Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (8. Kammer) - 8 A 5/13

Tatbestand

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Der 1968 geborene Kläger ist im Amt eines Justizobersekretärs bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt eingesetzt und wendet sich gegen eine disziplinarrechtliche Maßnahme in Form der Geldbuße in Höhe von 500,00 Euro.

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Seit 1994 ist der Kläger an verschiedenen Stellen im Justizdienst des Landes Sachsen-Anhalt beschäftigt. 1997 wurde er in den örtlichen Personalrat der Zweigstelle ... der Staatsanwaltschaft B-Stadt gewählt. Nach seinem Wechsel in die Hauptstelle B-Stadt wurde der Kläger als dortiges Personalratsmitglied gewählt, war bis 2012 Vorsitzender des Personalrates, Gesamtpersonalratsvorsitzender und ist Mitglied des Bezirkspersonalrats. Im September 2007 wurde der Kläger als Sekretariatsleiter bei der Hauptstelle der Staatsanwaltschaft B-Stadt verwendet, wovon er im März 2009 wieder entbunden wurde. Die dem Kläger unter dem 19.09.2009 für den Beurteilungszeitraum August 2007 bis September 2009 erstellte in Bezug auf die Vorbeurteilungen verschlechternde dienstliche Beurteilung wurde letztendlich vom Verwaltungsgericht B-Stadt durch Urteil vom 12.12.2012 (5 A 138/10 HAL) in den Beurteilungsmerkmalen 22 (Kommunikation und Zusammenarbeit) und 23 (Führungsfähigkeit) aufgehoben. Dem lag zugrunde, dass die diesbezüglich verschlechternde Beurteilung unter Bezugnahme auf die Personalratstätigkeit des Klägers begründet wurde.

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Mit der streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 17.08.2012 wird dem Kläger vorgeworfen:

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„Eine zusammenfassende Auswertung Ihrer Zeiterfassungsbelege und der Aussagen der als Zeugen vernommenen Bediensteten hat ergeben, dass Sie in dem Zeitraum vom 01. März 2010 bis 01. März 2011 entgegen der Arbeitszeitvereinbarung bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt über die Ihnen zustehenden Pausenzeiten hinaus vorsätzlich mindestens 30 Stunden, in denen Sie Kaffeepausen und Mittagspausen eingelegt haben, als tatsächlich geleistete Arbeitszeit erfassten.“

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Damit habe der Kläger ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) i. V. m. § 34 Satz 1 und 35 Satz 2 BeamtStG begangen.

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Nach § 2 Abs. 1 der Arbeitszeitverordnung vom 05.06.2007 betrage die wöchentliche Arbeitszeit der Beamten 40 Stunden. Gemäß § 5 der Arbeitszeitverordnung sei bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden eine Ruhepause von mindestens 30 Min n zu gewähren. Bei einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden solle die Ruhepause mindestens 45 Min n betragen. Diese Ruhepausen seien nicht als Arbeitszeit anzurechnen. Bei der Zeiterfassung durch das bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt verwendete System würden diese Pausen bei entsprechenden Arbeitszeiten herausgerechnet. Mache ein Beamter bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden innerhalb des Dienstgebäudes länger Pause als 30 Min n, so habe er sich für den über eine halbe Stunde hinausgehenden Zeitraum auszustechen. Mache er bei einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden länger Pause als 45 Min n, so sei entsprechend zu verfahren.

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Bezüglich des Vorwurfs seien Zeugenaussagen der Kollegen K…, H…, D…, H…, F…, E…, G…. und N… eingeholt worden. Danach sei davon auszugehen, dass die vom Kläger gemeinsam mit K… verbrachten morgendlichen Kaffeepausen in deren Dienstzimmer in dem Sekretariat III privater Natur gewesen seien und keinen Bezug zur Personalratstätigkeit des Klägers aufweisen würden. Denn die Gespräche seien regelmäßig nach Dienstbeginn geführt worden und hätten zu keinerlei Aktivitäten wie Vorsprachen oder Abhilfen zur Abstellung von Problemen bei der Geschäftsleitung geführt. Dazu komme, dass die Serviceleiterin der Abteilung …, D…, K… im Beisein des Klägers auf die den Dienstbetrieb störenden Kaffeepausen angesprochen habe.

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Dass die Besuche des Klägers in dem Sekretariat III nicht dienstlich veranlasst, sondern der persönlichen Beziehung zu K... geschuldet gewesen seien, ergebe sich schon daraus, dass der Kläger die Besuche in der Abteilung eingestellt habe, nachdem K... in das Sekretariat versetzt worden sei. Die Zeugenaussagen würden belegen, dass in dem Zimmer „gescherzt und gelacht“ worden sei. Frau F. habe dargelegt, dass sie es als anstößig empfand, „wie die beiden praktisch auch zusammen gesessen haben. Es war, als ob da ein Verhältnis dazwischen steckte“. D... habe angegeben, dass die Kaffeepausen den Eindruck erweckten, dass es sehr „intim geprägt“ gewesen sei, da der Kläger und K... ziemlich nah zusammen gesessen hätten. Auch unter Berücksichtigung der Aussagen der K... sei festzustellen, dass der Kläger zwei- bis dreimal die Woche für 20 bis 30 Min n bei ihr zum Kaffeetrinken erschienen sei.

