Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (4. Kammer) - 4 A 113/14
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit welchem dieser ihn zur Zahlung von Säumniszuschlägen heranzieht. Diese Säumniszuschläge berechnete der Beklagte auf Kostenanteile aus Mitwirkungsleistungen des Beklagten in immissionsschutzrechtlichen Verfahren. Der Kläger zahlte diese Anteile an den Beklagten nicht aus, weil er seinerseits seine Gebührenforderungen gegenüber den Antragstellern aus den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht mehr durchsetzen kann.
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Der Beklagte fertigt unstreitig für den Kläger baurechtliche Stellungnahmen in immissionsschutzrechtlichen Verfahren, für welche der Kläger als Ausgangsbehörde zuständig ist. Ebenso unstreitig erhält der Beklagte in der Regel hierfür wesentliche Teile der vom Kläger gegenüber den jeweiligen Antragstellern berechneten Gebühren.
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In den Jahren 2000 und 2001 erbrachte der Beklagte für den Kläger in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren Mitwirkungsleistungen in Bezug auf drei der O. GmbH erteilten Teilgenehmigungen. Ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge berechnete der Beklagte gegenüber dem Kläger, bzw. damals gegenüber dem Regierungspräsidium Magdeburg, in diesem immissionsschutzrechtlichen Verfahren die Verwaltungskosten für die Mitwirkungsleistungen in formlosen Schreiben vom 30.05.2000 und 24.07.2001, die überschrieben waren mit „Ermittlung von Verwaltungskosten für Mitwirkungsleistungen (baurechtliche Stellungnahme) im Genehmigungsverfahren aufgrund des Immissionsschutzes“. Diese Schreiben enthielten Angaben zu dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, benannten als anfordernde Stelle das Bauordnungsamt des Beklagten und führten als Rechtsgrundlage § 1 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG sowie die BauGebVO in der damals gültigen Fassung. In der Anlage zu dem jeweiligen Schreiben befanden sich die Berechnungen im Einzelnen unter den Überschriften „Baurechtliche Stellungnahme“ und „Anlage zum Kostenfestsetzungsbescheid“.
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Irrtümlicher Weise richtete der Kläger den Kostenfestsetzungsbescheid für die Kosten des vorgenannten immissionsschutzrechtlichen Verfahrens nicht an die O. GmbH, sondern an eine auch am Verfahren beteiligte G. AG. Die von dieser gegen die Kostenfestsetzung erhobene Klage war erfolgreich. Um eine erneute Kostenfestsetzung zu ermöglichen, bat der Kläger den Beklagten unter dem 24.11.2004 um Berechnung seines Gebührenanteils für die Erstellung eines „neuen Kostenfestsetzungsbescheides“.
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Bei einer Dienstbesprechung im Landesverwaltungsamt am 30.11.2004, an der auch Vertreter der Landkreise teilnahmen, ist die Auffassung vertreten worden, Kostenanteile für Mitwirkungsleistungen könnten bereits vor Genehmigung von dem Beklagten verlangt werden (Bl. 35 Beiakte D, Abschnitt 3). Insoweit wurde auf einen Erlass des Ministeriums der Finanzen vom 25.04.2002 verwiesen, der bis zum Jahr 2007 galt und die Kostenbeteiligung regeln sollte.
