Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 7 K 2032/18
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die 1980 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Klägerin begehrt die Erteilung eines Aufnahmebescheids nach dem Bundesvertriebenengesetz - BVFG -.
3Im Juli 2000 stellte die Klägerin einen Aufnahmeantrag. Die deutsche Volkszugehörigkeit leitete sie von ihrem 1956 geborenen Vater K. J. und von dessen Mutter, der 1926 in der Ukraine geborenen N. H1. ab. Ihre Geburtsurkunde, in der ihr Vater mit deutscher Nationalität erfasst ist und ihr Inlandspass, in der sich kein Nationalitätseintrag befindet, wurden im Jahr 2000 ausgestellt. Die Klägerin erklärte die Neuausstellung dieser Dokumente damit, dass sie ihren Namen von J1. auf H. geändert habe. Dabei habe sie die ursprünglichen Urkunden abgeben müssen. In den Geburtsurkunden ihrer 2002 und 2004 geborenen Kinder ist die Klägerin mit deutscher Nationalität eingetragen. Für ihre Großmutter väterlicherseits legte sie eine Rehabilitationsbescheinigung vor, in der bestätigt wird, dass sie 1941 aufgrund deutscher Nationalität nach Kasachstan deportiert, 1943 in die Arbeitsarmee eingegliedert und 1946 unter Sonderkommandantur gestellt wurde. Bei dem 2001 durchgeführten Sprachtest zeigte sich die Klägerin in der Lage, ein fließendes Gespräch in deutscher Sprache zu führen.
4Mit Bescheid vom 23.06.2004 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Aufnahmeantrag ab. Die Klägerin habe anhand der neuausgestellten Urkunden nicht belegt, dass sie von einem deutschen Elternteil abstamme und dass sie sich beginnend mit der ersten Ausstellung ihres Inlandspasses nur zum deutschen Volkstum bekannt habe.
5Den Widerspruch der Klägerin wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2005 zurück. Die Klägerin erfülle das Kriterium der deutschen Abstammung nicht. Selbst wenn man unterstelle würde, dass es sich bei ihrem Vater um einen deutschen Volkszugehörigen handle, sei ein durchgängiges Bekenntnis der Klägerin zum deutschen Volkstum nicht glaubhaft gemacht. Der Bescheid wurde der Klägerin 2005 über die Botschaft der Beklagten in Moskau postalisch übermittelt.
6Im November 2016 beantragte die Klägerin, das Aufnahmeverfahren wieder aufzugreifen. Sie verwies darauf, dass nach dem zwischenzeitlich in Kraft getretenen 10. Änderungsgesetz zum BVFG - 10. BVFG-ÄndG - ein durchgehendes Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht mehr erforderlich sei. Sie legte eine Ablichtung der 1956 ausgestellten Geburtsurkunde ihres Vaters vor, in der dessen Mutter mit deutscher Nationalität geführt wird. In einer Mitteilung des Standesamtes der Stadt Q. von März 2017 wird laut nicht beglaubigter Übersetzung bestätigt, dass die Geburt der Klägerin vom 00.00.0000 im Geburtsregister eingetragen und dass in der Rubrik „Angaben über den Vater“ K. J. mit deutscher Nationalität angegeben sei.
7Den Antrag lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 25.09.2017 ab. Ein Grund für das Wiederaufgreifen des Verfahrens liege nicht vor. Insbesondere habe sich die Rechtslage nicht durch das am 14.09.2013 in Kraft getretene 10. BVFG-ÄndG zugunsten der Klägerin geändert. Das die Ablehnung begründende Abstammungserfordernis sei nicht verändert worden. Auf sonstige Gründe habe sich die Klägerin nicht berufen. Auch ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 in Verbindung mit §§ 48,49 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -, das im Ermessen der Behörde liege, komme nicht in Betracht. Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Bescheids und damit dem Eintritt von Rechtssicherheit überwiege gegenüber dem Interesse an einer erneuten Sachentscheidung. Das Festhalten an dem Bescheid sei auch nicht schlechthin unerträglich.
8Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass sie sich hinsichtlich des Bekenntnisses auf eine Änderung der Rechtslage durch das 10. BVFG-ÄndG berufen könne und die Abstammung von einer deutschen Großmutter nachgewiesen habe. Es reiche aus, wenn in Bezug auf ein Merkmal der deutschen Volkszugehörigkeit ein Wiederaufgreifensgrund vorliege.