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Darüber hinaus sei nach den Zeugenaussagen davon auszugehen, dass der Kläger an vier von fünf Arbeitstagen tatsächlich mindestens 40 Min n eine Mittagspause eingelegt habe. Insgesamt sei anzunehmen, dass der Kläger an 100 Arbeitstagen jeweils mindestens 10 Min n zu lange Mittagspause gemacht habe. Daraus ergebe sich eine durch die Arbeitszeitvereinbarung nicht gedeckte Pausenzeit von (abgerundet) 16 Stunden. Demnach habe der Kläger in Bezug auf die Mittagspause mindestens 16 Stunden Pause gemacht, die tatsächlich als Arbeitszeit registriert worden sei.

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Bezüglich der Kaffeepausen mit der Justizbediensteten K... sei festzustellen, dass auf jede rechnerische Arbeitswoche zwei- bis dreimal eine Kaffeepause gemacht worden sei. Zu seinen Gunsten werde lediglich von zwei Kaffeepausen pro 5 Arbeitstage ausgegangen. Ausgehend von dem Umstand, dass eine Auswertung der Zeiterfassungsbelege ergeben habe, dass der Kläger und K... an 134 Tagen im Untersuchungszeitraum gleichzeitig anwesend gewesen seien, sei demnach von 53 Kaffeepausen zu je mindestens 20 Min n auszugehen. Daraus ergebe sich eine Zeit von (abgerundet) 17 Stunden nicht registrierter Kaffeepausen. Insgesamt habe der Kläger daher 16 Stunden Mittagspause und 17 Stunden Kaffeepause gemacht, die tatsächlich als Arbeitszeit erfasst worden seien. Zu seinen Gunsten werde unter Vornahme eines weiteren Sicherheitsabschlages von mindestens 30 Stunden nicht registrierter Pausenzeiten ausgegangen.

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Frau I. habe angegeben, dass die Mittagspause des Klägers von 12.00 Uhr bis ca. 13.00 Uhr/13.10 Uhr stattgefunden habe. Auch H... habe ausgesagt, dass der Kläger seine Mittagspause zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr gemacht habe. Selbst Frau H... habe erklärt, dass es immer eine Mittagspause von 40 bis 45 Min n gegeben habe, wobei auch Ausschweifungen nach oben vorgekommen seien. An den Mittagspausen habe der Kläger zu 80 % bis 90 % teilgenommen. Die Angaben seien auch durch die Aussagen von Frau Sch... und Herrn G. bestätigt worden.

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Der Kläger habe damit gegen seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Zeiterfassung nach Nr. 4 der Arbeitszeitvereinbarung bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt sowie gegen die Verpflichtung nach § 63 Landesbeamtengesetz Sachsen-Anhalt (LBG LSA) und § 2 Abs. 1 Arbeitszeitverordnung durchschnittlich wöchentlich 40 Stunden zu arbeiten, verstoßen.

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Der Kläger habe vorsätzlich gehandelt. Denn sein fehlerhaftes Handeln sei ihm durch die Ermahnungen der Service-Leiterinnen H..., I. und D... bewusst gewesen.

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Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht ersichtlich. Es gebe bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt nicht eine über einen längeren Zeitraum von vielen Bediensteten geübte und von der Dienststellenleitung tolerierte oder gar gestattete Praxis der Einlegung von Kaffeepausen und Mittagspausen ohne zutreffende Registrierung durch das Zeiterfassungssystem. Der Geschäftsleiter der Staatsanwaltschaft B-Stadt, Justizrat H., habe in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 30.05.2011 klargestellt, dass Frühstückspausen und nicht gestempelte andere Pausen untersagt seien. Insoweit seien allgemeine Kontrollen erfolgt und im Falle des Verdachts eines Verstoßes seien Ermahnungen vorgenommen worden. Zudem sei z. B. bei der Sekretariatsleiterbesprechung am 23.01.2008 bzw. 29.03.2010 darauf hingewiesen worden.

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Das Disziplinarverfahren sei aufgrund des schriftlichen Vermerkes der Sekretariatsleiterin der Wirtschaftsabteilung, Frau H..., eingeleitet worden. In ihrer Zeugenaussage vom 30.06.2011 habe sie angegeben, dass auf sie keinen Einfluss genommen worden sei.

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Demnach sei die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 500,00 Euro erforderlich, aber auch ausreichend, um dem Fehlverhalten gebührend Rechnung zu tragen.

