die Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen als auch der Umstand, dass ein Listenkandidat mit einer geringeren Anzahl auf ihn persönlich entfallender Stimmen als ein Einzelbewerber in den Gemeinderat einziehen kann, sind im baden-württembergischen Kommunalwahlsystem jedoch strukturell angelegt und vor dem maßgeblichen verfassungsrechtlichen Hintergrund der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber (dazu unter a) jedenfalls gerechtfertigt (dazu unter b). Mit seinem weiteren Vorbringen, der Gemeinderat der Beigeladenen habe dadurch gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben verstoßen, dass er von der ihm nach § 25 Abs. 2 GemO eingeräumten Möglichkeit, die Zahl der Gemeinderatssitze von achtzehn auf vierzehn zu reduzieren, keinen Gebrauch gemacht habe, ist der Kläger nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG präkludiert. Im Übrigen dringt er mit diesem Vorbringen aber auch in der Sache nicht durch (dazu unter c). |
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| a) Dem Landesgesetzgeber kommt bei der Ausgestaltung des Wahlsystems für die Kommunalwahlen ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Weder das Grundgesetz noch die Landesverfassung schreiben dem Wahlgesetzgeber ein bestimmtes Wahlsystem vor. |
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| Zunächst wird den Ländern mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, nach dem das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben muss, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist, gerade kein verbindliches Wahlsystem vorgegeben. Die Länder können daher bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts sowohl ein reines Mehrheitswahlrecht, ein reines Verhältniswahlrecht oder eine Kombination beider Systeme einführen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 23.01.1957 - 2 BvF 3/56 -, juris Rn. 30 = BVerfGE 6, 104 [111]; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160 [163]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.09.2016 - 15 A 2466/15 -, juris Rn. 14; Pautsch, in: Haug, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1. Auflage 2018, Art. 72 Rn. 23; Aker, in: Aker/Hafner/Notheis, Gemeindeordnung und Gemeindehaushaltsordnung Baden-Württemberg, 1. Auflage 2013, § 26 Rn. 8). Der Landesgesetzgeber ist durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG insbesondere nicht gehalten, das Verhältniswahlrecht rein oder nur in abgewandelter Form einzuführen (vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160 [163]). |
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| Eine Vorentscheidung zugunsten des reinen Verhältniswahlrechts wird auch durch die Landesverfassung nicht getroffen. Zwar wird mit Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV verfassungsrechtlich vorgeschrieben, dass die Wahl in der Gemeinde bei Einreichung von mehr als einer gültigen Wahlvorschlagsliste unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältniswahl zu erfolgen hat. Damit wird dem Wahlgesetzgeber aber – im Gegensatz zur einer früheren Entwurfsfassung der Vorschrift – nicht einmal die Beachtung der Grundsätze der Verhältniswahl bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts verbindlich vorgegeben, sondern lediglich deren „Berücksichtigung“. Mit der aktuellen Fassung ist die für die Gemeinderatswahlen einschlägige verfassungsrechtliche Vorgabe im Vergleich zu einer früheren Entwurfsfassung, die „nach den Grundsätzen der Verhältniswahl“ lautete, und im Vergleich zu Art. 28 Abs. 1 LV, der für die Landtagswahlen ein Verfahren vorschreibt, dass „die Persönlichkeitswahl mit den Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet“, schon ihrem Wortlaut nach die schwächere. Mit der Vorgabe des Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV, dass die Wahl (lediglich) unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältniswahl zu erfolgen hat, sind die landesverfassungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Gemeinderatswahlen als Verhältniswahl damit zurückgenommen und zugunsten anderer Wahlziele offener (vgl. grundlegend StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160 [162] zur unechten Teilortswahl; dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 27; vgl. ferner Aker, in: Aker/Hafner/Notheis, Gemeindeordnung und Gemeindehaushaltsordnung Baden-Württemberg, 1. Auflage 2013, § 26 Rn. 8). Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt sich weiter erkennen, dass die Verfassunggebende Landesversammlung Baden-Württemberg mit dieser abgeschwächten Formulierung des Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV etwaigen Bedenken Rechnung tragen wollte, ob die Einteilung eines Wahlgebiets in Wahlkreise, die Einrichtung der Teilortswahlen und das Panaschieren mit den Grundsätzen der Verhältniswahl vereinbar sind (vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160 [163] unter Berufung auf die Protokolle des Verfassungsausschusses der Verfassunggebenden Landesversammlung Baden-Württemberg; vgl. auch die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung und Ergänzung des Kommunalrechts, Verfassunggebende Landesversammlung Baden-Württemberg, Beilage 852 vom 13.06.1953, Beilagenband II, S. 843 [850]). |
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| Der weite Entscheidungsspielraum, den Grundgesetz und Landesverfassung dem Wahlgesetzgeber bei der Gestaltung des Wahlrechts einräumen, ist aber nicht unbeschränkt. Bei jeder Gestaltung des Wahlrechts ist der Gesetzgeber an den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit sowie die weiteren Wahlrechtsgrundsätze gebunden (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 23.01.1957 - 2 BvF 3/56 -, juris Rn. 30 = BVerfGE 6, 104 [111]). Der Gesetzgeber ist vor dem Hintergrund der Wahlrechtsgleichheit verpflichtet, das ausgewählte Wahlsystem ungeachtet verschiedener Ausgestaltungsmöglichkeiten in seinen Grundelementen folgerichtig zu gestalten und keine strukturwidrigen Elemente einzuführen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 100 = BVerfGE 120, 82 [103 f.]). Er ist bei der Gestaltung des Wahlrechts gehalten, die Gleichheit der Wahl innerhalb des jeweiligen Wahlsystems zu wahren. Er muss, wenn er sich für ein Wahlsystem entschieden hat, die im Rahmen des jeweiligen Systems geltenden Maßstäbe der Wahlgleichheit beachten (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 101 = BVerfGE 120, 82 [104]; Urteil des Zweiten Senats vom 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 69 = BVerfGE 95, 335 [354]). |
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| Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl hat unter dem Grundgesetz und unter der Landesverfassung die gleiche Bedeutung und den gleichen Inhalt (vgl. allgemein zur Identität der Wahlrechtsgrundsätze auf Bundes- und Landesebene BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 95 = BVerfGE 120, 82 [102], m.w.N.; vgl. auch Pautsch, in: Haug, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1. Auflage 2018, Art. 72 Rn. 4 und 9 ff.). Er sichert die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Bürger (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 59 = NVwZ 2018, 648 [651]; Urteil des Zweiten Senats vom 26.02.2014 - 2 BvE 2/13 -, juris Rn. 46 = BVerfGE 135, 259 [284 Rn. 44], jeweils m.w.N) und ist eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 09.11.2011 - 2 BvC 4/10 -, juris Rn. 78 = BVerfGE 129, 300 [317]; Urteil des Zweiten Senats vom 02.11.1960 - 2 BvR 504/60 -, juris Rn. 28 = BVerfGE 11, 351 [360]). Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gebietet, dass alle Wahlberechtigten das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können, und ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 59 = NVwZ 2018, 648 [651]; Beschluss des Zweiten Senats vom 22.05.1979 - 2 BvR 193/79 -, juris Rn. 50 = BVerfGE 51, 222 [234]). Aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit folgt für das Wahlgesetz, dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss. Alle Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 09.11.2011 - 2 BvC 4/10 -, juris Rn. 78 = BVerfGE 129, 300 [317 f.]). Da bei der Verhältniswahl die Repräsentation dadurch bewirkt wird, dass die Parteien ihre Kandidaten und Programme den Wahlberechtigten vorstellen und die Wähler mit der Wahl einer Liste die Entscheidung für eine parteipolitische Richtung treffen, soll jeder Wähler mit seiner Stimme den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 63 = BVerfGE 95, 335 [352]; vgl. auch Hamburgisches VerfG, Urteil vom 27.04.2007 - 4/06 -, juris Rn. 124; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 26). Ziel des Verhältniswahlsystems ist es, dass alle Parteien in einem möglichst den Stimmenzahlen angenäherten Verhältnis in dem zu wählenden Organ vertreten sind. Die Verhältniswahl in strikter Ausprägung macht das gewählte Vertretungsorgan zum getreuen Spiegelbild der parteipolitischen – beziehungsweise auf kommunaler Ebene auch der sonstigen – Gruppierung der Wählerschaft, in dem jede politische Richtung in der Stärke vertreten ist, die dem Gesamtanteil der für sie abgegebenen Stimmen entspricht (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 59 = NVwZ 2018, 648 [651]; Urteil des Zweiten Senats vom 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 63 = BVerfGE 95, 335 [352], jeweils m.w.N.). Zur Zählwert- und Erfolgschancengleichheit tritt im Verhältniswahlrecht die Erfolgswertgleichheit hinzu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 59 = NVwZ 2018, 648 [651]; Urteil des Zweiten Senats vom 09.11.2011 - 2 BvC 4/10 -, juris Rn. 79 = BVerfGE 129, 300 [318]; Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 99 = BVerfGE 120, 82 [103]). |
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| Der auf Landesebene aus Art. 26 Abs. 4, Art. 27 Abs. 3 LV i.V.m. Art. 21 Abs. 1 GG abzuleitende Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien (vgl. dazu zuletzt VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 46 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 103 = BVerfGE 120, 82 [104]) verlangt, dass jeder Partei grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Verteilung der Sitze eingeräumt werden. Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 104 = BVerfGE 120, 82 [105]; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 48; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.07.2020 - 88/20 -, juris Rn. 64). Deshalb muss in diesem Bereich – ebenso wie bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler – Gleichheit in einem strikten und formalen Sinn verstanden werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 60 = NVwZ 2018, 648 [651] m.w.N.; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 48; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.07.2020 - 88/20 -, juris Rn. 67 m.w.N.). Wenn die öffentliche Gewalt in den Parteienwettbewerb in einer Weise eingreift, die die Chancen der politischen Parteien verändern kann, sind ihrem Ermessen daher besonders enge Grenzen gezogen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 60 = NVwZ 2018, 648 [651] m.w.N.; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 48 m.w.N.; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1981 - GR 1/80 -, ESVGH 31, 81 [84 f.]). |
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| Der Grundsatz der Chancengleichheit findet auch für andere Gruppen oder Kandidierende, die mit den politischen Parteien in den Wettbewerb um Wählerstimmen treten, gleichermaßen Anwendung (vgl. zur Chancengleichheit von Wählergruppen bei der Kommunalwahl BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 118 = BVerfGE 120, 82 [104 f.]; vgl. auch BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17.04.2008 - 2 BvL 4/05 -, juris Rn. 49 = BVerfGE 121, 108 [121] m.w.N.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.07.2020 - 88/20 -, juris Rn. 65). Er gilt im gesamten Wahlverfahren, also nicht nur für den Wahlvorgang selbst, sondern auch für die Wahlvorbereitung und die Wahlwerbung (vgl. VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 47 m.w.N.). |
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| Weder der Grundsatz der Wahlgleichheit noch der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber unterliegt jedoch einem absoluten Differenzierungsverbot. Allerdings folgt aus dem formalen Charakter des Grundsatzes der Wahlgleichheit, dass dem Gesetzgeber bei der Ordnung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen bleibt. Es geht um die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts in formal möglichst gleicher Weise (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 03.07.2008 - 2 BvC 1/07 -, juris Rn. 97 = BVerfGE 121, 266 [297]; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 49). |
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| Differenzierungen bedürfen zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten, „zwingenden“ Grundes (stRspr. vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 03.07.2008 - 2 BvC 1/07 -, juris Rn. 98 = BVerfGE 121, 266 [297]; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 49). Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Differenzierung von Verfassungs wegen als zwangsläufig oder notwendig darstellen muss, wie dies etwa in Fällen der Kollision des Grundsatzes der Wahlgleichheit mit den übrigen Wahlrechtsgrundsätzen oder den Grundrechten der Fall sein kann. Differenzierungen im Wahlrecht können auch durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlgleichheit die Waage halten kann (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 03.07.2008 - 2 BvC 1/07 -, juris Rn. 98 = BVerfGE 121, 266 [297]; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.07.2020 - 88/20 - juris Rn. 68). Es genügen in diesem Zusammenhang auch „zureichende“, „aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volksvertretung sich ergebende Gründe“. Hierzu zählt insbesondere die Verwirklichung der mit der Wahl verfolgten Ziele. Dazu gehören die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes und die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung (vgl. dazu insgesamt BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 03.07.2008 - 2 BvC 1/07 -, juris Rn. 98 = BVerfGE 121, 266 [297] m.w.N.; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 49). Der Gesetzgeber hat bei der Festlegung und konkreten Ausgestaltung des Wahlsystems den verschiedenen auf die Ziele der Wahl bezogenen verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen und die gegebenenfalls kollidierenden Ziele in Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 25.07.2012 - 2 BvE 9/11 -, juris Rn. 55 = BVerfGE 131, 316 [335]; vgl. auch Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 109 = BVerfGE 121, 266 [297]; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 50). |