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Am 06.12.2004 richtete der Beklagte ein Schreiben an den Kläger, überschrieben mit „Ermittlung von Verwaltungskosten für Mitwirkungsleistungen (baurechtliche Stellungnahme) im Genehmigungsverfahren auf Grund des BImSchG“. Das Schreiben führte ähnlich wie die Schreiben aus 2000 und 2001 in Tabellenform den Antragsteller und sonstige Einzelheiten des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens auf. Danach folgte wörtlich: „Die Gebühr wird auf der Grundlage der §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 und 5 Verwaltungskostengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (…) in Verbindung mit der Baugebührenverordnung (…) festgesetzt. Die Gebühr beträgt nach BauG-VO TS 1.1.1, Baugenehmigung nach § 77 BauO LSA 184.157,10 €. Der Gesamtbetrag ist innerhalb von vier Wochen (fällig am 10.01.2005) auf das unten angegebene Konto zu überweisen.“ Die zweite Seite des Schreibens war wie in der Vergangenheit überschrieben mit „Anlage zum Kostenfestsetzungsbescheid“ und enthielt konkretere Ausführungen zur Gebührenberechnung, wie etwa die Errechnung des Rohbauwertes. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war nicht enthalten.
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Der Kläger setzte dann zwar gegenüber der OSB Deutschland GmbH mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 14.12.2004 Kosten in Höhe von 601.182,09 € fest. Eine hiergegen gerichtete Klage war indes teilweise erfolgreich, der Bescheid wurde aufgehoben, soweit mehr als 125.452,22 € festgesetzt worden waren, die Forderung im Übrigen war nach Auffassung des Gerichts mit Ablauf des 31.12.2003 verjährt und damit der Kostenanspruch insoweit erloschen. Die von der O. GmbH sodann gezahlte Summe wurde anteilig, d.h. in Höhe von 82.723,44 € an den Beklagten weitergereicht. Mit einer Forderung in Höhe von 184.157,10 € fiel der Beklagte aus, was ihm der Kläger mit Schreiben vom 04.10.2006 mitteilte.
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In einem Schreiben des Klägers vom 15.09.2006 an die Landkreise wies dieser darauf hin, dass von den Baugenehmigungsgebühren bei bestimmten Verfahren nach BImschG 90 % an die Landkreise abgeführt werde. Wörtlich heißt es dort: „Für diese Stellungnahme steht Ihnen gemäß Tarifstelle 12.2. der Anlage zur BauGVO eine Gebühr nach Zeitaufwand entsprechend § 1 Abs. 3 BauGVO zu. Diese wird vom Fachreferat vereinnahmt und dann an Sie abgeführt.“.
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Mit Schreiben vom 13.10.2006 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass nach dem Runderlass des Ministeriums der Finanzen vom 24.02.2002 die Landkreise berechtigt seien, von der kostenberechtigten Körperschaft Kosten zu verlangen. Der Landkreis habe einige Mitwirkungsleistungen bereits in den Jahren 2000 und 2001 erbracht und wiederholt, u.a. mit Schreiben vom 06.12.2004 die Kosten angefordert. Der Beklagte bat um Prüfung der Vorgänge und „um zeitnahe Beantwortung unseres Schreibens sowie um entsprechende Erstattung der von uns geltend gemachten Verwaltungskosten für die erbrachten Mitwirkungsleistungen“. Diese führte er in der Anlage zu dem Schreiben auf.
