Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (9. Kammer) - 9 B 269/13

Gründe

I.

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Der Antragsteller begehrt mit am 12.09.2013 beim Gericht eingegangenem Schriftsatz vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.08.2013 unter Sofortvollzug gestellte Aufforderung, die Bestattung seines am 15.08.2013 in N... verstorbenen Vaters, Herr R..., bis zum 26.08.2013 auszulösen sowie gegen die Androhung der Ersatzvornahme. Dagegen legte er mit Schreiben vom 26.08.2013 Widerspruch ein; die Einäscherung des Verstorbenen erfolgte am 27.08.2013.

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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 26.08.2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.08.2013 wiederherzustellen sowie die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Androhung der Ersatzvornahme anzuordnen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgangs verwiesen.

II.

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Der Antrag des Antragstellers, der wie oben bezeichnet auszulegen ist (§ 88 VwGO), hat keinen Erfolg.

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1. Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthafte Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 26.08.2013 gegen die mit Bescheid vom 21.08.2013 verfügte Aufforderung, die Bestattung bis zum 26.08.2013 auszulösen, ist jedoch bereits insoweit unzulässig, als er damit auch seine Pflicht zur Einäscherung seines am 15.08.2013 verstorbenen Vaters begehrt. Zwar ist dieses Begehren als Teil des Bestattungsvorganges (vgl. § 16 Abs. 1 BestattG LSA) sowohl von dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.08.2013 als auch von seinem (umfassend) formulierten Widerspruch und seines Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erfasst. Die Einäscherung erfolgte jedoch bereits am 27.08.2013, mithin vor der Anrufung des Gerichts, was dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben des Antragsgegners vom 28.08.2013 mitgeteilt wurde. Anderes gilt für den noch nicht beschiedenen Widerspruch des Antragstellers, da die Rechtmäßigkeit einer Grundverfügung rechtliche Wirkungen für das Vollstreckungsverfahren und sich daraus ggf. ergebenden Leistungsansprüchen zeitig (BVerwG, Urt. v. 25.09.2008, 7 C 5/08, juris).

9

Ohne dass die Entscheidung darauf beruht, soll jedoch in Ansehung der nachfolgenden Ausführungen darauf verwiesen werden, dass dem Bescheid der Antragsgegnerin jedoch auch in Bezug auf die verfügte Einäscherung keine rechtlichen Bedenken entgegenstehen dürften.

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2. Der im Übrigen zulässige Antrag (2.1.) ist unbegründet. Sowohl die Bestattungsanordnung (2.2.) als auch die angedrohte Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung (2.3.) sind im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu beanstanden.

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2.1. Die Zulässigkeit des Antrages im Übrigen ergibt sich daraus, dass die Feuerbestattung i. S. v. § 16 Abs. 1 BestattG LSA aus zwei von einander trennbaren Handlungen, nämlich der Einäscherung und der Urnenbeisetzung (vgl. OVG Münster, B. v. 08.04.2013, 19 A 2635/11, juris) besteht, weshalb selbst bei Vollzug der Einäscherung Rechtsschutz gegen eine noch nicht erfolgte Urnenbeisetzung gewährt werden kann. Dem steht auch nicht der Zeitablauf nach der Einäscherung in Ansehung der Vorschrift des § 19 Abs. 4 BestattG LSA, wonach Urnen innerhalb eines Monats nach der Einäscherung beizusetzen sind, entgegen. Denn dabei handelt es sich jedenfalls nicht um eine gesetzliche Ausschlussfrist, wonach eine Urnenbeisetzung danach nicht mehr zulässig wäre; vielmehr dürfte der Vorschrift Ordnungscharakter zum Schutz der in der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG wurzelnden Totenruhe zukommen, deren Nichtbeachtung jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit nachfolgenden Handelns führt.

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2.2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 26.08.2013 gegen die Bestattungsanordnung der Antragsgegnerin vom 21.08.2013 in der hier noch streitgegenständlichen Form der Urnenbeisetzung ist unbegründet.