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| Differenzierende Regelungen müssen danach zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet und erforderlich sein. Ihr erlaubtes Ausmaß richtet sich auch danach, mit welcher Intensität in das – gleiche – Wahlrecht eingegriffen wird. Ebenso können gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden. Der Gesetzgeber muss sich bei seiner Einschätzung und Bewertung nicht an abstrakt konstruierten Fallgestaltungen, sondern an der politischen Wirklichkeit orientieren. Gegen die Grundsätze der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien wird verstoßen, wenn der Gesetzgeber mit der Regelung ein Ziel verfolgt hat, das er bei der Ausgestaltung des Wahlrechts nicht verfolgen darf, oder wenn die Regelung nicht geeignet und erforderlich ist, um die mit der jeweiligen Wahl verfolgten Ziele zu erreichen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 110 = BVerfGE 121, 266 [298] m.w.N.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.07.2020 - 88/20 - juris, Rn. 69). |
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| b) Diesen Spielraum, den ihm das Grundgesetz und die Landesverfassung bei der konkreten Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts einräumen, hat der Wahlgesetzgeber in Baden-Württemberg mit Schaffung der hier mittelbar angegriffenen Vorschriften der Gemeindeordnung und des Kommunalwahlgesetzes in verfassungskonformer Weise ausgeschöpft. |
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| Die vom Kläger vor dem Hintergrund der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Wahlbewerber als gleichheitswidrig gerügte Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen bereits bei der Stimmabgabe und die daraus für Einzelbewerber und kleinere Listen folgende geringere Chance, einen Sitz in dem gewählten Vertretungsorgan zu erringen, ergeben sich aus dem in Baden-Württemberg herrschenden Wahlsystem, welches Elemente der Verhältniswahl mit denen der Personenwahl vereint (aa). In diesem Mischsystem ist die Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen bei der Stimmabgabe angelegt und eine damit – möglicherweise – einhergehende Einschränkung der Wahlrechts- und Chancengleichheit aufgrund der vom Gesetzgeber getroffenen Abwägung zwischen den verschiedenen mit der Wahl der kommunalen Kollegialorgane in Baden-Württemberg verfolgten Zielen jedenfalls gerechtfertigt (bb). Auch der vom Kläger weiter als ungerechtfertigte Benachteiligung von Einzelbewerbern gegenüber Listenkandidaten gerügte Umstand, dass es aufgrund der Regelungen über die Verteilung der Sitze auf die Wahlvorschläge nach dem Verhältnis der ihnen zufallenden Gesamtstimmenzahlen dazu kommen kann, dass ein Listenkandidat, der weniger Stimmen auf sich persönlich vereinigt als ein Einzelbewerber, aufgrund der für die Liste insgesamt abgegebenen Stimmen in den Gemeinderat einzieht, während der Einzelbewerber an der sogenannten „faktischen“ Sperrwirkung scheitert, ist vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der Wahlrechts- und Chancengleichheit gerechtfertigt (cc). |
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| aa) Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg sieht eine personalisierte Verhältniswahl vor. Die bei der Verhältniswahl in ihrer reinen Form erfolgende Abstimmung auf der Grundlage von Wahlvorschlägen, die von politischen Parteien, sonstigen Wählervereinigungen oder auch Einzelbewerbern aufgestellt werden können und zur Wahl zuzulassen sind, wenn sie das erforderliche Unterschriftenquorum erreichen (§ 26 Abs. 2 Satz 1 GemO i.V.m. § 8 KomWG), wird in diesem System zugunsten starker personaler Elemente abgewandelt (vgl. dazu allgemein etwa Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Auflage 2014, § 19 Rn. 59 ff.). Das System der sogenannten „freien“ Listen in der Ausgestaltung, die es im baden-württembergischen Kommunalrecht gefunden hat, erlaubt es dem Wähler, Bewerber von anderen Wahlvorschlägen zu übernehmen (Panaschieren) und einem Bewerber bis zu drei Stimmen zu geben (Kumulieren). Anders als bei einer reinen Verhältniswahl können die Wahlberechtigten bei der Kommunalwahl in Baden-Württemberg ihre Stimme(n) daher nicht nur für die eine oder die andere Liste abgeben, wie dies bei der Verhältniswahl nach „starren“ Listen der Fall ist. Der Wähler hat damit nicht nur die Möglichkeit, für die Vertretung seiner – in einem Wahlvorschlag zum Ausdruck kommenden – präferierten kommunalpolitischen Richtung im Gemeinderat zu stimmen, sondern auch auf dessen personelle Zusammensetzung Einfluss zu nehmen. Er hat so die Chance, sich bei der Wahl weitgehend seinen Vorstellungen entsprechend zu verhalten und dabei nach seinen persönlichen Präferenzen zu differenzieren (vgl. etwa v. Rotberg, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, VBlBW 1984, S. 297 [299]). Um den Wahlberechtigten diese im Vergleich zu einer reinen Listenwahl sehr weitgehende Wahlfreiheit zu ermöglichen, ist es erforderlich, die Wahlberechtigten mit mehr als nur einer Stimme auszustatten. Denn nur dann kann der Wähler auch seine personellen Präferenzen für den Gemeinderat „sitzgenau“ in den Wahlprozess einbringen. Entsprechend sieht § 26 Abs. 2 Satz 3 GemO vor, dass jeder Wahlberechtigte so viele Stimmen hat, wie Gemeinderäte zu wählen sind. |
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| Die vom Kläger als gleichheitswidrige strukturelle Benachteiligung von Einzelbewerberlisten gegenüber vollständigen Wahlvorschlägen gerügte Folge dieser Kombination von Verhältniswahl und Personenwahl, nämlich, dass die Chancen für eine Einzelbewerberliste, in den Gemeinderat einzuziehen, geringer sind, als für eine vollständige Liste, ist in diesem System strukturell angelegt. Sie entsteht bei der Stimmabgabe durch das Zusammenspiel der hohen Zahl an insgesamt zu vergebenden Stimmen, die einem Wahlberechtigten aufgrund der Koppelung der Stimmenzahl an die zu wählenden Gemeinderäte nach § 26 Abs. 2 Satz 3 GemO zustehen, und der Begrenzung der auf einen Kandidaten anhäufbaren Stimmen auf drei, unabhängig von dessen Listenzugehörigkeit. Unter dem Blickwinkel eines Verhältniswahlsystems auf der Grundlage von Wahlvorschlägen kommt es zu einer Differenzierung hinsichtlich der Höchstzahl der Stimmen, die ein Wahlberechtigter an die Wahlvorschläge jeweils vergeben kann. |
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| Auf der Ebene der Stimmabgabe werden Einzelbewerber – wie der Kläger – und deren Wahlvorschläge im System der personalisierten Verhältniswahl nur insoweit gleichbehandelt als die einzelnen Kandidaten unabhängig von ihrer Listenzugehörigkeit in den Blick genommen werden. Der Wähler kann dem Einzelbewerber – ebenso wie jedem anderen Kandidaten – höchstens drei seiner Stimmen geben. Der Einzelbewerber kann – ebenso wie jeder andere Kandidat – auf sich persönlich höchstens drei Stimmen eines jeden Wählers vereinigen. Werden jedoch – wie einem reinen Verhältniswahlsystem entsprechend – die Wahlvorschläge als maßgebliche Vergleichsobjekte herangezogen, tritt die Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen zutage. Denn während der Wähler für einen vollständigen Wahlvorschlag (§ 26 Abs. 4 Satz 1 GemO) seine gesamten Stimmen abgeben kann, kann er für unvollständige Wahlvorschläge gegebenenfalls nur einen Teil seiner Stimmen abgeben, nämlich – aufgrund der zulässigen Stimmenhäufung – höchstens dreimal so viele wie Bewerber auf der jeweiligen Liste aufgeführt sind. |
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| Der Landesgesetzgeber hat sich bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts damit gegen eine reine Verhältniswahl entschieden und die Wahlvorschläge nicht zum alleinigen Zuordnungsobjekt der Wählerstimmen gemacht. Die vom Gesetzgeber gewählte Verbindung von Verhältniswahl und Personenwahl nimmt das reine Listensystem zugunsten der Persönlichkeitswahl partiell zurück. Sind – wie bei der Gemeinderatswahl der Beigeladenen – achtzehn Gemeinderäte zu wählen, führt dies dazu, dass eine Einzelbewerberliste bei der Stimmabgabe nur ein Sechstel der einem Wahlberechtigten zustehenden Stimmen erhalten kann. Die Chancen dieser Liste – auf die es aufgrund der Verteilung der Sitze anhand der auf eine Liste und nicht auf einen einzelnen Kandidaten entfallenden Stimmen nach § 25 Abs. 1 KomWG zunächst allein ankommt –, so viele Stimmen auf sich zu vereinigen, wie es für die Erlangung eines Sitzes bei der Oberverteilung erforderlich ist, ist daher von vornherein geringer als die Chance einer vollständigen Liste. |
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| bb) Ob diese – bereits bei der Stimmabgabe ansetzende und allein im Verhältnis der Listen zueinander bestehende – Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen bei der Stimmabgabe tatsächlich eine Beschränkung der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber bedeutet, oder sich nicht vielmehr – folgerichtig – aus dem System der personalisierten Verhältniswahl und der Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV entsprechenden Zurücknahme der Grundsätze der Verhältniswahl zugunsten anderer Wahlziele ergibt, kann vorliegend dahinstehen. Denn diese Differenzierung zwischen den zugelassenen Wahlvorschlägen anhand ihrer Besetzung ist an dem verfassungsrechtlichen Maßstab der Wahlrechts- und Chancengleichheit gemessen jedenfalls gerechtfertigt. |
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| Im System der personalisierten Verhältniswahl, welches im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerade kein reines Verhältniswahlsystem darstellt, dürfte es folgerichtig sein, dass die Stimmabgabe (aus der Perspektive des Wählers und damit der Wahlgleichheit) und der Stimmengewinn (aus der Perspektive des Wahlbewerbers und damit der Chancengleichheit) nicht nur an die Liste, sondern (auch) an den einzelnen Wahlbewerber geknüpft ist. Denn das Wahlsystem ist gerade darauf angelegt, dass der Wähler dergestalt auf das Wahlergebnis Einfluss nehmen kann, dass sich dieser Einfluss nicht auf die Wahl einer in einer „starren“ Liste zum Ausdruck kommenden (kommunal-)politischen Richtung beschränkt, sondern auch die personelle Besetzung des Gemeinderats mit der Möglichkeit, tatsächlich jeden einzelnen Gemeinderatssitz zu vergeben, umfasst. Das Wahlsystem zielt darauf ab, dem Wähler bei der Stimmabgabe auch in personeller Hinsicht eine größtmögliche Freiheit einzuräumen. |
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| Mit dieser Zielsetzung des baden-württembergischen Kommunalwahlsystems ist eine mögliche Einschränkung der Wahlrechts- und Chancengleichheit durch die Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen aber jedenfalls gerechtfertigt. Denn das Anliegen des Wahlgesetzgebers, den Wahlberechtigten bei der Stimmabgabe eine größtmögliche Freiheit einzuräumen und nicht nur über eine kommunalpolitische Richtung, sondern auch über die personelle Besetzung des gewählten Vertretungsorgans abstimmen zu lassen, dient nicht zuletzt der Schaffung und Gewährleistung einer persönlichen Beziehung und von persönlichem Vertrauen zwischen Wähler und Wahlbewerber und damit der Sicherung des Charakters der Wahl als Integrationsvorgang (vgl. zur Direktwahl der Wahlkreiskandidaten bei der Wahl zum Deutschen Bundestag BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 80 = BVerfGE 95, 335 [358]). |
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| Dass der Wahlgesetzgeber dieses Ziel der größtmöglichen Wahlfreiheit und der Schaffung und Aufrechterhaltung persönlicher Vertrauensbeziehungen zwischen Wählern und Wahlbewerbern bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlsystems verfolgt und mit anderen, gegenläufigen Erwägungen in Ausgleich gebracht hat, lässt sich aus der Entstehungsgeschichte der einschlägigen Vorschriften zur personalisierten Verhältniswahl in Baden-Württemberg erkennen (zur Heranziehung der Entstehungsgeschichte einer Norm vgl. etwa BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 29.01.2019 - 2 BvC 62/14 -, juris Rn. 89 ff. = NJW 2019, 1201 [1210]; VerfG Brandenburg, Urteil vom 23.10.2020 - 9/19 -, juris Rn. 138 m.w.N.; vgl. auch StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160 [163]): |
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| § 26 Abs. 2 GemO, der mit der Kopplung der Anzahl der jedem Wahlberechtigten zukommenden Stimmen an die Zahl der zu wählenden Gemeinderäte, der Zulässigkeit des Panaschierens und Kumulierens sowie der Begrenzung der kumulierbaren Stimmen auf drei die für die vom Kläger gerügte strukturelle Benachteiligung von Einzelbewerbern gegenüber vollständigen Wahlvorschlägen entscheidenden Vorgaben enthält, geht in seinen Ursprüngen auf die württembergische Gemeindeordnung vom 28.05.1906 (Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom 23.08.1906 Nr. 25, S. 323) zurück. Die aktuelle Fassung des § 26 Abs. 2 GemO entspricht im Wesentlichen § 26 Abs. 2 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vom 25.07.1955 (GBl. 1955, Nr. 15, S. 129, lediglich die Begrenzung der für einen Wahlvorschlag aufzustellenden Bewerber ist aktuell nicht mehr in § 26 Abs. 2 GemO, sondern in § 26 Abs. 4 Satz 1 GemO geregelt). Die Fassung der Vorschrift in der baden-württembergischen Gemeindeordnung von 1955 geht ihrerseits auf Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Angleichung und Ergänzung des Kommunalrechts vom 13.07.1953 (GBl. 1953 Nr. 16, S. 97) zurück, auf den in der Entwurfsbegründung zur Gemeindeordnung von 1955 hinsichtlich der Regelungen des § 26 Abs. 2 GemO verwiesen wird (vgl. Landtag von Baden-Württemberg, Beilage 1060 vom 04.12.1954, Beilagenband III, S. 1325 [1376]). Mit dem Gesetz zur Angleichung und Ergänzung des Kommunalrechts wurden die in den damaligen vier Regierungsbezirken Nordwürttemberg, Nordbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern und Südbaden bestehenden Regelungen zum Kommunalwahlrecht zugunsten des auch aktuell noch bestehenden Kommunalwahlsystems in den Grundzügen vereinigt (vgl. Verfassunggebende Landesversammlung Baden-Württemberg, Beilage 852 vom 13.06.1953, Beilagenband II, S. 843 [850]). Das in Nordwürttemberg herrschende Wahlsystem für die Wahl der Gemeinderäte, zu dessen Gunsten die Entscheidung der Verfassunggebenden Landesversammlung ausfiel, entsprach – in den meisten der seit 1906 erlassenen Fassungen der württembergischen Gemeindeordnung – bereits weitgehend dem heutigen. So lautete Art. 78 der württembergischen Gemeindeordnung von 1906 wie folgt: |
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| „Die Wähler können nach Belieben die Namen der von ihnen zu wählenden Personen den verschiedenen öffentlich bekanntgemachten Wahlvorschlägen entnehmen; ebenso können die Wähler Personen wählen, die auf keinem Vorschlag stehen. Auf jedem Stimmzettel dürfen so viele Bewerber benannt sein, als Stellen zu besetzen sind, [...]. Der Wähler darf jedoch innerhalb der zulässigen Gesamtstimmenzahl den von ihm gewählten durch Wiederholung der Namen oder Beifügung von Zahlzeichen bis zu drei Stimmen geben [...].“ |
