Urteil vom Verwaltungsgericht Koblenz (7. Kammer) - 7 K 926/12.KO

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger zu 1) trägt 2/3, die Kläger zu 2) und 3) tragen jeweils 1/6 der Kosten des Verfahrens; hiervon ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen die von der Beklagten unter dem 9. März 2012 erteilte Baugenehmigung für einen Kletterwald.

2

Die Kläger sind Eigentümer von Grundstücken an der Straße „A.“ in Diez. Die Parzellen liegen an dem südlichen Teil der von Nordwesten nach Südosten verlaufenden Straße, für den durch Bebauungsplan ein reines Wohngebiet festgesetzt ist. Nach Nordosten hin schließt sich der durch Rechtsverordnung des Rhein-Lahn-Kreises vom 16. Juli 1987 (RVO) festgesetzte Erholungswald „Hain“ an, in dem der streitige Kletterwald errichtet werden soll.

3

Der Kläger zu 1) ist Eigentümer des westlich der Straße gelegenen Grundstückes A. 8; ihm gehört ferner die östlich an die Straße angrenzende unbebaute Parzelle Flur 21 Nr. 262. Die Kläger zu 2) und 3) sind Miteigentümer des westlich an die Straße angrenzenden Wohngrundstückes A. 7.

4

Im Dezember 2010 beantragte die „B. GmbH“ eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Kletterwaldes (Freizeitanlage) im Stadtwald Diez, Abteilung 17 („Hain“). Beschrieben wird das Vorhaben als Parcours mit Kletterelementen und künstlichen Hindernissen aus Stahlseilen, Holzbalken und Netzen, die in einem Baumbestand eingebaut sind. Die Anlage soll im nördlichen Bereich des Waldgebietes auf einer Fläche von ca. 1,4 ha betrieben werden. Im Norden des Waldes liegen Sportanlagen, ein für Flohmärkte genutztes Gelände, Bundeswehranlagen, ein Friedhof sowie ein Parkplatz. Der Abstand zwischen der Westseite des Kletterparkgeländes und dem nächstgelegenen Baugrundstück an der Straße A. beträgt ca. 160 m.

5

Mit Nachtragsbauantrag vom 25. November 2011, in der als Bauherr die „B. GmbH“ genannt ist, wurden weitere Unterlagen vorgelegt. Ausweislich der Betriebsbeschreibung ist u. a. folgendes geplant: Es sind sieben Kletterrouten (Parcours) vorgesehen, in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden von 1 m bis 12 m Höhe. Der Kletterpark soll in der Zeit von Mitte März bis Ende Oktober betrieben werden, und zwar in den Monaten März, April und Oktober von 10:00 Uhr bis maximal 19:00 Uhr, in den Sommermonaten von 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr. Öffnungszeiten während der Ferien sind an sieben Tagen in der Woche, außerhalb der Ferien von Dienstag bis Sonntag. An den Samstagen, an denen auf dem ehemaligen Sportplatzgelände ein Flohmarkt stattfindet und die Zahl parkender Kfz sehr hoch ist, wird der Kletterwald „erst nach Beendigung des Flohmarkts, das heißt um 13:00 Uhr geöffnet“. Kalkuliert wird mit einer Besucherzahl von ca. 10.000 bis 15.000 Personen pro Saison, was rechnerisch eine tägliche Besucherzahl von ca. 80 Personen bedeute; an Samstagen und Sonntagen könne bei Vollauslastung mit 400 Besuchern pro Tag gerechnet werden. Für die Besucher sind Parkplätze vorgesehen.

