Beschluss vom Verwaltungsgericht Koblenz (5. Kammer) - 5 L 158/21.KO

Tenor

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Dienstposten „Leitung des Ordnungsamtes (m/w/d)“ endgültig mit dem Beigeladenen zu besetzen und diesem ein Beförderungsamt der Besoldungsgruppe A 13 Landesbesoldungsordnung zu übertragen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Hiervon ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 33.974,22 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem er seinen Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung um die Stelle der „Leitung des Ordnungsamtes (m/w/d)“ bei der Antragsgegnerin zu sichern sucht, hat Erfolg. Er ist zulässig (I.) und begründet (II.).

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I. Der Antrag ist zulässig.

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1. Die Kammer hat zunächst keine durchgreifenden Zweifel an der Zulässigkeit des von dem Antragsteller gestellten Antrags. Dieser steht insbesondere nicht – wie die Antragsgegnerin meint – unter einer unzulässigen Bedingung. Soweit der Antragsteller beantragt,

4

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den für die Besetzung des Dienstpostens „Leiter des Ordnungsamts“ (Amt 32) – bewertet nach Besoldungsgruppe A 13 – ausgewählten Beamten A... solange nicht zu befördern bzw. ihm den streitigen Dienstposten endgültig zu übertragen, bis die Antragsgegnerin eine erneute Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts getroffen hat,

5

handelt es sich um einen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes statthaften und im Übrigen auch sachdienlichen Antrag (vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 7. Juni 2018 – 1 B 1381/17 –, juris, Rn. 10). Der Vortrag der Antragsgegnerin, im Falle ihres Obsiegens im gerichtlichen Verfahren dürfe sie „trotzdem den Dienstposten nicht besetzen oder den ausgewählten Bewerber befördern“, erschließt sich der Kammer nicht.

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2. Der Antragsteller verfügt zudem über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dem steht nicht entgegen, dass er seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erst am 22. Februar 2021 und damit nicht bereits vor Abschluss des Bewerbungsverfahrens gestellt hat.

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Zwar trifft es zu, dass ein Bewerber, der – wie hier – schon im Rahmen einer Vorauswahl unabhängig von einem Leistungsvergleich wegen (vermeintlicher) Nichterfüllung eines konstitutiven Auswahlkriteriums vom weiteren Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wird, zur Sicherung seiner Bewerberposition grundsätzlich bereits in diesem Stadium des Bewerbungsverfahrens einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. April 2006 – 2 VR 2.05 –, juris, Rn. 3; VGH BW, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 4 S 1914/15 –, juris, Rn. 3). Soweit in der Rechtsprechung teilweise vertreten wird, mit dieser Rechtsschutzmöglichkeit korrespondiere zugleich eine Obliegenheit, von ihr Gebrauch zu machen (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 8. April 2013 – AN 11 E 13.00618 –, juris, Rn. 20 f.; VG Koblenz, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 2 L 1149/19.KO –, juris, Rn. 5; anders aber unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz – GG – VG Stuttgart, Beschluss vom 27. November 2015 – 9 K 5363/15 –, juris, Rn. 17), kann offenbleiben, ob ein solcher Rechtssatz im Allgemeinen besteht. Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden kann dem Antragsteller die Verletzung einer derartigen – insoweit unterstellten – Obliegenheit aus den nachfolgenden Erwägungen nicht entgegengehalten werden.

8

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 1. Dezember 2020 mitgeteilt, dass er nicht zum engeren Kreis der Bewerber zähle und deshalb nicht zu einem Gespräch eingeladen worden sei. Wann dieses Schreiben den Antragsteller erreicht hat, lässt sich dem vorgelegten Verwaltungsvorgang nicht unmittelbar entnehmen. Weder enthält das Schreiben vom 1. Dezember 2020 einen Abgangsvermerk (vgl. Bl. 18 der Verwaltungsakte) noch ist ein sonstiger Vermerk oder Nachweis über den Zugang der – eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht enthaltenden – Negativmitteilung aktenkundig. Mangels anderer Angaben ist deshalb von dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Antragstellers auszugehen, ihm sei per E-Mail am 8. Dezember 2020, 15:23 Uhr, mitgeteilt worden, dass er nicht zum engeren Kreis der Bewerber zähle (vgl. Bl. 21 der Verwaltungsakte). Das Auswahlgespräch mit dem Beigeladenen (dem alleinigen weiteren Bewerber um die ausgeschriebene Stelle) – mithin die zweite Stufe des Bewerbungsverfahrens – fand indes bereits am 9. Dezember 2020 um 9:00 Uhr statt. Vom gleichen Tag datiert die Mitteilung des Oberbürgermeisters an den Personalrat der Antragsgegnerin, es sei beabsichtigt, dem Beigeladenen die ausgeschriebene Stelle zu übertragen.