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Der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 28.01.2013 bestätigte die Disziplinarmaßnahme unter weiterer Vertiefung der streitbefangenen Disziplinarverfügung. Ergänzend führt der Widerspruchsbescheid aus, dass die klägerische Auffassung, dass im Dienstgebäude verrichtete Pausen nicht „gestempelt“ werden müssen, fehl gehe. Nach der Arbeitszeitvereinbarung bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt sei unter Nr. 4.1 Abs. 3 geregelt, dass bei Inanspruchnahme von Zeitausgleich, auch innerhalb des Dienstgebäudes, das Zeiterfassungsgerät zu betätigen sei.

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Mit Urteil des Arbeitsgerichts B-Stadt vom 16.03.2012 (5 Ca 2983/11) wurde die der Angestellten K... gegenüber ausgesprochene außerordentliche Kündigung aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Dem lag zugrunde, dass der Justizangestellten K... aufgrund der Berichtigung ihrer Zeugenaussage außerordentlich gekündigt wurde, weil sie durch die Änderung die Unwahrheit gesagt habe, was zur fristlosen Verdachtskündigung führen würde. Der Justizangestellten wurde vorgeworfen, in ihrer Vernehmung falsch ausgesagt zu haben. Das Arbeitsgericht hat diesbezüglich ausgeführt, dass die zuständige Staatsanwaltschaft weder in einem Strafverfahren noch in einem behördlichen Disziplinarverfahren eine „zuständige Stelle“ im Sinne von § 153 StGB sei, so dass eine strafrechtliche Falschaussage von vornherein auszuschließen sei. Der Oberstaatsanwalt ... habe während der Vernehmung der einzelnen Zeugen und damit auch der Vernehmung der Klägerin im Disziplinarverfahren mit „Kanonen auf Spatzen geschossen“. In jedem rechtsstaatlichen Verfahren stehe es den Beteiligten frei, ihre einmal gemachte Aussage zu korrigieren. Der Oberstaatsanwalt ... habe bei seinen Ermittlungen nach dem Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt die entlastenden Umstände für die Klägerin überhaupt nicht berücksichtigt. Er habe sich bei den Aussagen der Zeugen I., D... und F. auf Zeugen vom Hören-Sagen gestützt. Die einzige Zeugin, die die Dauer der Gespräche zwischen der Klägerin und dem Personalratsvorsitzenden A. direkt habe wahrnehmen können, die Zeugin H..., sei überhaupt nicht berücksichtigt worden. Die Zeugin H... habe über einen längeren Zeitraum mit der Klägerin gemeinsam ein Dienstzimmer genutzt und konnte somit die Dauer und den Inhalt der Gespräche zwischen der Klägerin und dem Personalratsvorsitzenden A. wahrnehmen. Diese Zeugin habe im Wesentlichen die Aussage der Klägerin in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 20.03.2011 und in ihrer Zeugenvernehmung vom 30.06.2011 bestätigt. Bei richtiger Wertung der Zeugenaussage der Zeugin H... durch Herrn Oberstaatsanwalt ... wäre der Verdacht einer eventuellen falschen Aussage durch die Klägerin im Disziplinarverfahren „wie ein Kartenhaus zusammengebrochen“. Zumindest Herr Oberstaatsanwalt ... habe bei seinen Schlussfolgerungen in seinem Vermerk vom 31.08.2011 nicht nach dem Selbstverständnis der Staatsanwaltschaft gehandelt, die Staatsanwaltschaft sei „die objektivste Behörde der Welt“. Denn auch in einem Disziplinarverfahren seien nicht nur die belastenden, sondern auch die entlastenden Umstände zu prüfen.

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Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarmaßnahme. Der Kläger bestreitet das ihm vorgehaltene Pausenverhalten. Der Kläger habe die behaupteten Pausen weder im vorgeworfenen Umfang, Häufigkeit noch generell eingelegt.

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Selbst wenn man unterstelle, der Kläger habe teilweise längere Pausen eingelegt, existiere keine Pflicht zur Zeiterfassung, soweit das Dienstgebäude nicht verlassen werde. Eine Eingabe von längeren Pausen im Dienstgebäude sei weder in der Zeiterfassungsanlage tatsächlich möglich noch in der Dienstvereinbarung geregelt. Der Hinweis auf Nr. 4.1 Abs. 3 der Dienstvereinbarung in Bezug auf den Zeitausgleich gehe fehl. Es gehe vorliegend nicht um Zeitausgleich.

