Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 10 L 14/22
Tenor
1. .Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der Antrag,
3die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, dem Antragsteller den Wechsel der Ausbildungsstätte an die H. Physio B. in D., und die Wiederholung des praktischen Teils in der Fächergruppe 3 sowie des mündlichen Teils im Fach "Spezielle Krankheitslehre" der staatlichen Prüfung in der Physiotherapie vor einem Prüfungsausschuss des Gesundheitsamtes des Rhein-Sieg-Kreises zu gestatten,
4hat keinen Erfolg.
5Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn dies zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO sind der Anordnungsgrund und der Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.
6Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn die maßgeblichen tatsächlichen Voraussetzungen dafür glaubhaft gemacht sind, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren aus einem Rechtsverhältnis ein Rechtsanspruch zusteht. Daran gemessen sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ablegung der zu wiederholenden Prüfungsteile an der H. Physio B. und Physio Praxis (H. B. ) in D. nicht glaubhaft gemacht.
7Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten (PhysTH-APrV) legt der Prüfling die Prüfung bei der Schule für Physiotherapeuten ab, an der er die Ausbildung abschließt. § 2 Abs. 2 Satz 2 PhysTH-APrV lässt eine Ausnahme von diesem Grundsatz nur zu, wenn ein wichtiger Grund gegeben ist. Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes und die Zulassung einer Ausnahme entscheidet die Behörde, in deren Bereich die (bisherige) Ausbildungsschule liegt.
8Bei dem Begriff des wichtigen Grundes handelt es sich um einen gerichtlich voll nachprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Ein wichtiger Grund kann sich aus den persönlichen Verhältnissen des Prüflings oder auch aus sonstigen Gründen ergeben. Dabei ist die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck eng auszulegen. Denn durch die Einrichtung des Prüfungsausschusses an der Ausbildungsschule soll grundsätzlich gewährleistet werden, dass unter anderem auch Unterrichtskräfte der Schule an der Prüfung teilnehmen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 b) und c) PhysTH-APrV), weil diese den Überblick über die an der Schule vermittelten Ausbildungsinhalte und den Ausbildungsverlauf des jeweiligen Prüflings haben. Zudem soll verhindert werden, dass der Prüfling sich wegen vermeintlich leichterer Prüfungsbedingungen den Prüfungsausschuss aussucht. Von dem nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vorgezeichneten Regelfall kann daher nur ausnahmsweise dann abgesehen werden, wenn dies aufgrund bestimmter besonderer Umstände des Einzelfalles geboten ist, weil die Ablegung der Prüfung an der Ausbildungsschule unmöglich oder wegen schwerwiegender Nachteile dem Prüfling nicht zumutbar ist.
9Daran gemessen hat der Antragsteller das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht glaubhaft gemacht.
10Ein solcher ergibt sich nicht aus dem Vortrag des Antragstellers, der Unterrichtsstoff sei ihm an der Q. M. nur unzureichend vermittelt worden und das Vertrauen in die Ausbildung an dieser Schule sei bei ihm nicht mehr gegeben. Soweit der Antragsteller sich auf Ausbildungsmängel im Unterrichtsverlauf beruft, ist zunächst zu berücksichtigen, dass derartige Mängel, sollten sie tatsächlich vorgelegen haben, nicht durch eine (bloße) Änderung der Prüfungsstelle ausgeglichen werden können. Die Ausbildung des Antragstellers ist, bis auf die nachzuholenden Prüfungsteile, abgeschlossen. Damit geht es nicht um die Verbesserung einer noch stattfindenden Ausbildung, sondern nur (noch) um den Wechsel der Prüfungsstelle.
11Ein wichtiger Grund ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers, er befürchte, dass die Prüfer bei einer Prüfung an der Q. M. in die Bewertung seiner Leistungen in der kommenden Prüfung den Schulwechsel und seine Vorwürfe hinsichtlich der Ausbildung an dieser Schule negativ einfließen lassen. Ausreichendende Anhaltspunkte für eine Befangenheit des für die Wiederholungsprüfung zuständigen Prüfungsausschusses an der Q. M. ergeben sich daraus nicht. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist die Besorgnis der Befangenheit berechtigt, wenn nach den Umständen des Einzelfalles ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Im Prüfungsrecht ist eine Befangenheit daher gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die ohne Rücksicht auf individuelle Empfindlichkeiten des Prüflings den Schluss rechtfertigen, dass der Prüfer speziell gegenüber dem Prüfling nicht die notwendige Distanz und sachliche Neutralität aufbringen wird und nicht (mehr) offen ist für eine nur an der wirklichen Leistung des Prüflings orientierte Bewertung,
12vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. November 2020 – 19 A 4189/19 –, Rn. 9, juris.