9

In Ansehung dieser zeitlichen Abläufe erscheint es rechtsmissbräuchlich, wenn die Antragsgegnerin sich nun darauf beruft, der Antragsteller habe es versäumt, frühzeitig – mithin vor Abschluss der nächsten Verfahrensstufe – einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Denn die Antragsgegnerin hat mit der unter dem 9. Dezember 2020 getroffenen Auswahl des Beigeladenen gleichsam „Fakten geschaffen“ und es dem Antragsteller tatsächlich nahezu unmöglich gemacht, durch rechtzeitige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes seine Teilnahme an den Auswahlgesprächen noch vor Beendigung der zweiten Verfahrensstufe durchzusetzen und damit im Ergebnis seinen Bewerbungsverfahrensanspruch in diesem Verfahrensstadium zu sichern.

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Darüber hinaus ist das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers auch nicht dadurch entfallen, dass dem Beigeladenen der ausgeschriebene Dienstposten am 15. Februar 2021 übertragen worden ist. Denn die bloße Übertragung des Beförderungsdienstpostens kann, da es zu einer Ernennung des Beigeladenen in ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 13 Landesbesoldungsordnung – LBesO – bislang noch nicht gekommen ist, rückgängig gemacht werden, soweit sich die getroffene Auswahlentscheidung als rechtswidrig erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. August 2001 – 2 A 3.00 –, BVerwGE 115, 58 [59]; Beschluss vom 10. Mai 2016 – 2 VR 2.15 –, BVerwGE 155, 152 [161 Rn. 33]).

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Für eine hierneben grundsätzlich denkbare Verwirkung der prozessualen Befugnis, die vorgesehene Beförderung des Beigeladenen im Wege eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorläufig zu verhindern (vgl. etwa ThürOVG, Beschluss vom 9. Februar 2015 – 2 EO 508/14 –, juris, Rn. 43), ist vorliegend weder etwas vorgetragen noch sonst etwas ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 8. Dezember 2020 – also unmittelbar nach Abschluss der ersten Stufe des Auswahlverfahrens – mitgeteilt hat, er werde „[m]it Zustellung der schriftlichen Benachrichtigung der negativen Auswahlentscheidung [...] Rechtsschutz in Anspruch nehmen (Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung; Widerspruch als Vorstufe einer Konkurrentenklage)“. Soweit er dies (erst) am 22. Februar 2021 getan hat – also unmittelbar nachdem die Antragsgegnerin unter dem 15. Februar 2021 ihre Entscheidung, den streitbefangenen Dienstposten dem Beigeladenen zu übertragen, behördenintern bekanntgemacht hat –, lässt sich hieraus für eine Verwirkung nichts herleiten.

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II. Der Antrag ist auch begründet.

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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand erlassen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Das Bestehen des zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die für dessen Verwirklichung drohende Gefahr (Anordnungsgrund) sind nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 936, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen. Will – wie hier – ein Bewerber um einen Dienstposten dessen (endgültige) Vergabe an einen Mitbewerber vorläufig verhindern, so bedarf es dazu der Glaubhaftmachung, dass die getroffene Auswahlentscheidung fehlerhaft ist und seine eigenen Aussichten, bei ordnungsgemäßer Wiederholung zum Zuge zu kommen, zumindest offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Januar 2010 – 2 BvR 811/09 –, juris, Rn. 6 m.w.N.). Diese Glaubhaftmachung ist dem Antragsteller vorliegend gelungen.

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1. Dem Antragsteller steht zunächst ein Anordnungsgrund zur Seite.

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Art. 33 Abs. 2 GG sowie Art. 19 Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – und § 9 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG – gewähren jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Die Verbindlichkeit dieses verfassungsunmittelbar und einfachgesetzlich angeordneten Maßstabs gilt nicht nur für die unmittelbare Vergabe eines Amtes im statusrechtlichen Sinne – also eine Beförderung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG –, sondern auch für die dieser Ernennung vorgelagerten Auswahlentscheidungen, durch die eine zwingende Voraussetzung für die nachfolgende Ämtervergabe vermittelt oder die Auswahl für die Ämtervergabe vorweggenommen oder vorbestimmt wird. Ein solcher Fall der sog. Vorwirkung einer Dienstpostenübertragung für die spätere Beförderung liegt hier vor. Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Landesbeamtengesetz – LBG – setzen Beförderungen, die mit einer höherwertigen Funktion verbunden sind, eine mindestens sechsmonatige Erprobungszeit voraus (vgl. auch § 12 Abs. 1 Satz 1 Laufbahnverordnung – LbVO –). Die Übertragung des höherwertigen Dienstpostens soll danach unter den Bedingungen praktischer Tätigkeit die Prognose bestätigen, dass der Inhaber des Dienstpostens – besser als etwaige Mitbewerber – den Anforderungen des Beförderungsamtes genügen wird. Nur der erfolgreich Erprobte hat anschließend die Chance der Beförderung. Er wird nach Ablauf der Bewährungsfrist faktisch konkurrenzlos gestellt. Vor diesem Hintergrund schafft die Übertragung des ausgeschriebenen Dienstpostens für den Antragsteller wie auch für den Beigeladenen, die beide derzeit ein Statusamt nach Besoldungsgruppe A 12 LBesO innehaben, die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine spätere Beförderung in ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 13 LBesO. Damit wird die Auswahl für ein späteres Beförderungsamt dieser Beamten vorverlagert auf die Auswahl unter den Bewerbern um den Beförderungsdienstposten (vgl. zum Vorstehenden OVG RP, Beschluss vom 11. Juni 2014 – 2 B 10430/14.OVG –, juris, Rn. 4; Beschluss vom 8. März 2021 – 2 B 10229/21.OVG –, BA S. 3 f.; jeweils m.w.N.).