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Darüber hinaus sei festzustellen, dass lediglich der Kläger diesbezüglich disziplinarrechtlich herangezogen wäre. Dies sei seiner Funktion als Personalratsmitglied geschuldet und stelle eine unzulässige Schlechterstellung dar. Die weiteren an der sogenannten „Mittagsrunde“ teilgenommenen Kollegen G., H..., K..., E. und N... seien nicht disziplinarrechtlich belangt worden. Weiter würden die nach Schätzung des Klägers in der Dienststelle tätigen ca. 20 Raucher sich zur Raucherpause nicht ausstempeln. Dies gelte zudem für den Geschäftsleiter Herrn H.. Selbiges gelte für den Schwerbehindertenvertreter bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt, Herrn S... Herr H. habe verlautbaren lassen, dass es mit den Raucherpausen nicht so streng gehalten werden müsse. Denn dort seien auch dienstliche Angelegenheiten zu besprechen. Selbiges Pausenverhalten gäbe es auch in anderen Bereichen, wie in der Wirtschaftsabteilung und auch unter den Staatsanwälten. Selbstverständlich sei die Dienststellenleitung über dieses Pausenverhalten im Bilde.

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Der Kläger macht weitere Ausführungen zu dem angespannten Verhältnis der Dienststellenleitung zu den jeweiligen Personalratsmitgliedern, welches Beleg dafür sei, dass das Disziplinarverfahren der Personalratstätigkeit des Klägers geschuldet sei. Die ehemalige Personalratsvorsitzende, H... sei nach Eintritt von Herrn H. in die Dienststelle in Bedrängnis gebracht worden. H... habe daraufhin die Dienststelle verlassen. Der Nachfolger von H..., D..., sei als Rechtspfleger nach der Übernahme des Personalratsmandates gemobbt worden, woraufhin dieser sogar gerichtliche Schritte einleitete. D... verfiel sodann in Krankheit und musste in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Danach übernahm K... den Personalratsvorsitz. Auch diese gab letztendlich auf. Das weitere Personalratsmitglied und die Vorsitzende des Bezirkspersonalrates, Frau P…, habe einen Schlaganfall erlitten, woraufhin sie des Dienstes enthoben worden und zur Vorstellung beim Amtsarzt aufgefordert worden sei.

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Der Kläger beantragt,

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die Disziplinarverfügung vom 17.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2013 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und verteidigt die streitbefangene Disziplinarverfügung und die darin vorgenommene rechtliche Bewertung. Die Angaben der Zeugin K... seien weiter als unglaubhaft anzusehen. Auch die Ausführungen in dem Urteil des Arbeitsgerichts B-Stadt ändere nichts an dieser Einschätzung. Das entsprechende Verhalten der Justizangestellten K... sei mit einer Abmahnung geahndet worden.

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Es sei in der Dienststelle schlicht nicht bekannt, dass die Zeiterfassung bei Raucherpausen in größerem Umfang nicht benutzt würde. Amts- und Staatsanwälte (auch Wirtschaftsreferenten) unterlägen nicht der Zeiterfassung.

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Das Disziplinargericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis über das Pausenverhalten bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt durch Vernehmung der Zeugin … I. und die Zeugen G. und H. erhoben. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Disziplinarvorgang der Beklagten verwiesen. Zudem hat das Disziplinargericht die Akte 5 Ca 2983/11 des Arbeitsgerichts B-Stadt sowie die des Verwaltungsgerichts B-Stadt (5 A 138/10 HAL) beigezogen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn die angefochtene Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 3 DG LSA; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form der Geldbuße in Höhe von 500,00 Euro erweist sich hinsichtlich der Höhe wegen vorliegender Besonderheiten im Rahmen der Gesamtabwägung nach § 13 DG LSA als unverhältnismäßig, weil unangemessen und bedarf insoweit der Abänderung durch das Disziplinargericht. Unter Berücksichtigung dessen erweist sich die ausgesprochene Disziplinarverfügung in dieser Höhe zur Überzeugung des Gerichts auch als unzweckmäßig, welches ebenso zur Aufhebung bzw. Abänderung durch das Disziplinargericht führt (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

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Nach § 59 Abs. 3 DG LSA prüft das Disziplinargericht bei der Klage des Beamten gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Disziplinargericht danach nicht nur gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben oder abzuändern. Vielmehr übt das Disziplinargericht in Anwendung der in § 13 Abs. 1 DG LSA niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmeobergrenze selbst die Disziplinarbefugnis aus (vgl. Gesetzesbegründung zum gleichlanden § 60 Abs. 3 BBG, Bundestagsdrucksache 14/4659, S. 48; BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 2 A 2/12; Beschl. v. 21.05.2013, 2 B 67/12; Urt. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; OVG NRW, Beschl. v. 19.09.2007, 21 d A 3600/06.O; Bayr. VGH, Beschl. v. 27.01.2010, 16 a DZ 07.3110; Bayr. VGH, Beschl. v. 02.07.2012, 16 a DZ 10.1644; vgl. zu den Zweckmäßigkeitserwägungen auch: VG Magdeburg, Urt. v. 18.07.2012, 8 A 1/12; Urt. v. 01.12.2011, 8 A 18/10; Urt. v. 18.07.2012, 8 A 13/11; Urt. v. 06.11.2007, 8 A 10/07 und Urt. v. 14.01.2014, 8 A 12/13; alles juris).