6

Nachgereicht wurde eine schalltechnische Stellungnahme des Ingenieur-Büros C. vom 7. Dezember 2011. Diese legt für die Bebauung entlang des südlichen Teils der Straße A. die Schutzbedürftigkeit eines reinen Wohngebietes zugrunde mit folgenden Immissionsrichtwerten entsprechend den „Hinweisen zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche“ (LAI-Hinweise): 50 dB (A) werktags außerhalb der Ruhezeiten; 45 dB (A) werktags während der Ruhezeiten sowie sonn- und feiertags. Die genannten Ruhezeiten beziehen sich an Werktagen auf die Zeiten von 06:00 Uhr bis 08:00 Uhr und von 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen auf die Zeiten von 07:00 Uhr bis 09:00 Uhr, 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr und 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr. Für die Berechnung geht die schalltechnische Stellungnahme für alle Parcours von einer Schallquellenhöhe von 10 m über dem Boden aus. Die Berechnung legt ein zeitgleiches „normales Rufen“ im Sinne der VDI-Richtlinie 3770 von 120 Personen zugrunde, die sich maximal zeitgleich im Kletterwald aufhalten. In der schalltechnischen Stellungnahme ist weiter ausgeführt: „Die zu erwartenden Geräuschimmissionen wurden für die aus schalltechnischer Sicht ungünstigste Nutzungssituation an einem Wochenend- bzw. Feiertag berücksichtigt, wobei der von Ihnen angegebene und als Extremsituation bezeichnete Betriebsablauf wie folgt berücksichtigt wurde: Durchgehende Nutzung des Kletterwaldes von 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr, wobei ungünstigst angenommen wurde, dass alle 120 Personen durchgehend rufen; dreifacher Wechsel der 30 PKW-Stellplätze, wobei für die Ruhezeit von 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr ein einfacher Wechsel in Ansatz gebracht wurde“. Ein Abschlag für die Dämpfung durch den Wald wurde nicht vorgenommen.

7

Als nächstgelegenen Immissionsort (IO) zur südwestlichen Ecke des vorgesehenen Kletterwaldgeländes hat die Berechnung ein östlich an die Straße A. angrenzendes Grundstück ausgewählt. Für diesen in ca. 160 m Entfernung liegenden IO 1 sind - bei einem Immissionsrichtwert von 45 dB (A) - Beurteilungspegel von 40 dB (A) (tags, außerhalb der Ruhezeit) und 41 dB (A) (während der Ruhezeit mittags) ermittelt worden. In Bezug auf den Ziel- und Quellverkehr auf den öffentlichen Straßen führt die Stellungnahme aus, dass aufgrund der geringen Fahrzeuganzahl von ca. 100 Fahrzeugen an einem Wochenend- bzw. Feiertag keine schalltechnischen Konflikte zu erwarten seien.

8

Unter dem 17. Februar 2012 erteilte die Obere Forstbehörde der Beklagten die nach § 5 RVO erforderliche Genehmigung zum Bau des Kletterwaldes nach Maßgabe unter anderem der Nebenbestimmung Nr. 3:

9

„Eine künstliche Ausleuchtung des Kletterwaldes sowie der Betrieb einer Gastronomie innerhalb der Anlage ist nicht zulässig. Der Betrieb darf nur bei ausreichendem Tageslicht stattfinden. In diesem Zusammenhang sollten die Öffnungszeiten maximal zwischen morgens 10:00 Uhr und abends 18:00 Uhr bzw. von Anfang Juni bis Ende September 20:00 Uhr beschränkt werden.“

10

Die Kläger legten gegen diese Genehmigung Widerspruch ein.

11

Die Beklagte erteilte mit Bescheid vom 9. März 2012 die Baugenehmigung für den beantragten Kletterwald. Adressat ist die „B. GmbH, Herrn D.“. Die Genehmigung zitiert unter Ziffer 4.5 in den „Auflagen und Bedingungen“ die vorgenannte Nebenbestimmung Nr. 3 aus dem Bescheid der Forstbehörde vom 17. Februar 2012. In Nr. 1 der in der Baugenehmigung enthaltenen „Hinweise“ heißt es, dass alle dem Bauantrag beigefügten Unterlagen, die Voraussetzung der Baugenehmigung sind, Bestandteil der Baugenehmigungen seien.

