Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (4. Kammer) - 4 A 222/14

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die wesentliche Änderung einer Anlage zur sonstigen Behandlung und zeitweiligen Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen.

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Die von der Klägerin betriebene Anlage liegt im Außenbereich des Stadtgebiets der Beigeladenen. Im Stadtgebiet befinden sich die Gewerbegebiete Nord I und Nord II sowie ein „faktisches“ Gewerbegebiet südlich des Mittellandkanals. Dem Gewerbegebiet südlich des Mittellandkanals liegen ein Aufstellungsbeschluss vom 05.10.1995 und ein Satzungsbeschluss vom 30.01.1997 zugrunde. Das damalige Regierungspräsidium E-Stadt genehmigte den Plan unter dem 11.07.1997. Eine öffentliche Bekanntmachung erfolgte jedoch nicht. Der Bebauungsplan Nord I wurde am 01.07.1993 als Satzung beschlossen und unter dem 15.04.1994 genehmigt. Am 01.10.1998 wurde ein Änderungsbeschluss gefasst. Das Verfahren ist jedoch nicht abgeschlossen, da ein eingeleitetes Umlegungsverfahren nicht beendet ist. Der Bereich nördlich des Gewerbegebietes Nord II ist als Fläche für die Landwirtschaft vorgesehen. Im Vorentwurf des Flächennutzungsplans sind die Flächen als gewerbliche Flächen dargestellt. Eigentümer ist neben privaten Eigentümern großteils die Landgesellschaft Sachsen-Anhalt.

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Der Betrieb der Klägerin begann ursprünglich aufgrund einer im Jahr 1996 vom damaligen Staatlichen Amt für Umwelt erteilten Genehmigung für eine Anlage zum Aufbereiten von Holzabfällen mit einer maximalen Lagermenge von 500 t Altholz. Mit Baugenehmigung vom 21.05.2001 genehmigte der damalige Landkreis Ohre die Errichtung eines Sonderabfalllagers. Auf der Grundlage einer Genehmigung des Regierungspräsidiums E-Stadt vom 13.10.2003 wird die derzeit bestehende Anlage zur Behandlung von Siedlungs- und gemischten Bau-/Abbruchabfällen mit einem Jahresdurchsatz von 40.000 t betrieben. Auf dem Gelände betreibt die Klägerin ferner eine Anlage zur Ballierung und zeitweiligen Zwischenlagerung von Hausmüll mit einer Jahresdurchsatzleistung von max. 5.000 t. Diese Anlage genehmigte der Beklagte mit Bescheid vom 22.08.2011. Die Anlage dient nach Angaben der Klägerin dazu, die jahreszeitlich schwankende Versorgung des Müllheizkraftwerks R. mit Abfällen zur Verbrennung sicherzustellen. In den Sommermonaten werden die Abfälle – so die Schilderung der Klägerin - wegen des geringeren Energiebedarfs des MHKW balliert und zwischengelagert und in den Wintermonaten ergänzend zugeführt.

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Am 19.11.2012 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 16 BImSchG für die wesentliche Änderung der Anlage durch die Erhöhung der Jahresdurchsatzkapazität der Ballierungsmenge auf 20.000 t/a, Erhöhung der Jahresdurchsatzkapazität der Abfallbehandlungsanlage für Haus- und Gewerbemüll auf 60.000 t/a sowie Erweiterung des Zwischenlagers für ballierte Abfälle auf max. 20.000 t/a.

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Mit Schreiben vom 13.11.2012 bat der Beklagte die Beigeladene um die Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen und beteiligte mehrere Behörden. Der Beklagte erklärte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 12.12.2012, dass eine abschließende Prüfung des Antrags nicht möglich sei, da die Antragsunterlagen unvollständig seien. Die Erhöhung des Gesamtjahresdurchsatzes von 40.000 t auf 60.000 t lasse Geruchsbelästigungen befürchten. Zur Beurteilung, ob für die Nachbarschaft erhebliche Geruchsbelästigungen zu befürchten seien, sei eine gutachterliche Prognose unter Zugrundelegung der Geruchsimmissionsrichtlinie GIRL erforderlich.

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Mit Schreiben vom 29.01.2013 versagte die Beigeladene das Einvernehmen. Durch das Vorhaben würden Beeinträchtigungen der Anwohner erwartet. Bereits in der Vergangenheit seien Beschwerden über starke Geruchsbelästigungen durch anscheinend beschädigte Ballen sowie über Ungeziefer registriert worden. Zudem seien Gesundheitsgefährdungen durch Austritt von Schimmelpilzen und Mikroorganismen wahrscheinlich. Ferner bestünden brandschutzrechtliche Bedenken.

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In der Folgezeit gaben mehrere Fachbehörden, darunter auch die Bauaufsichtsbehörde, Stellungnahmen ab, nach denen eine Genehmigung jeweils unter Einhaltung von Nebenbestimmungen zulässig sei. Dieser baurechtlichen Beurteilung trat das Landesverwaltungsamt mit Erlass vom 26.05.2014 entgegen, insbesondere hinsichtlich der Beurteilung des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB (Privilegierung) und § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB (angemessene Erweiterung). Das Landesverwaltungsamt gab dem Beklagten auf, bestimmte Fragen zu klären und wies diesen an, die Genehmigung nicht ohne schriftliche Bestätigung zu erteilen.

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Unter dem 16.10.2013 hatte die Klägerin die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis für die Ableitung von vorbehandeltem Niederschlagswasser in den M. Dorfgraben beantragt.

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Unter dem 16.05.2013 legte die Klägerin eine Stellungnahme zu Geruchsimmissionen des TÜV Nord vom 07.05.2013 vor, die zu dem Ergebnis kommt, dass im nächstgelegenen Bereich der Bebauung mit Immissionshäufigkeiten von 8 % der Jahresstunden zu rechnen sei.