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| Die in Art. 78 der württembergischen Gemeindeordnung von 1906 erstmals geregelte personalisierte Verhältniswahl entstand mit der Einführung des Verhältniswahlrechts für die Gemeindewahlen im Königreich Württemberg, die durch den Entwurf einer Gemeindeordnung von 1902 (vgl. Württembergische Kammer der Abgeordneten, Beilage 193 vom 31.07.1902, Beilagenband V, S. 1) im damaligen Landtag angestoßen wurde. Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich entnehmen, dass der historische Gesetzgeber dem Verhältniswahlrecht aufgrund der diesem innenwohnenden ausgleichenden Gerechtigkeit durch die verhältnismäßige Vertretung auch von Minderheiten grundsätzlich den Vorzug gegenüber dem vormals bestehenden Mehrheitswahlrecht gab (vgl. Württembergische Kammer der Abgeordneten, Bericht der Kommission für die Gemeinde- und Bezirksordnung, Beilage 372 vom 04.10.1904, Beilagenband IX, S. 151 [177 ff.]; Protokoll der 47. Sitzung vom 26.01.1905 und der 48. Sitzung vom 28.01.1905, Protokollband II, S. 1183 [1197 ff.] und S. 1205 ff.). Entscheidend bei der Einführung des Verhältniswahlrechts war für den historischen Gesetzgeber jedoch weiter, die Wahlen und dabei insbesondere die Entscheidung über die Zusammenstellung der Listen nicht ausschließlich in die Hände der politischen Parteien zu legen, sondern dem Wähler weiterhin eine größtmögliche Freiheit bei der Stimmabgabe zukommen zu lassen. Ein erster Entwurf (Entwurf einer Gemeindeordnung von 1902, vgl. Württembergische Kammer der Abgeordneten, Beilage 193 vom 31.07.1902, Beilagenband V, S. 1), der eine Wahl nach gebundenen Listen mit dem alleinigen Zugeständnis einer Änderung der Reihenfolge der Kandidaten auf der gewählten Liste vorsah, wurde daher als starker Eingriff in die Wahlfreiheit angesehen und zugunsten des Panaschierens und der Möglichkeit, auch Kandidaten zu wählen, die auf keinem Wahlvorschlage genannt wurden (sogenannte „Wilde“), verworfen. Das Bestreben, den Wählern einen weitergehenden Einfluss hinsichtlich der Auswahl der Kandidaten für das zu wählende Kollegialorgan einzuräumen, ist als Ziel des historischen Gesetzgebers – neben der Einführung eines Verhältniswahlsystems an sich – klar zu erkennen (vgl. Württembergische Kammer der Abgeordneten, Bericht der Kommission für die Gemeinde- und Bezirksordnung, Beilage 372 vom 04.10.1904, Beilagenband IX, S. 151 [177 ff.]; Protokoll der 47. Sitzung vom 26.01.1905 und der 48. Sitzung vom 28.01.1905, Protokollband II, S. 1183 [1197 ff.] und S. 1205 ff.). Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich weiter entnehmen, dass bereits der historische Gesetzgeber sich der im vorliegenden Verfahren vom Kläger gerügten Unterschiede zwischen vollständigen Wahlvorschlägen und Einzelbewerbern bei der Stimmabgabe und den sich daraus ergebenden geringen Wahlchancen für letztere bewusst war, sich aber dennoch für die Einführung des Verhältniswahlsystems entschieden hat, wobei auch auf die (ebenfalls) geringen Chancen eines Wahlerfolgs von Einzelbewerbern im vorhergehenden Wahlsystem hingewiesen wurde (vgl. Württembergische Kammer der Abgeordneten, Bericht der Kommission für die Gemeinde- und Bezirksordnung, Beilage 372 vom 04.10.1904, Beilagenband IX, S. 151 [180 f.]; Protokoll der 47. Sitzung vom 26.01.1905 und der 48. Sitzung vom 28.01.1905, Protokollband II, S. 1183 ff. [dort etwa 1202] und S. 1205 [dort etwa 1208, 1219, 1221]). |
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| Vor Erlass der Gemeindeordnung von 1955, deren § 26 Abs. 2 der heutigen Fassung der Vorschrift im Wesentlichen entspricht, war die grundsätzliche Ausgestaltung des Wahlsystems als personalisierte Verhältniswahl soweit ersichtlich nicht wieder Gegenstand der Debatte im Landtag beziehungsweise der Verfassunggebenden Landesversammlung (vgl. etwa das Protokoll über die 40. Sitzung der Verfassunggebende Landesversammlung vom 17.06.1953 zum Entwurf des Gesetzes zur Angleichung und Ergänzung des Kommunalrechts, Protokollband II, S. 1755 [1758 ff.]), in welcher lediglich die in Württemberg und Nordbaden bewährte Tradition des Kumulierens und Panaschierens hervorgehoben wurde [vgl. dazu S. 1761 und S. 1765]; vgl. zu dem soweit ersichtlich allein streitigen Punkt der Zulässigkeit von Listenverbindungen das Protokoll über die 45. Sitzung vom 01.07.1953, Protokollband III, S. 2021 [2056 ff.]). Der Abschwächung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Ausgestaltung der Wahl als Verhältniswahl, die unter anderem deswegen erfolgte, um Zweifeln hinsichtlich der Vereinbarkeit der Verhältniswahl in ihrer Reinform und der Zulässigkeit des Panaschierens zu begegnen (vgl. dazu bereits oben unter II.2.a)), dürfte sich entnehmen lassen, dass auch die Verfassunggebende Landesversammlung das System der personalisierten Verhältniswahl und die damit einhergehende Abwägung zwischen der Ausgestaltung des Wahlsystems als reiner Verhältniswahl und der Gewährung größtmöglicher Freiheit für die Wähler in ihren gesetzgeberischen Willen aufgenommen hat. |
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| Um das angestrebte Ziel der größtmöglichen Wahlfreiheit und der Personenwahl zu erreichen, ist die Ausgestaltung des Wahlsystems als personalisierte Verhältniswahl mit der Kopplung der jedem Wahlberechtigten zustehenden Zahl an Stimmen an die Zahl der zu vergebenden Sitze auch erforderlich. Denn die Ausstattung der Wahlberechtigten mit jeweils nur einer oder zwei Stimmen, die an die – dann starren – Listen zu vergeben wären, lässt eine „sitzgenaue“ Verteilung der Wählerstimmen und die Auswahl hinsichtlich der im Gemeinderat vertretenen Personen nicht zu. Die gegenläufige und vom Kläger wohl angestrebte Möglichkeit für die Wahlberechtigten, alle – hier achtzehn – Stimmen an eine Einzelbewerberliste vergeben zu können, steht indes im Widerspruch zu dem vom Wahlgesetzgeber verfolgten Ziel, welches gerade in der Verbindung der Verhältnis- mit der Personenwahl besteht. Denn mit einer Zulassung der Kumulationsmöglichkeit aller einer wahlberechtigten Person zustehenden Stimmen auf einen Wahlbewerber unabhängig von dessen Listenzugehörigkeit würden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich das grundsätzlich als Verhältniswahl nach Listen eingeführte Wahlsystem in Richtung eines Mehrheitswahlsystems nach Personen entwickelte. Insofern stellt bereits die Kumulationsmöglichkeit von drei Stimmen auf einen Bewerber ein Zugeständnis an Einzelbewerber dar, da es gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Vergabe bloß einer Stimme an jeden Wahlbewerber eine künstliche Stärkung von Minderheiten mit sich bringt (vgl. so bereits Württembergische Kammer der Abgeordneten, Protokoll der 48. Sitzung vom 28.01.1905, Protokollband II, S. 1205 [1207]). Im Übrigen beschränkt sich die Prüfung der Kammer auf die Verfassungsmäßigkeit des geltenden Kommunalwahlrechts. Zu einer Entscheidung darüber, ob eine gesetzliche Regelung in der vom Kläger befürworteten Richtung, die mit einer Systemveränderung des Kommunalwahlrechts hin zu einem Mehrheitswahlrecht einhergehen dürfte, oder eine sonstige Regelung zur Stärkung von Einzelbewerbern gegenüber vollständigen Wahlvorschlägen rechtspolitisch wünschenswert, systemgerecht und ihrerseits verfassungsmäßig wäre, ist die Kammer nicht berufen (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 28). |
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| Für die Rechtfertigung eines unterstellten Eingriffs in die Wahlrechtsgleichheit fällt weiter ins Gewicht, dass ein solcher Eingriff jedenfalls vergleichsweise gering ausfällt. Denn die Erfolgswertgleichheit der Stimmen ist auch in diesem System insofern gewahrt als alle abgegebenen Stimmen eines Wahlberechtigten sich in gleicher Weise wie alle anderen Stimmen aller anderen Wahlberechtigten auf die Zusammensetzung des Vertretungsorgans auswirken. Die im Wahlsystem der personalisierten Verhältniswahl vorgenommene Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen lässt sich daher nicht mit den Fällen einer Sperrklausel vergleichen, bei welcher die Stimmen, die für einen Wahlvorschlag abgegeben werden, der an der Sperrklausel scheitert, keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Vertretungsorgans nehmen und damit verloren sind (vgl. zur Sperrklausel im Kommunalwahlrecht BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 - juris = BVerfGE 120, 82). Der Wähler, der im System der personalisierten Verhältniswahl (auch) für einen Einzelbewerber wie den Kläger stimmen möchte, kann – abgesehen von der durch die faktische Sperrwirkung erzeugten Beschränkung (dazu sogleich) – mit allen seinen Stimmen Einfluss auf die Zusammensetzung des Gemeinderats nehmen. Auch die Tatsache, dass der Wähler, der alle ihm zustehenden – hier achtzehn – Stimmen verteilen möchte, einer anderen Liste als der des Einzelbewerbers mehr Stimmen geben muss, dürfte den Erfolgswert der abgegebenen Stimmen nicht mindern. Denn die Abgabe von Stimmen auch an andere Wahlvorschläge wirkt sich weder erwartungswidrig noch widersinnig auf den Stimmerfolg aus. Weder besteht die Möglichkeit, dass der Einzelbewerber durch die an ihn vergebenen Stimmen Sitze verliert, noch kann der Einzelbewerber durch die Stimmabgabe an andere Wahlvorschläge eine größere Zahl an Sitzen erringen (so aber der Wirkungszusammenhang beim gleichheitswidrigen Effekt des negativen Stimmgewichts, vgl. dazu BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 25.07.2012 - 2 BvE 9/11 -, juris Rn. 85 = BVerfGE 131, 316 [346 ff.]). Vielmehr schlägt sich die Verteilung der Gesamtzahl der einem einzelnen Wahlberechtigten zustehenden Stimmen genau so auf die Sitzverteilung nieder, wie sie vom Wähler beabsichtigt ist. Der Wähler ist im System der personalisierten Verhältniswahl lediglich daran gehindert, die Gesamtzahl der ihm zustehenden Stimmen an eine Liste zu vergeben, die nicht über die Kandidatenzahl verfügt, die zur Besetzung wenigstens eines Drittels des Gemeinderats erforderlich sind. |
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| Vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber fällt für die Rechtfertigung eines etwaigen Eingriffs durch die Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen bei der Stimmabgabe weiter ins Gewicht, dass der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber nicht verlangt, dass der Gesetzgeber vorhandene Unterschiede zwischen diesen beseitigt, sondern ihnen lediglich die gleichen Möglichkeiten im Wahlprozess einräumt (vgl. VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 47 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 103 = BVerfGE 120, 82 [104]; Beschluss des Zweiten Senats vom 30.05.1962 - 2 BvR 158/62 -, juris Rn. 37 = BVerfGE 14, 121 [134]). Auch aus diesem Grund dürften Einzelbewerber daher auf der Grundlage des Grundsatzes der Chancengleichheit bereits nicht verlangen können – wie dies wohl das Bestreben des Klägers ist – bei der Stimmabgabe wie eine vollständige Liste behandelt zu werden. Denn die Möglichkeit, weitere Kandidaten für seine Liste zu mobilisieren und einen vollständigen Wahlvorschlag einzureichen und damit auch bei der Stimmabgabe den anderen Listen gleichgestellt zu werden, besteht für den Einzelbewerber wie für jeden anderen Kandidaten. Ebenso besteht für jeden Einzelbewerber die Möglichkeit, sich um Aufnahme auf einen bereits vorhandenen oder im Entstehen begriffenen Wahlvorschlag zu bemühen. |
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| Neben der größtmöglichen Wahlfreiheit und der Personalisierung der Wahl, die dem Wähler mit dem baden-württembergischen Kommunalwahlsystem ermöglicht wird, und die den historischen Gesetzgeber zu dieser Ausgestaltung des Wahlsystems veranlasst haben, trägt eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Wahlvorschlägen anhand ihrer Besetzung auch dem Umstand Rechnung, dass eine Partei oder Wählervereinigung, für deren Wahlvorschlag sich eine größere Anzahl Bewerber hat aufstellen lassen, eine höhere Aggregation des Wählerwillens in der Gemeinde bereits in sich trägt und damit die Integrationsfunktion des Wahlprozesses bereits zu einem gewissen Teil vor dem eigentlichen Wahlvorgang geleistet hat (vgl. zu dieser Bündelungs- und Ausgleichsfunktion politischer Parteien BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 02.03.1977 - 2 BvE 1/76 -, juris Rn. 59 = BVerfGE 44, 125 [154 f.]; VerfG Brandenburg, Urteil vom 23.10.2020 - 9/19 -, juris Rn. 140; zur Berücksichtigungsfähigkeit weiterer rechtfertigender Zielsetzungen, die nicht in der Gesetzesbegründung genannt werden, vgl. ebd. Rn. 138 m.w.N.). |
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| Der Grundgedanke einer solchen Differenzierung zwischen unterschiedlichen Wahlbewerbern anhand ihrer jeweiligen Aggregationsleistung kommt etwa auch bei der Zulassung der Wahlvorschläge durch den Bundeswahlausschuss bei der Wahl zum Deutschen Bundestag nach § 18 BWahlG zum Ausdruck, wo er allerdings nicht nur zu der beschriebenen strukturellen Schmälerung der Wahlchancen von Einzelbewerbern bei der Wahl führt. Denn die Begrenzung des Wahlvorschlagsrechts auf Parteien (und die nach Maßgabe des § 20 BWahlG Vorschlagsberechtigten) hat dort – noch darüber hinausgehend – zum Ziel, solche Vereinigungen, die unter anderem mangels Umfang und Festigkeit ihrer Organisation und mangels hinreichender Mitgliederzahl keine ausreichende Gewähr für ihr ernsthaftes Bestreben bieten, auf die politische Willensbildung der Bürger Einfluss zu nehmen, bereits von der Wahl auszuschließen (vgl. zu Zulässigkeit und Grenzen eines solchen Ausschlusses von Wählervereinigungen schon im Vorfeld einer Wahl BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 23.07.2013 - 2 BvC 4/13 -, juris Rn. 7 = BVerfGE 134, 131 [132 Rn. 7]; Beschluss des Zweiten Senats vom 21.10.1993 - 2 BvC 7/91 -, juris Rn. 14 = BVerfGE 89, 266 [270]). |
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| cc) Stellt sich die – demgegenüber weniger einschneidende – Differenzierung zwischen Einzelbewerbern und vollständigen Wahlvorschlägen im Recht der Kommunalwahl (erst) auf der Ebene der Stimmabgabe und Sitzzuteilung aber am Maßstab der verfassungsrechtlichen Vorgaben jedenfalls als gerechtfertigt dar, geht auch die weitere Rüge des Klägers, das baden-württembergische Wahlsystem führe deswegen zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung von Einzelbewerbern, weil die Zahl der für ihn persönlich abgegebenen Stimmen höher gewesen sei als die des Bewerbers der Parteilosen Wählervereinigung (Liste Nr. 4), der als (stimmenmäßig) letzter Bewerber in den Gemeinderat der Beigeladenen eingezogen ist, ins Leere. Denn die in § 25 Abs. 1 KomWG geregelte Sitzverteilung anhand der Stimmen, die auf eine Liste – und nicht auf einen einzelnen Kandidaten dieser Liste – entfallen sind, entspricht gerade dem Sinn und Zweck der Verhältniswahl und steht damit im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. dazu bereits Württembergische Kammer der Abgeordneten, Protokoll der 48. Sitzung vom 28.01.1905, Protokollband II, S. 1205 [1212]). |
