Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (9. Kammer) - 9 A 268/14

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

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Der am 05.08.1990 geborene Kläger ist nach eigenen Angaben palästinensischer Volkszugehörigkeit mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Syrien und reiste am 17.03.2013 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland (über München) ein.

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Ausgehend davon, dass der Kläger unter Angabe eines auf den 05.08.1996 datierenden Geburtstages vorgegeben hat, minderjährig zu sein, ist er zunächst in einer Berliner Jugendhilfeeinrichtung in Obhut genommen worden, wobei mit Bescheid vom 16.08.2013/26.08.2013 die Beendigung der Inobhutnahme durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft des Landes B-Stadt verfügt wurde und die sofortige Vollziehung angeordnet wurde. Zur Begründung führt die Behörde aus, dass als Geburtsdatum der 31.12.1994 fiktiv zugrunde gelegt werde und damit sein geschätztes Lebensalter bei mindestens 18 Jahren liege. Der Kläger wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er gegen die Zuweisungsentscheidung (BÜMA) der ZAA-B-Stadt in ein anderes Bundesland Rechtsmittel einzulegen habe und es nicht genüge, gegen die jugendhilferechtliche Entscheidung vorzugehen.

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Am 19.08.2013 meldete er sich in B-Stadt als asylsuchend. Die Zentrale Aufnahmeeinrichtung des Landes B-Stadt für Asylbewerber (ZAA-B-Stadt) unterstellte gleichsam den 31.12.1994 als fiktives Geburtsdatum und forderte den Kläger mit Bescheinigung über die Meldung als Asylbewerber (BÜMA) vom 19.08.2013 auf, sich bis zum 26.08.2013 in die zuständige Aufnahmeeinrichtung – die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Sachsen Anhalt – nach Halberstadt (EAE Halberstadt) zu begeben und dort einen Asylantrag zu stellen. Über das Nichtbefolgen der Weiterleitungspflicht wurde der Kläger gegen Unterschrift in arabischer Sprache belehrt (Bl. 1 und 2 der Beiakte). Der Weiterleitungsentscheidung, die der anwaltlich vertretene Kläger nicht angefochten hat, kam dieser nicht nach.

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Der anwaltlich vertretene Kläger hat gegen den Bescheid der Senatsverwaltung B-Stadt vom 26.08.2013 (Beendigung der Inobhutnahme) Klage beim Verwaltungsgericht B-Stadt erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 28.02.2014 (Az.: VG 18 L 554.13) lehnte das Verwaltungsgericht B-Stadt den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den vollziehbaren Bescheid der Senatsverwaltung B-Stadt vom 26.08.2013 ab. Der Kläger legte gegen die Entscheidung des Gerichts kein Rechtsmittel ein und nahm auch seine Klage zurück.

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Am 14.04.2014 stellte der Kläger in der EAE Halberstadt einen Asylantrag. Er legte als Identitätsnachweis sein Wehrdienstheft vor und offenbarte, am 05.08.1990 geboren, mithin im August 2013 bereits 23 Jahre gewesen zu sein. Bei seiner Anhörung gemäß § 25 AsylVfG gab er auf Befragen zu Protokoll, dass er nicht nach Halberstadt gekommen sei, weil er gesundheitliche Probleme gehabt habe. So habe er psychische Probleme und Hörschwierigkeiten. In B-Stadt habe es Araber gegeben, mit denen er sich habe verständigen können. Er übergab ein Attest vom 14.11.2013 (Diagnose: beidseitige Schwerhörigkeit) und vom 18.12.2013 (Diagnose: u.a. PTBS). Auf Vorhalt, dass nahe liege, er habe über sein Geburtsdatum getäuscht, um in B-Stadt bleiben zu können, gibt der Kläger an, ihm sei dies von Arabern geraten worden, dass er sagen solle, er sei minderjährig. Er räumte ein, sein Geburtsdatum absichtlich falsch angegeben zu haben.