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Am 01.10.2014 hat die Klägerin Untätigkeitsklage auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erhoben. Parallel dazu hat sie beim erkennenden Gericht eine Untätigkeitsklage auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis erhoben (9 A 385/14 MD)

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Mit Schreiben vom 24.02.2015 hat die Beigeladene das gemeindliche Einvernehmen erneut versagt: Sie bekräftigt ihre Auffassung, dass die Anwohner der F. Straße in M. durch die von der Anlage ausgehenden Immissionen erheblich belastet seien. Die Beeinträchtigungen durch Gerüche, Staub und Ungeziefer seien schon jetzt unerträglich. Es gebe in der F. Straße ein außerordentlich großes Verkehrsaufkommen mit hoher Staubbelastung. Die Bewohner beschwerten sich über Schall- und Schattenwurfbelastungen durch Windenergieanlagen und über Geruchsbelästigungen. Diese würden durch die geplante Erweiterung vermehrt. Da die Zwischenlagerung der Ballen vorrangig in den Sommermonaten erfolgen solle, sei mit einer weiteren Erhöhung der Geruchsbelästigungen zu rechnen, insbesondere wenn es zu Beschädigungen der Ballen komme. Der geringste Abstand des Ballierungslagers 4 zur Wohnbebauung liege bei nur 230 m, während nach dem Abstandserlass zwischen Gewerbe- und Wohngebieten ein Abstand von 500 m zu gewährleisten sei. Das Auftreten von Füchsen, Ratten und Möwen werde durch Anwohner bestätigt. Es sei von einer Gesundheitsgefährdung durch Schimmelpilze auszugehen. Die Wohn- und Lebensbedingungen der Anwohner würden durch das Vorhaben massiv verschlechtert.

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Der Beklagte hat der Klägerin unter dem 07.10.2014 eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Ableitung von Niederschlagswasser in den M. Dorfgraben erteilt. Darin sind Überwachungswerte nicht festgelegt. Die Klägerin hat die Klage im wasserrechtlichen Verfahren geändert und begehrt nunmehr, die wasserrechtliche Erlaubnis um Nebenbestimmungen zu den Überwachungswerten zu ergänzen, hilfsweise die Ziffer II.2.1, in der die Beprobung nach bestimmten Parametern vorgeschrieben ist, neu zu fassen. Ferner hat sich die Klägerin gegen die Nebenbestimmung II 3.1.8 gewandt, mit welcher ihr aufgegeben wurde, die Errichtung bzw. Ertüchtigung der technischen Einrichtungen bis zu einem bestimmten Termin abzuschließen. Entsprechend hat die Klägerin gegen den Bescheid auch Widerspruch erhoben. Die Nebenbestimmung II 3.1.8 wurde inzwischen geändert und als Frist der Abschluss in der 16. KW 2015 angesetzt. Der Beklagte hatte in dem wasserrechtlichen Verfahren erklärt, dass mit einer Entscheidung des Landesverwaltungsamts über den Widerspruch bis Ende März 2015 zu rechnen sei. Eine Entscheidung liegt allerdings, soweit ersichtlich, noch immer nicht vor.

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Zur vorliegenden Klage im immissionsschutzrechtlichen Verfahren trägt die Klägerin vor: Die Beigeladene habe das Einvernehmen zu Unrecht versagt. Die Versagung könnte nur aus den sich aus § 35 BauGB ergebenden Gründen erfolgen. Die Gemeinde könne sich also nicht auf immissionsschutzrechtliche Gründe berufen, die nicht von § 35 BauGB erfasst seien, wie etwa den Vorsorgegrundsatz oder die „Lebensqualität der Einwohner“. Ebenso wenig könne sich die Beigeladene auf Immissionen durch das Umspannwerk oder von Windenergieanlagen berufen. Soweit der Immissionsbegriff auf Gesamtbelastungen abstelle, beziehe sich dies auf eine bestimmte Immissionsart. Schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräuschimmissionen der vorliegenden Anlage seien ausgeschlossen. Die Voraussetzungen der Nr. 7.4 Satz 3 TA Lärm seien weder hinsichtlich der einzelnen Merkmale noch kumulativ erfüllt. Die Kapazitätserhöhung von 5.000 auf 20.000 t Hausmüll führe zu einem Verkehrsaufkommen von ca. 8 Lkw-Fahrten pro Tag. Die Geruchsanteile nach der GIRL lägen laut dem vorgelegten Gutachten bei weniger als 10 % Geruchshäufigkeit pro Jahr. Etwaige Schadstellen der Ballen seien in dem Gutachten berücksichtigt worden. Die Anlage diene Tieren wie Füchsen, Ratten und Möwen nicht als Nahrungsquelle, da die Abfälle täglich balliert würden. Für die Verfrachtung luftgetragener Krankheitskeime sei allein der Vorsorgegrundsatz maßgeblich, der nicht drittschützend sei. Das Vorhaben sei als privilegiertes Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zulässig. Die mit der Anlage verbundenen Immissionen würden im Innenbereich eine unzumutbare Belästigung darstellen. Die vorhandenen Gewerbegebiete und das faktische Gewerbegebiet seien als Betriebsstandort für die Anlage nicht geeignet. In dem Gewerbegebieten Nord I und Nord II seien bereits diverse Betriebe angesiedelt. Der Entsorgungsbetrieb des Beklagten im faktischen Gewerbegebiet südlich des Mittellandkanals sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Das Vorhaben sei dem Außenbereich auch nicht wesensfremd. Sofern die Erweiterung als „sonstiges Vorhaben“ i. S. des § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen wäre, wäre diese Erweiterung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB angemessen, weil sie lediglich 6,5 % bzw. 6,9 % der vorhandenen Grundfläche ausmache. Hinsichtlich der Angemessenheit sei nicht auf die Erhöhung der Ballierungsmengen, sondern auf die Erweiterung in baulich-räumlicher Hinsicht abzustellen. Die wasserrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Einleitung des Niederschlagswassers in den M. Dorfgraben seien unerheblich. Die Genehmigung könne und müsse notfalls unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis erteilt werden. Der (Verpflichtungs-)Widerspruch der Klägerin beschränke sich ausdrücklich auf die abgrenzbare Frage, ob zusätzlich Überwachungswerte für die unter Ziff. 2 der wasserrechtlichen Erlaubnis angeordnete Eigenüberwachung/Probenahme festzulegen sind. Die wasserrechtliche Erlaubnis stehe daher nicht zur Disposition der Widerspruchsbehörde.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die unter dem 09.11.2012 beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen,