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| Die Beobachtung des Klägers, dass dieselben Stimmen bei einer größeren Partei mit mehreren Kandidaten und einer vollständigen Liste dazu führten, dass die Stimmen nicht nur Auswirkungen auf den konkreten Kandidaten, sondern auch auf die Anzahl der Sitze der Liste habe, in der dieser Kandidat geführt sei, ist daher zutreffend. Anders als der Kläger meint, geschieht diese jedoch nicht „unabhängig vom Willen des Wählers“. Denn die Wähler wählen im System der personalisierten Verhältniswahl gerade nicht (nur) Einzelpersonen, sondern eine politische Richtung oder kommunalpolitische Agenda, für die diese Einzelpersonen gemeinsam mit den anderen auf demselben Wahlvorschlag aufgeführten Personen und gegebenenfalls gemeinsam mit den hinter ihnen stehenden politischen Parteien und Wählervereinigungen stehen. Warum es dem Wählerwillen widersprechen sollte, dass sich eine für einen Kandidaten einer bestimmten (kommunal-)politischen Richtung abgegebene Stimme nicht nur für diesen Kandidaten, sondern auch – und sogar in erster Linie – für die politische Richtung auswirkt, die dieser Kandidat vertritt, leuchtet daher nicht ein. |
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| Grundsätzlich scheint dies auch der Kläger anzuerkennen. Denn auch er trägt vor, dass dem (stimmenmäßig) letzten Bewerber der Einzug in den Gemeinderat nur gelungen sei, weil dieser neben den Stimmen, die direkt auf ihn entfallen seien, auch die Stimmen angerechnet bekommen habe, die auf die beiden weiteren Kandidaten der Liste der Parteilosen Wählervereinigung entfallen seien. Der Kläger nimmt hierbei jedoch nicht hinreichend in den Blick, dass die Wahl zum Gemeinderat nicht (in erster Linie) personenbezogen erfolgt, sondern die Anrechnung aller Stimmen, die für die auf einer Liste aufgeführten Kandidaten persönlich abgegeben wurden, auf deren Liste gerade dem Verhältniswahlsystem nach Listen entspricht. Insofern ist die Beobachtung des Klägers, der Einzelperson komme im Vergleich zur Liste nur eine geringere Bedeutung zu, richtig und im Wahlsystem angelegt. Anders als der Kläger meint, zieht der gewählte Vertreter der Parteilosen Wählervereinigung auf der Grundlage der Sitzverteilung allerdings gerade nicht nur als Einzelperson in den Gemeinderat ein, sondern als Vertreter seiner gesamten Liste und damit als Vertreter eines auf 1.735 Stimmen gestützten Wählerwillens. Im Gegensatz dazu findet die politische Richtung, die der Kläger vertritt, in der Gemeinde der Beigeladenen augenscheinlich weniger Widerhall als die politische Richtung der anderen Wahlvorschläge und insbesondere auch als die der Liste der Parteilosen Wählervereinigung. Die Zahl der für die Liste des Klägers abgegebenen Stimmen zeigt, dass sich nur 1.381 Stimmen eine Vertretung der politischen Richtung des Klägers im Gemeinderat der Beigeladenen gewünscht hätten. Dass die Stimmabgabe im System der personalisierten Verhältniswahl für die Einzelbewerberliste des Klägers von vornherein begrenzt ist, steht, wie oben dargelegt, dem nicht entgegen, sondern vielmehr im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben. |
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| Wenn der Kläger weiter vorträgt, es wäre ihm (als Spitzenkandidaten seiner Liste) gelungen, in den Gemeinderat einzuziehen, wenn er noch zwei Kandidaten auf seine Liste aufgenommen hätte, die ebenfalls einen wenn auch nur geringfügigen Stimmenanteil erhalten hätten, räumt er der Sache nach selbst ein, dass ihm die Mobilisierung weiterer Unterstützer für seine kommunalpolitische Agenda im Gegensatz zu der erfolgreichen Liste der Parteilosen Wählervereinigung nicht gelungen ist. |
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| Vor diesem Hintergrund erscheint es auch zweifelhaft, ob der Kläger bei einer Ausgestaltung des Wahlsystems als Mehrheitswahl tatsächlich in den Gemeinderat eingezogen wäre. Denn die Wähler wählen in dem Bewusstsein eines Verhältniswahlsystems, in dessen Rahmen sie durch die Personalisierung der Wahl einzelnen Kandidaten eine höhere Stimmenzahl zukommen lassen können. Durch das Panaschieren können sie so auch ihre „eigentliche“ Liste durch einzelne Kandidaten einer anderen Liste – wie etwa den Kläger – ergänzen. Dass jedenfalls bei der streitgegenständlichen Gemeinderatswahl der Beigeladenen die Wähler von den ihnen eingeräumten Einflussmöglichkeiten in hohem Maße Gebrauch gemacht haben und – entgegen der vom Kläger geäußerten Vermutung – nur wenige Stimmzettel unverändert abgegeben wurden, lässt sich den der Kammer vorliegenden Wahlunterlagen ohne weiteres entnehmen. Für die klägerische Liste wurde kein einziger (unveränderter) Stimmzettel abgegeben. Aufgrund des nur sehr geringen Anteils ungültiger Stimmzettel bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Wähler – jedenfalls bei der streitgegenständlichen Gemeinderatswahl – mit dem anspruchsvollen Wahlsystem überfordert gewesen wären. Ob die 1.381 Stimmen, die bei der nach diesem System durchgeführten Gemeinderatswahl der Beigeladenen vom 26.05.2019 auf den Wahlvorschlag des Klägers entfallen sind, auch dann auf diesen entfallen wären, wenn sich die Wähler in einem Mehrheitswahlsystem bei der Stimmabgabe zwischen den einzelnen Kandidaten oder in einem reinen Verhältniswahlsystem allein für einen Wahlvorschlag hätten entscheiden müssen, bleibt Spekulation. Auch die Annahme des Klägers, dass es zwangsläufig seine Person gewesen wäre, auf die im Falle einer aus mehreren Bewerber bestehenden Liste Nr. 5 (Knittlingen Aktiv) die meisten Stimmen entfallen wären, ist lediglich hypothetisch. Denn wie sich an den Platzverschiebungen innerhalb der anderen Listen zeigt, sind es nicht unbedingt die Spitzenkandidaten der jeweiligen Wahlvorschläge, die als Einzelpersonen die meisten Stimmen erhalten und damit letztlich als Vertreter ihrer Liste in den Gemeinderat einziehen. So erhielt etwa die Kandidatin auf dem ersten Listenplatz der erfolgreichsten Liste der CDU lediglich die vierzehntmeisten der für ihre Liste abgegebenen Stimmen und blieb bei der Sitzverteilung damit unberücksichtigt, während der auf dem achtzehnten und damit letzten Listenplatz der CDU angetretene Kandidat als (stimmenmäßig) erster Bewerber in den Gemeinderat einzog. Auch bei dem Bewerber der Parteilosen Wählervereinigung, der als (stimmenmäßig) letzter Bewerber in den Gemeinderat der Beigeladenen einzog, handelte es sich nicht um den Spitzenkandidaten dieses Wahlvorschlags. |
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| Soweit der Einzug des Klägers in den Gemeinderat danach letztlich durch den Eintritt der sogenannten „faktischen“ Sperrwirkung verhindert wurde, ist dieser jeder Verhältniswahl innewohnende Effekt ebenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die faktische Sperrwirkung, die entsteht, wenn auf einen Listenvorschlag weniger Stimmen entfallen, als für die Zuteilung eines Sitzes erforderlich ist, ist dem vom Wahlgesetzgeber grundsätzlich gewählten Verhältniswahlsystem immanent. Bei einer nur begrenzten Anzahl zu vergebender Sitze ist es eine logische Folge des gewählten Wahlsystems, dass Wahlvorschläge, auf die weniger Stimmen entfallen als für einen Sitz erforderlich sind, leer ausgehen. Denn da die in der jeweiligen Vertretung vorhandenen Sitze nur ganzzahlig vergeben werden können, ist eine absolute Gleichheit des Erfolgswerts bei keinem Verteilungssystem im Rahmen der Verhältniswahl möglich (vgl. zur Verteilung der Reststimmen BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 03.07.2008 - 2 BvC 1/07 -, juris Rn. 104 = BVerfGE 121, 266 [299 f.]; Beschluss des Zweiten Senats vom 24.11.1988 - 2 BvC 4/88 -, juris Rn. 5 = BVerfGE 79, 169 [170 f.]; Urteil des Zweiten Senats vom 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 111 = BVerfGE 95, 335 [273, abweichendes Votum]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.09.2016 - 15 A 2466/15 -, juris Rn. 16 m.w.N.; LT-Drs. 15/3119, S. 13 [zur Einführung des Höchstzahlverfahrens nach Sainte-Laguë-Schepers]; vgl. auch Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Auflage 2014, § 25 Rn. 2, dort auch der Begriff der „faktischen“ Sperrwirkung). |
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| Da der Gesetzgeber bei verschiedenen in Betracht kommenden Verteilungssystemen eine Wahl zwischen diesen hat, sind die mit dem gewählten Verteilungssystem verbundenen systembedingten Differenzierungen im Erfolgswert grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 24.11.1988 - 2 BvC 4/88 -, juris = BVerfGE 79, 169 [171]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.09.2016 - 15 A 2466/15 -, juris Rn. 16 ff. m.w.N.). Solche systembedingten Differenzierungen entstehen nicht nur für die Listen, deren errungene Stimmen für die Berücksichtigung bei der Sitzverteilung nicht ausreichen, sondern führen auch zu einem unterschiedlichen Erfolgswert der für größere Parteien abgegebenen Stimmen und damit zu einer – ebenfalls systemimmanenten – „Benachteiligung“ größerer Parteien oder Wählervereinigungen, die für die Erlangung eines Sitzes mehr Stimmen erzielen müssen als eine kleinere Wählervereinigung (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.09.2016 - 15 A 2466/15 -, juris Rn. 28). Dies zeigt sich auch bei der Gemeinderatswahl der Beigeladenen, bei welcher die erfolgreichste Liste der CDU 3.405 Stimmen für die Erlangung eines Sitzes erringen musste, während der Parteilosen Wählervereinigung dafür 1.735 Stimmen genügten. Die faktische Sperrwirkung, die – wie hier – zum Ausschluss ganzer Listen führen kann und damit im Ergebnis den Erfolgswert der für diese Listen abgegebenen Stimmen beeinträchtigt, ist damit zu rechtfertigen, die Zahl der Gemeinderatsmitglieder gerade kleinerer Gemeinden im Vergleich zu größeren Gemeinden zu beschränken (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 06.12.1961 durch den gemäß § 91a BVerfGG gebildeten Ausschuss - 2 BvR 399/61 -, juris = BVerfGE 13, 243 [248]; Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Auflage 2014, § 25 Rn. 5). |
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| c) Mit seinem weiteren Vorbringen, der Gemeinderat der Beigeladenen habe in verfassungswidriger Weise auf seine, des Klägers, Erfolgsaussichten bei der Gemeinderatswahl Einfluss genommen, indem er es unterlassen habe, die Zahl der Gemeinderatssitze gemäß § 25 Abs. 2 GemO von achtzehn auf vierzehn Sitze zu reduzieren, ist der Kläger bereits nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG präkludiert (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 46; zur Rechtmäßigkeit der Fristgebundenheit vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.12.1981 - 7 B 132.81 -, juris). Im Übrigen ist auch der Sache nach nicht zu erkennen, dass das (schlichte) Unterlassen der Beigeladenen, von der in § 25 Abs. 2 GemO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Kommunalwahlrecht und dabei insbesondere die Chancengleichheit der Wahlbewerber stünde. Im Gegenteil dürfte sich vielmehr die vom Kläger angestrebte (und sich nach seinem Dafürhalten zu seinen Gunsten auswirkende) – gezielte – Reduzierung der Sitze im Gemeinderat als eine solche von ihm gerade als verfassungswidrig gerügte Einflussnahme auf die Erfolgsaussichten bei der Wahl darstellen. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene, die ein Kostenrisiko durch Unterlassen eines eigenen Antrags vermieden hat, ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Das Gericht macht von der Möglichkeit, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch (§ 167 Abs. 2 VwGO). |
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| Die Berufung gegen dieses Urteil war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. |
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| Die Kammer entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). |
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| Die zulässige Klage ist nicht begründet. |
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| 1. Die Klage ist gemäß § 32 Abs. 1 KomWG als Verpflichtungsklage statthaft (vgl. dazu nur Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Auflage 2014, § 31 Rn. 75) und auch im Übrigen zulässig. Der Kläger ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da er die Verletzung seiner Rechte als Bewerber geltend macht. Deshalb bedurfte es für seinen fristgerechten Einspruch (§ 31 Abs. 1 KomWG) auch nicht des Beitritts weiterer Wahlberechtigter nach § 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, juris Rn. 23). Ein Widerspruchsverfahren war nicht geboten (§ 31 Abs. 3 KomWG). |
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| 2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Einspruchsbescheid des Landratsamts Enzkreis vom 28.06.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, den Beklagten unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 28.06.2019 zu verpflichten, die Gemeinderatswahl der Beigeladenen vom 26.05.2019 für ungültig zu erklären, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. |
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| Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG ist die Wahl unter anderem dann für ungültig zu erklären, wenn wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind. Die Wahlanfechtung lässt sich nur auf solche Gründe stützen, die in der abschließenden Regelung des § 32 Abs. 1 KomWG aufgeführt sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 24). Entgegen der Auffassung des Beklagten kann sie allerdings auch mit der Begründung angefochten werden, dass wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verfassungswidrig seien (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.01.1987 - 1 S 1246/86 -, juris Leitsatz; Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 24). |
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| Der Kläger rügt der Sache nach die Verfassungsmäßigkeit der kommunalwahlrechtlichen Vorschriften über die Stimmabgabe bei der Verhältniswahl nach § 26 Abs. 2 Satz 3 und 4 GemO, § 19 Abs. 2 KomWG sowie die Bestimmungen über die sich an die Stimmabgabe anschließende Verteilung der Sitze zunächst auf die einzelnen Wahlvorschläge nach dem Verhältnis der ihnen zufallenden Gesamtstimmenzahl gemäß § 25 Abs. 1 KomWG (Oberverteilung) und erst dann auf die in den Wahlvorschlägen aufgeführten einzelnen Bewerber gemäß § 26 Abs. 1 KomWG (Unterverteilung). |