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In einem anderen Genehmigungsverfahren aus dem Jahre 2006 betreffend die Agrargesellschaft G. mbH war der Kläger zunächst davon ausgegangen, dass der Beklagte das Verfahren in eigener Verantwortung durchzuführen hatte und hatte den Beklagten entsprechend angewiesen. Der Beklagte führte das Genehmigungsverfahren dann auch über Monate hinweg in eigener Regie. Am 13.11.2006, kurz vor Abschluss des Verfahrens teilte der Kläger dem Beklagten ausweislich eines Telefonvermerkes mit, der Antrag sei doch vom Kläger zu bearbeiten, der Beklagte solle eine baurechtliche Stellungnahme mit Kostenermittlung übersenden. Tatsächlich verfasste der Beklagte die baurechtliche Stellungnahme dann unter dem 13.11.2006. Unter dem 14.11.2006 bezifferte der Beklagte die Mitwirkungsleistung in einem Schreiben, dessen Erhalt der Beklagte bestreitet, auf 1751,- €. Dieses an den Kläger gerichtete Schreiben enthält gleichfalls die Überschrift „Ermittlung von Verwaltungskosten für Mitwirkungsleistungen zur baurechtlichen Stellungnahme im Genehmigungsverfahren“, es enthält eine Berechnung der Gebühr und die Aufforderung, den Betrag bis zum 14.11.2006 an den Beklagten zu überweisen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält das Schreiben gleichfalls nicht. Die Anlage zu dem Schreiben ist überschrieben mit „Gebührenberechnung zur bauordnungsrechtlichen Stellungnahme“. Ferner heißt es dort: „Gemäß Verfügung zum § 59 vom 15.09.2006 wird ein Anteil von 90 % der jeweiligen Baugenehmigungsgebühr für die Prüfung der bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit erstattet.“
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Der Kläger erteilte dem Antragsteller gegenüber die Genehmigung am 23.11.2006. Zu einer Kostenfestsetzung durch den Kläger kam es in dem vorgenannten Genehmigungsverfahren der Agrargesellschaft G. mbH aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht. Aufforderungen des Klägers zur Berechnung des Gebührenanteils des Beklagten enthalten die Verwaltungsvorgänge anders als in Bezug auf andere Genehmigungsverfahren nicht. Hinweise auf eine gleichzeitige Versendung der Kostenermittlung mit der Stellungnahme lassen sich dem Verwaltungsvorgang nicht entnehmen. Die Kostenforderung des Klägers gegen den Antragsteller des Genehmigungsverfahrens ist unstreitig verjährt. Der Kläger zahlte die Summe auch unstreitig nicht an den Beklagten. Die Forderung wurde nach dem Vortrag des Beklagten mit Schreiben vom 08.09.2008 (Beiakte D, Bl. 16, Abschnitt 3) angemahnt, wobei der Kläger auch den Zugang dieses Schreibens bestreitet.
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Unter dem 07.12.2006 teilte der Kläger den unteren Bauaufsichtsbehörden unter Aufhebung seiner Verfügung vom 15.09.2006 mit, bei Genehmigungsverfahren nach § 59 BauO LSA, die eine örtliche Bauaufsichtsbehörde unterstützt, werde nach Tarifstelle 12.2 der Anlage 1 der Baugebührenverordnung i.V.m. § 3 AllGO LSA vergütet.
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Im Jahr 2010 forderte der Beklagte den Kläger mehrfach zur Zahlung ausstehenden Kosten für Mitwirkungsleistungen auf. Dieser lehnte die Zahlung insoweit ab, als die geltend gemachten Ansprüche bereits verjährte Kostenansprüche des Klägers aus immissionsschutzrechtlichen Verfahren betrafen.
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Mit hier nicht streitbefangenem Bescheid vom 21.12.2010 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger im Hinblick auf die geltend gemachte Kosten für Mitwirkungsleistungen im Genehmigungsverfahren betreffend die O. GmbH von 184.157,10 € Säumniszuschläge in Höhe von 88.392,- € fest. Zugleich forderte der Beklagte den Kläger zur Zahlung der Hauptforderung bis zum 31.01.2011 auf. Hiergegen richtete sich der Kläger mit Widerspruch vom 12.1.2011, über welchen noch nicht entschieden ist. In weiteren Bescheiden aus den Jahren 2011-2013 setzte der Beklagte weitere Säumniszuschläge fest, auch hier ist über die jeweiligen Widersprüche noch nicht entschieden.