16

Dieser Vorwirkung der Dienstpostenübertragung steht – anders als die Antragsgegnerin meint – nicht entgegen, dass der Beigeladene in seiner Funktion als stellvertretender Amtsleiter „bereits seit dem 01.03.2020 [ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung eines Herrn B... (wohl ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin) vom 26. Februar 2021 wohl richtig: 9. März 2020; Anm. d. Kammer] faktisch durchgängig die Amtsleitungstätigkeit im Ordnungsamt wahr[nimmt], da die Amtsleiterin seitdem dauerhaft erkrankt ist“. Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang der Auffassung ist, dass mit der „Übertragung der Aufgaben des neu geschaffenen Amtsleiterdienstpostens keine Vorwirkung für eine spätere Beförderung geschaffen wird, die nicht bereits vorhanden ist“, folgt die Kammer dem nicht.

17

Es ist schon im Ausgangspunkt nicht davon auszugehen, dass es sich bei der lediglich krankheitsbedingten Vertretung der bisherigen Amtsleiterin um eine Erprobung im Sinne von § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LBG, § 12 Abs. 1 Satz 1 LbVO handelt. Denn insoweit hat der Beigeladene diese (Vertretungs-)Aufgabe kraft seines originären Dienstpostens als stellvertretender Leiter des Ordnungsamtes wahrgenommen. Hiervon scheint die Antragsgegnerin jedenfalls ursprünglich auch selbst ausgegangen zu sein, da sie dem Beigeladenen am 15. Februar 2021 zunächst nur den ausgeschriebenen Dienstposten übertragen hat, ohne ihn gleichwohl unmittelbar in ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 13 LBesO zu befördern.

18

Im Übrigen ist auch weder dargelegt noch ersichtlich, ob sich der Beigeladene – die Auffassung der Antragsgegnerin insoweit unterstellt – während der Wahrnehmung der „faktischen“ Amtsleitung seit dem 9. März 2020 auf diesem Dienstposten bewährt hat und die Erprobungszeit damit als geleistet gilt (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 LbVO). Denn die bloße Wahrnehmung der Tätigkeiten eines Dienstpostens – und nur hierauf beruft sich die Antragsgegnerin – ist schon von vornherein nicht gleichzusetzen mit einer Bewährung in den Tätigkeiten dieses Dienstpostens. Somit verfängt auch aus diesem Grund die Auffassung der Antragsgegnerin nicht, die erlangte „Erfahrung des Beigeladenen“ stehe einer Vorwirkung der Dienstpostenübertragung entgegen.

19

Ungeachtet dessen geht die Auffassung der Antragsgegnerin aber auch dann fehl, wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, der Beigeladene habe seine Eignung für den ausgeschriebenen, höher bewerteten Dienstposten schon im Zeitraum ab dem 9. März 2020 nachgewiesen. Denn in diesem Fall käme der Auswahl des Beigeladenen für den Beförderungsdienstposten erst recht eine Vorwirkung für das Beförderungsamt der Besoldungsgruppe A 13 LBesO zu. Der Beigeladene wäre dann nämlich nicht erst nach Ablauf der Bewährungsfrist faktisch konkurrenzlos, sondern bereits mit Übertragung des Beförderungsdienstpostens. Anderen Bewerbern wäre es sodann schon im Ansatz nicht mehr möglich, sich auf dem Dienstposten zu bewähren, wohingegen der Beigeladene mit Blick auf § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LBG unmittelbar befördert werden könnte. Wollte man in diesem Fall das Vorliegen eines Anordnungsgrundes gleichwohl verneinen, wären die dem Beigeladenen unterlegenen Mitbewerber um den Beförderungsdienstposten faktisch rechtsschutzlos gestellt. Dieses Ergebnis ließe sich mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 124 LV erkennbar nicht vereinbaren.