9Den Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2018 zurück.
10Die Klägerin hat am 13.03.2018 Klage erhoben.
11Zur Klagebegründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen. Abgesehen davon, dass das Bundesverwaltungsamt im Widerspruchsbescheid des Ausgangsverfahrens die Volkszugehörigkeit ihres Vaters habe dahinstehen lassen, sei diese nun ebenfalls nach dem 10. BVFG-ÄndG zu beurteilen. Im gerichtlichen Verfahren sei eine Sachprüfung möglich und geboten, weil die ablehnende Entscheidung im Ausgangsverfahren nicht gerichtlich kontrolliert worden sei und die Gerichte nicht binde. Im Rahmen dieser materiellen Prüfung sei ihre Abstammung von einer deutschen Großmutter zwingend zu berücksichtigen.
12Die Klägerin beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.09.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 06.03.2018 zu verpflichten, ihr einen Aufnahmebescheid zu erteilen, hilfsweise sie zu verpflichten, das Verfahren wieder aufzugreifen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie meint, die Bestandskraft der Entscheidung im Ausgangsverfahren stehe einer erneuten Sachentscheidung entgegen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten entscheidet die Kammer ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
20Die zulässige Klage ist nicht begründet.
21Die Klägerin wird durch die Weigerung der Beklagten, das Aufnahmeverfahren wiederaufzugreifen und ihr einen Aufnahmebescheid zu erteilen, nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Absatz 5 VwGO).
22Die Erteilung eines Aufnahmebescheids setzt voraus, dass die Bestandskraft des ablehnenden Bescheids vom 23.06.2004 durch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens überwunden wird. Entgegen der Annahme der Klägerin kann sich das Gericht nicht über die Bestandskraft der Ablehnung hinwegsetzen und bei Bejahung der materiellen Aufnahmevoraussetzungen eine positive Aufnahmeentscheidung erzwingen. Dies gilt unabhängig davon, ob im Ausgangsverfahren eine gerichtliche Überprüfung der bestandskräftig gewordenen Entscheidung herbeigeführt wurde. Gerichte können wirksame Verwaltungsakte lediglich dann selbst aufheben, wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, also rechtzeitig mit einer Klage angegriffen werden, vgl. §§ 74, 113 VwGO. Nach Eintritt der Bestandskraft beschränkt sich die Befugnis eines Gerichts darauf, der zuständigen Behörde die Aufhebung des Verwaltungsakts bzw. das Wiederaufgreifen des Verfahrens aufzugeben, wenn die Behörde hierzu nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 48, 49 oder 51 VwVfG verpflichtet ist. Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2011 - 5 C 9.11 -, auf die die Klägerin sich beruft. Dort hat das Gericht ausgeführt, dass nach der Ablehnung eines Aufnahmeantrags, die durch rechtskräftiges Urteil bestätigt wird, eine Sachentscheidung über einen erneuten Antrag nur beansprucht werden kann, wenn die Rechtskraftbindung des Urteils überwunden wird. Zu den Auswirkungen einer ohne gerichtliche Überprüfung eingetretenen Bestandskraft eines Versagungsbescheides hat sich das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung nicht geäußert. Dagegen hat es in seinem Urteil vom 20.11.2018 - 1 C 23.17 -, das die Klägerin ebenfalls zitiert, in der Fallkonstellation einer Ablehnung eines Aufnahmeantrags, die ohne gerichtliche Kontrolle bestandskräftig geworden war, unmissverständlich dargelegt, dass das Begehren auf Erteilung eines Aufnahmebescheids nur Erfolg haben kann, wenn gegenüber der Behörde ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens besteht.
23Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG.
24Ein Grund für ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liegt nicht vor. Nach dieser Bestimmung hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen liegt vor, wenn sich Rechtsnormen oder Tatsachen geändert haben, die für den ergangenen Verwaltungsakt entscheidungserheblich waren; davon ist bei mehreren selbständig tragenden Ablehnungsgründen nur auszugehen, wenn sich die Änderung auf alle Ablehnungsgründe auswirkt,
25vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2018 - 1 C 23.17 -; OVG NRW, Beschluss vom 20.02.2019 - 11 A 2375/18 -; VG Köln, Urteil vom 06.12.2016 - 7 K 6405/15 -.