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Mit hier streitbefangenem Bescheid vom 14.10.2013 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger weitere Säumniszuschläge auf die Kosten von 184.157,10 € in Höhe von 3683,- € (= 1841,50 € für zwei Monate) und auf die Kosten aus dem Schreiben vom 14.11.2006 betreffend die Agrargesellschaft G. mbH für die Monate September und Oktober 2013 in Höhe von 35,- € fest. Hiergegen legte der Kläger unter dem 16.10.2013 Widerspruch ein, und trug insbesondere vor, die Mitwirkungsleistung sei keine öffentliche Leistung im Sinne des Verwaltungskostenrechts. Die Tatsache, dass in der Vergangenheit ein Ausgleich erfolgt sei, beruhe allein auf dem „Bedürfnis nach praktischer Gerechtigkeit“.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Säumniszuschlagsbescheid vom 14.10.2013 zurück. Es bestehe ein eigener nicht verjährter Anspruch des Beklagten gegen den Kläger auf Zahlung der jeweiligen Kostenanteile. Auf die Rechtmäßigkeit der Bescheide über die Festsetzung der Kostenanteile komme es nicht an, denn diese seien bestandskräftig.
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Mit am 12.03.2014 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben. Der Kläger ist der Ansicht, bei den Schreiben vom 06.12.2004 und vom 14.11.2006 handele es sich nicht um Verwaltungsakte, sondern nur um Mitteilungen. Dies ergebe sich aus der vorzunehmenden Auslegung. Die jeweilige Zahlungsaufforderung könne nur so verstanden werden, dass der Beklagte darum bitte, ihm seinen Anteil an den Kosten zukommen zu lassen.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten von 14.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2014 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Ansicht, bei den Schreiben vom 06.12.2004 und vom 14.11.2006 handele es sich um Verwaltungsakte. Dies habe der Kläger auch erkennen können, denn aus dem Erlass des Ministeriums der Finanzen aus dem Jahr 2002 sei ersichtlich, dass der Beklagte zur Gebührenerhebung berechtigt sei. Ähnliches sei auch auf Dienstbesprechungen mitgeteilt worden. Dies ergebe sich so ebenfalls aus der Rechtssprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt. Die Verwaltungsakte seien jeweils bestandskräftig und da die Forderungen regelmäßig angemahnt worden seien, seien diese auch nicht verjährt. Es sei schließlich nicht nachzuvollziehen, dass der Kläger behaupte, das Schreiben vom 14.11.2006 nicht erhalten zu haben, vielmehr habe er das Schreiben zurückgesandt, denn auf diesem befänden sich Vermerke von Aktenzeichen, die ausschließlich von Mitarbeitern des Beklagten stammen könnten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
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I. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 14.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2014, denn der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 1 VwKostG. Danach kann für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent des rückständigen Betrages erhoben werden, wenn Kosten nicht bis zum Ablauf eines Monats entrichtet werden. Gemäß § 7 Abs. 1 VwKostG werden Kosten mit der Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner fällig, wenn nicht die Behörde einen späteren Zeitpunkt bestimmt.
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Vorliegend wurde keine Kostenentscheidung im Sinne von § 7 Abs. 1 VwKostG getroffen. Bei den hier den Säumniszuschlägen vorausgegangenen Kostenanforderungen handelt es sich nicht um Verwaltungsakte im Sinne von § 35 VwVfG. Gemäß § 35 VwVfG ist ein Verwaltungsakt eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Bei der Auslegung kommt es ausschließlich darauf an, dass für den Adressaten aus dem Akt selbst oder aus den Umständen seines Erlasses objektiv erkennbar ist, dass eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Regelung kraft hoheitlicher Gewalt gewollt ist ( vgl. Kopp/Ramsauer, VwGO, 14. Auflage, § 35 Rn. 53 m.w.N.). Dabei orientiert sich die hier vorzunehmende Auslegung daran, wie der Kläger als Empfänger der Schreiben vom objektiven Erklärungshorizont her das Schreiben verstehen konnte, §§ 133, 157 BGB analog (Kopp/Ramsauer, a.a.O, Rn. 54). Dabei gehen Unklarheiten zulasten des Absenders.
