Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (15. Kammer) - 15 A 23/16

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich als Gerichtsvollzieher gegen die von dem Beklagten durch Disziplinarverfügung vom 12.01.2016 ausgesprochene disziplinarrechtliche Geldbuße in Höhe von 2.800,00 Euro.

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Mit der Disziplinarverfügung wird dem Kläger vorgeworfen, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, indem er in 182 Fällen die von dem Präsidenten des Oberlandesgerichts A-Stadt am 01.08.2013 erteilte kostenrechtliche Weisung nicht beachtet und fortgesetzt und beharrlich gegen seine sich aus § 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) ergebende Gehorsamspflicht verstoßen habe. Die Verfügung vom 01.08.2013 (5653 E-3/13) sei an sämtliche Gerichtsvollzieher im Bezirk des Oberlandesgerichts A-Stadt ergangen und beinhalte, dass bei der Zustellung der Eintragungsanordnung (§ 882 c Abs. 2 Satz 2 ZPO) zwar die Zustellungsauslagen nach KV 701 GvKostG ersetzt verlangt werden könnten, nicht aber die Gebühr nach KV 100, 101 GvKostG sowie die Auslagenpauschale nach KV 716 GvKostG. Mit weiterer Verfügung vom 28.10.2013 (5653 E-1/13) sei klargestellt worden, dass es bei dieser kostenrechtlichen Weisung bleibe.

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In der Folgezeit sei wiederholt festgestellt worden, dass der Kläger sich nicht an diese Weisung halte. So habe die Prüfungsbeamtin des Landgerichts … dem Direktor des Amtsgerichts … unter dem 13.02.2014 mitgeteilt, dass der Kläger sich anlässlich der durchgeführten Geschäftsprüfung dementsprechend geäußert habe. Daraufhin habe der Direktor des Amtsgerichts … am 28.02.2014 ein Personalgespräch mit Hinweis auf disziplinarrechtliche Konsequenzen mit dem Kläger geführt. Auf der Dienstbesprechung vom 26.03.2014 sei die Weisung erneut bekannt gegeben worden. Mit Verfügung vom 31.03.2014 habe der Direktor des Amtsgerichts … den Kläger schriftlich angehalten, die betreffenden Sonderakten seit Bekanntgabe der Verfügung vom 01.08.2013 festzustellen und die Rückzahlung der zu viel erhobenen Kosten an die Berechtigten zu veranlassen. Gleichzeitig habe er um Zusicherung der künftigen Beachtung gebeten. Dem sei der Kläger mit Schreiben vom 02.04.2014 nachgekommen, wobei er das Schreiben als Remonstration anzusehen wünschte und um nochmalige Bestätigung der Weisung gebeten habe, was der Präsident des Landgerichts ...mit Verfügung vom 15.04.2014 getan habe. Ausweislich des Geschäftsprüfungsberichts vom 28.04.2014 habe der Kläger im IV. Quartal 2013 die Weisung nicht eingehalten. Unter dem 29.04.2014 habe der Direktor des Amtsgerichts .. erneut erinnert und um Sachstandsbericht gebeten. Dies sei erneut unter dem 05.05.2014 geschehen.

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Am 12.05.2014 habe der Kläger beim Verwaltungsgericht Magdeburg eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel der Aufhebung der Weisung (5 B 392/14 MD) beantragt. Mangels Antragsbefugnis habe das Verwaltungsgericht den Antrag mit Beschluss vom 23.07.2014 abgelehnt. Die Beschwerde dagegen sei vom OVG LSA mit Beschluss vom 23.07.2014 zurückgewiesen worden.

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Unter dem 18.06.2014 habe der Kläger dem Direktor des Amtsgerichts ... die Erledigung der Beanstandungen aus dem Prüfungsbericht mitgeteilt und versichert, dass die Verfügung des PräsOLG vom 01.08.2013 nunmehr beachtet werde. Die kostenrechtlichen Beanstandungen erkenne er jedoch nicht an und verweise auf die Kommentarliteratur zur ZPO. In einem weiteren Schreiben vom gleichen Tag habe der Kläger die Auszahlung der Beträge an die Berechtigten zugesichert.

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Das Disziplinarverfahren wurde unter dem 23.06.2014 eingeleitet. Sodann wurde festgestellt, dass der Kläger insgesamt in 182 Fällen gegen die Weisung vom 01.08.2013 verstoßen habe. Die streitbefangene Disziplinarverfügung führt sodann die 182 Fälle auf. Zur weiteren Beschreibung wird auf die Disziplinarverfügung verwiesen.