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hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die unter dem 09.11.2012 beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter der aufschiebenden Bedingung zu erteilen, dass von der erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis Gebrauch gemacht werden kann,

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weiter hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 09.11.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt vor: Im Parallelverfahren um die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis habe das Landesverwaltungsamt festgestellt, dass die Widerspruchsbearbeitung umfänglicher sei als zunächst angenommen. Es sei offen, ob eine wasserrechtliche Erlaubnis der oberbehördlichen Prüfung standhalte. Das Landesverwaltungsamt habe auf Probleme hinsichtlich kontaminierten Niederschlagswassers hingewiesen. Falls die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis abgelehnt werde, könne möglicherweise auch eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht erteilt werden. Eine abschließende Entscheidung sei daher erst nach der Widerspruchsentscheidung über die wasserrechtliche Erlaubnis möglich. Ob die bestehenden Gewerbegebiete im Gebiet der Beigeladenen für das Vorhaben der Klägerin geeignet seien, bedürfe einer näheren Überprüfung.

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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

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Sie trägt vor: Das Vorhaben sei nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert. Es bestehe die Möglichkeit, die Anlage in ihrem Innenbereich zuzulassen. Hierzu böten sich die Gewerbegebiete D-Stadt Nord I, D-Stadt Nord II, G. und M. und insbesondere das Gewerbegebiet südlich des Mittellandkanals östlich der B 189 an, in dem sich bereits eine Abfallentsorgungsanlage befinde. Die Beigeladene habe die planungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um für Anlagen der vorliegenden Art eine Inanspruchnahme des Außenbereichs zu vermeiden. Insbesondere im faktischen Gewerbegebiet südlich des Mittellandkanals bestünden ausreichend Flächen, auf denen das Vorhaben verwirklicht werden könne. Rechtlich sei es unerheblich, ob die das Einvernehmen versagende Gemeinde selbst in der Lage sei müsse, eigene Grundstücke zu verkaufen. Da das Vorhaben im Innenbereich ausgeführt werden könne, fehle es jedenfalls an der Privilegierungsbedürftigkeit. Nach dem Sinn des § 35 Abs. 1 BauGB seien erheblich störende Bauvorhaben im Außenbereich nicht zuzulassen, die auch – und sogar sachgerechter – in Industriegebieten errichtet werden könnten. Der Umstand, dass eine Anlage Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV zugeordnet sei, lasse regelmäßig keine in Gewerbegebieten unzulässigen schädlichen Umwelteinwirkungen erwarten. Andernfalls sei das Vorhaben auch im Außenbereich nicht privilegiert. Ein emissionsträchtiger Betrieb, der etwa wegen fehlender Gewerbegebiete nicht im Innenbereich der Gemeinde untergebracht werden könne, solle auch nicht im Außenbereich angesiedelt werden, wenn er bereits nach einem Typ bei abstrakter Bewertung nicht dem Außenbereich zuzuordnen sei. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sei kein Privilegierungstatbeststand für Vorhaben, die üblicherweise bei einer die voraussehbaren Bedürfnisse berücksichtigenden Bauleitplanung in einem Bauleitplan Standorte ausgewiesen zu werden pflegen. Das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, weil es schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen könne. Insbesondere gefährde es die Wasserwirtschaft i. S. des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB und lasse die Erweiterung einer Splittersiedlung i. S. des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten. Es sei auch nicht als angemessene Erweiterung nach § 35 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB zulässig. Aufgrund der Erweiterung sei mit schädlichen Umwelteinwirkungen und mit einer Gefährdung der Wasserwirtschaft zu rechnen. Daher sei das Vorhaben nicht „im Übrigen“ außenbereichsverträglich, wie es die gesetzliche Regelung verlange. Es komme auch nicht auf den Umfang der baulichen Erweiterung an. Der Gesetzgeber verlange, dass die Erweiterung gerade im Verhältnis zu dem bereits vorhandenen Gebäude und Betrieb in ihrem Umfang angemessen sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da die Erhöhung der Jahresdurchsatzkapazität der Ballierungsmenge von 5.000 t auf 20.000 t/a einer Steigerung auf 400 % entspreche. Die Erhöhung der Durchsatzkapazität der Abfallbehandlungsanlage für Haus- und Gewerbemüll entspreche einem Zuwachs von 50 %. Beides sei nicht angemessen. Auch die zu erwartende Erhöhung des An- und Auslieferverkehrs führe zu der Annahme, dass eine erhebliche Erweiterung des Betriebsumfangs vorliege. Es könne offen blieben, ob sich die Unangemessenheit auch daraus ergibt, dass es sich um mehrmalige Erweiterungen handelt, die zusammen genommen in keinem Falle angemessen sein könnten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig. Der Beklagte hat über die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ohne ausreichenden Grund seit mehreren Jahren nicht entschieden. Am 22.11.2012 hat der Beklagte die Vollständigkeit der Antragsunterlagen bestätigt. Gemäß § 16 Abs. 3 BImSchG ist über den Genehmigungsantrag innerhalb einer Frist von sechs Monaten zu entscheiden. Diese Frist ist seit langem vergangen. Auch die Probleme bei der Bewertung der wasserrechtlichen und baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens bieten keinen sachlichen Grund für eine so langdauernde Verzögerung.

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Die Klage ist aber nur mit dem Hilfsantrag begründet.

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Mit dem Hauptantrag hat die Klage keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen unbedingten und vorbehaltlosen Anspruch auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 16 BImSchG für die wesentliche Änderung ihrer Anlage zur sonstigen Behandlung und zeitweiligen Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen. Es steht nicht fest, dass die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 BImSchG erfüllt sind.