20

2. Der Antragsteller hat zudem einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der auf der ersten Stufe des Auswahlverfahrens erfolgte Ausschluss des Antragstellers aus dem Bewerberkreis hat dessen Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Seine Auswahl in einem erneuten, fehlerfrei durchgeführten Auswahlverfahren erscheint zumindest möglich.

21

a) Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin, den streitbefangenen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen, verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 19 LV und § 9 BeamtStG.

22

aa) Danach haben Bewerber um eine Beförderungsstelle einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über ihre Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei allein nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung entscheidet (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. November 2010 – 2 BvR 2435/10 –, NVwZ 2011, 746; BVerwG, Urteil vom 22. November 2012 – 2 VR 5.12 –, BVerwGE 145, 102 [116]; OVG RP, Beschluss vom 29. August 2016 – 2 B 10648/16.OVG –, ZBR 2017, 209; Beschluss vom 27. August 2020 – 2 B 10849/20.OVG –, juris, Rn. 15). Entsprechendes gilt auch dann, wenn der Dienstherr – wie hier – einen grundsätzlich nicht mit der unmittelbaren Möglichkeit der Beförderung verbundenen Dienstposten ausschreibt und über die Besetzung nach Leistungskriterien entscheidet (BVerwG, Beschluss vom 27. September 2011 – 2 VR 3.11 –, juris, Rn. 21 m.w.N.). Über die Auswahlkriterien von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verlässlich Auskunft zu geben, ist in erster Linie Aufgabe der (letzten) dienstlichen Beurteilung, der deshalb bei der Besetzungsentscheidung regelmäßig vorrangige Bedeutung zukommt (stRspr., vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Oktober 2012 – 2 BvR 1120/12 –, juris, Rn. 12 ff.; BVerwG, Beschluss vom 27. September 2011 – 2 VR 3.11 –, juris, Rn. 25; OVG RP, Beschluss vom 5. November 2012 – 2 B 10778/12.OVG –, juris, Rn. 16).

23

Allerdings kann der Dienstherr über die Eignung des Bewerberfeldes auch in einem gestuften Auswahlverfahren befinden. Bewerber, welche die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder welche aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe von vornherein nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den auf zweiter Stufe stattfindenden Leistungsvergleich einbezogen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. April 2006 – 2 VR 2.05 –, juris, Rn. 7; Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, BVerwGE 147, 20 [26 Rn. 23]). Dies gilt grundsätzlich auch für Bewerber, die zwingende Vorgaben eines rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4.11 –, juris, Rn. 17 und 30; Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, BVerwGE 147, 20 [26 Rn. 23]).

24

Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils ist der Dienstherr aber an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Soweit – wie vorliegend – eine an Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 19 LV und § 9 BeamtStG zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht, ist er auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauslese verpflichtet. Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 19 LV und § 9 BeamtStG ist nicht die Funktionsbeschreibung des konkreten Dienstpostens, sondern das angestrebte Statusamt. Nach dem Laufbahnprinzip wird ein Beamter aufgrund seiner Befähigung für eine bestimmte Laufbahn regelmäßig als geeignet angesehen, jedenfalls diejenigen Dienstposten auszufüllen, die seinem Statusamt entsprechen oder dem nächsthöheren Statusamt zugeordnet sind (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 2 Satz 2 LBG). Es kann grundsätzlich erwartet werden, dass der Beamte imstande ist, sich in die Aufgaben dieser Dienstposten einzuarbeiten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4.11 –, juris, Rn. 15; Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, BVerwGE 147, 20 [28 Rn. 28]; Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 2 VR 1.14 –, juris, Rn. 25). Eine Einengung des Bewerberfeldes darf daher grundsätzlich nicht aufgrund der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfolgen.

25

Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen; sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, BVerwGE 147, 20 [28 Rn. 31]; Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 2 VR 1.14 –, juris, Rn. 26).

26

bb) Ausgehend hiervon hat die Antragsgegnerin den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt, indem sie ihn ohne sachliche Rechtfertigung auf der zweiten Stufe des Auswahlverfahrens – den Auswahlgesprächen bzw. „strukturierten Interviews“ – nicht mehr berücksichtigt und damit nicht in die eigentliche Auswahlentscheidung einbezogen hat. Für die Annahme der Antragsgegnerin, der Antragsteller erfülle bereits nicht das dem Anforderungsprofil der Ausschreibung zu entnehmende konstitutive Merkmal der „Kenntnisse und Erfahrungen in der Leitungstätigkeit und Mitarbeiterführung“, fehlt es an einer tragfähigen Grundlage.