13Der Einwand der Befangenheit erfordert grundsätzlich, dass der Antragsteller individuelle Gründe anführt, die Misstrauen gegen die Unparteilichkeit einer bestimmten Person rechtfertigen. Daran fehlt es hier bereits, weil der Antragsteller keine bestimmte Person benennt, gegen die sich sein Misstrauen richtet. Zudem ist der Vortrag des Antragstellers unsubstantiiert. Der Vorwurf der Befangenheit setzt voraus, dass substantiiert und nachvollziehbar Tatsachen vorgetragen werden, die bei objektiver Beurteilung die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Daran gemessen liegen keine Hinweise auf eine Befangenheit vor. Die bloße subjektive Besorgnis der Befangenheit, die der Antragsteller aufgrund seiner persönlichen Vorstellungen ohne objektiv fassbaren Grund empfindet, ist schon für sich betrachtet für die Annahme der Voreingenommenheit nicht ausreichend. Hinzu kommt, dass durch die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses sichergestellt ist, dass es zu einer objektiven Bewertung der Prüfungsleistungen kommt. Nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten kommt dem Vorsitzenden der Prüfungskommission eine wesentliche Bedeutung zu. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 PhysTH-APrV ist der Vorsitzende des Prüfungsausschusses aber gerade ein fachlich geeigneter Vertreter der zuständigen Behörde oder eine von der zuständigen Behörde mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betraute fachlich geeignete Person. Dieser Vorsitzende ist nach § 13 Abs. 2 PhysTH-APrV in der mündlichen Prüfung berechtigt, sich in allen Fächern an der Prüfung zu beteiligen und er kann auch selbst prüfen. Aus den Noten der Fachprüfer bildet der Vorsitzende (im Benehmen mit den Fachprüfern) die Prüfungsnote für den mündlichen Teil der Prüfung. Ferner bestimmt § 14 Abs. 2 PhysTH-APrV für den praktischen Prüfungsteil, dass der Vorsitzende aus den Noten der Fachprüfer (im Benehmen mit den Fachprüfern) die Note für die jeweilige Fächergruppe sowie aus den Noten der drei Fächergruppen die Prüfungsnote für den praktischen Teil der Prüfung bildet.
14Ohne Erfolg bleibt schließlich der Einwand des Antragstellers, er habe ADHS. Die Erkrankung führe zu der Angst, wegen seines Antrages auf Wechsel der Schule erst recht bei einer Prüfung an der Q. M. in L. "schlechte Karten" zu haben. Wegen dieser Angst sei zu befürchten, dass er sich bei einer Prüfung nicht mehr richtig auf den Stoff konzentrieren könne. Ungeachtet der Frage, ob die befürchtete Angst überhaupt ein wichtiger Grund im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 PhysTH-APrV sein kann, sind die Angaben zur Erkrankung und deren Auswirkungen in der Prüfung unsubstantiiert und durch die ärztliche Bescheinigung vom 5. Januar 2022 auch nicht hinreichend belegt.
15Ein im Zusammenhang mit einer Prüfung vorgelegtes ärztliches Attest hat die Funktion, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ihre Folgen zu beschreiben, die sich für die Prüfung ergeben. Es muss daher angeben, welche Auswirkungen sich daraus für das Leistungsvermögen ergeben, um eine sachgerechte selbstständige Beurteilung der zuständigen Stellen zu ermöglichen,
16vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2020 – 19 A 3028/15 –, juris.
17Deshalb bedarf ein Attest einer konkreten und genauen Beschreibung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren konkreten Folgen für den Prüfungsverlauf, damit es der zuständigen Stelle auf dieser Grundlage möglich ist, sachgerecht zu entscheiden. Erforderlich sind damit jedenfalls die Diagnose einer konkreten Krankheit, Angaben zu deren Behandlung und nachvollziehbare Darlegungen, auf welcher Grundlage die ärztliche Diagnose gestellt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall auf die Prüfung auswirkt. Diesen Anforderungen genügt die Bescheinigung vom 5. Januar 2022 ersichtlich nicht.
18Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil er keinen Antrag gestellt und sich am Kostenrisiko nicht beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
19Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Wegen des vorläufigen Charakters des Verfahrens hat das Gericht die Hälfte des Streitwerts der Hauptsache zugrunde gelegt.
20Rechtsmittelbelehrung
21Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
22Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
23Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
24Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
25Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
26Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
27Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
28Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
29Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- PhysTh-APrV § 13 Mündlicher Teil der Prüfung 1x
- VwVfG § 21 Besorgnis der Befangenheit 1x
- 19 A 3028/15 1x (nicht zugeordnet)
- PhysTh-APrV § 14 Praktischer Teil der Prüfung 1x
- PhysTh-APrV § 3 Prüfungsausschuß 1x
- PhysTh-APrV § 2 Staatliche Prüfung 2x
- VwGO § 154 2x
- VwGO § 123 3x
- VwGO § 3 1x
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- 19 A 4189/19 1x (nicht zugeordnet)