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Gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn (1.) sichergestellt ist, dass sich die aus § 5 BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und (2.) andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

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Im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung lässt sich nicht abschließend feststellen, ob der beantragte Betrieb der Anlage mit wasserrechtlichen Vorschriften in Einklang steht. Der Betrieb ist mit der Ableitung von vorbehandeltem Niederschlagswasser in den Moser Dorfgraben verbunden. Das Einbringen von Stoffen in Gewässer bedarf gemäß §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung, die gemäß § 12 Abs. 1 WHG zu versagen ist, wenn schädliche, auch durch Nebenbestimmungen nicht vermeidbare oder nicht ausgleichbare Gewässerveränderungen zu erwarten sind oder andere Anforderungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht erfüllt werden. Im Übrigen steht die Erteilung der Erlaubnis und der Bewilligung gemäß § 12 Abs. 2 WHG im pflichtgemäßen Ermessen (Bewirtschaftungsermessen) der zuständigen Behörde.

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Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ist die Vereinbarkeit des Anlagenbetriebs mit wasserrechtlichen Vorschriften nicht unbeachtlich. Nach § 13 BImSchG sind zwar wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen nach § 8 i. V. m. § 10 WHG von der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausgenommen. Gleichwohl handelt es sich bei den Vorschriften, die bei der Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zu prüfen sind, um öffentlich-rechtliche Vorschriften, die einem Vorhaben nach § 6 Abs. 1 BImSchG nicht entgegenstehen dürfen (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 06.04.1989 – 21 A 952/88 -, NuR 1990, 328). Allerdings sind die konkurrierenden bzw. sich überschneidenden Prüfungsmaßstäbe entsprechend der Sachentscheidungskompetenz der jeweiligen Behörden grundsätzlich auf die konkurrierenden Genehmigungsverfahren aufzuteilen, um umfassende Doppelprüfungen zu vermeiden (OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 01.12.2011 – 8 D 58/08.AK -, BauR 2012, 773 und juris [Rdnr. 422]). Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG (vgl. auch Art. 7 der Richtlinie 96/61/EG - IVU-RL -, später neugefasst durch die RL 2008/1/EG, nunmehr ersetzt durch die Industrieemissionsrichtlinie, RL 2010/75/EU) haben die Genehmigungsbehörden eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde kann nicht im Sinne eines Separationsansatzes die wasserrechtlichen Fragen völlig ausblenden. Stehen der wasserrechtlichen Erlaubnis unüberwindliche Hindernisse entgegen, so ist auch die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausgeschlossen (Jarass, NVwZ 2009, 68; OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 01.12.2011, a. a. O.). Unterhalb dieser Schwelle hat die Genehmigungsbehörde verschiedene Möglichkeiten, die in ihrem (Verfahrens-)Ermessen stehen (Jarass, NVwZ 2009, 68). So kann sie ihrer Koordinationspflicht im Einzelfall auch dadurch genügen, dass die Genehmigung unter dem Vorbehalt nachträglicher (sich aus dem parallelen wasserrechtlichen Verfahren ergebender) Anforderungen stellt (OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 01.12.2011, a. a. O.; Jarass, NVwZ 2009, 68). Stehen dagegen fest, dass das Vorhaben keine wasserrechtlichen und weiteren nach § 6 Abs. 1 BImSchG zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, so ist die Genehmigung zu erteilen.

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Unter diesen Voraussetzungen besteht keine Verpflichtung zur Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, weil die Einhaltung wasserrechtlicher Vorschriften nicht abschließend geklärt werden kann.

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Der Beklagte hat der Klägerin zwar unter dem 07.10.2014 eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Ableitung von Niederschlagswasser in den M. Dorfgraben erteilt. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Betrieb der Anlage mit wasserrechtlichen Vorschriften in Einklang steht und auch nicht, dass der Betrieb aus wasserrechtlicher Sicht aufgenommen werden könnte. Aus der wasserrechtlichen Erlaubnis geht nicht hervor, dass die beim Betrieb der Anlage erfolgende Ableitung von vorbehandeltem Niederschlagswasser in den Moser Dorfgraben mit keinen unzulässigen Gewässerverunreinigungen gemäß § 12 Abs. 1 WHG verbunden ist. In der wasserrechtlichen Erlaubnis sind zwar keine Überwachungswerte festgelegt. Damit gestattet die wasserrechtliche Erlaubnis der Klägerin jedoch keine unbeschränkte Einleitung von Niederschlagswasser in den M. Dorfgraben. Vielmehr ist in Nr. 2 der Nebenbestimmungen geregelt, dass eine Eigenüberwachung und Beprobung hinsichtlich bestimmter Parameter durchzuführen sind und dadurch gewährleistet sein muss, dass keine nachteilige Auswirkungen auf das benutzte Gewässer entstehen können. Es kann dahinstehen, ob die Genehmigung ohne Festlegung von Überwachungswerten überhaupt den Bestimmtheitsgrundsatz wahrt (§ 37 Abs. 1 VwVfG); üblicherweise ist eine wasserrechtliche Erlaubnis unmittelbarer mit der Festlegung von Überwachungswerten verknüpft (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.07.1998 – 8 S 3189/96 -, juris). Jedenfalls ergibt sich aus der wasserrechtlichen Erlaubnis nicht, dass beim Betrieb der Anlage die gesetzlich bestimmten Anforderungen an die Einleitung von Niederschlagswasser eingehalten werden. Die Klägerin hat gegen die wasserrechtliche Erlaubnis Widerspruch erhoben und beantragt, die Erlaubnis um Nebenbestimmungen zu den Überwachungswerten zu ergänzen. Sie geht damit selbst davon aus, dass die Einleitung vorbehandelten Niederschlagswassers in den M. Dorfgraben aufgrund der Erlaubnis nicht unbeschränkt zulässig ist. Ob die Anlage die wasserrechtlichen Anforderungen erfüllt, kann derzeit nicht sicher beurteilt werden. Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass das Landesverwaltungsamt im Widerspruchsverfahren Bedenken gegen die wasserrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens geäußert hat. Die Fragen der wasserrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens und der maßgeblichen Überwachungswerte werden im Widerspruchsverfahren überprüft. Soweit – dem Antrag der Klägerin entsprechend - Überwachungswerte festgelegt werden, ist nicht sicher, ob diese Werte im Betrieb der Anlage eingehalten werden, zumal die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis abgesehen von den (zwingenden) Versagungsgründen des § 12 Abs. 1 WHG gemäß § 12 Abs. 2 WHG im Bewirtschaftungsermessen der Wasserbehörde steht. Insgesamt kann das Ergebnis der noch ausstehenden wasserrechtlichen Überprüfung im immissionsschutzrechtlichen Verfahren nicht vorweggenommen werden. Die Immissionsschutzbehörde ist ohne die Klärung wasserrechtlicher Zweifelsfragen nicht verpflichtet, eine vorbehalt- und bedingungslose immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen. Auch die zur Klärung der wasserrechtlichen Fragen gebotene Sachverhaltsaufklärung muss dem Verfahren auf Erteilung der – beantragten – wasserrechtlichen Erlaubnis vorbehalten blieben.