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Vorliegend fehlt es sowohl an der Hoheitlichkeit der Maßnahme als auch an der Gerichtetheit nach außen. Die Schreiben des Beklagten waren nach dem objektiven Empfängerhorizont gerichtet auf bloße Berechnung seines Anteils an der von dem jeweiligen Antragsteller zu erhebenden Gebühr und damit auf eine verwaltungsinterne Angelegenheit.
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1. Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er als Behörde typischerweise durch Verwaltungsakt handelt, denn ein Handeln durch Verwaltungsakt sah das Gesetz im Verhältnis zwischen Kläger und Beklagten auf dem Gebiet der Mitwirkungsleistungen gerade nicht vor. Weder aus dem Verwaltungskostengesetz des Landes noch aus der BauGebVO oder der AllGO ergibt sich ein originärer Gebührenanspruch des Beklagten gegen den Kläger, bzw. das Recht durch Verwaltungsakt einen Gebührenanspruch durchzusetzen.
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Nach § 14 VwKostG LSA in der damals (2004/2006) wie heute geltenden Fassung, sind vom Kostenschuldner Auslagen zu erstatten, die nicht mit der Gebühr abgegolten werden. Kostenschuldner ist nach § 5 VwKostG LSA in der damals wie heute gleichlautenden Fassung derjenige, der zu der Amtshandlung Anlass gegen hat. Amtshandlung ist indessen nicht etwa die Mitwirkungshandlung des Beklagten, sondern allein die Genehmigung gegenüber dem Antragsteller im immissionsschutzrechtlichen Verfahren. Unter einer Amtshandlung ist jede mit Außenwirkung in Ausübung hoheitlicher Befugnisse vorgenommene Handlung einer Behörde zu verstehen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 11.12.2008, 2 S 1162/07, m.w.N., nach juris). Die Mitwirkungshandlung ist indes nur ein unselbständiger Akt im Rahmen des Genehmigungsverfahrens (VGH Mannheim a.a.O.). Sie ist weder gegenüber dem Bürger eine eigene Verfahrenshandlung, die dieser angreifen könnte, noch gegenüber der genehmigenden Behörde eine eigene Amtshandlung im Sinne des Gesetzes. Zudem hat der Kläger die Amtshandlung nicht im Sinne des Gesetzes veranlasst. Die Mitwirkungsleistung lag nicht im Eigeninteresse des Klägers. Sie stellt vielmehr eine vom Gesetz vorgesehene Form der Mitwirkung dar, die keinerlei individuellen Vorteil für den Kläger mit sich bringt. Die von dem Beklagten erbrachte Leistung ist dem Kläger nicht individuell zurechenbar (vgl. zu dieser Voraussetzung für das Kostenrecht: VGH Mannheim, a.a.O.).
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Auch die Gebührenordnungen, hier die AllGO LSA und die BauGebVO sahen und sehen Gebühren nur für Amtshandlungen im vorgenannten Sinne vor, so dass auch diese als Anspruchsgrundlage für Gebührenfestsetzungen gegenüber dem Kläger ausscheiden. Insoweit ergibt sich auch aus den in den Anlagen zur jeweiligen Gebührenordnung aufgeführten Tarifstellen kein eigener Gebührenanspruch des Beklagten. Dabei gilt die Gebührenordnung in der Fassung als einschlägig, die zum Zeitpunkt der Abgabe der baurechtlichen Stellungnahme galt.
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Die Stellungnahmen erfolgten hier im Jahr 2000 und im Jahr 2006. Im Jahr 2000 galt die BauGebVO aus dem Jahr 1991, in der Fassung vom 24.01.1995. Diese enthielt keine entsprechende Tarifstelle. Die vom Beklagten angeführte Tarifstelle 1 betraf die Erteilung von Baugenehmigungen. Der Beklagte erteilte indes keine Baugenehmigung an den Kläger. Weitere Tarifstellen sind zu diesem Zeitpunkt in der BauGVO eindeutig nicht einschlägig.