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| Nach Auffassung des Klägers führt das mit diesen Vorschriften für die baden-württembergischen Kommunalwahlen festgelegte Wahlsystem der personalisierten Verhältniswahl zu einer gleichheitswidrigen strukturellen Benachteiligung von Einzelbewerbern gegenüber „vollständigen“ Wahlvorschlägen, das heißt Wahlvorschlägen, die so viele Bewerber enthalten, wie Gemeinderäte zu wählen sind (§ 26 Abs. 4 Satz 1 GemO). Diese strukturelle Benachteiligung ergebe sich daraus, dass der Wähler einer Einzelbewerberliste lediglich höchstens drei Stimmen geben könne, während er einem vollständigen Wahlvorschlag die Gesamtzahl der ihm – in Abhängigkeit von der Zahl der zu wählenden Gemeinderäte (§ 26 Abs. 2 Satz 3 GemO) – zustehenden Stimmen (hier achtzehn) zukommen lassen könne. Die Chancen, in den Gemeinderat einzuziehen, seien für einen Einzelbewerber beziehungsweise dessen Liste daher von vornherein viel geringer als für einen vollständigen Wahlvorschlag. Eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Einzelbewerbern im System der personalisierten Verhältniswahl sei weiter darin zu erkennen, dass einem Einzelbewerber auch dann der Einzug in den Gemeinderat verwehrt sein könne, wenn auf ihn persönlich mehr Stimmen entfielen als auf einen Listenkandidaten, dem (lediglich) aufgrund der höheren Zahl der auf dessen Liste entfallenen Stimmen der Einzug in den Gemeinderat gelinge. |
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| Die einschlägigen Vorschriften der Gemeindeordnung und des Kommunalwahlgesetzes, die für die Kommunalwahl in Baden-Württemberg das System der personalisierten Verhältniswahl vorschreiben, sind jedoch mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben sowohl des Grundgesetzes als auch der Landesverfassung vereinbar. Die konkrete Ausgestaltung des Kommunalwahlsystems in Baden-Württemberg als personalisierte Verhältniswahl und die sich aus diesem System ergebenden Folgen für die Wahlchancen von Einzelbewerbern verletzen weder den Grundsatz der Gleichheit der Wahl noch den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien, Wählervereinigungen und sonstigen Kandidaten. |
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| Zwar kommt es bei der in Baden-Württemberg vorgesehenen Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts als personalisierte Verhältniswahl auf der Ebene der Stimmabgabe zu einer Differenzierung zwischen vollständigen Wahlvorschlägen und Einzelbewerberlisten beziehungsweise – genauer – zu einer Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen. Ebenso kann in diesem Wahlsystem strukturbedingt der – auch hier gegebene – Fall eintreten, dass ein Listenkandidat, der auf sich persönlich eine geringere Zahl an Stimmen vereinigt als ein Einzelbewerber, aufgrund der auf den Wahlvorschlag des Listenkandidaten insgesamt entfallenden Stimmen einen Gemeinderatssitz erlangt, während der Einzelbewerber, dessen Wahlvorschlag eine geringere Stimmzahl errungen hat als der Wahlvorschlag des Listenkandidaten, an der sogenannten „faktischen“ Sperrwirkung scheitert und nicht in den Gemeinderat einzieht. Sowohl die Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen als auch der Umstand, dass ein Listenkandidat mit einer geringeren Anzahl auf ihn persönlich entfallender Stimmen als ein Einzelbewerber in den Gemeinderat einziehen kann, sind im baden-württembergischen Kommunalwahlsystem jedoch strukturell angelegt und vor dem maßgeblichen verfassungsrechtlichen Hintergrund der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber (dazu unter a) jedenfalls gerechtfertigt (dazu unter b). Mit seinem weiteren Vorbringen, der Gemeinderat der Beigeladenen habe dadurch gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben verstoßen, dass er von der ihm nach § 25 Abs. 2 GemO eingeräumten Möglichkeit, die Zahl der Gemeinderatssitze von achtzehn auf vierzehn zu reduzieren, keinen Gebrauch gemacht habe, ist der Kläger nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG präkludiert. Im Übrigen dringt er mit diesem Vorbringen aber auch in der Sache nicht durch (dazu unter c). |
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| a) Dem Landesgesetzgeber kommt bei der Ausgestaltung des Wahlsystems für die Kommunalwahlen ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Weder das Grundgesetz noch die Landesverfassung schreiben dem Wahlgesetzgeber ein bestimmtes Wahlsystem vor. |
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| Zunächst wird den Ländern mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, nach dem das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben muss, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist, gerade kein verbindliches Wahlsystem vorgegeben. Die Länder können daher bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts sowohl ein reines Mehrheitswahlrecht, ein reines Verhältniswahlrecht oder eine Kombination beider Systeme einführen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 23.01.1957 - 2 BvF 3/56 -, juris Rn. 30 = BVerfGE 6, 104 [111]; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160 [163]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.09.2016 - 15 A 2466/15 -, juris Rn. 14; Pautsch, in: Haug, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1. Auflage 2018, Art. 72 Rn. 23; Aker, in: Aker/Hafner/Notheis, Gemeindeordnung und Gemeindehaushaltsordnung Baden-Württemberg, 1. Auflage 2013, § 26 Rn. 8). Der Landesgesetzgeber ist durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG insbesondere nicht gehalten, das Verhältniswahlrecht rein oder nur in abgewandelter Form einzuführen (vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160 [163]). |
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| Eine Vorentscheidung zugunsten des reinen Verhältniswahlrechts wird auch durch die Landesverfassung nicht getroffen. Zwar wird mit Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV verfassungsrechtlich vorgeschrieben, dass die Wahl in der Gemeinde bei Einreichung von mehr als einer gültigen Wahlvorschlagsliste unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältniswahl zu erfolgen hat. Damit wird dem Wahlgesetzgeber aber – im Gegensatz zur einer früheren Entwurfsfassung der Vorschrift – nicht einmal die Beachtung der Grundsätze der Verhältniswahl bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts verbindlich vorgegeben, sondern lediglich deren „Berücksichtigung“. Mit der aktuellen Fassung ist die für die Gemeinderatswahlen einschlägige verfassungsrechtliche Vorgabe im Vergleich zu einer früheren Entwurfsfassung, die „nach den Grundsätzen der Verhältniswahl“ lautete, und im Vergleich zu Art. 28 Abs. 1 LV, der für die Landtagswahlen ein Verfahren vorschreibt, dass „die Persönlichkeitswahl mit den Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet“, schon ihrem Wortlaut nach die schwächere. Mit der Vorgabe des Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV, dass die Wahl (lediglich) unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältniswahl zu erfolgen hat, sind die landesverfassungsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Gemeinderatswahlen als Verhältniswahl damit zurückgenommen und zugunsten anderer Wahlziele offener (vgl. grundlegend StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160 [162] zur unechten Teilortswahl; dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 27; vgl. ferner Aker, in: Aker/Hafner/Notheis, Gemeindeordnung und Gemeindehaushaltsordnung Baden-Württemberg, 1. Auflage 2013, § 26 Rn. 8). Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt sich weiter erkennen, dass die Verfassunggebende Landesversammlung Baden-Württemberg mit dieser abgeschwächten Formulierung des Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV etwaigen Bedenken Rechnung tragen wollte, ob die Einteilung eines Wahlgebiets in Wahlkreise, die Einrichtung der Teilortswahlen und das Panaschieren mit den Grundsätzen der Verhältniswahl vereinbar sind (vgl. StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160 [163] unter Berufung auf die Protokolle des Verfassungsausschusses der Verfassunggebenden Landesversammlung Baden-Württemberg; vgl. auch die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung und Ergänzung des Kommunalrechts, Verfassunggebende Landesversammlung Baden-Württemberg, Beilage 852 vom 13.06.1953, Beilagenband II, S. 843 [850]). |
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| Der weite Entscheidungsspielraum, den Grundgesetz und Landesverfassung dem Wahlgesetzgeber bei der Gestaltung des Wahlrechts einräumen, ist aber nicht unbeschränkt. Bei jeder Gestaltung des Wahlrechts ist der Gesetzgeber an den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit sowie die weiteren Wahlrechtsgrundsätze gebunden (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 23.01.1957 - 2 BvF 3/56 -, juris Rn. 30 = BVerfGE 6, 104 [111]). Der Gesetzgeber ist vor dem Hintergrund der Wahlrechtsgleichheit verpflichtet, das ausgewählte Wahlsystem ungeachtet verschiedener Ausgestaltungsmöglichkeiten in seinen Grundelementen folgerichtig zu gestalten und keine strukturwidrigen Elemente einzuführen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 100 = BVerfGE 120, 82 [103 f.]). Er ist bei der Gestaltung des Wahlrechts gehalten, die Gleichheit der Wahl innerhalb des jeweiligen Wahlsystems zu wahren. Er muss, wenn er sich für ein Wahlsystem entschieden hat, die im Rahmen des jeweiligen Systems geltenden Maßstäbe der Wahlgleichheit beachten (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 101 = BVerfGE 120, 82 [104]; Urteil des Zweiten Senats vom 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 69 = BVerfGE 95, 335 [354]). |
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| Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl hat unter dem Grundgesetz und unter der Landesverfassung die gleiche Bedeutung und den gleichen Inhalt (vgl. allgemein zur Identität der Wahlrechtsgrundsätze auf Bundes- und Landesebene BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 95 = BVerfGE 120, 82 [102], m.w.N.; vgl. auch Pautsch, in: Haug, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1. Auflage 2018, Art. 72 Rn. 4 und 9 ff.). Er sichert die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Bürger (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 59 = NVwZ 2018, 648 [651]; Urteil des Zweiten Senats vom 26.02.2014 - 2 BvE 2/13 -, juris Rn. 46 = BVerfGE 135, 259 [284 Rn. 44], jeweils m.w.N) und ist eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 09.11.2011 - 2 BvC 4/10 -, juris Rn. 78 = BVerfGE 129, 300 [317]; Urteil des Zweiten Senats vom 02.11.1960 - 2 BvR 504/60 -, juris Rn. 28 = BVerfGE 11, 351 [360]). Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gebietet, dass alle Wahlberechtigten das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können, und ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 59 = NVwZ 2018, 648 [651]; Beschluss des Zweiten Senats vom 22.05.1979 - 2 BvR 193/79 -, juris Rn. 50 = BVerfGE 51, 222 [234]). Aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit folgt für das Wahlgesetz, dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss. Alle Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 09.11.2011 - 2 BvC 4/10 -, juris Rn. 78 = BVerfGE 129, 300 [317 f.]). Da bei der Verhältniswahl die Repräsentation dadurch bewirkt wird, dass die Parteien ihre Kandidaten und Programme den Wahlberechtigten vorstellen und die Wähler mit der Wahl einer Liste die Entscheidung für eine parteipolitische Richtung treffen, soll jeder Wähler mit seiner Stimme den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 63 = BVerfGE 95, 335 [352]; vgl. auch Hamburgisches VerfG, Urteil vom 27.04.2007 - 4/06 -, juris Rn. 124; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 26). Ziel des Verhältniswahlsystems ist es, dass alle Parteien in einem möglichst den Stimmenzahlen angenäherten Verhältnis in dem zu wählenden Organ vertreten sind. Die Verhältniswahl in strikter Ausprägung macht das gewählte Vertretungsorgan zum getreuen Spiegelbild der parteipolitischen – beziehungsweise auf kommunaler Ebene auch der sonstigen – Gruppierung der Wählerschaft, in dem jede politische Richtung in der Stärke vertreten ist, die dem Gesamtanteil der für sie abgegebenen Stimmen entspricht (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 59 = NVwZ 2018, 648 [651]; Urteil des Zweiten Senats vom 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 63 = BVerfGE 95, 335 [352], jeweils m.w.N.). Zur Zählwert- und Erfolgschancengleichheit tritt im Verhältniswahlrecht die Erfolgswertgleichheit hinzu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 59 = NVwZ 2018, 648 [651]; Urteil des Zweiten Senats vom 09.11.2011 - 2 BvC 4/10 -, juris Rn. 79 = BVerfGE 129, 300 [318]; Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 99 = BVerfGE 120, 82 [103]). |
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| Der auf Landesebene aus Art. 26 Abs. 4, Art. 27 Abs. 3 LV i.V.m. Art. 21 Abs. 1 GG abzuleitende Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien (vgl. dazu zuletzt VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 46 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 103 = BVerfGE 120, 82 [104]) verlangt, dass jeder Partei grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Verteilung der Sitze eingeräumt werden. Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 104 = BVerfGE 120, 82 [105]; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 48; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.07.2020 - 88/20 -, juris Rn. 64). Deshalb muss in diesem Bereich – ebenso wie bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler – Gleichheit in einem strikten und formalen Sinn verstanden werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 60 = NVwZ 2018, 648 [651] m.w.N.; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 48; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.07.2020 - 88/20 -, juris Rn. 67 m.w.N.). Wenn die öffentliche Gewalt in den Parteienwettbewerb in einer Weise eingreift, die die Chancen der politischen Parteien verändern kann, sind ihrem Ermessen daher besonders enge Grenzen gezogen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19.09.2017 - 2 BvC 46/14 -, juris Rn. 60 = NVwZ 2018, 648 [651] m.w.N.; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 48 m.w.N.; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1981 - GR 1/80 -, ESVGH 31, 81 [84 f.]). |
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| Der Grundsatz der Chancengleichheit findet auch für andere Gruppen oder Kandidierende, die mit den politischen Parteien in den Wettbewerb um Wählerstimmen treten, gleichermaßen Anwendung (vgl. zur Chancengleichheit von Wählergruppen bei der Kommunalwahl BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 118 = BVerfGE 120, 82 [104 f.]; vgl. auch BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17.04.2008 - 2 BvL 4/05 -, juris Rn. 49 = BVerfGE 121, 108 [121] m.w.N.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.07.2020 - 88/20 -, juris Rn. 65). Er gilt im gesamten Wahlverfahren, also nicht nur für den Wahlvorgang selbst, sondern auch für die Wahlvorbereitung und die Wahlwerbung (vgl. VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 47 m.w.N.). |