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Die Klage ist aber mit ihrem (ersten) Hilfsantrag, den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die unter dem 09.11.2012 beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter der aufschiebenden Bedingung zu erteilen, dass von der erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis Gebrauch gemacht werden kann, begründet. Die Klägerin hat gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG einen Anspruch auf Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unter der aufschiebenden Bedingung, dass von der erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis Gebrauch gemacht werden kann.

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Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 BImSchG sind mit Ausnahme der Vereinbarkeit der Anlage mit wasserrechtlichen Vorschriften erfüllt. Die offenen wasserrechtlichen Fragen stehen der Erteilung der beantragten Genehmigung unter der im Klageantrag formulierten Bedingung nicht entgegen. Die Klägerin hat auch einen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Genehmigung unter dieser Bedingung erteilt.

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Von der Anlage gehen keine schädlichen Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) durch Geräusche aus. Der gesetzliche Maßstab für die Schädlichkeit von Geräuschen ist in der TA Lärm mit Bindungswirkung für das gerichtliche Verfahren jedenfalls insoweit abschließend konkretisiert, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (OVG LSA, Urteil vom 24. März 2015 – 2 L 184/10 –, juris). Die nach der TA Lärm maßgeblichen Immissionsrichtwerte werden von der Anlage nicht überschritten. Der Anlagenbetrieb ist auf montags bis freitags von 7:00 Uhr bis 17:00 Uhr begrenzt, so dass sich die Beurteilung von Lärm auf die Zeiten tagsüber mit geringeren Anforderungen beschränkt. Zudem liegt der Betrieb ca. 250 m bis 300 m von der nächsten Wohnbebauung entfernt. Die Klägerin hat in den Antragsunterlagen dargelegt, dass unter Berücksichtigung dieser Entfernung und aufgrund der Umwallung des Betriebsstandortes ausreichender Schallschutz vorhanden ist. In der im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachgereichten gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. M. vom 12.05.2015 wird in plausibler Weise erläutert, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte der TA Lärm durch den Anlagenbetrieb klar eingehalten werden. Auch die Verkehrsgeräusche erfüllen, wie der Sachverständige Dr. M. in seiner Stellungnahme nachvollziehbar darlegt, die Anforderungen der TA Lärm. Der Beklagte geht in dem Vermerk vom 03.01.2013 ebenfalls davon aus, dass angesichts der Betriebszeiten, der vorhandenen Lärmschutzeinrichtungen und des Abstands zur Wohnbebauung keine Überschreitung der Richtwerte nach der TA Lärm zu erwarten ist.

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Die von der Anlage ausgehenden Geruchsimmissionen stellen keine erheblichen Belästigungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Zur Beurteilung der Frage, ob Geruchsbelästigungen für die Nachbarschaft zumutbar sind, bietet die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29.02.2008 mit einer Ergänzung vom 10.09.2008 eine sachgerechte Entscheidungshilfe. Die Anwendung der GIRL gewährleistet eine – hinreichend verlässliche – Prognose und Bewertung von Geruchsbelästigungen. Die GIRL wird allgemein als antizipiertes generelles Sachverständigengutachten angesehen, welches auf fachwissenschaftlichen Untersuchungen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind (OVG LSA, Urteil vom 24.03.2015 – 2 L 184/10 -, juris). Die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme des TÜV Nord zu Geruchsimmissionen vom 07.05.2013 kommt zu dem Ergebnis, dass im nächstgelegenen Bereich der Bebauung mit Immissionshäufigkeiten von 8 % der Jahresstunden zu rechnen sei. Die Geruchsanteile liegen damit unterhalb der Immissionswerte der GIRL. Zweifel an der Richtigkeit der in dem Gutachten getroffenen Feststellungen sind nicht ersichtlich. Auch der Beklagte geht im Vermerk vom 10.06.2013 davon aus, „dass das Geruchsgutachten plausibel ist“.

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Von der Anlage gehen auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Keimimmissionen aus, die der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung entgegenstehen könnten. Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG statuierte immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht dient der Abwehr erkannter Gefahren und der Vorbeugung gegenüber künftigen Schäden, die durch solche Gefahren hervorgerufen werden können. An einer Gefahr in diesem Sinn fehlt es bei Ungewissheit über einen Schadenseintritt. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles Besorgnispotential reichen nicht aus, um den Gefahrenbegriff zu erfüllen; dasselbe gilt in den Fällen, in denen für potentiell gesundheitsgefährdende Stoffe keine Wirkungsschwelle bestimmt werden kann, jenseits derer Gesundheitsrisiken nicht bestehen. Ob bei ungewissem Kausalzusammenhang eine Gefahr oder ein Besorgnispotential anzunehmen ist, hängt vom Erkenntnisstand über den Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts ab. Messbare Größen für Keime oder überhaupt Erkenntnisse darüber, ab welcher Keimzahl generell oder für bestimmte Erreger von einer Schädlichkeit ausgegangen werden muss, also einen Immissionsgrenzwert, gibt es nicht (BayVGH, Urteil vom 24.03.2011 – 22 B 10.2316 -, juris).