12

Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch machten die Kläger geltend, die Baugenehmigung sei nichtig, da sie an eine nicht existente juristische Person erteilt worden sei. Außerdem sei sie wegen Verstoßes sowohl gegen objektives Recht als auch gegen subjektive Rechte rechtswidrig. Was den ersten Aspekt anbelange, liege eine Verletzung der Planungspflicht im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB vor, Belange des Naturschutzes wie auch die natürliche Eigenart der Landschaft seien beeinträchtigt und es fehle eine ausreichende Zahl von Stellplätzen. Daneben seien auch subjektive Rechte verletzt. Es liege ein Verstoß gegen die individual-schützenden Bestimmungen der Rechtsverordnung über den Erholungswald „Hain“ vor. Ferner sei das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verletzt. Sowohl die Nutzung des Kletterwaldes selbst als auch der Ziel- und Quellverkehr überschritten die Grenzwerte eines reinen Wohngebietes. Das eingeholte Schallschutzgutachten untersuche den zu erwartenden Lärm nur unzureichend. Das gelte beispielsweise für die Schreie der Besucher des Kletterparks und deren Verweildauer. Auch werde der durch den in den Sommermonaten wöchentlich samstags in der Zeit von 05:30 Uhr bis 14:00 Uhr stattfindenden Flohmarkt entstehende Ziel- und Quellverkehr nicht ausreichend berücksichtigt.

13

Im Widerspruchsverfahren ist die E. GmbH & Co KG beteiligt worden. Ausweislich des Handelsregister-Auszuges des Amtsgerichts Montabaur ist diese Gesellschaft am 24. April 2012 eingetragen worden.

14

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2012, den Bevollmächtigten der Kläger zugestellt am 4. September 2012, wurden die Widersprüche zurückgewiesen. Nichtigkeitsgründe lägen nicht vor. Die Baugenehmigung sei an einen existierenden Adressaten, nämlich die Vorgründungsgesellschaft der E. GmbH & Co. KG, gerichtet gewesen. Die Baugenehmigung wirke als sachbezogener Verwaltungsakt auch für und gegen den Rechtsnachfolger des Bauherrn. Ausweislich einer vorsorglich getroffenen Abtretungsvereinbarung sei die E. GmbH & Co. KG berechtigt, von der Baugenehmigung Gebrauch zu machen. Die Baugenehmigung entspreche dem Bestimmtheitsgrundsatz, denn sie treffe hinsichtlich der Öffnungszeiten klare Regelungen. Diese seien von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr und in der Zeit vom 1. Juni bis 30. September bis 20:00 Uhr begrenzt. An Samstagen mit Flohmarktbetrieb dürfe der Kletterwald erst um 13:00 Uhr öffnen. Das Vorhaben rufe keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervor, so dass das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt sei. Hierzu wurde auf das Gutachten des Büros C. verwiesen, das von der ungünstigsten Situation hinsichtlich der Lärmbelastung ausgehe. Die Prüfung der Vereinbarkeit des Kletterwaldes mit der Rechtsverordnung „Hain“ sei wegen ausschließlicher Zuständigkeit der Oberen Forstbehörde weder Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens noch des Widerspruchsverfahrens gewesen.