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Der Kläger habe vorsätzlich schuldhaft und fortgesetzt die Gehorsamspflicht verletzt. Ein Beamter, der ungerechtfertigt die ihm obliegenden Tätigkeiten nicht ausführt, begehre eine Pflichtwidrigkeit von erheblichem Gewicht. Auch das dem Kläger zustehende Remonstrationsrecht entbinde ihn nicht von der Befolgung der dienstlichen Weisungen.

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Das Verhalten des Klägers sei als beharrlicher Dienstverstoß anzusehen. In sechs Fällen habe der Kläger selbst nach dem am 28.02.2014 mit dem Direktor des Amtsgerichts geführten Personalgespräch gegen die Weisung verstoßen. Auch zur Rückzahlung an die Berechtigten sei es erst nach wiederholter Aufforderung gekommen. Der Kläger habe aus eigennützigem Gebühreninteresse gehandelt. Mit der Weisung sollte gerade eine umstrittene und obergerichtlich ungeklärte Rechtsfrage durch die Dienstaufsicht geklärt werden. Aufgrund dieser beharrlichen Gehorsamsverweigerung sei mangels Entschuldigungs- und Milderungsgründen eine deutliche Pflichtenmahnung geboten, welche gerade noch durch eine Geldbuße im oberen Bereich des nach § 7 Satz 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) zulässigen Spielraums erreicht werden könne, zumal die disziplinarrechtliche Rechtsprechung in ähnlichen Fällen auch Gehaltskürzungen für angemessen erachtet habe.

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Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2016 als unbegründet zurück und verwies auf die Ausführungen der Disziplinarverfügung.

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Mit der fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarmaßnahme und macht insbesondere Ausführungen zu dem Schwere- und Verschuldensgrad der Pflichtwidrigkeit, wobei die Geschehnisse als solche unstreitig sind. Zu beachten sei, dass der Kläger eine andere Rechtsansicht bezüglich des Kostenansatzes vertrete und dementsprechend auch remonstriert habe. Nach seiner Auffassung habe es sich um eine rechtswidrige Weisung des Präsidenten des Oberlandesgerichts gehandelt. Das klägerische Unrecht sei daher als gering einzuschätzen. Schließlich sei auch die Rückzahlung an die Gläubiger erfolgt, sodass kein Schaden entstanden sei. Letztendlich habe der Kläger nur einmal den Entschluss gefasst, die streitgegenständlichen Gebühren zu erheben, sodass die Anzahl der Fälle nicht entscheidend sei.

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Der Kläger beantragt,

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die Disziplinarverfügung vom 12.01.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2016 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und verteidigt die Disziplinarverfügung und die dortigen rechtlichen Ausführungen. Entscheidend sei, dass durch die Weisung die Amtsausübung des Klägers verbindlich geklärt worden sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Disziplinarbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 3 DG LSA; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form der Geldbuße in Höhe von 2.800,00 Euro ist hinsichtlich der Maßnahme als auch des Betrages verhältnismäßig, weil angemessen und bedarf insoweit keiner Abänderung. Überdies erweist sich die ausgesprochene Disziplinarverfügung zur Überzeugung des Gerichts auch als zweckmäßig, welches ebenso nicht zur Aufhebung bzw. Abänderung durch das Disziplinargericht führt (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

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Auch zur Überzeugung des Disziplinargerichts hat der Kläger ein - nicht unwesentliches - Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Denn er hat wiederholt und hartnäckig gegen seine aus § 35 Satz 2 BeamtStG resultierende Gehorsamspflicht verstoßen. Dabei ist der streitentscheidende im Tatbestand aus dem Disziplinarbescheid wiedergegebene Sachverhalt zwischen den Beteiligten unstreitig und der Kläger stellt maßgeblich den Verschuldensgrad der Pflichtverletzung zur rechtlichen Überprüfung.

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Auch das Disziplinargericht muss dem Kläger vorhalten, dass gerade die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Weisungen die Grundlage für eine effektive Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung darstellt und die Befolgung dienstlicher Anordnung gerade nicht in das Belieben des einzelnen Beamten gestellt ist. Ein Beamter, der ungerechtfertigt die ihm obliegenden Tätigkeiten nicht ausführt, begeht daher eine Pflichtwidrigkeit von erheblichem Gewicht. Dies ist in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung gänzlich anerkannt, versteht sich von selbst und bedarf keiner Vertiefung.