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Vor diesem Hintergrund ist eine mit immissionsschutzrechtlichen Vorschriften unvereinbare Keimbelastung nicht feststellbar. In der Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Millat vom 12.05.2015 wird ausgeführt, dass aufgrund der beantragten Änderung der Anlage keine signifikant erhöhten Keimemissionen erwartet werden können. Entfernungsbedingt und wegen der Verdünnung in der Transmission werde es daher auch nicht zu Keimimmissionen kommen, die zu Werten führen, die über der Hintergrundbelastung lägen. Dies wird im Einzelnen damit begründet, dass die Verarbeitung des angelieferten Mülls genehmigungskonform am selben Tag erfolgen muss. Bei der vorliegenden Verdichtung des Abfalls und gasdichter Folienumwicklung sei der Sauerstoff im Balleninneren innerhalb weniger Stunden verbraucht, so dass aerobe Prozesse zum Erliegen kämen. Wegen der Folienummantelung komme es zu keinem Abtransport gasförmiger Stoffwechselprodukte. Der suboptimale pH-Wert, das Fehlen eines systematischen Temperaturanstiegs sowie der Umstand, dass kein erheblicher Masse- oder Heizwertverlust eintrete, sprächen für eine stark eingeschränkte biologische Aktivität. Zweifel an der Richtigkeit und Plausibilität dieser Erwägungen sind nicht gegeben. Der Umstand, dass es zu Schäden an den Ballen gekommen ist, welche die Beigeladene durch entsprechende Fotos belegt hat, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass der Anteil beschädigter Ballen bei unter fünf Prozent liege und Schadstellen entsprechend der Betriebsanleitung sofort repariert würden. Dies hat auch der Beklagte bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass die Möglichkeit von Beschädigungen in der Stellungnahme des Sachverständigen nicht berücksichtigt worden sind, wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

38

Gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die für Keimgefährdungen sprechen, besteht auch keine Pflicht des Staates zur Vorsorge gegen rein hypothetische Gefährdungen. Die bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigungspraxis der Verwaltungsbehörden kann nur dann rechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar wird, dass die menschliche Gesundheit dabei völlig unzureichend geschützt wird. Bei komplexen Gefährdungslagen, über die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, kommt den staatlichen Einrichtungen ein angemessener Erfahrungs- und Anpassungsspielraum zu. In einer solchen Situation der Ungewissheit verlangt die staatliche Schutzpflicht von den Gerichten weder, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts zur Durchsetzung zu verhelfen, noch, die Vorsorgeentscheidung des Staates unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung von Abständen und Grenzwerten jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist vielmehr Sache der staatlichen Gremien, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen (OVG LSA, Urteil vom 06.02.2004 – 2 L 5/00 –, juris [Rdnr. 54])

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Das Vorhaben der Klägerin steht auch mit baurechtlichen Vorschriften in Einklang. Das Vorhaben ist im Außenbereich gemäß §§ 29, 35 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig.

40

Die Kammer lässt offen, ob es sich bei dem Vorhaben der Klägerin um ein nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiertes Vorhaben handelt. Zu den Vorhaben, die nach dieser Vorschrift wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen, zählen insbesondere Vorhaben, die wegen der von ihnen ausgehenden Emissionen oder wegen besonderer Gefahren nicht im Innenbereich untergebracht werden sollen. Jedoch soll nicht jedes Vorhaben, das zur Umgebung eine der gesetzlich näher umschriebenen Beziehungen aufweist, allein aus diesem Grunde im Außenbereich privilegiert ausgeführt werden dürfen. Im Tatbestandsmerkmal des Sollens ist vielmehr eine Wertung enthalten. Unabhängig davon, ob der Antragsteller auch auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden könnte, ist zu prüfen, ob das Vorhaben überhaupt im Außenbereich zugelassen werden soll. Mit diesem wertenden Merkmal wird ein Bezug zu der dem Außenbereich vornehmlich zukommenden Funktion, nämlich der Land- und Forstwirtschaft sowie der Erholung für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stehen, hergestellt. Vorhaben, die zwar wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung eine spezifische Außenbereichspräferenz aufweisen, aber wegen einer Vielzahl entsprechender Bauwünsche, die bei einer Privilegierung an beliebiger Stelle im Außenbereich grundsätzlich realisierbar wären, zu einer nicht nur vereinzelten Bebauung im Außenbereich führen könnten, sollen nicht ohne förmliche Bauleitplanung im Außenbereich ausgeführt werden (BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 – 4 C 20.93 -, BVerwGE 96, 95).

41

Vor diesem Hintergrund haben etwa das Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 22.11.2012 (– 4 A 80/11 –, juris) und das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 18.06.2003 (– 4 B 128/01 -, NVwZ 2004, 1138) eine Abfallbehandlungsanlage bzw. eine Bauschuttrecyclinganlage als nicht privilegiert angesehen, weil die Anlagen gewerbe- bzw. industrietypisch und dem vormals landwirtschaftlich genutzten Standort wesensfremd seien. Ob diese Erwägungen auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, ist jedoch fraglich, weil es sich bei der von der Anlage der Klägerin in Anspruch genommenen Fläche nicht um einen zuvor landwirtschaftlich, sondern bereits für die Lagerung und Behandlung von Abfall genutzten Bereich handelt. Im Übrigen lässt sich nicht ohne weitere Sachaufklärung beurteilen, ob eines der Gewerbegebiete der Beigeladenen für das Vorhaben der Klägerin geeignet wäre.

42

Die Frage, ob es sich um ein privilegiertes Vorhaben handelt, kann letztlich dahinstehen, weil das Vorhaben bauplanungsrechtlich jedenfalls als sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB zulässig ist.

43

Dem Vorhaben der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, dass es den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt, weil es sich bei dem Vorhaben um die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebes handelt und die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB).