15

Die Kläger haben am 2. Oktober 2012 Klage erhoben, zu deren Begründung sie unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres Widerspruchsvorbringens unter anderem geltend machen: Die Baugenehmigung richte sich an eine nicht existente juristische Person und sei nichtig. Sie verstoße gegen das drittschützende, aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB resultierende Gebot der Rücksichtnahme, da von dem Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen auf ihre, der Kläger, Grundstücke ausgingen. Die Einwirkungen seien nicht mehr zumutbar, da die zulässigen Immissionsgrenzwerte der TA Lärm überschritten würden. Entgegen der schalltechnischen Stellungnahme des Büros C. sei keine Worst-Case-Betrachtung durchgeführt worden. Das Gutachten sei zwar rechnerisch in sich konsistent, gehe aber von spekulativen und unrealistischen Immissionsansätzen aus. Diesbezüglich werde auf die klägerseits eingeholte schalltechnische Stellungnahme der F. GmbH vom 16. November 2012 Bezug genommen. Diese lege eine realistischere Betrachtung auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 3770 zugrunde und gelange zu einer Überschreitung des Richtwertes von 45 dB (A) um 2 dB (A). Was den Verkehrslärm anbelange, so würden die Werte der 16. BImSchV überschritten. Das Büro C. habe weder die samstäglichen Flohmarktveranstaltungen berücksichtigt noch den Umstand, dass ein Teil der Straße A. mit Pflastersteinen belegt sei. Schließlich verstoße die Baugenehmigung auch gegen § 3 RVO. Diese sei drittschützend, da ein von der Allgemeinheit unterscheidbarer Personenkreis geschützt werde. Durch die genehmigte Nutzung werde die Erholungsfunktion des Waldes unmöglich gemacht.

16

Die Kläger beantragen,

17

die Baugenehmigung vom 9. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2012 aufzuheben.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Die Beigeladene stellt keinen förmlichen Antrag.

21

Beklagte und Beigeladene sind der Klage unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes im Einzelnen entgegengetreten. Sie verweisen insbesondere auf ergänzende Stellungnahmen des Büros C. vom 17. Dezember 2012 sowie vom 12. Februar 2013. Der gewählte Ansatz von Lw = 80 dB (A) pro Person liege auf der sicheren Seite. Denn die VDI-Richtlinine 3770 nenne diesen Wert auch als Immissionsansatz für Zuschauer bei Fußballpunktspielen. Bei diesen seien Gruppendynamik und lautere Einzelereignisse ebenfalls vorhanden, so dass der Ansatz nicht spekulativ gewählt sei. Der „anlagenbezogene Fahrverkehr“ könne nach der 18. BImSchV oder der TA Lärm in Verbindung mit der 16. BImSchV beurteilt werden. Der entsprechende, in Wohngebieten geltende Immissionsgrenzwert von 59 dB (A) werde eingehalten. Für eine konservative Berechnung spreche auch die Nichtberücksichtigung der meteorologischen Korrektur und der Dämpfung durch den Wald. In der Fachliteratur werde für Wald ohne Unterholz pro Meter Bepflanzung eine Minderung von 0,05 dB und als Mittelwert für Wald pro Meter eine Minderung von 0,1 dB angegeben. Würde man die geringste Minderung von 0,05 dB pro Meter in Ansatz bringen, ergäbe sich durch den ca. 100 m breiten Waldstreifen zwischen Kletterwald und Wohnbebauung eine Minderung von 5 dB.

22

Der verantwortliche Mitarbeiter des Ingenieur-Büros C. hat in der mündlichen Verhandlung seine schalltechnische Berechnung erläutert.

23

Die Kläger haben mit nachgelassenem Schriftsatz vom 1. März 2013 nebst beigefügter Beurteilung der F. vom 28. Februar 2013 ergänzend Stellung genommen.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf folgende Unterlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind: 6 Hefte Verwaltungsakten sowie die mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 19. November 2012 vorgelegte schalltechnische Stellungnahme der F. GmbH vom 16. November 2012.

Entscheidungsgründe

25

Die Klage ist mit dem im Wege der subjektiven Klagehäufung nach § 64 VwGO in Verbindung mit §§ 59 ff. ZPO verfolgten Anfechtungsantrag zulässig, aber unbegründet. Denn die angefochtene Baugenehmigung vom 9. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2012 verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten, was nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO für einen Erfolg der Anfechtungsklage notwendig wäre. Eine bloße objektive Rechtswidrigkeit reicht hiernach nicht aus.