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1.) Auch zur Überzeugung des Disziplinargerichts hat der Kläger ein innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Aufgrund der behördlichen Ermittlungen im Disziplinarverfahren sowie der Beweisaufnahme vor dem Disziplinargericht und unter Bewertung des gesamten Aktenmaterials steht fest, dass der Kläger in dem ihm vorgehaltenen Zeitraum die ihm zustehenden Pausen im Sinne des Vorwurfs überzogen hat. Damit hat er jedenfalls gegen seine beamtenrechtliche sogenannte Wohlverhaltenspflicht und der sogenannten Hingabepflicht nach § 34 BeamtStG verstoßen. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen dazu, dass ein Verstoß gegen Pausenzeiten bzw. das Vortäuschen von Arbeitszeit disziplinarwürdig ist. Denn durch das „nicht Ausstempeln“ hat der Beamte Arbeitszeit vorgetäuscht. Nach § 2 Abs. 1 der Arbeitszeitverordnung beträgt die wöchentliche Arbeitszeit der Beamten 40 Stunden und gemäß § 5 ist bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden eine Ruhepause von mindestens 30 Min n zu gewähren. Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden soll die Ruhepause mindestens 45 Min betragen. Nach der Arbeitszeitvereinbarung müssen Pausen nicht gestempelt werden, sondern werden automatisch abgezogen. Es versteht sich von selbst, dass damit natürlich nur die rechtmäßig zustehenden Pausen gemeint sind. Insoweit sind nur das Betreten und Verlassen des Dienstgebäudes zu erfassen. Davon unabhängig ist der hier vorliegende Fall zu sehen, wenn Arbeitszeit vorgetäuscht wird.

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Dabei folgt das Gericht der in der Disziplinarverfügung vorgenommenen Berechnung hinsichtlich der überzogenen Pausen. Diese Berechnung ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Dabei weist das Gericht gleichzeitig darauf hin, dass – zumindest bei dem hier zugrunde liegenden Zeitraum eines Jahres – der tatsächliche Umfang der überzogenen Pausen keiner genauen Berechnung bedarf und dies auch nicht möglich erscheint. Für die disziplinarrechtliche Bewertung des Fehlverhaltens ist dies letztlich ohne Bedeutung (VG Münster, Urt. v. 24.04.2012, 13 K 1169/11.O; juris).

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Das Disziplinargericht sieht es als erwiesen an, dass der Kläger nahezu täglich mit K... überzogene Frühstückspausen bzw. nicht dienstlich veranlasste Treffen nach Betreten des Dienstgebäudes und der Durchführung der Zeiterfassung vorgenommen hat. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Zeugenvernehmung der Zeugen I.. Diese hat auf Befragung durch das Gericht nachvollziehbar und in sich schlüssig davon berichtet, dass sie als Sekretariatsleiterin ein ausgedehntes Pausenverhalten aller Mitarbeiter „ihrer“ Abteilung 3 festgestellt hat. Frau I. sagte aus, dass der Kläger und K... dabei die Hauptakteure waren und der Kläger sein Pausenverhalten nahezu täglich ausgedehnt hat. Er war nahezu von 7.00 Uhr bis 08.30 Uhr täglich bei K... Diese Aussage ist daher nachvollziehbar und auf eigenen Beobachtungen gestützt, weil Frau I. um ca. 06.30 Uhr zum Dienst erschien. Zudem deckt sich die Aussage auch mit ihrer bereits im behördlichen Disziplinarverfahren getätigten Vernehmung.

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Dabei erscheint es dem Disziplinargericht auch als ausgeschlossen, dass während dieser Vielzahl von täglichen Zusammenkünften zwischen dem Kläger und K... etwa personalratsrechtliche bzw. mitbestimmungsrechtliche Angelegenheiten besprochen worden seien. Zum einen war K... nicht Mitglied der Personalvertretung und zum anderen ist die Behauptung des Klägers nicht nachvollziehbar, dass er fast täglich und nur mit K... Personalprobleme habe besprechen müssen. Diesbezüglich sind keinerlei Tatsachen bekannt, die diese Behauptung stützen. So ist nicht vorgetragen und auch nicht dokumentiert, dass K... überhaupt Probleme mit ihrem Dienstherrn bzw. Arbeitgeber gehabt hätte oder entsprechende Eingaben, Schriftstücke etc. durch den Kläger oder ein sonstiges Personalratsmitglied für K... getätigt wurden. Unter Beachtung dessen ist das Gericht davon überzeugt, dass es sich bei diesen nahezu täglichen Zusammenkünften um solche, rein privater Natur gehandelt und der Kläger dem Dienstherrn gegenüber diesbezüglich seine Arbeitszeit vorgetäuscht hat.