44

Die beantragte wesentliche Änderung der Anlage betrifft die „Erweiterung“ eines zulässigerweise errichteten Gewerbebetriebes. Sie beinhaltet eine Erhöhung von Jahresdurchsatzkapazitäten von Abfall- und Ballenmenge sowie eine Erweiterung des Zwischenlagers für ballierte Abfälle. Es handelt sich um eine Kapazitätserweiterung mit einer Erhöhung des Volumens der Lagerfläche, die in engem baulichen Zusammenhang mit den bestehenden Betriebsanlagen steht.

45

Die Erweiterung ist auch im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen. Die Vorschrift stellt einen zweifachen Bezug sowohl zu dem vorhandenen Gebäude als auch zu dem vorhandenen Betrieb her. Damit ist in Bezug auf die Erweiterung des baulichen Bestandes wie auch auf die dadurch ermöglichte Erweiterung des Betriebsumfangs eine Verhältnismäßigkeitsbeurteilung anzustellen (BVerwG, Urteil vom 16.12.1993 – 4 C 19/92 –, NVwZ-RR 1994, 371).

46

Die geplante Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude angemessen. Diese Frage lässt sich zwar nicht schematisch nach einem bestimmten fixen Prozentsatz beurteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1993, a. a. O.), jedoch wird die Grenze der angemessenen Erweiterung in Rechtsprechung und Literatur – je nach den Umständen des Einzelfalls – in dem Bereich einer Flächen- oder Bauvolumenzunahme von 20 % bis 25 % (vgl. OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 22.05.2002 – 1 A 11346/01 -, juris), teilweise aber auch bis etwa 25 % bis 50 % gezogen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 12.09.2006 – 1 ZB 05.2076 –, juris). Die hier fragliche Betriebserweiterung ist mit keiner größeren baulichen Veränderung verbunden. Sie macht im vorliegenden Fall weniger als 10 % der vorhandenen Grundfläche aus.

47

Die Erweiterung ist auch im Verhältnis zum vorhandenen Betrieb angemessen. Der Maßstab der Angemessenheit einer Erweiterung ist auf städtebaulich relevante Bewertungsmerkmale zu beziehen (BVerwG, Urteil vom 16.12.1993, a. a. O.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Erweiterung nicht erst dann unangemessen sei, wenn aus einem Handwerksbetrieb ein industrieller Betrieb werde. Auch sei eine Erweiterung nicht stets dann angemessen, wenn die Zahl der Arbeitsplätze nicht erhöht werde (BVerwG, Urteil vom 16.12.1993 - 4 C 19/92 –, a, a. O.). Für die Beurteilung der Angemessenheit kommt es entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht darauf an, ob die Durchsatzkapazität erheblich - die Ballierungsmenge sogar um 400 % - erhöht wird. Angemessen ist die Erweiterung in Bezug auf den Betrieb, wenn sie dem bisherigen Gewerbebetrieb funktionell entspricht (Dürr, in: Brügelmann, BauGB, § 35 Rdnr. 166). Daher ist gerade dann von einer angemessenen Erweiterung auszugehen, wenn lediglich eine Ausweitung des bisherigen Produktionsumfangs erfolgt, also nur die Produktionskapazität vergrößert wird (Dürr, in: Brügelmann, a. a. O.).

48

Die Angemessenheit scheitert auch nicht daran, dass es sich um unzulässige Mehrfacherweiterungen handelt. Es kann dahinstehen, ob die Erweiterungen in der Vergangenheit überhaupt auf der Grundlage des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB erfolgt sind. Hinsichtlich der Erweiterungen in den Jahren 2001 und 2003 ist schon wegen des Zeitablaufs nicht von einer unangemessenen Mehrfacherweiterung auszugehen (vgl. hierzu VG München, Urteil vom 21.01.1997 – M 1 K 95.4131 -, juris). Im Übrigen handelt es sich bei dem vorliegenden Vorhaben um eine so geringe bauliche Vergrößerung, dass für eine missbräuchliche Inanspruchnahme des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB keine Anhaltspunkte bestehen.

49

Die von der Klägerin beabsichtigte Erweiterung betrifft keine wesentlichen funktionellen Änderungen. Die Vergrößerung der Jahresdurchsatzkapazitäten von Abfall- und Ballierungsmengen entspricht einer Ausweitung des Produktionsumfangs. Eine wesentliche Änderung des Betriebsablaufs und des Betriebscharakters findet nicht statt. Auch die von der Maßnahme ausgehenden städtebaulichen Auswirkungen sind gering. Das gilt auch für die Erhöhung des An- und Ablieferverkehrs, die – wie oben ausgeführt – mit keinen für die Nachbarschaft unzumutbaren Belastungen verbunden ist.

50

Eine Beeinträchtigung der öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB (schädliche Umwelteinwirkungen) und Nr. 6 (Beeinträchtigung der Verbesserung der Agrarstruktur, Gefährdung des Hochwasserschutzes und der Wasserwirtschaft) kommt – wie oben ausgeführt – nur hinsichtlich möglicher Gewässerbelastungen in Betracht. Diese steht jedoch der Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht entgegen, soweit diese - gemäß dem Hilfsantrag - unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass von der erteilten wasserrechtlichen Genehmigung Gebrauch gemacht werden kann.

51

Für die Gefahr von Wasserverunreinigungen, die nicht an einen erlaubnispflichtigen Benutzungstatbestand nach § 8 Abs. 1 WHG anknüpfen, ist nichts ersichtlich.

52

Wie bereits ausgeführt, ist allerdings die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausgeschlossen, soweit eine gebotene wasserrechtliche Erlaubnis nicht erteilt werden kann, weil der wasserrechtlichen Erlaubnis unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen. Unterhalb dieser Schwelle hat die Behörde – wie ebenfalls ausgeführt - ein Verfahrensermessen, ob sie die immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Nebenbestimmungen erteilt, die die Einhaltung wasserrechtlicher Vorschriften sichern und den Betrieb vom Bestand einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung abhängig machen.

53

Dem Vorhaben stehen keine unüberwindlichen wasserrechtlichen Hindernisse entgegen. Zudem ist nach Auffassung der Kammer das dem Beklagten in dieser Situation zustehende Ermessen in der Weise eingeschränkt, dass eine (weitere) Versagung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausscheidet und der Beklagte jedenfalls verpflichtet ist, die Genehmigung unter der im Hilfsantrag formulierten Bedingung zu erteilen.