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Unstreitig ist der Kläger der durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts erfolgten dienstlichen Weisung vom 01.08.2013 (5653 E-3/13) zur kostenmäßigen Erfassung der Gebühr nach KV 100, 101 GvKostG sowie der Auslagenpauschale nach KV 716 GvKostG in den aufgeführten 182 Fällen nicht nachgekommen und hat entgegen dieser Weisung die Kosten trotzdem erhoben. Dies auch, nachdem der Kläger durch den Direktor des Amtsgerichts … wiederholt zur Befolgung der Weisung aufgefordert wurde und ihm auch disziplinarrechtliche Schritte angedroht wurden. Schließlich wurde das Vorgehen auch bei der Geschäftsprüfung moniert. Dem Kläger war daher durchaus bewusst, was er tat und er handelte somit über einen längeren Zeitraum vorsätzlich. Zwar mag er aufgrund seiner einmal gebildeten Rechtsansicht den Entschluss zur Kostenerhebung gefasst haben, was ihn aber nicht entlasten kann und die Vielzahl der Fälle somit beachtlich sind und von seiner Uneinsichtigkeit zeugen. Denn diesen Entschluss gegen die Weisung zu handeln hat er stets erneuert und neu umgesetzt und dies auch wiederholt und beharrlich nach erneuten Hinweisen durch die Dienstaufsicht und die Prüfbeamtin. Auch das ihm als Beamten zustehende Remonstrationsrecht nach § 36 Abs. 2 Satz 1 und 2 BeamtStG entlastet ihn nicht. Denn auch diesbezüglich ist es in der Rechtsprechung geklärt, dass auch und sogar die Ausübung der Remonstrationspflicht den Beamten nicht von der Befolgung der Weisung abhält. Dies ist im Übrigen jedem Beamten – und dies kann auch bei dem Kläger unterstellt werden – bekannt und hat seine Grundlage darin, dass ansonsten die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der öffentlichen Verwaltung – wie beschrieben – nicht geschehen könnte. Zudem wurde der diesbezügliche Antrag vom Verwaltungsgericht Magdeburg zurückgewiesen und die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

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Bleibt daher der willentliche und damit vorsätzliche Verstoß gegen die ihm obliegende Gehorsamspflicht, sind auch durch das Disziplinargericht keine Entlastungs- oder Milderungsgründe erkennbar. Im Gegenteil drängt sich dem Disziplinargericht auf, dass der Kläger durch die beharrliche Beibehaltung seiner Rechtsauffassung dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Paroli bieten wollte und er es sodann auf einen Machtkampf ankommen ließ. Dies steht dem Kläger mangels beamtenrechtlicher Unabhängigkeit jedoch nicht zu und wurde zudem auf dem Rücken der Gläubiger ausgetragen. Auch wenn die Gebühren später zurückerstattet wurden, so fehlten sie jedoch zunächst dem Gläubiger. Dem Kläger ist damit vorzuhalten, dass er seine eigenen Interessen bezüglich der zusätzlichen Einnahme von Gebühren und das beharrliche Festhalten an seiner Rechtsmeinung über das dienstliche Interesse der Aufgabenerledigung stellte. Denn allein entscheidend ist, dass durch die Weisung vom 01.08.2013 die diesbezügliche bis dato eventuell fragliche Kostenerhebung geklärt war. Demnach war es die Pflicht des Klägers, dieser Weisung zu folgen.

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Dementsprechend folgt das Disziplinargericht den Ausführungen des Beklagten in der streitbefangenen Disziplinarverfügung und dem Widerspruchsbescheid sowie der Klageerwiderung auch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit und der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme, hier in Form der Geldbuße im oberen Bereich und darf darauf zur weiteren Begründung verweisen (§ 3 DG LSA; § 117 Abs. 5 VwGO).

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Dies gilt auch für die Zweckmäßigkeit der Disziplinarverfügung, welche nach § 59 Abs. 3 DG LSA auch vom Disziplinargericht zu prüfen ist (vgl. dazu ausführlich VG Magdeburg, Urt. v. 18.12.2013, 8 A 15/13 MD, Urt. v. 27.11.2014, 8 A 5/14 MD; alle juris). Auch das Gericht sieht hier eine erhebliche beharrliche und fortdauernde Dienstpflichtverletzung, welche im oberen Bereich der disziplinarrechtlichen Maßnahme der Geldbuße zu ahnden ist. Die Geldbuße nach § 7 DG LSA kann bis zur Höhe der monatlichen Dienstbezüge des Beamten auferlegt werden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4 DG LSA, 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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