13

In formeller Hinsicht hat die Antragsgegnerin das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der streitbefangenen Verfügung vom 21. August 2013 in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise schriftlich begründet, indem sie von einer Dringlichkeit der Durchsetzung der Bestattung ausgeht. Einer weitergehenden Begründung bedarf es nach Auffassung des Gerichts deshalb nicht, weil die Dringlichkeit sich aus der Natur der Rechtsmaterie selbst ergibt und kein atypischer Fall vorliegt (dazu Kopp/ Schenke, VwGO, Kommentar, 17. Aufl., § 80 Rn. 96 m. w. N.).

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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen behördlicherseits für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt ganz oder teilweise wiederherstellen. Die vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung verlangt eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse daran, dass der Verwaltungsakt alsbald durchgesetzt wird, und dem privatem Interesse des Betroffenen daran, von den Wirkungen des Verwaltungsakts bis zum Eintritt der Bestandskraft verschont zu bleiben. In die Interessenabwägung einzubeziehen sind zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren. Denn einerseits besteht in der Regel kein öffentliches Interesse daran, einen Verwaltungsakt sofort zu vollziehen, gegen dessen Rechtmäßigkeit ernsthafte Bedenken bestehen; andererseits verstärkt sich das Vollziehungsinteresse, wenn die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs gering sind. Beruht die sofortige Vollziehbarkeit – wie hier – auf einer behördlichen Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, bedarf es daneben noch eines besonderen Vollzugsinteresses, da die voraussichtliche Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts für sich allein nur das allgemeine Interesse nach seiner Vollziehung begründet, nicht jedoch zugleich auch deren Dringlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1982 – 2 – BvR 77/82 – NVwZ 1982, 241).

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Die Interessenabwägung geht hier zu Lasten des Antragstellers aus. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die verfügte Bestattungsaufforderung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegt.

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Rechtsgrundlage für die hier noch streitgegenständliche Urnenbeisetzung sind §§ 26 Abs. 2 BestattG i. V. m. 13 SOG LSA. Danach hat die Antragsgegnerin, in deren Gemeindegebiet der Todesfall eintrat, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Einhaltung der sich aus den Vorschriften des Bestattungsgesetzes ergebenden Pflichten Dritter durchzusetzen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

17

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BestattG LSA muss jede Leiche bestattet werden, wobei die Erdbestattung oder Einäscherung gemäß § 17 Abs. 2 BestattG LSA innerhalb von 10 Tagen nach Todeseintritt – d.h. im vorliegenden Fall bis zum 25. August 2013 – vorgenommen werden soll (vgl. OVG LSA, B. v. 15.01.2010, 4 L 464/08 zu Regel-Ausnahme-Charakter, juris) und die Urne innerhalb eines Monats nach Einäscherung beizusetzen ist (Absatz 4). Die Antragsgegnerin musste sich vorliegend jedenfalls durch die Mitteilung der B….GmbH vom 20.08.2013, wonach nach Eintritts des Todesfalles am 15.08.2013 eine Bestattung nicht vorgenommen wurde, zum Handeln veranlasst sehen. In diesen Fällen hat sie die Bestattungspflichtigen festzustellen, die in erster Linie zur Bestattung berechtigt, aber auch verpflichtet sind (OVG LSA, B. v. 15.01.2010, a. a. O. zum Landesrecht in Sachsen-Anhalt; so auch VG Halle/Saale, Urt. v. 20.11.2009, 4 A 318/09, juris). Die Feststellung von Bestattungspflichtigen dient nicht zuletzt dem Zweck auszuschließen, dass die Behörde selbst die Bestattung zu veranlassen hat (§ 14 Abs. 2 Satz 2 BestattG LSA). Obliegt der Behörde - wie hier - aufgrund der Kenntnis von Bestattungspflichtigen nach § 10 Abs. 2 BestattG LSA die Bestattung nicht, hat sie diese zur Bestattung aufzufordern/ anzuhalten; der unverzügliche oder zeitnahe Erlass einer Ordnungsverfügung mit der Androhung von Verwaltungszwang für den Fall des Nichtbefolgens ist dabei rechtlich nicht zu beanstanden. Unter welchen Voraussetzungen eine Behörde trotz der Kenntnis von Bestattungspflichtigen ohne vorausgehende Ordnungsverfügung anstelle des Pflichtigen im Wege der Ersatzvornahme tätig werden kann, kann hier dahinstehen (dazu VG Magdeburg, Urt. v. 26.11.2012, 9 A 189/11 MD, juris).