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Im Jahr 2006 galt die BauGVO vom 04.05.2006, GVBl. S. 315, die in Anlage 1 Tarifstelle 12.2 eine Gebühr für eine baurechtliche Stellungnahme vorsah. Aber auch hier verbleibt es dabei, dass es sich um eine Amtshandlung gegenüber dem Kläger hätte handeln müssen. Die Tarifstelle gilt allein bei der Gebührenerhebung gegenüber dem Antragsteller des Genehmigungsverfahrens, nicht aber für Behörden untereinander.
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Auch die AllGO LSA vom 23.05.2000 bildet keine Rechtsgrundlage, denn selbst wenn diese eine Gebühr für die Stellungnahmen anderer Behörden im Rahmen von Genehmigungsverfahren vorgesehen hat, so sollte hierdurch nur die gegenüber dem Bürger festzusetzende Gebühr erhöht werden. Daraus ergab sich gerade kein eigener Anspruch des Beklagten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beklagten zitierten Entscheidung des OVG LSA vom 17.08.2006 (vgl. OVG LSA, 2 L 330/04), denn dieses Urteil betrifft gerade nicht das Verhältnis der Behörden untereinander, sondern das Verhältnis der Genehmigungsbehörde zum Antragsteller aus dem Genehmigungsverfahren.
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2. Aus dem Wortlaut der Schreiben selbst ergeben sich im Ergebnis ebenfalls keine Anhaltspunkte aufgrund derer der Kläger einen Verwaltungsakt hätte erwarten können oder von einem solchen hätte ausgehen müssen.
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Deutlich gegen den Verwaltungsaktcharakter musste aus Sicht eines objektiven Empfängers mit dem Erfahrungshintergrund des Klägers die jeweilige Überschrift der Schreiben sprechen. So war das Schreiben vom 06.12.2004 überschrieben mit „Ermittlung von Verwaltungskosten für Mitwirkungsleistungen“. Ähnlich lautete auch die Überschrift im Schreiben vom 14.11.2006. Ganz ähnlich waren, wie dargelegt, auch die Überschriften 2000 und 2001. Ausweislich der Überschrift wurde hier somit etwas ermittelt, nicht aber festgesetzt.
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Die Formulierung in den Schreiben, „Die Gebühr wird (…) festgesetzt“, spricht zwar für einen Verwaltungsakt, indessen blieb die Erklärung aus Sicht eines objektiven Empfängers mit dem Erfahrungshintergrund des Klägers mindestens widersprüchlich. Denn zum einen deutete die Überschrift auf die bloße „Ermittlung“ von Kosten hin, zum anderen war es, wie dargelegt, nicht üblich, innerhalb dieses Verhältnisses mittels Verwaltungsakt zu handeln.
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Auch spricht es nicht für die Annahme eines Verwaltungsaktes unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizontes, dass die Schreiben vom 06.12.2004 und auch jenes vom 14.11.2006 anders als jene aus den Jahren 2000 und 2001 eine eindeutige Zahlungsaufforderung enthielten. Auch Rechnungen enthalten Zahlungsaufforderungen, eine solche ist mithin kein zwingender Hinweis auf den Regelungscharakter eines Verwaltungsaktes. Zudem ist aus Sicht des objektiven Empfängers mit dem Erfahrungshintergrund des Klägers zu berücksichtigen, dass dieser das Schreiben aus dem Jahr 2004 erhielt vor dem Hintergrund, den unteren Bauaufsichtsbehörden mitgeteilt zu haben, dass Kostenerstattungen auch vor Erteilung der Genehmigung erfolgen können (vgl. Protokoll der Dienstbesprechung vom 30.11.2004), was die abweichend von früheren Schreiben enthaltene Zahlungsaufforderung mit Fristsetzung durchaus erklären konnte.