27

(1) Die Kammer geht zunächst mit der Antragsgegnerin davon aus, dass es sich bei dem von ihr im Anforderungsprofil der Ausschreibung zugrunde gelegten Merkmal „Kenntnisse und Erfahrungen in der Leitungstätigkeit und Mitarbeiterführung“ um ein konstitutives Anforderungsmerkmal handelt (vgl. für Leitungsfunktionen auch OVG NRW, Beschluss vom 15. Juni 2016 – 6 B 253/16 –, juris, Rn. 18 ff.; SächsOVG, Beschluss vom 2. September 2016 – 2 B 95/16 –, juris, Rn. 11; BayVGH, Beschluss vom 22. November 2016 – 3 CE 16.1912 –, juris, Rn. 26; OVG Bremen, Beschluss vom 14. Mai 2019 – 2 B 73/19 –, juris, Rn. 17). Die Antragsgegnerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass und warum es zwingend erforderlich ist, den streitbefangenen Dienstposten einem Bewerber zu übertragen, der über ein solches Anforderungsprofil bereits verfügt. Darüber hinaus spricht auch eine entsprechend § 133 Bürgerliches Gesetzbuch am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4.11 –, juris, Rn. 18; Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, BVerwGE 147, 20 [29 Rn. 32]; Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 2 VR 1.14 –, juris, Rn. 27) dafür, dem genannten Anforderungsmerkmal insoweit Bindungswirkung zukommen zu lassen. Dies folgt bereits aus der Bezeichnung der ausgeschriebenen Stelle mit „Leitung des Ordnungsamtes (m/w/d)“ [Hervorhebung nur hier]. Zudem heißt es im Ausschreibungstext weiter, das Ordnungsamt „besteht aus derzeit ca. 70 Mitarbeiter...Innen“, wobei die Aufgaben insbesondere in der „Leitung sowie interne[n] und externe[n] Vertretung des Ordnungsamtes“ bestünden. Ferner seien die „Fach- und Rechtsaufsicht über die Mitarbeiter des Ordnungsamtes“ auszuüben und die „Abstimmung, Vorbereitung und Leitung der Durchführung politischer und fachlicher Grundsatzentscheidungen“ zu leisten. Nicht zuletzt gehe es um eine „zielorientierte und effektive Verknüpfung sowie Koordinierung der einzelnen Fachgebiete“. Dies lässt in der Gesamtschau nur den Schluss zu, dass es sich bei dem im Ausschreibungstext genannten Merkmal „Kenntnisse und Erfahrungen in der Leitungstätigkeit und Mitarbeiterführung“ um ein konstitutives Anforderungsprofil handelt, das von den Bewerberinnen und Bewerbern „erwarte[t]“ und demnach zwingend vorausgesetzt wird.

28

(2) Anders als die Antragsgegnerin meint, erfüllt der Antragsteller jedoch dieses konstitutive Anforderungsmerkmal. Dabei versteht die Kammer das Anforderungsmerkmal dahingehend, dass mit den Begriffen „Kenntnisse und Erfahrungen“ sowohl theoretisches (= Kenntnisse) als auch praktisches (= Erfahrungen) Wissen gefordert werden.

29

Zunächst verfügt der Antragsteller über „Kenntnisse“ in der Leitungstätigkeit und Mitarbeiterführung. Derartige Kenntnisse hat er durch Teilnahme jedenfalls an den Fortbildungen „Jetzt werde ich Führungskraft – Was kommt auf mich zu?“, „Das Direktionsrecht im öffentlichen Dienst“, „Personalplanung im öffentlichen Dienst“, „Erfolgreich Führen I: Rolle und Motivation“, „Erfolgreich Führen III: Führen von Teams – Moderation von Besprechungen“ sowie „Erfolgreich Führen IV: Konflikte klären“ (vgl. Bl. 299, 309, 316, 320, 322 und 324 der Personalakte des Antragstellers) ersichtlich erworben. Soweit die Antragsgegnerin ausführt, der Antragsteller habe das Modul „Erfolgreich Führen II“ noch nicht absolviert, trifft dies zwar zu, vermag an den erworbenen Kenntnissen des Antragstellers allerdings nichts zu ändern. Ein entsprechender Rechtssatz, wonach der Nachweis von Kenntnissen in der Leitungstätigkeit und Mitarbeiterführung zwingend durch die Teilnahme gerade an den Modulen I bis IV des diese Fortbildungsveranstaltungen ausrichtenden „institut C...“ zu führen wäre, existiert weder im Allgemeinen noch hat die Antragsgegnerin Derartiges in für objektive Dritte erkennbarer Weise ihrer Ausschreibung des streitbefangenen Dienstpostens zugrunde gelegt. Letzteres gilt umso mehr, als der Beigeladene ausweislich der in seiner Personalakte enthaltenen Fortbildungsnachweise keines der vier genannten Module absolviert hat.