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Darüber hinaus steht zur Überzeugung des Gerichts ebenso fest, dass der Kläger auch die ihm vorgehaltenen Mittagspausen überzogen hat. Bei den Mittagspausen ist jedoch festzustellen, dass diese – anders als die Frühstückspause – in einer größeren Runde vorgenommen wurden, an welcher teilnahmen, Herr G., Frau H... (jetzt D.), K..., Frau E. und Frau N… Diesbezüglich gab der Zeuge G. während seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung freimütig zu, dass die beteiligten Personen die Mittagspausen überzogen haben, welches sich auch mit den sonstigen in behördlichen Verfahren vorgenommenen Beweiserhebungen und Zeugenvernehmungen deckt.

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Das Gericht schließt sich daher den in dem Disziplinarbescheid und dem Widerspruchsbescheid zur Feststellung des objektiven Tatvorwurfs dargestellten Ausführungen an und darf darauf verweisen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

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2.) Liegt zur Überzeugung des Disziplinargerichts der objektiv feststellbare disziplinarrelevante Pflichtenverstoß vor, ist die hier streitentscheidende Frage, mit welcher Disziplinarmaßnahme dies im Falle des Klägers zu ahnden ist. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie dem Umfang der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung (vgl. § 13 DG LSA). Dabei beurteilt sich die Schwere des Dienstvergehens nach den objektiven Handlungsmerkmalen, wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarbehörde bzw. das Disziplinargericht, die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Dienstherrn und des Disziplinargerichts als ein Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung des Schuldprinzips und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Es dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung eingestellt werden, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zugunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urt. v. 01.07.2014, 8 A 1/13 MD; Urt. v. 17.10.2013, 8 A 6/13 MD; Urt. v. 27.10.2011, 8 A 2/11 MD mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urt. v. 29.03.2012, 2 A 11.10; OVG Lüneburg, Urt. v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; alle juris).

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a.) Hinsichtlich des Verschuldensgrades geht das Disziplinargericht davon aus, dass der Kläger sein Frühstückspausenverhalten mit K... vorsätzlich beging und seine Mittagspausen jedenfalls fahrlässig überzog. Denn hinsichtlich des morgendlichen Zusammentreffens mit K... war ihm seit langem bekannt, dass dies von den Kollegen und auch den insoweit Dienstvorgesetzten nicht erwünscht war und es dadurch zu Schwierigkeiten in den Arbeitsabläufen kam. So sagte die Zeugin I. während ihrer Vernehmung vor dem Disziplinargericht aus, dass sie etwa im Herbst 2009 mit H... das Gespräch mit dem Kläger gesucht hat und ihn auf die Missstände hinwies. Darüber hinaus wurde der Kläger auch von D... darauf hingewiesen, dass die überzogenen Kaffeepausen den Arbeitsablauf stören. Schließlich kam das gesamte Disziplinarverfahren dadurch in Gang, dass H... den Kläger im Hause suchte und darüber einen Vermerk anfertigte. Hinsichtlich der Mittagspausen ist nicht feststellbar, dass der Kläger entgegen ausdrücklicher Ansprachen sein Pausenverhalten nicht änderte. Da es für ihn jedoch ohne Weiteres erkennbar war und sich hätte aufdrängen müssen, dass er nicht für überzogene Pausen bezahlt wird, handelte er jedenfalls fahrlässig.

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b.) Hingegen – und dies ist für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung – steht es fest, dass nicht nur der Kläger, sondern auch andere Bedienstete und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft B-Stadt im unmittelbaren Umfeld des Klägers ein übertriebenes Pausenverhalten praktizierten. Die Zeugin I. führte während ihrer Aussage vor dem Gericht aus, dass ihr als Sekretariatsleiterin nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit auffiel, dass alle Mitarbeiter der Abteilung 3 die Pausen ausdehnten. Ebenso führte der Zeuge G. während seiner Vernehmung vor dem Gericht aus, dass er und die anderen Mitglieder der Mittagsrunde diese überzogen. Zu den gleichen Feststellungen gelangt man, wenn man die behördlichen Zeugenvernehmungen im behördlichen Disziplinarverfahren wertet. Schließlich bestand die Mittagsrunde aus mehreren Personen, die allesamt die Pause überzogen.