26An einer solchen Änderung von Faktoren, die im ursprünglichen Verfahren für den Erlass des nunmehr bestandskräftigen Verwaltungsakts ausschlaggebend waren, fehlt es hier. Der Bescheid vom 23.06.2004 hatte das Nichtvorliegen der deutschen Volkszugehörigkeit der Klägerin darauf gestützt, dass sie nicht von deutschen Eltern abstamme. Daran hielt das Bundesverwaltungsamt auch im Widerspruchsbescheid vom 25.08.2005 fest. Dort ist ausgeführt, die Klägerin erfülle das Kriterium der deutschen Abstammung nicht. Durch die weitere Formulierung eines irrealen Bedingungssatzes im Konjunktiv II („Selbst wenn man unterstellen würde...“) ist zum Ausdruck gebracht, dass das Bundesverwaltungsamt die Frage der Abstammung nicht offen halten wollte, sondern dass zu den diesbezüglich getroffenen negativen Feststellung mit der Verneinung eines durchgängigen Bekenntnisses ein weiterer selbständiger Ablehnungsgrund hinzutreten sollte. Das bestandskräftig verneinte Merkmal der deutschen Abstammung steht der Erteilung eines Aufnahmebescheids nach wie vor entgegen.
27Eine Änderung der Rechtslage ist nicht mit dem Hinweis dargetan, dass die Großmutter väterlicherseits der Klägerin deutsche Volkszugehörige sei. Soweit nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich des Merkmals der Abstammung auch auf die Großeltern abgestellt wird,
28vgl. Urteil vom 25.01.2008 - 5 C 8.07 -,
29während das Bundesverwaltungsamt das Fehlen der deutschen Abstammung im Bescheid vom 23.06.2004 noch allein auf die nichtdeutsche Volkszugehörigkeit der Eltern der Klägerin gestützt hat, ist lediglich eine Änderung der Auslegung einer unverändert gebliebenen Rechtsnorm eingetreten. Die bloße Änderung einer Norminterpretation stellt ebenso wie die erstmalige Klärung einer Rechtsfrage durch höchstrichterliche Rechtsprechung keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dar,
30vgl. BVerwG, Urteile vom 13.12.2011 - 5 C 9.11 - und vom 18.11.2018 - 1 C 23.17 -.
31Das 10. BVFG-ÄndG vom 06.09.2013 stellt in Bezug auf den Ablehnungsgrund der deutschen Abstammung ebenfalls keine Änderung der Rechtslage zugunsten der Klägerin dar. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufnahmebescheids nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG sind durch das 10. BVFG-ÄndG Merkmal der deutschen Volkszugehörigkeit nach § 6 Abs. 2 BVFG in wesentlichen Punkten modifiziert worden. Die Anforderungen an das Bekenntnis zum deutschen Volkstum und die sprachlichen Voraussetzungen wurden deutlich herabgesetzt. Gem. § 6 Abs. 2 BVFG in der Fassung des 10. BVFG-ÄndG - BVFG n.F. - ist ein nach 1923 Geborener deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Durch Streichung des Wortes „nur“ in § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG ist die Notwendigkeit eines durchgehenden Bekenntnisses entfallen. Das Bekenntnis auf andere Weise kann nunmehr durch den Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse auf einem bestimmten Niveau oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden. Es muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit zu einem einfachen Gespräch, wobei hier eine familiäre Vermittlung nicht mehr erforderlich ist.
32Die dargestellten gesetzlichen Änderungen wirken sich jedoch nicht zugunsten der Klägerin aus. Die bei ihr verneinte Tatbestandsvoraussetzung der Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen in § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG ist nicht unmittelbar verändert worden. Die Klägerin hat hinsichtlich der Volkszugehörigkeit ihrer Eltern auch keine mit Blick auf das 10. BVFG-ÄndG relevanten Änderungen geltend gemacht. Ihre Mutter ist russische Volkszugehörige. Eine Abstammung von einem deutschen Vater ist auch unter Berücksichtigung der Modifizierungen in § 6 Abs. 2 BVFG nicht nachgewiesen. Es fehlt jedenfalls an einem tragfähigen Beleg, dass der Vater der Klägerin ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum im Sinne des § 6 Abs. 2 BVFG n.F. abgelegt hat.