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Die Bezeichnung der Anlagen der Schreiben als „Anlage zum Kostenfestsetzungsbescheid“ musste der objektive Empfänger nicht als Hinweis auf einen Verwaltungsakt verstehen, vielmehr war diese Bezeichnung, wie sich den Schreiben aus den Jahren 2000 und 2001 entnehmen lässt, durchaus üblich und bezog sich auf den Kostenfestsetzungsbescheid gegenüber den Antragstellern aus den Genehmigungsverfahren. Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Schreiben aus dem Jahre 2004 und 2006, abgesehen von der Zahlungsaufforderung, fast den Schreiben aus den Jahren 2000 und 2001 glichen. Im Hinblick auf letztere ist nicht einmal der Beklagte von Verwaltungsakten ausgegangen.
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Schließlich fehlt beiden Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung, was aus Sicht eines objektiven Empfängers ganz erheblich gegen einen Verwaltungsakt spricht. Gerade weil die Schreiben aus 2000 und 2001 so ähnlich gestaltet waren, wäre als eine Art „Warnung“ zu erwarten gewesen, dass Rechtsbehelfsbelehrungen hinzugefügt werden. Wenn der Beklagte somit von dem üblichen Verfahren abweichen wollte, hätte er dies für den Empfänger deutlicher gestalten müssen, damit dieser sicher sein konnte, welche Art von Schreiben ihn erreicht. Dies gilt für das Schreiben vom 06.12.2004 um so mehr als der Kläger um Zuarbeit bis zum 02.12.2004 gebeten hatte, also davon ausgehen konnte, dass die übliche Zuarbeit geleistet wird.
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3. Auch unter Berücksichtigung der Begleitumstände, wie dem Erlass aus dem Finanzministerium und den Dienstbesprechungen in den Jahren 2004 und 2006, musste der Kläger die Schreiben nicht dahingehend verstehen, dass er mittels Verwaltungsakt zu Gebühren herangezogen werden soll. Insoweit ist es unerheblich, ob der Beklagte dies so verstanden hat, denn für die Frage der Auslegung ist es nicht von Belang, welche Sicht der Beklagte aufgrund der Begleitumstände hatte, sondern wie die Begleitumstände die Sicht des Empfängers der Erklärung geprägt haben. Der Kläger ist indes, wie aus den Niederschriften der Dienstbesprechungen und den Rundverfügungen ersichtlich, immer davon ausgegangen, dass die Weitereichung der Gebühren letztlich allein darauf beruht, dass entsprechende Einsicht in der Behörde dahingehend bestand, dass der Beklagte einen großen Teil der Arbeit in den immissionsschutzrechtlichen Verfahren übernehmen musste. Dies ist auch nachvollziehbar.
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Schon der Erlass des Finanzministeriums aus dem Jahre 2002 enthielt nicht etwa die Erkenntnis, dass ein eigener Gebührenanspruch des Beklagten besteht, sondern erklärte, dass eine Körperschaft berechtigt sein „kann“, Kosten zu erheben für ihre Mitwirkung an Amtshandlungen. Voraussetzung für eine Gebührenerhebung sollte indes eine dahingehende Bestimmung einer Gebührenordnung des Landes sein. Eine solche Gebührenordnung existierte nicht, wie obige Ausführungen darlegen, und auch der Kläger ging nicht vom Vorhandensein einer solchen Bestimmung aus.
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Auch den Protokollen der Dienstbesprechungen lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger davon ausging, der Beklagte könne berechtigt sein, Gebühren ihm gegenüber durch Verwaltungsakt festzusetzen. Zwar wird im Protokoll der Dienstbesprechung vom 30.11.2004 festgehalten, der Fall der Mitwirkung der unteren Bauaufsichtsbehörden im immissionsschutzrechtlichen Verfahren sei eine Mitwirkung im Sinne des Erlasses, gleichzeitig ist indessen lediglich von „Kostenanteilen“ und „abzuführenden Beträgen“ die Rede, nicht etwa von der Berechtigung, diese Anteile/Beträge mittels Verwaltungsakt festzusetzen. Auch aus der Verfügung des Klägers vom 15.09.2006, gerichtet an die Bauaufsichtbehörden, lässt sich nicht erkennen, dass der Kläger von einer Verwaltungsaktbefugnis des Beklagten ausging. Vielmehr heißt es ausdrücklich nur, es werde ein Anteil von 90 % der Baugenehmigungsgebühr erstattet, die vom jeweiligen Fachreferat eingenommen und an die unteren Bauaufsichtsbehörden abgeliefert werde.