18

Zu Recht hat die Antragsgegnerin den Bescheid vom 21.08.2013 an den Antragsteller gerichtet. Seine Bestattungspflicht richtet sich nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BestattG LSA. Für die Bestattung haben nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BestattG die in § 10 Abs. 2 Satz 1 BestattG LSA bestimmten Personen in der dort genannten Reihenfolge oder eine von der verstorbenen Person zu Lebzeiten beauftragte Person oder Einrichtung zu sorgen. Da für Letzteres weder Anhaltspunkte vorliegen, noch sich der Antragsteller darauf berufen hat und er zum Personenkreis des § 10 Abs. 2 Satz 1 BestattG LSA gehört, war er grundsätzlich zur Bestattung seines Vaters verpflichtet. Denn nach dieser Vorschrift haben der überlebende Ehegatte oder Eingetragene Lebenspartner, die volljährigen Kinder, die Eltern, die Großeltern, die volljährigen Geschwister oder Enkelkinder der verstorbenen Person in dieser Reihenfolge für die Bestattung zu sorgen. Da der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes nicht mehr verheiratet war (Scheidung von seiner letzten Frau, A.., am 04.03.2003), waren seine volljährigen Kinder zur Vornahme der Bestattung berufen. Sind mehrere Kinder, vorhanden, stehen diese gleichrangig nebeneinander, da das Gesetz selbst keine „Vorrangreglung“ bei Personenmehrheit enthält. Sie trifft diese gesetzliche Verpflichtung als Gesamtschuldner (§ 421 BGB) mit der Folge, dass jeder für sich und nicht die Gesamtschuldner als Gemeinschaft (§ 744 Abs. 1 BGB) zur Bestattung verpflichtet sind. Nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass der Verstorbene neben dem Antragsteller noch ein weiteres volljähriges Kind, nämlich Herrn T… hatte. Gleichwohl ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin die Bestattungspflicht gegenüber dem Antragsteller durchzusetzen beabsichtigt. Denn zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 21.08.2013 war der Antragsgegnerin insoweit nicht mehr als der Name und ein etwaiger Aufenthalt in der Schweiz bekannt. Eine - zudem begründungswürdige (§§ 1 VwVfG-LSA, 39 Abs. 1 VwVfG) – Auswahl muss jedoch nur dann erfolgen, wenn die gleichrangigen Bestattungspflichtigen i. S. v. § 10 Abs. 2 BestattG LSA auch rechtlich gleichwertig sind. Dies ist jedoch vorliegend deshalb nicht der Fall, weil Herr T… nicht zu ermitteln war (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 BestattG). Weitergehende Ermittlungspflichten oblagen der Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt vorliegend nicht. Ob der Behörde bei derartigen Konstellationen bis zur Einäscherung oder der Urnenbeisetzung zur Wahrung des bestattungsrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatzes (dazu OVG LSA, B. v. 15.01.2010, a. a. O.) weitere Aufklärungspflichten auch nach Erlass eines ordnungsrechtlichen Bescheides obliegen und welche rechtlichen Folgen dies für die Erstattung von Kosten der Ersatzvornahme hat, kann hier dahinstehen.