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| Weder der Grundsatz der Wahlgleichheit noch der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber unterliegt jedoch einem absoluten Differenzierungsverbot. Allerdings folgt aus dem formalen Charakter des Grundsatzes der Wahlgleichheit, dass dem Gesetzgeber bei der Ordnung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen bleibt. Es geht um die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts in formal möglichst gleicher Weise (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 03.07.2008 - 2 BvC 1/07 -, juris Rn. 97 = BVerfGE 121, 266 [297]; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 49). |
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| Differenzierungen bedürfen zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten, „zwingenden“ Grundes (stRspr. vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 03.07.2008 - 2 BvC 1/07 -, juris Rn. 98 = BVerfGE 121, 266 [297]; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 49). Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Differenzierung von Verfassungs wegen als zwangsläufig oder notwendig darstellen muss, wie dies etwa in Fällen der Kollision des Grundsatzes der Wahlgleichheit mit den übrigen Wahlrechtsgrundsätzen oder den Grundrechten der Fall sein kann. Differenzierungen im Wahlrecht können auch durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlgleichheit die Waage halten kann (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 03.07.2008 - 2 BvC 1/07 -, juris Rn. 98 = BVerfGE 121, 266 [297]; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.07.2020 - 88/20 - juris Rn. 68). Es genügen in diesem Zusammenhang auch „zureichende“, „aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volksvertretung sich ergebende Gründe“. Hierzu zählt insbesondere die Verwirklichung der mit der Wahl verfolgten Ziele. Dazu gehören die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes und die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung (vgl. dazu insgesamt BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 03.07.2008 - 2 BvC 1/07 -, juris Rn. 98 = BVerfGE 121, 266 [297] m.w.N.; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 49). Der Gesetzgeber hat bei der Festlegung und konkreten Ausgestaltung des Wahlsystems den verschiedenen auf die Ziele der Wahl bezogenen verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen und die gegebenenfalls kollidierenden Ziele in Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 25.07.2012 - 2 BvE 9/11 -, juris Rn. 55 = BVerfGE 131, 316 [335]; vgl. auch Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 109 = BVerfGE 121, 266 [297]; VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 50). |
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| Differenzierende Regelungen müssen danach zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet und erforderlich sein. Ihr erlaubtes Ausmaß richtet sich auch danach, mit welcher Intensität in das – gleiche – Wahlrecht eingegriffen wird. Ebenso können gefestigte Rechtsüberzeugung und Rechtspraxis Beachtung finden. Der Gesetzgeber muss sich bei seiner Einschätzung und Bewertung nicht an abstrakt konstruierten Fallgestaltungen, sondern an der politischen Wirklichkeit orientieren. Gegen die Grundsätze der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien wird verstoßen, wenn der Gesetzgeber mit der Regelung ein Ziel verfolgt hat, das er bei der Ausgestaltung des Wahlrechts nicht verfolgen darf, oder wenn die Regelung nicht geeignet und erforderlich ist, um die mit der jeweiligen Wahl verfolgten Ziele zu erreichen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 110 = BVerfGE 121, 266 [298] m.w.N.; VerfGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.07.2020 - 88/20 - juris, Rn. 69). |
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| b) Diesen Spielraum, den ihm das Grundgesetz und die Landesverfassung bei der konkreten Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts einräumen, hat der Wahlgesetzgeber in Baden-Württemberg mit Schaffung der hier mittelbar angegriffenen Vorschriften der Gemeindeordnung und des Kommunalwahlgesetzes in verfassungskonformer Weise ausgeschöpft. |
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| Die vom Kläger vor dem Hintergrund der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Wahlbewerber als gleichheitswidrig gerügte Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen bereits bei der Stimmabgabe und die daraus für Einzelbewerber und kleinere Listen folgende geringere Chance, einen Sitz in dem gewählten Vertretungsorgan zu erringen, ergeben sich aus dem in Baden-Württemberg herrschenden Wahlsystem, welches Elemente der Verhältniswahl mit denen der Personenwahl vereint (aa). In diesem Mischsystem ist die Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen bei der Stimmabgabe angelegt und eine damit – möglicherweise – einhergehende Einschränkung der Wahlrechts- und Chancengleichheit aufgrund der vom Gesetzgeber getroffenen Abwägung zwischen den verschiedenen mit der Wahl der kommunalen Kollegialorgane in Baden-Württemberg verfolgten Zielen jedenfalls gerechtfertigt (bb). Auch der vom Kläger weiter als ungerechtfertigte Benachteiligung von Einzelbewerbern gegenüber Listenkandidaten gerügte Umstand, dass es aufgrund der Regelungen über die Verteilung der Sitze auf die Wahlvorschläge nach dem Verhältnis der ihnen zufallenden Gesamtstimmenzahlen dazu kommen kann, dass ein Listenkandidat, der weniger Stimmen auf sich persönlich vereinigt als ein Einzelbewerber, aufgrund der für die Liste insgesamt abgegebenen Stimmen in den Gemeinderat einzieht, während der Einzelbewerber an der sogenannten „faktischen“ Sperrwirkung scheitert, ist vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der Wahlrechts- und Chancengleichheit gerechtfertigt (cc). |
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| aa) Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg sieht eine personalisierte Verhältniswahl vor. Die bei der Verhältniswahl in ihrer reinen Form erfolgende Abstimmung auf der Grundlage von Wahlvorschlägen, die von politischen Parteien, sonstigen Wählervereinigungen oder auch Einzelbewerbern aufgestellt werden können und zur Wahl zuzulassen sind, wenn sie das erforderliche Unterschriftenquorum erreichen (§ 26 Abs. 2 Satz 1 GemO i.V.m. § 8 KomWG), wird in diesem System zugunsten starker personaler Elemente abgewandelt (vgl. dazu allgemein etwa Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Auflage 2014, § 19 Rn. 59 ff.). Das System der sogenannten „freien“ Listen in der Ausgestaltung, die es im baden-württembergischen Kommunalrecht gefunden hat, erlaubt es dem Wähler, Bewerber von anderen Wahlvorschlägen zu übernehmen (Panaschieren) und einem Bewerber bis zu drei Stimmen zu geben (Kumulieren). Anders als bei einer reinen Verhältniswahl können die Wahlberechtigten bei der Kommunalwahl in Baden-Württemberg ihre Stimme(n) daher nicht nur für die eine oder die andere Liste abgeben, wie dies bei der Verhältniswahl nach „starren“ Listen der Fall ist. Der Wähler hat damit nicht nur die Möglichkeit, für die Vertretung seiner – in einem Wahlvorschlag zum Ausdruck kommenden – präferierten kommunalpolitischen Richtung im Gemeinderat zu stimmen, sondern auch auf dessen personelle Zusammensetzung Einfluss zu nehmen. Er hat so die Chance, sich bei der Wahl weitgehend seinen Vorstellungen entsprechend zu verhalten und dabei nach seinen persönlichen Präferenzen zu differenzieren (vgl. etwa v. Rotberg, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, VBlBW 1984, S. 297 [299]). Um den Wahlberechtigten diese im Vergleich zu einer reinen Listenwahl sehr weitgehende Wahlfreiheit zu ermöglichen, ist es erforderlich, die Wahlberechtigten mit mehr als nur einer Stimme auszustatten. Denn nur dann kann der Wähler auch seine personellen Präferenzen für den Gemeinderat „sitzgenau“ in den Wahlprozess einbringen. Entsprechend sieht § 26 Abs. 2 Satz 3 GemO vor, dass jeder Wahlberechtigte so viele Stimmen hat, wie Gemeinderäte zu wählen sind. |
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| Die vom Kläger als gleichheitswidrige strukturelle Benachteiligung von Einzelbewerberlisten gegenüber vollständigen Wahlvorschlägen gerügte Folge dieser Kombination von Verhältniswahl und Personenwahl, nämlich, dass die Chancen für eine Einzelbewerberliste, in den Gemeinderat einzuziehen, geringer sind, als für eine vollständige Liste, ist in diesem System strukturell angelegt. Sie entsteht bei der Stimmabgabe durch das Zusammenspiel der hohen Zahl an insgesamt zu vergebenden Stimmen, die einem Wahlberechtigten aufgrund der Koppelung der Stimmenzahl an die zu wählenden Gemeinderäte nach § 26 Abs. 2 Satz 3 GemO zustehen, und der Begrenzung der auf einen Kandidaten anhäufbaren Stimmen auf drei, unabhängig von dessen Listenzugehörigkeit. Unter dem Blickwinkel eines Verhältniswahlsystems auf der Grundlage von Wahlvorschlägen kommt es zu einer Differenzierung hinsichtlich der Höchstzahl der Stimmen, die ein Wahlberechtigter an die Wahlvorschläge jeweils vergeben kann. |
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| Auf der Ebene der Stimmabgabe werden Einzelbewerber – wie der Kläger – und deren Wahlvorschläge im System der personalisierten Verhältniswahl nur insoweit gleichbehandelt als die einzelnen Kandidaten unabhängig von ihrer Listenzugehörigkeit in den Blick genommen werden. Der Wähler kann dem Einzelbewerber – ebenso wie jedem anderen Kandidaten – höchstens drei seiner Stimmen geben. Der Einzelbewerber kann – ebenso wie jeder andere Kandidat – auf sich persönlich höchstens drei Stimmen eines jeden Wählers vereinigen. Werden jedoch – wie einem reinen Verhältniswahlsystem entsprechend – die Wahlvorschläge als maßgebliche Vergleichsobjekte herangezogen, tritt die Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen zutage. Denn während der Wähler für einen vollständigen Wahlvorschlag (§ 26 Abs. 4 Satz 1 GemO) seine gesamten Stimmen abgeben kann, kann er für unvollständige Wahlvorschläge gegebenenfalls nur einen Teil seiner Stimmen abgeben, nämlich – aufgrund der zulässigen Stimmenhäufung – höchstens dreimal so viele wie Bewerber auf der jeweiligen Liste aufgeführt sind. |
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| Der Landesgesetzgeber hat sich bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts damit gegen eine reine Verhältniswahl entschieden und die Wahlvorschläge nicht zum alleinigen Zuordnungsobjekt der Wählerstimmen gemacht. Die vom Gesetzgeber gewählte Verbindung von Verhältniswahl und Personenwahl nimmt das reine Listensystem zugunsten der Persönlichkeitswahl partiell zurück. Sind – wie bei der Gemeinderatswahl der Beigeladenen – achtzehn Gemeinderäte zu wählen, führt dies dazu, dass eine Einzelbewerberliste bei der Stimmabgabe nur ein Sechstel der einem Wahlberechtigten zustehenden Stimmen erhalten kann. Die Chancen dieser Liste – auf die es aufgrund der Verteilung der Sitze anhand der auf eine Liste und nicht auf einen einzelnen Kandidaten entfallenden Stimmen nach § 25 Abs. 1 KomWG zunächst allein ankommt –, so viele Stimmen auf sich zu vereinigen, wie es für die Erlangung eines Sitzes bei der Oberverteilung erforderlich ist, ist daher von vornherein geringer als die Chance einer vollständigen Liste. |
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| bb) Ob diese – bereits bei der Stimmabgabe ansetzende und allein im Verhältnis der Listen zueinander bestehende – Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen bei der Stimmabgabe tatsächlich eine Beschränkung der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber bedeutet, oder sich nicht vielmehr – folgerichtig – aus dem System der personalisierten Verhältniswahl und der Art. 72 Abs. 2 Satz 1 LV entsprechenden Zurücknahme der Grundsätze der Verhältniswahl zugunsten anderer Wahlziele ergibt, kann vorliegend dahinstehen. Denn diese Differenzierung zwischen den zugelassenen Wahlvorschlägen anhand ihrer Besetzung ist an dem verfassungsrechtlichen Maßstab der Wahlrechts- und Chancengleichheit gemessen jedenfalls gerechtfertigt. |
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| Im System der personalisierten Verhältniswahl, welches im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerade kein reines Verhältniswahlsystem darstellt, dürfte es folgerichtig sein, dass die Stimmabgabe (aus der Perspektive des Wählers und damit der Wahlgleichheit) und der Stimmengewinn (aus der Perspektive des Wahlbewerbers und damit der Chancengleichheit) nicht nur an die Liste, sondern (auch) an den einzelnen Wahlbewerber geknüpft ist. Denn das Wahlsystem ist gerade darauf angelegt, dass der Wähler dergestalt auf das Wahlergebnis Einfluss nehmen kann, dass sich dieser Einfluss nicht auf die Wahl einer in einer „starren“ Liste zum Ausdruck kommenden (kommunal-)politischen Richtung beschränkt, sondern auch die personelle Besetzung des Gemeinderats mit der Möglichkeit, tatsächlich jeden einzelnen Gemeinderatssitz zu vergeben, umfasst. Das Wahlsystem zielt darauf ab, dem Wähler bei der Stimmabgabe auch in personeller Hinsicht eine größtmögliche Freiheit einzuräumen. |
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| Mit dieser Zielsetzung des baden-württembergischen Kommunalwahlsystems ist eine mögliche Einschränkung der Wahlrechts- und Chancengleichheit durch die Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen aber jedenfalls gerechtfertigt. Denn das Anliegen des Wahlgesetzgebers, den Wahlberechtigten bei der Stimmabgabe eine größtmögliche Freiheit einzuräumen und nicht nur über eine kommunalpolitische Richtung, sondern auch über die personelle Besetzung des gewählten Vertretungsorgans abstimmen zu lassen, dient nicht zuletzt der Schaffung und Gewährleistung einer persönlichen Beziehung und von persönlichem Vertrauen zwischen Wähler und Wahlbewerber und damit der Sicherung des Charakters der Wahl als Integrationsvorgang (vgl. zur Direktwahl der Wahlkreiskandidaten bei der Wahl zum Deutschen Bundestag BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 80 = BVerfGE 95, 335 [358]). |
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| Dass der Wahlgesetzgeber dieses Ziel der größtmöglichen Wahlfreiheit und der Schaffung und Aufrechterhaltung persönlicher Vertrauensbeziehungen zwischen Wählern und Wahlbewerbern bei der Ausgestaltung des Kommunalwahlsystems verfolgt und mit anderen, gegenläufigen Erwägungen in Ausgleich gebracht hat, lässt sich aus der Entstehungsgeschichte der einschlägigen Vorschriften zur personalisierten Verhältniswahl in Baden-Württemberg erkennen (zur Heranziehung der Entstehungsgeschichte einer Norm vgl. etwa BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 29.01.2019 - 2 BvC 62/14 -, juris Rn. 89 ff. = NJW 2019, 1201 [1210]; VerfG Brandenburg, Urteil vom 23.10.2020 - 9/19 -, juris Rn. 138 m.w.N.; vgl. auch StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.1979 - GR 4/78 -, ESVGH 29, 160 [163]): |