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Zu seinen Fluchtgründen verwies der Kläger in der persönlichen Anhörung darauf, dass er schon der Polizei seine Gründe genannt habe, die ihn veranlasst hätten aus Syrien auszureisen, er sei vom syrischen Regime verfolgt worden und deshalb sei er nach wie vor hier und begehre Asyl. Auf Vorhalt der sich aus § 20 AsylVfG ergebenen Pflichtverletzung und der daran anknüpfenden Folgen, erklärt der Kläger, dass seit August 2013 nichts passiert sei, außer dass er an zwei Demonstrationen in B-Stadt teilgenommen habe. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 05.06.2014 legte der Kläger zwei Fotografien über eine Demonstrationsteilnahme vor der syrischen Botschaft in B-Stadt am 28.05.2014 vor und gilbt an bereits ab Dezember 2012 an Demonstrationen gegen das Assad-Regime in Syrien teilgenommen zu haben. Er fürchte bei seiner Rückkehr nach Syrien erneut zum Militär eingezogen zu werden.

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Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30.05.2014 trägt der Kläger vor, nicht über die Folgen des § 20 AsylVfG belehrt worden zu sein. Er habe sich geschämt, sein wahres Geburtsdatum anzugeben, nachdem er einmal auf Anraten von Arabern gelogen habe. Er habe befürchtet, dass man ihm nicht glauben werde. Nach Vorlage des Ausweisdokuments habe er auch sofort die Klage zurückgenommen. Ihm sei weder Fahrlässigkeit noch Vorsatz vorzuwerfen. Er habe die Folgen seines Handelns nicht gekannt.

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Mit Bescheid vom 03.06.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Syriens vorliegt (Ziffer 2). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Asylantrag des Klägers als Folgeantrag zu behandeln sei, da der Kläger sich trotz Zuweisungsentscheidung nicht in der zuständigen Aufnahmeeinrichtung in Halberstadt gemeldet habe. Er habe sich wissentlich und willentlich durch Täuschung über seine wahre Identität der Weiterleitung entzogen. Er sei hierüber belehrt worden, so dass ihm die Folgen seines Handelns bekannt gewesen seien. Auch unter Berücksichtigung der Erkrankungen des Klägers ergebe sich keine andere Sichtweise. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dem Kläger die Fahrt von B-Stadt nach Halberstadt nicht zumutbar gewesen sein soll, berücksichtigt man, dass der Kläger kurz zuvor von München nach B-Stadt gefahren sei. Der Kläger könne seinen Antrag nur auf Verfolgungsgründe stützen, die nachträglich entstanden seien, die er also nicht in dem von ihm vereitelten regelgerechten Asylverfahren hätte vortragen können. Er müsse den erneuten Asylantrag innerhalb von drei Monaten, nachdem ihm diese Gründe bekannt geworden seien, stellen.

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Hiergegen hat der Kläger am 11.06.2014 Klage beim erkennenden Gericht erhoben und gleichzeitig die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragt. Zur Begründung trägt er ergänzend vor, dass der Kläger bereits bei seiner Einreise erkrankt und auf die Unterstützung seines in B-Stadt wohnhaften Bruders und seiner Familie angewiesen gewesen sei. Ihm sei gesagt worden, dass er in seinem Zustand, nicht in ein Wohnheim reisen könne, da man die Verschlechterung des Gesundheitszustandes befürchtet habe. Die Folgen seines Handelns habe der Kläger nicht überblicken können; er sei davon ausgegangen durch die Stellung seines Asylgesuchs im August 2013 das Asylverfahren in Gang gesetzt zu haben. Die Falschangabe sei auf Anraten von Landsleuten erfolgt, damit er in der Obhut seiner Familie bleiben könne. Aufgrund eigenen Entschlusses habe er sein Alter korrigiert. Das Erstverfahren müsse durchgeführt werden. Zudem habe der Kläger an Demonstrationen in Deutschland teilgenommen.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 03.06.2014 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verteidigt ihren Bescheid.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I.) Die zulässige Klage über die im Einvernehmen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO) ist unbegründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 03.06.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Asylberechtigung und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 5 VwGO).