19

Der so auch für den Antragsteller bestehenden Bestattungspflicht kann er die von ihm geltend gemachten Umstände im Hinblick auf den seit sehr langer Zeit nicht bestehenden Kontakt zu seinem Vater bzw. dessen Unterhaltspflichtverletzungen nicht mit Erfolg entgegen halten. Denn die unbeschränkte öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht verstößt nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung (so ausdrücklich Stelkens/Seifert, DVBl. 2008, 1537 [1539] mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung) auch in Härtefällen, in denen die Durchführung der Bestattung für den Pflichtigen wegen des persönlichen Verhaltens des Verstorbenen als grob unbillig erscheint, weder gegen die allgemeine Handlungsfreiheit des Bestattungspflichtigen nach Art. 2 Abs. 1 GG noch gegen das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsgebot (u. a. VGH München, B. v. 09.06.2008, 4 ZB 07.2815; OVG Saarlouis, Urt. v. 27.12.2007, 1 A 40/07; OVG Lüneburg, B. v. 09.07.2013, 8 ME 86/13; HessVGH, Urt. v. 26.10.2011, 5 A 1245/11; OVG Hamburg, Urt. v. 26.05.2010, 5 Bf 34/10 alle juris). Da die Bestattungspflicht allein der Gefahrenabwehr dient, können innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit keine längeren Untersuchungen über die persönlichen Beziehungen der nächsten Angehörigen mit dem Verstorbenen und über dessen etwaige Verfehlungen angestellt werden, sondern müssen möglichst schnell und eindeutig festzustellende objektive Maßstäbe eingreifen (OVG Saarlouis, Urt. v. 27.12.2007 a. a. O. sowie OVG Lüneburg, B. v. 09.07.2013, a. a. O.). Es ist danach verfassungsrechtlich nicht geboten, im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht von der schon gewohnheitsrechtlich den nächsten Angehörigen obliegenden Totenfürsorge bei gestörten Familienverhältnissen abzusehen und stattdessen die Kosten der Bestattung auf die Allgemeinheit zu verlagern (vgl. zusammenfassend auch VG Chemnitz, Urt. v. 28.01.2011, 1 K 900/05 m. w. N., juris). Außerdem begründet die Bestattungspflicht kein „Dauerschuldverhältnis“ zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen und lässt sich damit auch bei gröbsten Verfehlungen des Verstorbenen nicht mit der Situation im Unterhaltsrecht (§ 1361 Abs. 3, § 1579 und § 1611 BGB) vergleichen (OVG Saarlouis, U. v. 27.12.2007, a. a. O.). Denn es genügt, einem Dritten einen Bestattungsauftrag zu erteilen, ohne dass der Bestattungspflichtige z. B. der Beisetzung der Urne beiwohnt.