54

Wasserrechtlich durchgreifende Bedenken, aus denen sich unüberwindbar die Unzulässigkeit des Vorhabens ableiten könnte, sind nicht ersichtlich. Dagegen spricht schon, dass der Beklagte der Klägerin unter dem 16.10.2014 eine wasserrechtliche Erlaubnis für die Ableitung von vorbehandeltem Niederschlagswasser in den M. Dorfgraben erteilt hat. Auch wenn die Erlaubnis keine Überwachungswerte enthielt, ist aus der Erteilung der Erlaubnis abzuleiten, dass die Wasserbehörde von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Einleitung von Niederschlagswasser und der Einhaltung der hierfür maßgeblichen wasserrechtlichen Kriterien ausgegangen ist. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die untere Wasserbehörde, die die Genehmigung erteilt hat, als zuständige Fachbehörde in besonderem Maße in der Lage ist, die Vereinbarkeit von Einleitungen in ein Gewässer mit wasserrechtlichen Vorschriften zu prüfen.

55

Auch sonst ist nicht ersichtlich, woran die wasserrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Klägerin unüberwindbar scheitern könnte. Die in der mündlichen Verhandlung vom Vertreter des Beklagten wiedergegebenen Bedenken des Landesverwaltungsamts als Widerspruchsbehörde sind jedenfalls nicht so gravierend, dass die wasserrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens von vornherein nicht als gegeben erscheint. Die Gefahr der Gewässerbelastung durch auf dem Betriebsgelände gelagertes kontaminiertes Holz betrifft nicht das vorliegende Vorhaben. Die beantragte Änderungsgenehmigung umfasst die Erhöhung der Jahresdurchsatzkapazität der Ballierungsmenge, der Abfallbehandlungsanlage für Haus- und Gewerbemüll sowie die Erweiterung des Zwischenlagers für ballierte Abfälle. Die fragliche Genehmigung würde keine Lagerung von kontaminiertem Holz, sondern nur von Ballen mit Hausmüll betreffen. Es ist jedenfalls nicht offensichtlich, dass die von den gelagerten Ballen ausgehende Belastung des Niederschlagswassers so schwerwiegend ist, dass Schadstoffe in unzulässiger Menge in den M. Dorfgrabgen eingeleitet würden. Zudem hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit besteht, der Gewässerbelastung durch kontaminiertes Holz durch eine Überdachung oder organisatorische Maßnahmen zu begegnen.

56

Der Beklagte kann das ihm eröffnete Ermessen, eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter einer Nebenbestimmung zu erteilen, die die Einhaltung wasserrechtlicher Vorschriften sichert, nicht mehr in der Weise rechtmäßig ausüben, dass keine Genehmigung erteilt wird.

57

Der Beklagte handelt ermessensfehlerhaft, wenn er die Erteilung einer Genehmigung mit der Begründung versagt, dass die wasserrechtlichen Fragen noch nicht abschließend geklärt sind. Wie bereits ausgeführt, ist der Beklagte gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG zur vollständigen Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen verpflichtet. Auch im Rahmen der Koordination der Genehmigungsverfahren hat er die gesetzlichen Genehmigungsfristen – hier des § 16 Abs. 3 BImSchG – zu beachten. Ist die gesetzliche Genehmigungsfrist überschritten, besteht grundsätzlich kein Spielraum mehr, die Genehmigung im Hinblick auf noch bestehenden Koordinierungsbedarf zu verweigern. Das Ermessen kann nach Fristablauf grundsätzlich nur noch in einer Weise ausgeübt werden, die eine möglichst schnelle Entscheidung im immissionsschutzrechtlichen Verfahren ermöglicht (vgl. Jarass, NVwZ 2009, 69). Das gilt jedenfalls dann, wenn auch bei der anderen Genehmigungsbehörde ein hinreichender Zeitraum zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen zur Verfügung stand.

58

Vor diesem Hintergrund ist nichts ersichtlich, was der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung mit Nebenbestimmungen, durch die die Einhaltung der wasserrechtlichen Anforderungen sichergestellt ist, entgegenstehen könnte. Die wasserrechtliche Genehmigung wurde bereits vor neun Monaten erteilt. Es kann also dahinstehen, ob bereits die von der unteren Wasserbehörde des Beklagten durchgeführte Prüfung in angemessener Zeit durchgeführt wurde. Denn auch die Prüfung des Widerspruchs hätte ohne weiteres abgeschlossen sein können. Ob im Einzelfall trotz Überschreitung der (immissionsschutzrechtlichen) Genehmigungsfrist die Erteilung der Genehmigung verzögert werden kann, wenn die Entscheidung über die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder über den Widerspruch unmittelbar bevorsteht, kann dahinstehen. Für das Vorliegen einer solchen Konstellation ist nichts ersichtlich. Seit der Ankündigung des Beklagten im wasserrechtlichen Verfahren, dass mit einer Entscheidung des Landesverwaltungsamts über den Widerspruch bis Ende März 2015 zu rechnen sei, sind wiederum mehrere Monate vergangen. Ein neuer konkreter Termin wurde nicht genannt.

59

Die im Hilfsantrag formulierte Bedingung schließt Gefährdungen für Gewässer in hinreichendem Maße aus. Danach ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nur unter der aufschiebenden Bedingung zu erteilen, dass von der wasserrechtlichen Genehmigung Gebrauch gemacht werden kann. Damit liegt es in der Entscheidungsbefugnis der Wasserbehörden, ob die Anlage betrieben werden kann. Sie können also sicherstellen, dass Gefährdungen von Gewässern durch den Anlagenbetrieb ausgeschlossen werden.

60

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit auch selbst keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat die Bedeutung der Sache für die Klägerin in Orientierung an Ziff. 19.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit geschätzt.

61

Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung bei ungeklärten Fragen im parallelen wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren zu erteilen ist, grundsätzliche Bedeutung hat.


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