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| § 26 Abs. 2 GemO, der mit der Kopplung der Anzahl der jedem Wahlberechtigten zukommenden Stimmen an die Zahl der zu wählenden Gemeinderäte, der Zulässigkeit des Panaschierens und Kumulierens sowie der Begrenzung der kumulierbaren Stimmen auf drei die für die vom Kläger gerügte strukturelle Benachteiligung von Einzelbewerbern gegenüber vollständigen Wahlvorschlägen entscheidenden Vorgaben enthält, geht in seinen Ursprüngen auf die württembergische Gemeindeordnung vom 28.05.1906 (Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom 23.08.1906 Nr. 25, S. 323) zurück. Die aktuelle Fassung des § 26 Abs. 2 GemO entspricht im Wesentlichen § 26 Abs. 2 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vom 25.07.1955 (GBl. 1955, Nr. 15, S. 129, lediglich die Begrenzung der für einen Wahlvorschlag aufzustellenden Bewerber ist aktuell nicht mehr in § 26 Abs. 2 GemO, sondern in § 26 Abs. 4 Satz 1 GemO geregelt). Die Fassung der Vorschrift in der baden-württembergischen Gemeindeordnung von 1955 geht ihrerseits auf Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Angleichung und Ergänzung des Kommunalrechts vom 13.07.1953 (GBl. 1953 Nr. 16, S. 97) zurück, auf den in der Entwurfsbegründung zur Gemeindeordnung von 1955 hinsichtlich der Regelungen des § 26 Abs. 2 GemO verwiesen wird (vgl. Landtag von Baden-Württemberg, Beilage 1060 vom 04.12.1954, Beilagenband III, S. 1325 [1376]). Mit dem Gesetz zur Angleichung und Ergänzung des Kommunalrechts wurden die in den damaligen vier Regierungsbezirken Nordwürttemberg, Nordbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern und Südbaden bestehenden Regelungen zum Kommunalwahlrecht zugunsten des auch aktuell noch bestehenden Kommunalwahlsystems in den Grundzügen vereinigt (vgl. Verfassunggebende Landesversammlung Baden-Württemberg, Beilage 852 vom 13.06.1953, Beilagenband II, S. 843 [850]). Das in Nordwürttemberg herrschende Wahlsystem für die Wahl der Gemeinderäte, zu dessen Gunsten die Entscheidung der Verfassunggebenden Landesversammlung ausfiel, entsprach – in den meisten der seit 1906 erlassenen Fassungen der württembergischen Gemeindeordnung – bereits weitgehend dem heutigen. So lautete Art. 78 der württembergischen Gemeindeordnung von 1906 wie folgt: |
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| „Die Wähler können nach Belieben die Namen der von ihnen zu wählenden Personen den verschiedenen öffentlich bekanntgemachten Wahlvorschlägen entnehmen; ebenso können die Wähler Personen wählen, die auf keinem Vorschlag stehen. Auf jedem Stimmzettel dürfen so viele Bewerber benannt sein, als Stellen zu besetzen sind, [...]. Der Wähler darf jedoch innerhalb der zulässigen Gesamtstimmenzahl den von ihm gewählten durch Wiederholung der Namen oder Beifügung von Zahlzeichen bis zu drei Stimmen geben [...].“ |
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| Die in Art. 78 der württembergischen Gemeindeordnung von 1906 erstmals geregelte personalisierte Verhältniswahl entstand mit der Einführung des Verhältniswahlrechts für die Gemeindewahlen im Königreich Württemberg, die durch den Entwurf einer Gemeindeordnung von 1902 (vgl. Württembergische Kammer der Abgeordneten, Beilage 193 vom 31.07.1902, Beilagenband V, S. 1) im damaligen Landtag angestoßen wurde. Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich entnehmen, dass der historische Gesetzgeber dem Verhältniswahlrecht aufgrund der diesem innenwohnenden ausgleichenden Gerechtigkeit durch die verhältnismäßige Vertretung auch von Minderheiten grundsätzlich den Vorzug gegenüber dem vormals bestehenden Mehrheitswahlrecht gab (vgl. Württembergische Kammer der Abgeordneten, Bericht der Kommission für die Gemeinde- und Bezirksordnung, Beilage 372 vom 04.10.1904, Beilagenband IX, S. 151 [177 ff.]; Protokoll der 47. Sitzung vom 26.01.1905 und der 48. Sitzung vom 28.01.1905, Protokollband II, S. 1183 [1197 ff.] und S. 1205 ff.). Entscheidend bei der Einführung des Verhältniswahlrechts war für den historischen Gesetzgeber jedoch weiter, die Wahlen und dabei insbesondere die Entscheidung über die Zusammenstellung der Listen nicht ausschließlich in die Hände der politischen Parteien zu legen, sondern dem Wähler weiterhin eine größtmögliche Freiheit bei der Stimmabgabe zukommen zu lassen. Ein erster Entwurf (Entwurf einer Gemeindeordnung von 1902, vgl. Württembergische Kammer der Abgeordneten, Beilage 193 vom 31.07.1902, Beilagenband V, S. 1), der eine Wahl nach gebundenen Listen mit dem alleinigen Zugeständnis einer Änderung der Reihenfolge der Kandidaten auf der gewählten Liste vorsah, wurde daher als starker Eingriff in die Wahlfreiheit angesehen und zugunsten des Panaschierens und der Möglichkeit, auch Kandidaten zu wählen, die auf keinem Wahlvorschlage genannt wurden (sogenannte „Wilde“), verworfen. Das Bestreben, den Wählern einen weitergehenden Einfluss hinsichtlich der Auswahl der Kandidaten für das zu wählende Kollegialorgan einzuräumen, ist als Ziel des historischen Gesetzgebers – neben der Einführung eines Verhältniswahlsystems an sich – klar zu erkennen (vgl. Württembergische Kammer der Abgeordneten, Bericht der Kommission für die Gemeinde- und Bezirksordnung, Beilage 372 vom 04.10.1904, Beilagenband IX, S. 151 [177 ff.]; Protokoll der 47. Sitzung vom 26.01.1905 und der 48. Sitzung vom 28.01.1905, Protokollband II, S. 1183 [1197 ff.] und S. 1205 ff.). Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich weiter entnehmen, dass bereits der historische Gesetzgeber sich der im vorliegenden Verfahren vom Kläger gerügten Unterschiede zwischen vollständigen Wahlvorschlägen und Einzelbewerbern bei der Stimmabgabe und den sich daraus ergebenden geringen Wahlchancen für letztere bewusst war, sich aber dennoch für die Einführung des Verhältniswahlsystems entschieden hat, wobei auch auf die (ebenfalls) geringen Chancen eines Wahlerfolgs von Einzelbewerbern im vorhergehenden Wahlsystem hingewiesen wurde (vgl. Württembergische Kammer der Abgeordneten, Bericht der Kommission für die Gemeinde- und Bezirksordnung, Beilage 372 vom 04.10.1904, Beilagenband IX, S. 151 [180 f.]; Protokoll der 47. Sitzung vom 26.01.1905 und der 48. Sitzung vom 28.01.1905, Protokollband II, S. 1183 ff. [dort etwa 1202] und S. 1205 [dort etwa 1208, 1219, 1221]). |
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| Vor Erlass der Gemeindeordnung von 1955, deren § 26 Abs. 2 der heutigen Fassung der Vorschrift im Wesentlichen entspricht, war die grundsätzliche Ausgestaltung des Wahlsystems als personalisierte Verhältniswahl soweit ersichtlich nicht wieder Gegenstand der Debatte im Landtag beziehungsweise der Verfassunggebenden Landesversammlung (vgl. etwa das Protokoll über die 40. Sitzung der Verfassunggebende Landesversammlung vom 17.06.1953 zum Entwurf des Gesetzes zur Angleichung und Ergänzung des Kommunalrechts, Protokollband II, S. 1755 [1758 ff.]), in welcher lediglich die in Württemberg und Nordbaden bewährte Tradition des Kumulierens und Panaschierens hervorgehoben wurde [vgl. dazu S. 1761 und S. 1765]; vgl. zu dem soweit ersichtlich allein streitigen Punkt der Zulässigkeit von Listenverbindungen das Protokoll über die 45. Sitzung vom 01.07.1953, Protokollband III, S. 2021 [2056 ff.]). Der Abschwächung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Ausgestaltung der Wahl als Verhältniswahl, die unter anderem deswegen erfolgte, um Zweifeln hinsichtlich der Vereinbarkeit der Verhältniswahl in ihrer Reinform und der Zulässigkeit des Panaschierens zu begegnen (vgl. dazu bereits oben unter II.2.a)), dürfte sich entnehmen lassen, dass auch die Verfassunggebende Landesversammlung das System der personalisierten Verhältniswahl und die damit einhergehende Abwägung zwischen der Ausgestaltung des Wahlsystems als reiner Verhältniswahl und der Gewährung größtmöglicher Freiheit für die Wähler in ihren gesetzgeberischen Willen aufgenommen hat. |
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| Um das angestrebte Ziel der größtmöglichen Wahlfreiheit und der Personenwahl zu erreichen, ist die Ausgestaltung des Wahlsystems als personalisierte Verhältniswahl mit der Kopplung der jedem Wahlberechtigten zustehenden Zahl an Stimmen an die Zahl der zu vergebenden Sitze auch erforderlich. Denn die Ausstattung der Wahlberechtigten mit jeweils nur einer oder zwei Stimmen, die an die – dann starren – Listen zu vergeben wären, lässt eine „sitzgenaue“ Verteilung der Wählerstimmen und die Auswahl hinsichtlich der im Gemeinderat vertretenen Personen nicht zu. Die gegenläufige und vom Kläger wohl angestrebte Möglichkeit für die Wahlberechtigten, alle – hier achtzehn – Stimmen an eine Einzelbewerberliste vergeben zu können, steht indes im Widerspruch zu dem vom Wahlgesetzgeber verfolgten Ziel, welches gerade in der Verbindung der Verhältnis- mit der Personenwahl besteht. Denn mit einer Zulassung der Kumulationsmöglichkeit aller einer wahlberechtigten Person zustehenden Stimmen auf einen Wahlbewerber unabhängig von dessen Listenzugehörigkeit würden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich das grundsätzlich als Verhältniswahl nach Listen eingeführte Wahlsystem in Richtung eines Mehrheitswahlsystems nach Personen entwickelte. Insofern stellt bereits die Kumulationsmöglichkeit von drei Stimmen auf einen Bewerber ein Zugeständnis an Einzelbewerber dar, da es gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Vergabe bloß einer Stimme an jeden Wahlbewerber eine künstliche Stärkung von Minderheiten mit sich bringt (vgl. so bereits Württembergische Kammer der Abgeordneten, Protokoll der 48. Sitzung vom 28.01.1905, Protokollband II, S. 1205 [1207]). Im Übrigen beschränkt sich die Prüfung der Kammer auf die Verfassungsmäßigkeit des geltenden Kommunalwahlrechts. Zu einer Entscheidung darüber, ob eine gesetzliche Regelung in der vom Kläger befürworteten Richtung, die mit einer Systemveränderung des Kommunalwahlrechts hin zu einem Mehrheitswahlrecht einhergehen dürfte, oder eine sonstige Regelung zur Stärkung von Einzelbewerbern gegenüber vollständigen Wahlvorschlägen rechtspolitisch wünschenswert, systemgerecht und ihrerseits verfassungsmäßig wäre, ist die Kammer nicht berufen (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 28). |
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| Für die Rechtfertigung eines unterstellten Eingriffs in die Wahlrechtsgleichheit fällt weiter ins Gewicht, dass ein solcher Eingriff jedenfalls vergleichsweise gering ausfällt. Denn die Erfolgswertgleichheit der Stimmen ist auch in diesem System insofern gewahrt als alle abgegebenen Stimmen eines Wahlberechtigten sich in gleicher Weise wie alle anderen Stimmen aller anderen Wahlberechtigten auf die Zusammensetzung des Vertretungsorgans auswirken. Die im Wahlsystem der personalisierten Verhältniswahl vorgenommene Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen lässt sich daher nicht mit den Fällen einer Sperrklausel vergleichen, bei welcher die Stimmen, die für einen Wahlvorschlag abgegeben werden, der an der Sperrklausel scheitert, keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Vertretungsorgans nehmen und damit verloren sind (vgl. zur Sperrklausel im Kommunalwahlrecht BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 - juris = BVerfGE 120, 82). Der Wähler, der im System der personalisierten Verhältniswahl (auch) für einen Einzelbewerber wie den Kläger stimmen möchte, kann – abgesehen von der durch die faktische Sperrwirkung erzeugten Beschränkung (dazu sogleich) – mit allen seinen Stimmen Einfluss auf die Zusammensetzung des Gemeinderats nehmen. Auch die Tatsache, dass der Wähler, der alle ihm zustehenden – hier achtzehn – Stimmen verteilen möchte, einer anderen Liste als der des Einzelbewerbers mehr Stimmen geben muss, dürfte den Erfolgswert der abgegebenen Stimmen nicht mindern. Denn die Abgabe von Stimmen auch an andere Wahlvorschläge wirkt sich weder erwartungswidrig noch widersinnig auf den Stimmerfolg aus. Weder besteht die Möglichkeit, dass der Einzelbewerber durch die an ihn vergebenen Stimmen Sitze verliert, noch kann der Einzelbewerber durch die Stimmabgabe an andere Wahlvorschläge eine größere Zahl an Sitzen erringen (so aber der Wirkungszusammenhang beim gleichheitswidrigen Effekt des negativen Stimmgewichts, vgl. dazu BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 25.07.2012 - 2 BvE 9/11 -, juris Rn. 85 = BVerfGE 131, 316 [346 ff.]). Vielmehr schlägt sich die Verteilung der Gesamtzahl der einem einzelnen Wahlberechtigten zustehenden Stimmen genau so auf die Sitzverteilung nieder, wie sie vom Wähler beabsichtigt ist. Der Wähler ist im System der personalisierten Verhältniswahl lediglich daran gehindert, die Gesamtzahl der ihm zustehenden Stimmen an eine Liste zu vergeben, die nicht über die Kandidatenzahl verfügt, die zur Besetzung wenigstens eines Drittels des Gemeinderats erforderlich sind. |
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| Vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber fällt für die Rechtfertigung eines etwaigen Eingriffs durch die Differenzierung zwischen vollständigen und unvollständigen Wahlvorschlägen bei der Stimmabgabe weiter ins Gewicht, dass der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sonstigen Wahlbewerber nicht verlangt, dass der Gesetzgeber vorhandene Unterschiede zwischen diesen beseitigt, sondern ihnen lediglich die gleichen Möglichkeiten im Wahlprozess einräumt (vgl. VerfGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2020 - 1 GR 101/20 -, juris Rn. 47 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 13.02.2008 - 2 BvK 1/07 -, juris Rn. 103 = BVerfGE 120, 82 [104]; Beschluss des Zweiten Senats vom 30.05.1962 - 2 BvR 158/62 -, juris Rn. 37 = BVerfGE 14, 121 [134]). Auch aus diesem Grund dürften Einzelbewerber daher auf der Grundlage des Grundsatzes der Chancengleichheit bereits nicht verlangen können – wie dies wohl das Bestreben des Klägers ist – bei der Stimmabgabe wie eine vollständige Liste behandelt zu werden. Denn die Möglichkeit, weitere Kandidaten für seine Liste zu mobilisieren und einen vollständigen Wahlvorschlag einzureichen und damit auch bei der Stimmabgabe den anderen Listen gleichgestellt zu werden, besteht für den Einzelbewerber wie für jeden anderen Kandidaten. Ebenso besteht für jeden Einzelbewerber die Möglichkeit, sich um Aufnahme auf einen bereits vorhandenen oder im Entstehen begriffenen Wahlvorschlag zu bemühen. |