33Anhand der vorgelegten Geburtsurkunde aus der Zeit nach dem Zerfall der Sowjetunion ist dieser Nachweis nicht zu erbringen.
34Gemäß § 98 VwGO in Verbindung mit § 438 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO - ist in jedem Einzelfall zu ermessen, ob Urkunden, die von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person erstellt wurde, ohne näheren Nachweis als echt anzusehen sind. Im Fall der Echtheit kommt ihnen dieselbe Beweiskraft zu wie inländischen Urkunden. Sie sind nur dann nicht beweisgeeignet, wenn konkrete Anhaltspunkte gegen ihre Echtheit oder inhaltliche Richtigkeit sprechen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion die Beschaffung gefälschter oder inhaltlich unrichtiger Urkunden ohne weiteres möglich und auch in den beim Verwaltungsgericht anhängigen Verfahren häufig zu beobachten ist,
35vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -, Urteile vom 03.07.2014 - 11 A 166/13 - und vom 22.02.2017 - 11 A 1298/15 -; VG Köln, Urteil vom 14.08.2018 - 7 K 13697/18 -. .
36Nach diesen Maßstäben lässt sich anhand der Geburtsurkunde aufgrund des Zeitpunkts ihrer Ausstellung im Jahr 2000 nicht verlässlich feststellen, dass der Eintrag der deutschen Nationalität auf ein Bekenntnis des Vaters zum deutschen Volkstum im Sinne des § 6 Abs. 2 BVFG n.F. zurückzuführen ist. Sollte die Klägerin bei der Neuausstellung ihrer Geburtsurkunde im Jahr 2000 neben der Änderung ihres Nachnamens auch eine Änderung des Nationalitätseintrags bezüglich ihres Vaters erwirkt haben, bliebe dies auf das Bekenntnisverhalten ihres Vaters ohne Einfluss.
37Auch die im Wiederaufgreifensverfahren vorgelegte Mitteilung des Standesamtes der Stadt Q. aus dem Jahr 2017, die als neues Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG bestätigen soll, dass der Vater der Klägerin im Geburtsregister mit deutscher Nationalität erfasst ist, ist nicht geeignet, das bestandskräftig verneinte Merkmal der deutschen Abstammung nun abweichend zu beurteilen. Ob die Mitteilung den Eintrag zutreffend wiedergibt und wann sowie unter welchen Umständen eine etwaige Eintragung der Volkszugehörigkeit des Vaters erfolgte, bleibt unklar. Um das Gericht davon zu überzeugen, dass der Eintrag auf ein seitens des Vaters der Klägerin abgelegtes Bekenntnis zurückzuführen ist, wären weitere Nachweise, insbesondere Dokumente älteren Datums, die den Vater als deutschen Volkszugehörigen ausweisen, vorzulegen gewesen.
38Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG.
39Das Bundesverwaltungsamt hat die nachträgliche Aufhebung des bestandskräftigen Bescheids ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Behörde hat hierbei zutreffend auf die Abwägung der grundsätzlich gleichwertigen Belange des Schutzes der Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung und damit der Belange des Rechtsfriedens auf der einen und auf das Interesse des Klägers an einer erneuten Sachprüfung auf der anderen Seite abgehoben. Es ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass sie im Ergebnis dem öffentlichen Interesse an Rechtsfrieden und Rechtssicherheit den Vorzug gegeben hat. Das Ermessen der Behörde zu Gunsten des Betroffenen verdichtet sich lediglich dann, wenn das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre,
40vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 5 C 9.11 -.
41Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab. Die Ablehnung des Wiederaufgreifens eines Verfahrens ist insbesondere dann schlechthin unerträglich, wenn die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als ein Verstoß gegen die guten Sitten, Treu und Glauben oder den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu bewerten wäre oder eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Entscheidung gegeben ist. Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
44Rechtsmittelbelehrung
45Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
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1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
- 48
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
- 49
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
- 50
4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
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5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
53Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
54Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
55Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
56Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
57Beschluss
58Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
595.000,00 €
60festgesetzt.
61Gründe
62Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 52 Abs. 2 GKG).
63Rechtsmittelbelehrung
64Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
65Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
66Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
67Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
68Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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- VwVfG § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens 4x
- VwVfG § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes 2x
- VwGO § 154 1x
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- 11 A 2375/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x
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- VwGO § 74 1x
- VwGO § 55a 1x