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Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist §§ 20 Abs. 2, 22 Abs. 3 AsylVfG i.V.m. § 71 Abs. 1 AsylVfG. Nach § 22 Abs. 3 ist ein Ausländer verpflichtet, der Weiterleitung an die für ihn zuständige Aufnahmeeinrichtung nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 unverzüglich oder bis zu einem ihm von der Aufnahmeeinrichtung genannten Zeitpunkt zu folgen. Kommt der Ausländer dieser Verpflichtung vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nach, so gilt § 20 Abs. 2 und 3 entsprechend, mit der Folge, dass auf einen später gestellten Asylantrag § 71 AsylVfG entsprechend gilt. Auf die Rechtsfolgen ist der Ausländer von der Aufnahmeeinrichtung schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen. Nach § 71 Abs. 1 AsylVfG ist auf einen Folgeantrag ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen, das heißt, wenn sich die dem bereits abgeschlossenen Verfahren zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Abs. 1 Nr.1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Abs. 1 Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind. Der Antrag ist zudem nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Nach § 51 Abs. 3 VwVfG muss der Antrag binnen drei Monaten seit dem Tag gestellt werden, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

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Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 AsylVfG liegen vor, so dass der am 14.04.2014 gestellte Asylantrag des Klägers als Folgeantrag zu behandeln ist (1.); der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahren, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen (2.).

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1. Voranzustellen ist, dass der Kläger durch das Nichtbefolgen der Weiterleitungsentscheidung der ZAA-B-Stadt vom 19.08.2013 (BÜMA), mit der er aufgefordert worden war, sich bis zum 26.08.2013 in die zuständige Aufnahmeeinrichtung – EAE Halberstadt – zu begeben und dort einen Asylantrag zu stellen, seiner sich nach § 22 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG ergebenden Pflicht nicht nachgekommen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Weiterleitungsentscheidung keinen Bestand hat, liegen weder vor noch werden solche vom Kläger behauptet. Die Weiterleitungsentscheidung ist ein Verwaltungsakt (vgl. VG Schwerin, Beschluss vom 18.04.2013 – 3 B 693/12 –; VG Bremen, Beschluss vom 13.08.2014 – 4 V 837/14 – juris; VG Magdeburg, Beschluss vom 22.01.2015 – 9 B 464/14 MD –, wobei der Klage gegen diesen Verwaltungsakt wegen § 75 AsylVfG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der bereits anwaltlich vertretene Kläger hat gegen die Weiterleitungsentscheidung weder Klage erhoben noch um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht, obgleich ein entsprechendes Vorgehen vor dem Hintergrund seines nunmehrigen Vorbringens – aufgrund gesundheitlicher Defizite nicht in der Lage gewesen zu sein, die EAE Halberstadt aufzusuchen und deshalb auf die Unterstützung seines Bruders angewiesen gewesen zu sein – nahe gelegen haben dürfte. Damit ist die Weiterleitungsentscheidung in Bestandskraft erwachsen. Der Kläger ist zudem ausdrücklich im sofort vollziehbarem Bescheid der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft des Landes B-Stadt vom 16.08.2013/26.08.2013, mit dem die Beendigung der Inobhutnahme durch eine Jugendhilfeeinrichtung aufgehoben wurde, darauf hingewiesen worden, dass gegen die Weiterleitungsentscheidung der ZAA B-Stadt Rechtmittel einzulegen seien, mithin es nicht genüge gegen den Aufhebungsbescheid vorzugehen.