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Weiter ist von Bedeutung, dass nicht mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen ist, dass die Behördenleitung über diese – durchaus als Missstände – zu verzeichnende Situation bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt jedenfalls bis zur Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Kläger informiert war. Denn es ist nicht bekannt, dass das übertriebene Pausenverhalten der anderen Bediensteten, zu Problemen im Dienstbetrieb führte, wie dies bei dem Verhalten des Klägers und K... der Fall war. Der Zeuge H. sagte während seiner Vernehmung vor dem Disziplinargericht aus, dass er als Geschäftsleiter derartige Frühstücks- und Mittagsrunden nicht geduldet habe und dass dies bei den Mitarbeitern bekannt gewesen sei. Dass die Mittagspausen von einigen Mitarbeitern überzogen worden seien, habe er erst im Disziplinarverfahren zur Kenntnis genommen. Dies erscheint für das Gericht auch daher als nachvollziehbar, weil ihm ca. 80 bis 100 Mitarbeiter unterstellt gewesen sind, sodass eine diesbezügliche Kontrolle schwierig erscheint. Von Bedeutung ist allerdings, dass er auch ausgesagt hat, dass Frau I. sich zumindest zweimal bei ihm über das Pausenverhalten und die Dienstauffassung des Klägers beschwert hat und er diese Beschwerde in ihrer Bedeutung nicht richtig erfasst hat. Denn er hat Frau I. damals nur erwidert, dass sie sich selbst um diese Angelegenheit aufgrund ihrer Funktion als Sekretariatsleiterin kümmern müsse. Insoweit könnte die Auffassung vertreten werden, dass Herr H. als Vertreter der Behördenleitung sich bereits frühzeitig zum damaligen Zeitpunkt um die Angelegenheit hätte kümmern müssen und sodann das gesamte Maß des Pausenverhaltens bei den Beschäftigten bekannt geworden wäre. Darüber hinaus ist auch objektiv nach den vorliegenden Unterlagen feststellbar, dass die als ungewöhnlich ausführlich zu bezeichnenden Ermittlungen im behördlichen Disziplinarverfahren gegen den Kläger eindeutig die Hinweise auch auf die Pflichtwidrigkeit der anderen Bediensteten offenbarten und auch dann nicht genügend diesbezügliche Schlussfolgerungen gezogen wurden.

43

Frau K... erhielt letztendlich nach der arbeitsgerichtlichen Aufhebung der Kündigung eine Abmahnung und von den Teilnehmern der Mittagsrunde wurden nur Herr G. und Frau E. von dem Geschäftsleiter, Herrn H., ermahnt. Ist auch die Aussage des Zeugen H. nachvollziehbar, er habe es bei den Beschäftigten G. und E. aufgrund deren gezeigter Einsicht bei einer mündlichen Ermahnung belassen, ist nicht nachvollziehbar, warum spätestens aufgrund der Ermittlungsergebnisse nicht gegen weitere Beschäftigte zumindest ermittelt wurde um so die jeweilige Schwere eines möglichen Pflichtenverstoßes überhaupt festzustellen. Auch fällt auf, dass nicht bekannt ist, ob aufgrund des bekannt gewordenen Pausenverhaltens weitere Aufklärungen, Ermahnungen, Dienstbesprechungen etc. stattfanden um derartigen Fehlentwicklungen vorzubeugen.

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In Anwendung dessen kommt das Disziplinargericht nicht umhin, vorliegend festzustellen, dass die Disziplinarbefugnis nicht gleichmäßig ausgeübt wurde indem das Pausenverhalten der übrigen Bediensteten nicht verfolgt bzw. bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme bei dem Kläger nach § 13 DG LSA hinreichend eingestellt wurde. Die Disziplinarverfügung und der Widerspruchsbescheid schweigen dazu. Dies stellt jedenfalls einen Ermessensfehler innerhalb des Opportunitätsprinzips bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme dar.

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Feststellbar ist, dass zwischen dem Kläger und der Behördenleitung ein langjährig angespanntes dienstliches Verhältnis bestand. Herr H. bezeichnete dieses während seiner Zeugenvernehmung als „schlecht“ im Sinne von „nicht vorhanden“. Auch wenn Formulierungen im Zusammenhang mit der Personalratstätigkeit des Klägers in seiner dienstlichen Beurteilung zur entsprechenden gerichtlichen Aufhebung geführt haben, ist nicht davon auszugehen, dass das disziplinarrechtliche Vorgehen gegen den Kläger dessen Personalratstätigkeit geschuldet gewesen sei. Denn die Einleitung des hier streitgegenständlichen Disziplinarverfahrens gegen den Kläger und letztendlich die Verhängung einer Geldbuße gegen ihn finden ihre rechtliche Stütze darin, dass der Kläger bezüglich der Intensität des vorgehaltenen Pflichtenverstoßes unter den Beschäftigten herausstach. Denn insbesondere sein Pausenverhalten mit K... hat eine gänzlich andere Qualität als das von den übrigen Mitarbeitern praktizierte Pausenverhalten. Denn die nahezu täglichen, morgendlichen und als privat zu bezeichnenden langdauernden Zusammenkünfte mit K... führten innerhalb der Behörde zu Problemen im Dienstbetrieb. So war der Kläger oftmals nicht auffindbar, welches letztendlich aufgrund des Vermerks von H... zur Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Kläger führte. Da der Vermerk auf Tatsachen beruhte, war die Einleitung des Disziplinarverfahrens auch von § 17 DG LSA gedeckt. Nachvollziehbar begründete Herr H. während seiner Zeugenaussage vor dem Gericht auch, dass er in das Disziplinarverfahren nicht involviert war und von vornherein von Herrn W… als Behördenleiter bearbeitet wurde. So mag es sein, dass die festgestellten Vorkommnisse wegen des angespannten Verhältnisses willkommener Anlass zu Disziplinierung des Klägers gewesen sind; vorgeschoben oder inszeniert sind sie jedenfalls nicht.