26

Die behauptete Verletzung in eigenen Rechten kann zunächst nicht darauf gestützt werden, dass nach Ansicht der Kläger die Baugenehmigung an eine nicht existierende Person erteilt wurde. Ungeachtet der zwischen den Beteiligten streitigen gesellschaftsrechtlichen Fragen ist jedenfalls aufgrund des Widerspruchsbescheides davon auszugehen, dass die Beigeladene Adressat der Baugenehmigung ist. Die Widerspruchsbehörde hat die - zwischenzeitlich ins Handelsregister eingetragene - Gesellschaft als Drittbeteiligte zum Verfahren hinzugezogen und damit der Baugenehmigung hinsichtlich des Adressaten Gestalt im Sinne des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO gegeben. Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, in welchem Recht die Kläger dadurch verletzt sein sollten, dass die Baugenehmigung - unterstellt - an einen nicht existenten Adressaten gerichtet worden wäre.

27

Eine Rechtsverletzung scheidet ferner aus, soweit die Kläger sich auf einen Verstoß gegen die Rechtsverordnung über den Erholungswald „Hain“ berufen. Die Prüfung dieser Vorschrift ist nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens gewesen und die Baugenehmigung selbst trifft keine Regelung hierzu. Vielmehr ist diesbezüglich ein besonderes Genehmigungsverfahren durch die Forstverwaltung durchgeführt worden. Der Widerspruchsbescheid hat dies noch einmal ausdrücklich klargestellt und damit der Baugenehmigung keine andere Gestalt im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegeben. Abgesehen davon vermittelt die Rechtsverordnung keinen Drittschutz zugunsten der Kläger. Das ergibt sich eindeutig aus § 3 RVO, der den Zweck des Erholungswaldes bestimmt. Hiernach dient die Erklärung zum Erholungswald der Erhaltung, der Pflege und der Gestaltung des Waldes zum Zwecke der Erholung der Bevölkerung und es sind die Grundsätze der Landespflege zu beachten. Damit ist ein völlig offener, nicht individualisierbarer Personenkreis angesprochen, so dass nicht von einem intendierten Nachbarschutz ausgegangen werden kann. Für diese Einschätzung spricht auch die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Rechtsverordnung in § 19 des Landesforstgesetzes in der Fassung vom 2. Februar 1977 (GVBl. Seite 21). Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift kann Wald in Verdichtungsräumen, in der Nähe von Städten und größeren Siedlungen, Heilbädern, Kur- und Erholungsorten, der nach den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung für Zwecke der Erholung bestimmt ist, durch Rechtsverordnung zur Erholungswald erklärt werden. Der unmittelbare Schutz eines individualisierbaren Personenkreises ist damit gerade nicht beabsichtigt.

28

Die genehmigte Anlage verstößt nicht gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme, wie es sich für das Außenbereichsvorhaben der Beigeladenen aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ergibt. Das wäre dann der Fall, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Ob das baurechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt ist, bemisst sich im Einzelnen grundsätzlich nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 BImSchG i.V.m. den insoweit die Zumutbarkeit konkretisierenden und als Orientierungshilfe heranzuziehenden LAI-Hinweisen (MinBl. 1997, 213). Danach vermögen die von den Klägern gerügten Lärmimmissionen einschließlich der aufgezeigten Verkehrssituation keine erheblichen schädlichen Umwelteinwirkungen hervorzurufen. Aufgrund des Ergebnisses der der Baugenehmigung zugrundegelegten schalltechnischen Stellungnahme des Büros C. und durch die festgesetzten Nutzungszeiten kann angenommen werden, dass die Kläger keinen unzumutbaren Lärmbelästigungen ausgesetzt sein werden. Es besteht keine konkrete Gefahr einer Überschreitung der einschlägigen Richtwerte, so dass es zur Sicherung der Nachbarrechte keiner weitergehenden drittschützenden Regelungen in der Baugenehmigung bedurfte.