30

Darüber hinaus sind dem Antragsteller aber auch „Erfahrungen“ in der Leitungstätigkeit und Mitarbeiterführung zu attestieren. Erfahrungen in der Leitungstätigkeit hat er schon dadurch gesammelt, dass er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Personalrates seit dem 1. Dezember 2013 die Verhandlungen dieses Gremiums (vgl. § 29 Abs. 2 Satz 1 Landespersonalvertretungsgesetz – LPersVG –) sowie die Personalversammlung (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 LPersVG) leitet. Weiterhin kann er auch Erfahrungen in der Mitarbeiterführung aufweisen. Denn ausweislich des von der Antragsgegnerin vorgelegten Stellenplans ist in der Geschäftsstelle des Personalrates eine (Vollzeit-)Assistenzkraft (Entgeltgruppe E 7) beschäftigt; zwei weitere Stellen (eine 0,35-Stelle mit der Wertigkeit E 10 und eine 0,25-Stelle mit der Wertigkeit E 9b) sind jedenfalls ausgewiesen, derzeit jedoch nicht besetzt. Es versteht sich von selbst, dass dem Antragsteller insoweit die Aufgabe der Mitarbeiterführung zukommt und er deshalb in der Vergangenheit auf diesem Feld Erfahrungen sammeln konnte. Dass es sich dabei um die Führung nur weniger Mitarbeiter handelt, ist jedenfalls auf der Ebene der ersten Stufe des Auswahlverfahrens – in der noch kein Leistungsvergleich vorgenommen wird – ohne Belang.

31

Soweit die Antragsgegnerin dieser Bewertung zum einen entgegenhält, es handele sich bei der von dem Antragsteller wahrgenommenen Leitungstätigkeit nicht um eine „Leitungstätigkeit im Sinne der Leitung eines Amtes“, verfängt dies nicht. Die Leitung eines „Amtes“ ist im Ausschreibungstext des streitbefangenen Dienstpostens nämlich gerade nicht erwartet worden.

32

Zum anderen geht aber auch ihr weiterer Einwand fehl, die Tätigkeit des Antragstellers im Personalrat dürfe bei der Bewerbung keine Berücksichtigung finden, da das personalvertretungsrechtliche Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot „jegliche Bewertung der Tätigkeiten in einer Personalvertretung untersagt“. Zwar trifft es zu, dass nach § 6 Satz 2 LPersVG Mitglieder des Personalrates wegen ihrer Tätigkeit in ihrer beruflichen Entwicklung nicht benachteiligt oder begünstigt werden dürfen (vgl. für das Benachteiligungsverbot ferner auch § 39 Abs. 1 Satz 3 LPersVG). Eine Begünstigung im Sinne von § 6 Satz 2 LPersVG ist – ausgehend vom Sinn und Zweck der Regelung – vorliegend indes nicht gegeben. Namentlich soll das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot nämlich die Funktionsfähigkeit des Personalvertretungsrechts sichern und die Unabhängigkeit der Mitglieder der Personalvertretungen schützen (vgl. Enke, in: Lautenbach/Renninger/Beckerle/Enke/Winter, LPersVG, 104. EL Dezember 2020, § 6 Rn. 4; Jacobi, in: Küssner/Hofe/Stöhr, LPersVG, 22. EL Juni 2019, § 6 Rn. 3). Von einer Beeinträchtigung dieser Schutzziele ist hier jedoch nicht auszugehen (vgl. zu – hier nicht einschlägigen – Fallgruppen des Begünstigungsverbots Enke, in: Lautenbach/Renninger/Beckerle/Enke/Winter, LPersVG, 104. EL Dezember 2020, § 6 Rn. 16; Jacobi, in: Küssner/Hofe/Stöhr, LPersVG, 22. EL Juni 2019, § 6 Rn. 22). Der Antragsteller wird durch die Berücksichtigung seiner im Rahmen der Personalratstätigkeit gewonnenen Erfahrungen auf erster Stufe des Bewerbungsverfahrens weder benachteiligt noch begünstigt. Vielmehr liegt es in der Natur der Sache, dass im Rahmen der gewonnenen „Erfahrungen“ auch dasjenige Berücksichtigung finden können muss, was der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Personalrates erfahren konnte. Denn während das Benachteiligungsverbot einem Personalratsmitglied einerseits keinen Anspruch verschafft, von Qualifikationsmerkmalen für einen ausgeschriebenen Dienstposten dispensiert zu werden, weshalb das Fehlen von erforderlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen in der Person des sich um einen Beförderungsdienstposten bewerbenden Personalratsmitglieds nicht durch eine fiktive Fortschreibung überspielt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 2 B 1.13 –, juris, Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. April 2020 – OVG 4 S 63.19 –, IÖD 2020, 187 [190]; OVG RP, Beschluss vom 29. Oktober 2020 – 2 A 11016/20.OVG –, BA S. 4), verhindert das Begünstigungsverbot andererseits und umgekehrt nicht, dass entsprechende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen des Personalratsmitglieds – und zwar auch solche, die es als Personalratsmitglied erworben hat – Berücksichtigung finden können und müssen. Wollte man dies anders beurteilen – also die Erfahrungen eines sich um einen Beförderungsdienstposten bewerbenden, bereits über einen längeren Zeitraum (hier: über sieben Jahre) vom Dienst vollständig freigestellten Personalratsmitglieds nicht für berücksichtigungsfähig erachten –, verbliebe schlichtweg keine berücksichtigungsfähige Tätigkeit mehr, auf deren Erfahrungen sich das Personalratsmitglied berufen könnte. Es wäre sodann bei nahezu jedem denkbaren konstitutiven Anforderungsmerkmal, das auf die „Erfahrungen“ eines Beamten abstellt, schon auf erster Stufe vom weiteren Bewerbungsverfahren gleichsam automatisch ausgeschlossen, ohne in den originären Leistungsvergleich einbezogen zu werden. Dies wiederum wäre mit dem personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbot ersichtlich nicht zu vereinbaren. Insofern liegt jedenfalls ein sachlicher Grund für die Berücksichtigung von in personalvertretungsrechtlicher Eigenschaft gewonnenem Erfahrungswissen vor. Damit korrespondierend geht es im Übrigen auch nicht – wie die Antragsgegnerin meint – um eine „Bewertung“ der Personalratstätigkeit des Antragstellers; eine solche ist unzweifelhaft ausgeschlossen. In Rede steht vielmehr allein das Vorliegen eines objektiven Kriteriums, das – wertneutral – ohne Beeinträchtigung der eingangs genannten Schutzgüter von § 6 Satz 2 LPersVG festgestellt werden kann und das allein an die seinerseits keine Begünstigung darstellende Inanspruchnahme von Rechten, die mit der Mitgliedschaft im Personalrat verbunden sind, anknüpft (vgl. dazu Treber, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 8 BPersVG Rn. 27).