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Soweit der Antragsteller seiner Bestattungspflicht die Unzumutbarkeit der ihm dadurch entstehenden Kosten entgegenhält, kann er damit ebenfalls nicht erfolgreich gehört werden. Dass dem Bestattungspflichtigen für die Bestattung (jedenfalls zunächst) Kosten entstehen, nimmt die Vorschrift des § 10 Abs. 2 BestattG LSA billigend in Kauf. Sie bilden keine eigenständige Voraussetzung für das Bestehen der Bestattungspflicht, weshalb auch die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für die Beerdigung von Angehörigen nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bestattungspflichtigen abhängt (so auch OVG Lüneburg, B. v. 09.09.2009, 8 PA 128/09, juris). Anders gewendet, die Aufbringung finanzieller Leistungen im Zusammenhang mit der Bestattung ist der Bestattungspflicht als eine Nachwirkung der familienrechtlichen Pflichten wesenseigen. Ob die (zunächst) vom Bestattungspflichtigen aufzuwendenden Kosten schlussendlich von ihm zu tragen sind, ist dadurch jedoch nicht entschieden. So können die Kosten der Bestattung in für den Bestattungspflichtigen unzumutbaren Fällen beim Sozialamt geltend gemacht werden (früher nach § 15 BSHG, jetzt § 74 SGB XII). Denn die Sonderregelung des § 74 SGB XII verwendet die eigenständige Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit (vgl. BVerwG, B. v. 05.06.1997, 5 C 13/96, juris), weshalb neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten auch andere Momente zu berücksichtigen sind. So können auch Umstände eine Rolle spielen, die als solche im Allgemeinen sozialhilferechtlich unbeachtlich sind, denen aber vor dem Hintergrund des Zwecks des § 74 SGB XII Rechnung getragen werden muss, so dass, selbst wenn die Kostentragung nicht zur Überschuldung oder gar zur Sozialhilfebedürftigkeit des Kostenverpflichteten führt, der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Kostenbelastung beachtlich sein kann (vgl. BVerwG, B. v. 19.01.2004, 5 C 2/03, juris). Der Begriff der Zumutbarkeit ist damit nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auszulegen; dies entspricht § 9 Abs 1 SGB XII, wonach sich die Leistungen nach den Besonderheiten des Einzelfalls richten (VGH Baden-Württemberg, U. v. 27.03.1992, 6 S 1736/90, juris). Je enger das Verwandtschaftsverhältnis oder die rechtliche Beziehung war, desto geringer sind in der Regel die Anforderungen an die Zumutbarkeit des Einkommens- und Vermögenseinsatzes. Umgekehrt können etwa zerrüttete Verwandtschaftsverhältnisse höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit begründen. Entscheidend sind jeweils die Verhältnisse des Einzelfalls (zum Vorstehenden vgl. BSG, U. v. 29.09.2009, B 8 SO 23/08 R, juris). Ob dem Antragsteller ein solcher Anspruch – nach rechtskräftiger Feststellung seiner Kostentragungspflicht – zur Seite steht, ist jedoch vor den Sozialbehörden bzw. –gerichten zu klären. Darüber hinaus können die Bestattungskosten auch beim Erben geltend gemacht werden (§ 1968 BGB). Bei mehreren Bestattungspflichtigen findet zudem eine Ausgleich unter den Gesamtschuldnern statt (§ 426 BGB).

21

Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.08.2013 ist auch hinreichend bestimmt (§§ 1 VwVfG-LSA, 37 Abs. 1 VwVfG). Dass der Antragssteller daraus seiner Bestattungspflicht nachzukommen hat, wird durch die Verwendung „die Bestattung bis zum 26.08.2013 auszulösen“ einerseits hinreichend deutlich, überlässt ihm jedoch andererseits hinsichtlich der Art der Bestattung sowie des Zeitpunktes und des Ortes noch den vor § 16 Abs. 2 BestattG LSA erforderlichen Entscheidungsspielraum. Dass der Bescheid keine Regelung dazu enthält, bis wann die Erdbestattung/ Einäscherung und Urnenbeisetzung zu erfolgen hat, ist wegen der in § 17 Abs. 2 und 4 BestattG LSA enthaltenen Regelfristen rechtlich unbeachtlich, zumal auch die angedrohte Ersatzvornahme an das „Nichtauslösen der Bestattung bis zum 26.08.2013“ anknüpft. Von dem Adressaten eines solchen Bescheides im Falle der Feuerbestattung (auch) die Urnenbeisetzung zu verlangen, ist Ansehung der dieser vorausgehenden Einäscherung folgerichtig.

22

Für die Verfügung der Antragsgegnerin besteht auch das erforderlich besondere Vollzugsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 2 Ziffer 4 VwGO. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BestattG LSA ist ein Leichnam zu bestatten, wobei sich Art und Umfang der Bestattung nach §§ 15 und 16 BestattG LSA richten. Würde der Vollzug des angefochtenen Bescheides vom 21.08.2013 bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt, so würde – wie die Antragsgegnerin in der Ordnungsverfügung zu Recht ausführt – die Bestattung in unangemessener Weise verzögert, was in Ansehung der durch die Vorschriften des Bestattungsgesetzes geforderten zeitnahen Bestattung (vgl. § 17 BestattG) widersprechen würde. Diese öffentlichen Interessen an der Durchsetzung dieser Vorschriften im Interesse der Volksgesundheit und der Totenruhe gehen den privaten Interessen des Antragstellers vor.