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Auch der die vorgenannte Rundverfügung aufhebenden Rundverfügung vom 07.12.2006 lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger von einer Verwaltungsaktbefugnis ausging. Zwar verweist diese Rundverfügung auf die Tarifstelle 12.2. der Anlage 1 zur Baugebührenverordnung i.V.m. § 3 der AllGO, indes spricht die Rundverfügung von Vergütung und Kostenbeteiligung, nicht aber davon, dass hier Kosten durch Verwaltungsakt festgesetzt werden dürften.
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Schließlich kann dem Kläger auch nicht entgegengehalten werden, er habe das Schreiben vom 14.11.2006 in Kenntnis des ganz ähnlich lautenden Schreibens vom 06.12.2004 erhalten, welches er habe als Verwaltungsakt erkennen müssen. Denn zum einen war dem Schreiben vom 06.12.2004 aus den gleichen Erwägungen wie dem Schreiben vom 14.11.2006 nicht zu entnehmen, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelte, zum anderen musste dem Kläger auch im November 2006 noch nicht aufgefallen sein, dass der Beklagte das Schreiben vom 06.12.2004 für einen Verwaltungsakt hielt. In den vorgelegten Verwaltungsvorgängen, von deren Vollständigkeit das Gericht ausgeht, findet sich bis frühestens 2008 kein Hinweis darauf, dass der Beklagte das Schreiben als Verwaltungsakt verstanden wissen wollte. Insbesondere in dem oben erwähnten Schreiben vom 13.10.2006 vermittelte der Beklagte diesen Eindruck nicht. Vielmehr schien es so als würde auch er davon ausgehen, dass hier lediglich interne Ausgleichsansprüche geltend gemacht worden waren. Letztlich lässt sich sogar erst Schreiben aus dem Jahre 2010 entnehmen, dass der Beklagte von einem Verwaltungsakt ausging.
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4. Weitere Anhaltspunkte, die für eine Auslegung der Schreiben vom 06.12.2004 und vom 14.11.2006 als Verwaltungsakt sprechen, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Das Gericht geht daher davon aus, dass Leistungsbescheide nicht vorliegen. Es kann auf sich beruhen, ob dem Kläger das Schreiben vom 14.11.2006 zugegangen ist. Ebenso kann offen bleiben, ob ggf. Verjährung wegen nicht rechtzeitiger Zahlungserinnerungen eingetreten ist. Fehlt es indes an Bescheiden, die Kosten festsetzen, so scheidet die Festsetzung von Säumniszuschlägen nach dem VwKostG LSA aus. Andere Rechtsgrundlagen, die es dem Beklagten erlaubten, Säumniszuschläge festzusetzen, ohne Kosten durch Verwaltungsakt festgesetzt zu haben, sind nicht gleichfalls nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
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Referenzen
- § 3 der AllGO 1x (nicht zugeordnet)
- § 5 VwKostG 1x (nicht zugeordnet)
- § 77 BauO 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 35 Begriff des Verwaltungsaktes 2x
- VwGO § 154 1x
- § 7 Abs. 1 VwKostG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 167 Rückwirkung der Zustellung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- § 8 Abs. 1 VwKostG 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 VwKostG 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 3 BauGVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 S 1162/07 1x (nicht zugeordnet)
- 2 L 330/04 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 1x
- § 59 BauO 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 157 Auslegung von Verträgen 1x
- § 1 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 AllGO 1x (nicht zugeordnet)