33

b) Nach alledem ist es nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller bei einer neuen Entscheidung über seine Bewerbung und seiner Einbeziehung in die zweite Stufe des Auswahlverfahrens um den ausgeschriebenen Dienstposten zum Zuge kommt. Dabei verfängt insbesondere die Auffassung der Antragsgegnerin nicht, dem Antragsteller könne bei einer Wiederholung der Auswahlentscheidung (ebenfalls auf erster Stufe) seine fehlende Erfahrung in der Abwicklung besonderer Gefahrenlagen entgegengehalten werden.

34

Zwar trifft es zu, dass der Antragsteller dieses Anforderungskriterium nicht erfüllt. Dies wurde von ihm auch schon mit Überlassung seiner Bewerbung an die Antragsgegnerin ausdrücklich zugestanden. Jedoch handelt es sich bei diesem Kriterium nicht um ein konstitutives Auswahlkriterium, das seine Nichtberücksichtigung im weiteren Verfahrensgang rechtfertigen würde.

35

Denn für das Aufstellen eines konstitutiven Anforderungskriteriums ist – wie bereits ausgeführt – grundsätzlich nur dann Raum, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines konkreten Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen; sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, BVerwGE 147, 20 [28 Rn. 31]; Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 2 VR 1.14 –, juris, Rn. 26).

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Vorliegend erscheint es bereits fraglich, ob die Antragsgegnerin die Voraussetzungen, weshalb von einem konstitutiven Auswahlkriterium auszugehen sei, hinreichend dargelegt hat. Ihr Vorbringen aus dem gerichtlichen Verfahren, dem Antragsteller könne „dieser Aspekt [...] im Falle der Notwendigkeit der Wiederholung der Auswahlentscheidung entgegen gehalten werden“, wird allein durch ein Schreiben ihres Oberbürgermeisters an den Personalrat vom 21. Januar 2021 gestützt. Darin heißt es – ohne Bezugnahme auf den konkreten Dienstposten – lediglich, besondere Gefahrenlagen brächten „naturgemäß eine Gefährdung für eine Vielzahl an Bürgern mit sich, deren Bewältigung hohe Verantwortung bedeutet“. Dieser Verantwortung könne „wohl [sic!] nur in vernünftiger Weise gerecht werden, wer bereits über gewisse [sic!] Erfahrung in diesem Bereich verfügt“. Entscheidend ist jedoch ein anderes: Unabhängig von der lediglich pauschalen Darlegung der Antragsgegnerin vermag die Kammer nicht zu erkennen, weshalb es sich bei dem Kriterium „Erfahrung in der Abwicklung besonderer Gefahrenlagen“ um ein konstitutives Auswahlkriterium handeln soll. Es ist nicht ersichtlich, weshalb es nicht möglich sein soll, sich derartige Erfahrungen in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auf dem ausgeschriebenen Dienstposten anzueignen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass für die Annahme eines konstitutiven Anforderungsprofils eines ausgeschriebenen Dienstpostens überhaupt nur in Ausnahmefällen Raum ist (vgl. instruktiv OVG RP, Beschluss vom 6. Februar 2012 – 10 B 11334/11.OVG –, juris, Rn. 10 m.w.N.). Im Hinblick auf das in Rede stehende Auswahlkriterium würde sich eine solche Annahme nicht zuletzt in Widerspruch dazu setzen, dass es sich bereits bei dem Auswahlkriterium „Kenntnisse und Erfahrungen in der Leitungstätigkeit und Mitarbeiterführung“ um ein konstitutives Anforderungsprofil handelt. Insoweit hat die Antragsgegnerin nämlich selbst ausgeführt:

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„Aus der Stellenausschreibung geht hervor, welche hohen fachlichen Anforderungen mit der Aufgabenwahrnehmung verbunden sind: Über die ca. 70 Mitarbeiter übt der Amtsinhaber die Rechts- und Fachaufsicht aus. Er nimmt die Verantwortung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wahr und ist für die Abstimmung, Vorbereitung und Leitung der Durchführung politischer und fachlicher Grundsatzentscheidungen zuständig. Er trägt die Budget- und Ergebnisverantwortung im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung bei zielorientierter und effektiver Verknüpfung sowie Koordinierung der einzelnen Fachgebiete. Ferner obliegt ihm die Leitung sowie interne und externe Vertretung des Ordnungsamtes gegenüber politischen Gremien und anderen Dienststellen sowie in der Öffentlichkeit. Dies alles ist nur möglich, wenn die nachgeordneten Mitarbeiter fachlich wie personell vom Amtsinhaber entsprechend geführt werden, so dass die Aufgabenerfüllung gewährleistet ist. Mithin fallen auf dem Dienstposten überwiegend Leitungs- und Führungsaufgaben an.“

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Geht es also bei dem ausgeschriebenen Dienstposten in erster Linie um Leitungs- und Führungsaufgaben, erschließt es sich nicht, warum ein Bewerber schon bei Amtsantritt über Erfahrung in der „Abwicklung“ [sic!] besonderer Gefahrenlagen verfügen und es nicht ausreichend sein soll, sich derartige Erfahrungen in angemessener Zeit auf dem konkreten Dienstposten anzueignen. Dies gilt umso mehr, als für die konkrete „Abwicklung“ von anfallenden Aufgaben einer 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter großen Abteilung regelmäßig entsprechendes Fachwissen vorhanden ist, auf das die Amtsleitung zurückgreifen kann. Nur exemplarisch sei insoweit im vorliegenden Fall darauf hingewiesen, dass etwa der Beigeladene – und somit ein Mitarbeiter der Abteilung – für sich in Anspruch nimmt, über Erfahrung „in Krisensituationen wie Bombenentschärfungen oder der derzeit andauernden Pandemie“ zu verfügen.

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Überdies ist die Antragsgegnerin im Bewerbungsverfahren offenbar selbst nicht davon ausgegangen, bei dem Kriterium „Erfahrung in der Abwicklung besonderer Gefahrenlagen“ handele es sich um ein konstitutives Anforderungsmerkmal. Denn sowohl gegenüber dem Antragsteller als auch gegenüber dem Personalrat hat die Antragsgegnerin ihre Entscheidung, den Antragsteller nicht in den eigentlichen Leistungsvergleich miteinzubeziehen, (rechtsfehlerhaft) zunächst allein damit begründet, dass dieser nicht über Kenntnisse und Erfahrungen in der Leitungstätigkeit und Mitarbeiterführung verfüge. Soweit sie erstmals unter dem 21. Januar 2021 gegenüber dem Personalrat und nunmehr auch im gerichtlichen Verfahren die Nichterfüllung eines weiteren (vermeintlichen) konstitutiven Auswahlkriteriums nachschiebt, kann sie damit aus den obigen Erwägungen rechtlich nicht durchdringen.

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und damit kein eigenes Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO), bestand kein Anlass, der Antragsgegnerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen.

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III. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 6 Gerichtskostengesetz – GKG –. Maßgebend ist nach dieser kostenrechtlichen Regelung wegen der Vorwirkung der Dienstpostenübertragung für eine spätere Beförderung des Dienstposteninhabers die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge der Besoldungsgruppe A 13 LBesO mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen (§ 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG). Da die Dienstpostenübertragung für die Verleihung eines anderen Amtes mit einem höheren Endgrundgehalt vorgreiflich ist, ist der Streitwert gemäß § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG auf die Hälfte des sich aus Satz 1 der Vorschrift ergebenden Betrags zu reduzieren (vgl. OVG RP, Beschluss vom 5. Februar 2018 – 2 B 11786/17.OVG –, juris, Rn. 23 m.w.N.).

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