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Um Missverständnissen vorzubeugen, muss das Disziplinargericht darauf hinweisen, dass diese hier vorliegenden Besonderheiten nicht etwa dazu führen, dass das gegen den Kläger eingeleitete Disziplinarverfahren fehlerhaft wäre oder der Kläger nicht disziplinarrechtlich belangt werden könnte. Wegen der Individualität des Disziplinarverfahrens kann sich der Kläger nicht erfolgreich darauf berufen, dass nur er disziplinarrechtlich für eine auch von anderen begangene Pflichtverletzung herangezogen wird. Dies wäre gleichsam so, wenn sich ein Straftäter darauf beruft, dass auch andere Personen strafbare Handlungen begehen und nicht verfolgt oder belangt werden. Es gibt keine Gleichheit im Unrecht. Ein solcher Ansatz ist von vornherein straf- wie disziplinarrechtlich verfehlt, wenngleich im Gegensatz zum Strafverfahren im Disziplinarverfahren das Legalitätsprinzip „nur“ für die Einleitung des Disziplinarverfahrens nach § 17 DG LSA gilt und hingegen die Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 DG LSA) als Ausdruck des Opportunitätsprinzip erfolgt (vgl. nur: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 13 Rz. 4). Das Disziplinarrecht – wie auch das Strafrecht – kann nur die individuelle Pflichtverletzung bewerten.

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Gleichwohl kann auch der Umstand, dass gleichartige Pflichtenverstöße von mehreren Bediensteten begangen werden und gegen diese nicht ermittelt wird, bei der individuellen Ahndung innerhalb der Disziplinarbefugnis berücksichtigt werden. Nach § 17 DG LSA besteht als Ausdruck des Legalitätsprinzips die Dienstpflicht, bei zureichend tatsächlichen Anhaltspunkten ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Der höhere Dienstvorgesetzte und die oberste Dienstbehörde stellen im Rahmen ihrer Aufsicht die Erfüllung dieser Pflicht sicher (§ 17 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Das Ermessen der Disziplinarvorgesetzten zur Frage, ob nach Durchführung der Ermittlungen gemaßregelt werden muss, ist nicht unbeschränkt. Das Opportunitätsprinzip kommt erst nach der Feststellung, ob ein Dienstvergehen vorliegt und wie es geahndet werden soll, zum Zuge (vgl. Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 13 Rz. 7). Denn das Disziplinarrecht muss vom dazu berufenen Dienstvorgesetzten gleichmäßig ausgeübt werden. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten kann es nicht angehen, dass Dienstpflichtverletzungen etwa in Ansehung einer Person unterschiedlich ausgelegt, ermittelt und geahndet werden.

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Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man das in der Behörde feststellbare Pausenverhalten als Besonderheit im Rahmen der in jedem Disziplinarverfahren zu berücksichtigenden Entlastungsgründe (Milderungsgründe) berücksichtigt. Dabei sind die entlastenden Gründe nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris; insoweit missverständlich: OVG LSA, Beschluss v. 17.09.2013, 10 M 9/13 [n. v..]). Diese müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11, v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; alle juris). Insoweit hätte vorliegend das Pausenverhalten mehrerer Beschäftigter bei dem Beklagten als Besonderheit im Rahmen einer Entlastung bei dem Kläger berücksichtigt werden müssen. Auch dazu schweigt der Disziplinarbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides.

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c.) Unter Beachtung dessen und unter Gesamtabwägung der hier vorliegenden Besonderheiten geht das Disziplinargericht in Ausübung der ihm zustehenden Disziplinarbefugnis davon aus, dass die dem Kläger vorzuhaltende Pflichtverletzung der Vortäuschung von Arbeitszeit durchaus derart schwer wiegt, dass die zweite Stufe der nach § 5 DG LSA möglichen Disziplinarmaßnahmen, hier die Geldbuße, erreicht ist. Der Ausspruch nur eines Verweises als unterste Disziplinarmaßnahme (§ 6 DG LSA) wird der Schwere der Pflichtverletzung nicht gerecht. Bei der Bestimmung der bis zur Höhe der monatlichen Dienstbezüge aufzuerlegenden Geldbuße (§ 7 Satz 1 DG LSA) geht das Disziplinargericht jedoch davon aus, dass diese im unteren Bereich festzusetzen ist. Mithin sieht das Disziplinargericht eine Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro als angemessen und unter Berücksichtigung des stets zu prüfenden § 59 Abs. 3 DG LSA als zweckmäßig und auch notwendig an.

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3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da die Disziplinarverfügung mit einer Geldbuße aufrechterhalten bleibt und nur die Höhe der Geldbuße verringert wurde, hat der Kläger den überwiegenden Teil der Kosten zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 DG LSA, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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