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| Neben der größtmöglichen Wahlfreiheit und der Personalisierung der Wahl, die dem Wähler mit dem baden-württembergischen Kommunalwahlsystem ermöglicht wird, und die den historischen Gesetzgeber zu dieser Ausgestaltung des Wahlsystems veranlasst haben, trägt eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Wahlvorschlägen anhand ihrer Besetzung auch dem Umstand Rechnung, dass eine Partei oder Wählervereinigung, für deren Wahlvorschlag sich eine größere Anzahl Bewerber hat aufstellen lassen, eine höhere Aggregation des Wählerwillens in der Gemeinde bereits in sich trägt und damit die Integrationsfunktion des Wahlprozesses bereits zu einem gewissen Teil vor dem eigentlichen Wahlvorgang geleistet hat (vgl. zu dieser Bündelungs- und Ausgleichsfunktion politischer Parteien BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 02.03.1977 - 2 BvE 1/76 -, juris Rn. 59 = BVerfGE 44, 125 [154 f.]; VerfG Brandenburg, Urteil vom 23.10.2020 - 9/19 -, juris Rn. 140; zur Berücksichtigungsfähigkeit weiterer rechtfertigender Zielsetzungen, die nicht in der Gesetzesbegründung genannt werden, vgl. ebd. Rn. 138 m.w.N.). |
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| Der Grundgedanke einer solchen Differenzierung zwischen unterschiedlichen Wahlbewerbern anhand ihrer jeweiligen Aggregationsleistung kommt etwa auch bei der Zulassung der Wahlvorschläge durch den Bundeswahlausschuss bei der Wahl zum Deutschen Bundestag nach § 18 BWahlG zum Ausdruck, wo er allerdings nicht nur zu der beschriebenen strukturellen Schmälerung der Wahlchancen von Einzelbewerbern bei der Wahl führt. Denn die Begrenzung des Wahlvorschlagsrechts auf Parteien (und die nach Maßgabe des § 20 BWahlG Vorschlagsberechtigten) hat dort – noch darüber hinausgehend – zum Ziel, solche Vereinigungen, die unter anderem mangels Umfang und Festigkeit ihrer Organisation und mangels hinreichender Mitgliederzahl keine ausreichende Gewähr für ihr ernsthaftes Bestreben bieten, auf die politische Willensbildung der Bürger Einfluss zu nehmen, bereits von der Wahl auszuschließen (vgl. zu Zulässigkeit und Grenzen eines solchen Ausschlusses von Wählervereinigungen schon im Vorfeld einer Wahl BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 23.07.2013 - 2 BvC 4/13 -, juris Rn. 7 = BVerfGE 134, 131 [132 Rn. 7]; Beschluss des Zweiten Senats vom 21.10.1993 - 2 BvC 7/91 -, juris Rn. 14 = BVerfGE 89, 266 [270]). |
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| cc) Stellt sich die – demgegenüber weniger einschneidende – Differenzierung zwischen Einzelbewerbern und vollständigen Wahlvorschlägen im Recht der Kommunalwahl (erst) auf der Ebene der Stimmabgabe und Sitzzuteilung aber am Maßstab der verfassungsrechtlichen Vorgaben jedenfalls als gerechtfertigt dar, geht auch die weitere Rüge des Klägers, das baden-württembergische Wahlsystem führe deswegen zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung von Einzelbewerbern, weil die Zahl der für ihn persönlich abgegebenen Stimmen höher gewesen sei als die des Bewerbers der Parteilosen Wählervereinigung (Liste Nr. 4), der als (stimmenmäßig) letzter Bewerber in den Gemeinderat der Beigeladenen eingezogen ist, ins Leere. Denn die in § 25 Abs. 1 KomWG geregelte Sitzverteilung anhand der Stimmen, die auf eine Liste – und nicht auf einen einzelnen Kandidaten dieser Liste – entfallen sind, entspricht gerade dem Sinn und Zweck der Verhältniswahl und steht damit im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. dazu bereits Württembergische Kammer der Abgeordneten, Protokoll der 48. Sitzung vom 28.01.1905, Protokollband II, S. 1205 [1212]). |
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| Die Beobachtung des Klägers, dass dieselben Stimmen bei einer größeren Partei mit mehreren Kandidaten und einer vollständigen Liste dazu führten, dass die Stimmen nicht nur Auswirkungen auf den konkreten Kandidaten, sondern auch auf die Anzahl der Sitze der Liste habe, in der dieser Kandidat geführt sei, ist daher zutreffend. Anders als der Kläger meint, geschieht diese jedoch nicht „unabhängig vom Willen des Wählers“. Denn die Wähler wählen im System der personalisierten Verhältniswahl gerade nicht (nur) Einzelpersonen, sondern eine politische Richtung oder kommunalpolitische Agenda, für die diese Einzelpersonen gemeinsam mit den anderen auf demselben Wahlvorschlag aufgeführten Personen und gegebenenfalls gemeinsam mit den hinter ihnen stehenden politischen Parteien und Wählervereinigungen stehen. Warum es dem Wählerwillen widersprechen sollte, dass sich eine für einen Kandidaten einer bestimmten (kommunal-)politischen Richtung abgegebene Stimme nicht nur für diesen Kandidaten, sondern auch – und sogar in erster Linie – für die politische Richtung auswirkt, die dieser Kandidat vertritt, leuchtet daher nicht ein. |
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| Grundsätzlich scheint dies auch der Kläger anzuerkennen. Denn auch er trägt vor, dass dem (stimmenmäßig) letzten Bewerber der Einzug in den Gemeinderat nur gelungen sei, weil dieser neben den Stimmen, die direkt auf ihn entfallen seien, auch die Stimmen angerechnet bekommen habe, die auf die beiden weiteren Kandidaten der Liste der Parteilosen Wählervereinigung entfallen seien. Der Kläger nimmt hierbei jedoch nicht hinreichend in den Blick, dass die Wahl zum Gemeinderat nicht (in erster Linie) personenbezogen erfolgt, sondern die Anrechnung aller Stimmen, die für die auf einer Liste aufgeführten Kandidaten persönlich abgegeben wurden, auf deren Liste gerade dem Verhältniswahlsystem nach Listen entspricht. Insofern ist die Beobachtung des Klägers, der Einzelperson komme im Vergleich zur Liste nur eine geringere Bedeutung zu, richtig und im Wahlsystem angelegt. Anders als der Kläger meint, zieht der gewählte Vertreter der Parteilosen Wählervereinigung auf der Grundlage der Sitzverteilung allerdings gerade nicht nur als Einzelperson in den Gemeinderat ein, sondern als Vertreter seiner gesamten Liste und damit als Vertreter eines auf 1.735 Stimmen gestützten Wählerwillens. Im Gegensatz dazu findet die politische Richtung, die der Kläger vertritt, in der Gemeinde der Beigeladenen augenscheinlich weniger Widerhall als die politische Richtung der anderen Wahlvorschläge und insbesondere auch als die der Liste der Parteilosen Wählervereinigung. Die Zahl der für die Liste des Klägers abgegebenen Stimmen zeigt, dass sich nur 1.381 Stimmen eine Vertretung der politischen Richtung des Klägers im Gemeinderat der Beigeladenen gewünscht hätten. Dass die Stimmabgabe im System der personalisierten Verhältniswahl für die Einzelbewerberliste des Klägers von vornherein begrenzt ist, steht, wie oben dargelegt, dem nicht entgegen, sondern vielmehr im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben. |
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| Wenn der Kläger weiter vorträgt, es wäre ihm (als Spitzenkandidaten seiner Liste) gelungen, in den Gemeinderat einzuziehen, wenn er noch zwei Kandidaten auf seine Liste aufgenommen hätte, die ebenfalls einen wenn auch nur geringfügigen Stimmenanteil erhalten hätten, räumt er der Sache nach selbst ein, dass ihm die Mobilisierung weiterer Unterstützer für seine kommunalpolitische Agenda im Gegensatz zu der erfolgreichen Liste der Parteilosen Wählervereinigung nicht gelungen ist. |
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| Vor diesem Hintergrund erscheint es auch zweifelhaft, ob der Kläger bei einer Ausgestaltung des Wahlsystems als Mehrheitswahl tatsächlich in den Gemeinderat eingezogen wäre. Denn die Wähler wählen in dem Bewusstsein eines Verhältniswahlsystems, in dessen Rahmen sie durch die Personalisierung der Wahl einzelnen Kandidaten eine höhere Stimmenzahl zukommen lassen können. Durch das Panaschieren können sie so auch ihre „eigentliche“ Liste durch einzelne Kandidaten einer anderen Liste – wie etwa den Kläger – ergänzen. Dass jedenfalls bei der streitgegenständlichen Gemeinderatswahl der Beigeladenen die Wähler von den ihnen eingeräumten Einflussmöglichkeiten in hohem Maße Gebrauch gemacht haben und – entgegen der vom Kläger geäußerten Vermutung – nur wenige Stimmzettel unverändert abgegeben wurden, lässt sich den der Kammer vorliegenden Wahlunterlagen ohne weiteres entnehmen. Für die klägerische Liste wurde kein einziger (unveränderter) Stimmzettel abgegeben. Aufgrund des nur sehr geringen Anteils ungültiger Stimmzettel bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Wähler – jedenfalls bei der streitgegenständlichen Gemeinderatswahl – mit dem anspruchsvollen Wahlsystem überfordert gewesen wären. Ob die 1.381 Stimmen, die bei der nach diesem System durchgeführten Gemeinderatswahl der Beigeladenen vom 26.05.2019 auf den Wahlvorschlag des Klägers entfallen sind, auch dann auf diesen entfallen wären, wenn sich die Wähler in einem Mehrheitswahlsystem bei der Stimmabgabe zwischen den einzelnen Kandidaten oder in einem reinen Verhältniswahlsystem allein für einen Wahlvorschlag hätten entscheiden müssen, bleibt Spekulation. Auch die Annahme des Klägers, dass es zwangsläufig seine Person gewesen wäre, auf die im Falle einer aus mehreren Bewerber bestehenden Liste Nr. 5 (Knittlingen Aktiv) die meisten Stimmen entfallen wären, ist lediglich hypothetisch. Denn wie sich an den Platzverschiebungen innerhalb der anderen Listen zeigt, sind es nicht unbedingt die Spitzenkandidaten der jeweiligen Wahlvorschläge, die als Einzelpersonen die meisten Stimmen erhalten und damit letztlich als Vertreter ihrer Liste in den Gemeinderat einziehen. So erhielt etwa die Kandidatin auf dem ersten Listenplatz der erfolgreichsten Liste der CDU lediglich die vierzehntmeisten der für ihre Liste abgegebenen Stimmen und blieb bei der Sitzverteilung damit unberücksichtigt, während der auf dem achtzehnten und damit letzten Listenplatz der CDU angetretene Kandidat als (stimmenmäßig) erster Bewerber in den Gemeinderat einzog. Auch bei dem Bewerber der Parteilosen Wählervereinigung, der als (stimmenmäßig) letzter Bewerber in den Gemeinderat der Beigeladenen einzog, handelte es sich nicht um den Spitzenkandidaten dieses Wahlvorschlags. |
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| Soweit der Einzug des Klägers in den Gemeinderat danach letztlich durch den Eintritt der sogenannten „faktischen“ Sperrwirkung verhindert wurde, ist dieser jeder Verhältniswahl innewohnende Effekt ebenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die faktische Sperrwirkung, die entsteht, wenn auf einen Listenvorschlag weniger Stimmen entfallen, als für die Zuteilung eines Sitzes erforderlich ist, ist dem vom Wahlgesetzgeber grundsätzlich gewählten Verhältniswahlsystem immanent. Bei einer nur begrenzten Anzahl zu vergebender Sitze ist es eine logische Folge des gewählten Wahlsystems, dass Wahlvorschläge, auf die weniger Stimmen entfallen als für einen Sitz erforderlich sind, leer ausgehen. Denn da die in der jeweiligen Vertretung vorhandenen Sitze nur ganzzahlig vergeben werden können, ist eine absolute Gleichheit des Erfolgswerts bei keinem Verteilungssystem im Rahmen der Verhältniswahl möglich (vgl. zur Verteilung der Reststimmen BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 03.07.2008 - 2 BvC 1/07 -, juris Rn. 104 = BVerfGE 121, 266 [299 f.]; Beschluss des Zweiten Senats vom 24.11.1988 - 2 BvC 4/88 -, juris Rn. 5 = BVerfGE 79, 169 [170 f.]; Urteil des Zweiten Senats vom 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 111 = BVerfGE 95, 335 [273, abweichendes Votum]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.09.2016 - 15 A 2466/15 -, juris Rn. 16 m.w.N.; LT-Drs. 15/3119, S. 13 [zur Einführung des Höchstzahlverfahrens nach Sainte-Laguë-Schepers]; vgl. auch Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Auflage 2014, § 25 Rn. 2, dort auch der Begriff der „faktischen“ Sperrwirkung). |
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| Da der Gesetzgeber bei verschiedenen in Betracht kommenden Verteilungssystemen eine Wahl zwischen diesen hat, sind die mit dem gewählten Verteilungssystem verbundenen systembedingten Differenzierungen im Erfolgswert grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 24.11.1988 - 2 BvC 4/88 -, juris = BVerfGE 79, 169 [171]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.09.2016 - 15 A 2466/15 -, juris Rn. 16 ff. m.w.N.). Solche systembedingten Differenzierungen entstehen nicht nur für die Listen, deren errungene Stimmen für die Berücksichtigung bei der Sitzverteilung nicht ausreichen, sondern führen auch zu einem unterschiedlichen Erfolgswert der für größere Parteien abgegebenen Stimmen und damit zu einer – ebenfalls systemimmanenten – „Benachteiligung“ größerer Parteien oder Wählervereinigungen, die für die Erlangung eines Sitzes mehr Stimmen erzielen müssen als eine kleinere Wählervereinigung (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.09.2016 - 15 A 2466/15 -, juris Rn. 28). Dies zeigt sich auch bei der Gemeinderatswahl der Beigeladenen, bei welcher die erfolgreichste Liste der CDU 3.405 Stimmen für die Erlangung eines Sitzes erringen musste, während der Parteilosen Wählervereinigung dafür 1.735 Stimmen genügten. Die faktische Sperrwirkung, die – wie hier – zum Ausschluss ganzer Listen führen kann und damit im Ergebnis den Erfolgswert der für diese Listen abgegebenen Stimmen beeinträchtigt, ist damit zu rechtfertigen, die Zahl der Gemeinderatsmitglieder gerade kleinerer Gemeinden im Vergleich zu größeren Gemeinden zu beschränken (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 06.12.1961 durch den gemäß § 91a BVerfGG gebildeten Ausschuss - 2 BvR 399/61 -, juris = BVerfGE 13, 243 [248]; Quecke/Gackenholz/Bock, Das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Auflage 2014, § 25 Rn. 5). |
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| c) Mit seinem weiteren Vorbringen, der Gemeinderat der Beigeladenen habe in verfassungswidriger Weise auf seine, des Klägers, Erfolgsaussichten bei der Gemeinderatswahl Einfluss genommen, indem er es unterlassen habe, die Zahl der Gemeinderatssitze gemäß § 25 Abs. 2 GemO von achtzehn auf vierzehn Sitze zu reduzieren, ist der Kläger bereits nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG präkludiert (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.1996 - 1 S 2570/95 -, juris Rn. 46; zur Rechtmäßigkeit der Fristgebundenheit vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.12.1981 - 7 B 132.81 -, juris). Im Übrigen ist auch der Sache nach nicht zu erkennen, dass das (schlichte) Unterlassen der Beigeladenen, von der in § 25 Abs. 2 GemO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Kommunalwahlrecht und dabei insbesondere die Chancengleichheit der Wahlbewerber stünde. Im Gegenteil dürfte sich vielmehr die vom Kläger angestrebte (und sich nach seinem Dafürhalten zu seinen Gunsten auswirkende) – gezielte – Reduzierung der Sitze im Gemeinderat als eine solche von ihm gerade als verfassungswidrig gerügte Einflussnahme auf die Erfolgsaussichten bei der Wahl darstellen. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene, die ein Kostenrisiko durch Unterlassen eines eigenen Antrags vermieden hat, ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Das Gericht macht von der Möglichkeit, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch (§ 167 Abs. 2 VwGO). |
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| Die Berufung gegen dieses Urteil war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. |
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