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Der Kläger ist auch ausreichend über die Folgen des Nichtbefolgens der Weiterleitungsentscheidung gemäß § 22 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG belehrt worden. Ausweislich der Asylverfahrensakte (Bl. 1 und 2) wurde der Kläger gegen Unterschrift in arabischer Sprache belehrt, dass, sollte er sich nicht unverzüglich bis spätestens 26.08.2013 in die zuständige Aufnahmeeinrichtung EAE Halberstadt (unter Angabe der genauen Anschrift) melden und damit der Aufforderung vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommen, kein Asylverfahren durchgeführt wird, sondern ein zu einem späteren Zeitpunkt gestellter Asylantrag ein Folgeantrag ist. Es wird in der Belehrung zudem mitgeteilt, dass der Kläger so behandelt wird, als hätte er bereits erfolglos einen Asylantrag gestellt. Ein Asylverfahren wird nur dann durchgeführt, wenn sich die Sach- und Rechtslage seit dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger den Asylantrag pflichtgemäß hätte stellen können, zu seinen Gunsten geändert hat oder neue Beweismittel vorliegen. Dass der Kläger die so verfasste – inhaltlich dem § 22 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG entsprechende – Belehrung nicht verstanden haben will, vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Der Kläger hat nach eigenen Angaben die Grundschule bis zur 6. Klasse besucht. Anhaltspunkte dafür, dass es Verständnis-/Verständigungsprobleme gegeben haben könnte, sind weder ersichtlich noch behauptet der Kläger Entsprechendes substantiiert. Allein der Umstand, dass der Kläger an einer beidseitigen Schwerhörigkeit und an einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten habe, führt zu keiner anderen Betrachtung, berücksichtigt man, dass der Kläger im Zeitpunkt der Weiterleitungsentscheidung wegen der zeitnah erlassenen Aufhebung der Inobhutnahme bereits anwaltlich vertreten war und es sich bei der Belehrung nach § 22 Abs. 3 AsylVfG um eine standardisierte – im Fall der Weiterleitung verwandte – Belehrung handelt, dessen Inhalt einem Asylanwalt – wie dem Prozessbevollmächtigten des Klägers – ohne Zweifel bekannt sein müsste. Darüber hinaus ist der Kläger, mithin auch sein Prozessbevollmächtigter im Rahmen des Verfahrens der Aufhebung der Inobhutnahme darauf hingewiesen worden, dass auch gegen die Weiterleitungsentscheidung der ZAA B-Stadt Rechtsmittel einzulegen ist. Der klägerische Bevollmächtigte hat zwar beim Verwaltungsgericht B-Stadt sowohl Klage gegen den Aufhebungsbescheid (Inobhutnahme) eingereicht als auch um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht, die Weiterleitungsentscheidung hat er jedoch nicht angegriffen, obgleich – wie bereits dargestellt – die nunmehr in das Verfahren geführten Erwägungen, ein entsprechendes Vorgehen ggf. geboten hätte, berücksichtigt man, dass der Kläger behauptet, wegen seiner Erkrankungen auf die Unterstützung seines in B-Stadt lebenden Bruders angewiesen gewesen zu sein. Mit diesem Vorbringen ist er nunmehr präkludiert, zumal zu konstatieren ist, dass seine Reisefähigkeit nach Halberstadt durch die behaupteten Erkrankungen auch nach den vorgelegten Attesten nicht eingeschränkt war und eine Behandlung etwaiger Erkrankungen auch am hiesigen Ort hätte durchgeführt werden können. Dass es der Unterstützung seines Bruders tatsächlich bedurfte, wird nicht belegt, zumal der Kläger sich auch anwaltlicher Hilfe bedient hat. Dies zugrunde gelegt, hat es der Kläger jedenfalls grob fahrlässig unterlassen, der sofort vollziehbaren Weiterleitungsentscheidung zu folgen, zumal er selbst einräumt absichtlich über seine Minderjährigkeit getäuscht zu haben, um in B-Stadt verbleiben zu dürfen. Mit seinem nunmehrigen Vortrag, seine gesundheitlichen Defizite hätten den Verbleib in B-Stadt bedingt, da er auf die Unterstützung seines Bruders angewiesen gewesen sei, kann er mithin in diesem Verfahren nicht mehr gehört werden.