23

2.3. Auch der nach §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO i.V.m. § 53 Abs. 4 Satz 1 SOG zulässige Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Androhung der Ersatzvornahme anzuordnen, ist unbegründet.

24

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakt (§§ 80 Abs. 2 Ziffer 3 VwGO, 66 Satz 2 VwVG LSA i. V. m. 9 AG VwGO LSA) ganz oder teilweise anordnen. Die vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung verlangt eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse daran, dass der Verwaltungsakt alsbald durchgesetzt wird, und dem privatem Interesse des Betroffenen daran, von den Wirkungen des Verwaltungsakts bis zum Eintritt der Bestandskraft verschont zu bleiben. In die Interessenabwägung einzubeziehen sind zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren. Denn einerseits besteht in der Regel kein öffentliches Interesse daran, einen Verwaltungsakt sofort zu vollziehen, gegen dessen Rechtmäßigkeit ernsthafte Bedenken bestehen; andererseits verstärkt sich das Vollziehungsinteresse, wenn die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs gering sind. Sind Verwaltungsakte – wie hier – kraft Gesetzes sofort vollziehbar, so ist die vom Gesetzgeber getroffene Grundentscheidung bei der Interessenabwägung in der Weise zu berücksichtigen, dass die aufschiebende Wirkung nur bei überwiegendem Interesse des Belasteten anzuordnen ist (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, Kommentar, 17. Aufl., § 80 Rn. 114, 166).

25

Die Androhung der Ersatzvornahme in der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 21. August 2013 begegnet nach summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken. Rechtsgrundlage ist § 71 Abs. 1 VwVG LSA i.V.m. den §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 55 Abs. 1 i.V.m. § 59 Abs. 1 bis 4 LSA. Hiernach kann ein sicherheitsbehördlicher Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder der Rechtsbehelf – wie hier der Widerspruch des Antragstellers – keine aufschiebende Wirkung hat. Ein solches Zwangsmittel ist die Ersatzvornahme, die die Behörde anstelle des Pflichtigen berechtigt, vertretbare Handlungen selbst oder durch einen beauftragten Dritten auf Kosten der betroffenen Person auszuführen. Die Veranlassung der Bestattung ist eine solche vertretbare Handlung. Die Wahl des Zwangsmittels ist auch verhältnismäßig, denn die Ersatzvornahme ist geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel, um die Bestattungspflicht durchzusetzen. Gemäß der Vorschrift des § 59 Abs. 4 SOG LSA ist die Antragsgegnerin auch ihrer Verpflichtung nachgekommen, die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme - hier mit 2.205,00 Euro - anzugeben. Schließlich wurde die Androhung dem Antragsteller in Entsprechung des § 59 Abs. 6 SOG LSA zugestellt.

26

3. Ob sich aus Vorstehendem sowie dem Handeln der Antragsgegnerin auch eine Kostenpflicht des Antragstellers ergibt, kann hier dahinstehen. Denn die Kosten sind durch einen gesondert anfechtbaren Leistungsbescheid geltend zu machen.

II.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

28

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1, 1.5, 1.6.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, S. 1327). Die Bedeutung des Antrages, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Anordnung der Bestattungspflicht wiederherzustellen, bemisst das Gericht in Höhe der voraussichtlichen Bestattungskosten (ca. 2.200,00 EUR), von denen der Streitwertfestsetzung wegen der nur Vorläufigkeit der Regelung ein Viertel zugrunde zu legen ist.


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