29

Ob rechtserhebliche Lärmimmissionen vorliegen, beurteilt sich hier nach den unter Ziffer 5.1 e der LAI-Hinweise geregelten Immissionsrichtwerten „außen“ für reine Wohngebiete. Nach dem Stand der mündlichen Verhandlung und auch unter Berücksichtigung des der Klägerseite nachgelassenen Schriftsatzes vom 1. März 2013 ergibt sich, dass bei Betrieb der Anlage der Beigeladenen selbst der für die Nachbarn günstigste Immissionsrichtwert von 45 dB (A), der für Werktage innerhalb der Ruhezeit sowie an Sonn- und Feiertagen gilt, eingehalten wird. Nach der von den Klägern vorgelegten schalltechnischen Stellungnahme der F. vom 16. November 2012 werden die Berechnungen des Gutachtens C. vom 7. Dezember 2011 zwar als nachvollziehbar bezeichnet, es mangele jedoch an einer ausreichend belastbaren Datengrundlage zum tatsächlichen Verhalten und zur Geräuschentwicklung in der Umgebung derartiger Einrichtungen. Legt man das von der F. angenommene und für realistisch gehaltene differenzierte Verhaltensmuster mit der Bandbreite von „keine Kommunikation bis Schreien normal“ zugrunde mit einem Beurteilungspegel von 47 dB (A), so zeigt dies zunächst, dass der Tagesimmissions-Richtwert an Werktagen außerhalb der Ruhezeit von 50 dB (A) auch nach der klägerseitigen Datengrundlage eingehalten wird. Der Tagesimmissionsrichtwert an Werktagen innerhalb der Ruhezeit von 45 dB (A) kann im vorliegenden Zusammenhang unberücksichtigt bleiben, da die Anlage der Beigeladenen ausweislich der zum Gegenstand der Baugenehmigung gewordenen Betriebszeiten nur außerhalb der Ruhezeiten (vgl. Ziffer 4.4 Abs. 1 2. Spiegelstrich der LAI-Hinweise) betrieben werden darf; ein Betrieb der Anlage ist weder von 06:00 Uhr bis 08:00 Uhr noch nach 20:00 Uhr genehmigt.

30

Der Sonn- und Feiertagswert von 45 dB (A) wird auch auf der Grundlage der schalltechnischen Stellungnahme der F. vom 16. November 2012 einschließlich der dem nachgelassenen Schriftsatz vom 1. März 2013 beigefügten Beurteilung der F. vom 28. Februar 2013 unterschritten. Ausweislich der Stellungnahme des Ingenieur-Büros C. vom 12. Februar 2013, die durch einen Vertreter des Büros in der mündlichen Verhandlung erläutert wurde, ließ die Berechnung die Dämpfung durch den Wald unberücksichtigt. Diese Dämpfung ist seitens der Kläger nicht bestritten worden und auch von Amts wegen nicht zu beanstanden. Wird der von der F. ermittelte Beurteilungspegel von 47 dB (A) um die Dämpfung durch den Wald gemindert, so ergibt sich ein Beurteilungspegel von (47 - 5) = 42 dB (A). Eine Unterschreitung des Immissionsrichtwertes von 45 dB (A) liegt selbst dann noch vor, wenn 170 Personen auf der Anlage unterstellt werden anstatt der in der ursprünglichen Berechnung angenommenen 120 Personen. Für diesen Fall nimmt die F. in ihrem Schreiben vom 28. Februar 2013 eine Richtwertüberschreitung von 3,5 dB (A). Danach errechnet sich ein Beurteilungspegel von (48,5 - 5) = 43,5 dB (A).