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2. Ist danach der am 14.04.2014 gestellte Asylantrag als Folgeantrag zu behandeln, kommt es allein darauf an, ob die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Dies ist der Fall, wenn sich die dem bereits abgeschlossenen Verfahren zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Abs. 1 Nr.1), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Abs. 1 Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind. Hinsichtlich § 51 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VwVfG ist nichts ersichtlich, allenfalls kommt eine nachträglicht zugunsten des Betroffenen geänderte Sachlage nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG in Betracht.

23

Mit seinem Vortrag zu seinen Fluchtgründen aus Syrien (insbesondere Wehrdienstproblematik, Verfolgung) bzw. der dortigen allgemeinen Bürgerkriegslage kann der Kläger nicht mehr gehört werden. Denn all diese Gründe hatte er bereits im August 2013 in ein Asylverfahren tragen können. Ein Antrag ist zudem nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Dies ist offenkundig nicht der Fall, berücksichtigt man, dass der Kläger der Weiterleitungsentscheidung jedenfalls grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (siehe obige Ausführungen).

24

Auch soweit sich der Kläger auf seine Demonstrationsteilnahme in der Bundesrepublik Deutschland, mithin auf eine exilpolitische Betätigung stützt, führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Eine veränderte Sachlage liegt auch insoweit nicht vor. Denn § 28 Abs. 2 AsylVfG steht dem entgegen. Danach kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden, wenn der Ausländer nach der unanfechtbaren Ablehnung eines Asylantrags einen erneuten Asylantrag stellt und diesen auf Umstände stützt, die er nach der unanfechtbaren Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat. Mit dieser Norm hat der Gesetzgeber die Berufung auf Nachfluchtgründe, die nach negativem Abschluss des Erstverfahrens von dem Betroffenen selbst geschaffen werden, unter Missbrauchsverdacht gestellt. Sie verlagert die Substantiierungs- und objektive Beweislast auf den Ausländer, der die gesetzliche Vermutung widerlegen muss, er habe mit seinem Verhalten nur die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft herbeiführen wollen. Bleibt das Betätigungsprofil des Betroffenen nach Abschluss des Verfahrens unverändert, liegt die Annahme einer missbräuchlichen Verknüpfung von Nachfluchtaktivitäten und begehrten Status fern. Wird der Asylbewerber nach einem erfolglosen Asylverfahren erstmals exilpolitisch aktiv oder intensiviert er seine bisherige Aktivität, muss er dafür gute Gründe anführen, um den Verdacht auszuräumen, dies geschehe in erster Linie, um die Voraussetzungen für seine Flüchtlingsanerkennung zu schaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 – 10 C 25.08 – juris; zuletzt Beschluss vom 31.01.2014 – 10 B 5/14 – juris). Nach dem Vortrag des anwaltlich vertretenen Klägers ist bereits nichts dafür ersichtlich, dass die in § 28 Abs. 2 AsylVfG normierte gesetzliche Vermutung widerlegt wird. Zum einen wird lediglich eine einmalige Demonstrationsteilnahme belegt, so dass die notwendige Stetigkeit bereits zweifelhaft ist. Darüber hinaus hat der Kläger auch nicht substantiiert dargetan, bereits in seinem Heimatland politisiert gewesen zu sein. Selbst wenn man entgegen der Überzeugung des Gerichts berücksichtigt, dass der Kläger ab August 2013 exilpolitisch aktiv gewesen ist und die gesetzliche Vermutung nach § 28 Abs. 2 AsylVfG als widerlegt ansieht, so scheitert sein Begehren jedenfalls an § 51 Abs. 3 VwVfG. Denn nach § 51 Abs. 3 VwVfG muss der Antrag binnen drei Monaten seit dem Tag gestellt werden, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Dies zugrunde gelegt dürfte mangels anderweitigen substantiierten Vorbringens davon auszugehen sein, dass der Antrag verfristet wäre.

25

II.) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

26

III.) Die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beruht auf §§ 166 VwGO, 114 ff. ZPO.


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