31

Diese unter dem Immissionsrichtwert von 45 dB (A) liegenden Werte sind nach Einschätzung der Kammer auch deshalb „auf der sicheren Seite“ einzuordnen, weil die schalltechnische Stellungnahme C. u. a. keine meteorologische Korrektur wie die Berücksichtigung der Windverhältnisse vorgenommen hat und auch durchgängig eine Schallquellenhöhe von 10 m über Boden zugrundelegt.

32

Dabei ist in Bezug auf die Betroffenheit der Kläger noch unberücksichtigt geblieben, dass sich die vorstehende Berechnung auf den Immissionsort 1 des Gutachtens C. bezieht, das heißt die der Kletteranlage am nächsten gelegene Stelle. Die Wohngrundstücke der Kläger zu 1) bis 3) wie auch die unbebaute Parzelle 262 des Klägers zu 1) liegen indes in einem größeren Abstand zum Kletterpark als der IO 1.

33

Neben den von der Anlage selbst ausgehenden Geräuschen erweist sich die schalltechnische Stellungnahme des Büros C. auch in Bezug auf die mit dem Anlagenbetrieb verbundenen Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen als tragfähig. Hierzu kann auf die entsprechende Bestimmung im Regelwerk der TA Lärm zurückgegriffen werden.

34

Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm konkretisiert die Zuordnung des An- und Abfahrtverkehrs zu einem Betriebsgrundstück. Danach sollen Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 m von dem Betriebsgrundstück in (u.a.) Wohngebieten durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich vermindert werden, soweit sie den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB (A) erhöhen, keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt ist und die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) erstmals oder weitergehend überschritten werden. Hierzu hat das Büro C. in seinen Stellungnahmen vom 17. Dezember 2012 und vom 25. Januar 2013 überzeugend dargelegt, dass - auch unter Berücksichtigung des durch samstägliche Flohmärkte verursachten Verkehrs - der Immissionsgrenzwert der 16. BImSchV deutlich unterschritten wird.

35

Schließlich können die Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, der Baugenehmigung liege nur eine schalltechnische Berechnung zugrunde und es hätten stattdessen Referenzmessungen an einer bestehenden Anlage durchgeführt werden müssen. Im Genehmigungsverfahren sind nämlich für das Immissionsschutzrecht Prognosen in Gestalt von Berechnungen anerkannt. Diesbezüglich kann auf den Anhang A.2 zur TA Lärm sowie den Anhang 2 zur 18. BImSchV verwiesen werden.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO. Im Rahmen der Kostenaufteilung zwischen den Klägern hat die Kammer den Grundstücksbezug des Baunachbarrechtsschutzes berücksichtigt, wonach der Kläger zu 1) hinsichtlich zweier Grundstücke und die Kläger zu 2) und 3) hinsichtlich eines gemeinsamen Grundstückes unterlegen sind, was einem Verhältnis von 2/3 zu 1/3 entspricht. Es entsprach nicht der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, den Klägern die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn diese hat in der mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt und sich damit auch nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt.

37

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

38

Beschluss

39

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 22.500,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

40

Die Kammer legt hierbei im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung die Empfehlungen des Streitwertkataloges (NVwZ 2004, 1327) zugrunde. Der Katalog empfiehlt in Nr. 9.7.1 für die Klage eines drittbetroffenen Nachbarn einen Betrag in Höhe von 7.500,-- €, mindestens den Betrag einer Grundstückswertminderung. Da eine solche nicht beziffert dargelegt wurde, legt die Kammer für jedes der hier in Rede stehenden Grundstücke einen Betrag in Höhe von jeweils 7.500,-- € zugrunde. Dies ergibt für die beiden Parzellen des Klägers zu 1) einen Betrag in Höhe von (2 x 7.500 =) 15.000,-- € und die Parzelle der Kläger zu 2) und 3) einen Betrag in Höhe von 7.500,-- €. Nach Ziffer 1.1.3 des Streitwertkataloges sind die Werte der einzelnen Klagen zu addieren, so dass sich in der Summe ein Betrag in Höhe von 22.500,-- € ergibt.

41

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden.

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