Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (15. Kammer) - 15 A 16/16

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt die Disziplinarklage gegen die beklagten Polizeivollzugsbeamten im Rang von Polizeikommissaren mit dem Ziel ihrer Entfernung aus dem Dienst.

I.

2

Die Beklagte zu 1), geb. 06.09.1965, absolvierte im Anschluss an ihren Schulabschluss der 10. Klasse (Polytechnische Oberschule) bis 1984 eine Lehre als Polsterin. Danach war sie in unterschiedlichen Berufszweigen tätig. 1993 wurde sie zur Polizeimeisterin zur Anstellung ernannt und 1994 an das Polizeirevier B-Stadt als Sachbearbeiterin Einsatz versetzt. Mit Wirkung vom 24.07.1995 erfolgte die Lebenszeitverbeamtung. Im Jahr 2000 wurde sie zur Polizeiobermeisterin befördert und nach erfolgreichem Abschluss der Aufstiegsausbildung gemäß § 20 PolLVO LSA im Jahre 2011 zur Polizeikommissarin ernannt. Seitdem ist sie im Streifeneinsatzdienst und als Einsatzführerin tätig.

3

Dienstlich beurteilt wurde sie zuletzt im März 2009 mit der Gesamtbewertung "gut" bei 267 Punkten. Eine weitere Beurteilung konnte ihr bisher noch nicht eröffnet werden (Leistungsbeurteilung: "D" Gesamtbefähigungsbeurteilung: "C").

4

Die Beklagte zu 1) ist Mutter zweier erwachsener Kinder. Dem jüngsten Kind (D… geb. 20.01.1995) zahlt sie derzeit noch Unterhalt. Seit 1994 ist sie in zweiter Ehe mit dem Beklagten zu 2) verheiratet. Sie hat keine Vorbelastungen/Strafen.

II.

5

Der Beklagte zu 2), geboren am 20.12.1960, absolvierte nach Abschluss der 10. Klasse eine Lehre als Fahrzeugschlosser und verrichtete ab 1979 Dienst bei der Nationalen Volksarmee. Am 01.11.1989 nahm er seinen Dienst im damaligen Polizeikreisamt B-Stadt auf und wurde im Juli 1991 zum Beamten auf Widerruf (Polizeiobermeister) ernannt. 1994 wurde er auf Lebenszeit verbeamtet und 2005 zum Polizeihauptmeister befördert. Nach Absolvierung der sechsmonatigen Aufstiegsausbildung gemäß § 20 PolLVO LSA wurde er 2010 zum Polizeikommissar ernannt und ist seitdem als Sachbearbeiter Einsatz (Einsatzführer) tätig.

6

Die dienstliche Beurteilung vom 23.11.2010 schloss er mit der Gesamtbewertung "befriedigend" mit 248 Punkten ab. Eine weitere Beurteilung ist ihm bisher noch nicht eröffnet worden (Leistungsbeurteilung: "D" Gesamtbefähigungsurteil: "B").

7

Der Beklagte zu 2) hat ein 1995 geborenes gemeinsames Kind mit der Beklagten zu 1). In der Personalakte sind zwei weitere Kinder (N…, geb. 19.10.1982; V…, geb. 20.02.1987) vermerkt. Er hat keine Vorbelastungen/Strafen.

III.

8

Mit Schreiben vom 28.04.2014 zog das Sozialamt des Landkreises … die Beklagte zu 1) zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages für ihre Mutter in Höhe von 160,00 EUR einschließlich einer Nachzahlung in Höhe von 960,00 EUR heran. Durch die wiederholten Nachfragen des Sozialamtes sahen sich die Beklagten nach eigenen Angaben in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht und erhoben in einem als "Familie, D… und B." gemeinsam unterzeichneten Schreiben vom 05.05.2015 Widerspruch gegen die Zahlungsaufforderung des Sozialamtes. Dem Widerspruchsschreiben war als Anlage u.a. eine "juristische Aufklärung" beigefügt, bei der es sich um einen Vordruck aus dem Internet handelt. Die "juristische Aufklärung" ist handschriftlich überschrieben mit "Beachte: gültige Rechtsnorm!" und beginnt mit den Worten: "Zuallererst juristische Aufklärung:" Im Folgenden wird u.a. ausgeführt, dass das Grundgesetz zumindest seit 1990 keinen Geltungsbereich mehr habe, Gesetze wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rechtssicherheit ungültig und nichtig seien, es keine unabhängigen "BRD-Richter" mehr gebe (zu den weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 36 – 39 d. B.A. verwiesen).

9

Am 21.05.2014 übersandten die Beklagten ein weiteres Schreiben an den Landkreis …, dass als Absender " und aus der Familie B. – Mensch und Natürliche Person entspr. § 1 des staatlichen B" auswies und ebenfalls ein aus dem Internet vorgefertigtes Schreiben darstellt, welches auf die jeweiligen Behörden zugeschnitten werden kann und im Wesentlichen zum Inhalt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht hinreichend gegründet sei und insbesondere hoheitliche Akte der Verwaltungsbehörden ohne ausreichende Ermächtigungsgrundlage seien. Insbesondere heißt es in dem vorgenannten Schreiben:

10

"Ihre o.g. Forderungen basieren letztlich auf dem Grundgesetz (GG). Weder meine Vorfahren noch ich haben das Grundgesetz (GG) noch die darauf basierenden Gesetze legitimiert. […]. Darüber hinaus ist das GG gemäß seinen eigenen Bestimmungen offenkundig sowieso ungesetzlich und die darauf basierenden Gesetze etc. sind nichtig".

11

Das Schreiben wurde von jedem Beklagten persönlich auf jeder Seite unterzeichnet. Außerdem ist der Vordruck in Teilen individualisiert. Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 21.05.2015 (Bl. 42 – 46 d. B.A.) verwiesen.

12

Der Landrat des Landkreises … wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 01.08.2014 (Bl. 1 d. B.A.) an den Leiter des Polizeireviers ... und informierte diesen über den Inhalt des Schreibens vom 21.05.2014. Er teilte ferner mit, dass das Schreiben aus seiner Sicht eine schwerwiegende Verletzung beamtenrechtlicher Dienst- und Treuepflichten darstelle.

13

Unter dem 09.09.2014 wurde wegen des Schreibens vom 21.05.2014 ein Disziplinarverfahren gegen die Beklagten eingeleitet. Das vorhergehende Schreiben vom 05.05.2014 war der Klägerin zu dieser Zeit noch nicht bekannt. Mit Verfügungen vom 21.10.2014 wurden die Beklagten vorläufig des Dienstes enthoben (§ 38 Abs. 1 DG LSA). Außerdem wurde am 20.01.2015 die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 45 % bei der Beklagten zu 1) und zu 55 % bei dem Beklagten zu 2) angeordnet (§ 38 Abs. 2 DG LSA).

14

Auf Antrag der Beklagten hob das Disziplinargericht mit Beschlüssen vom 16.03.2015 (8 B 2/15 MD; 8 B 4/15 MD; 8 B 3/15 MD; 8 B 5/15 MD) die vorläufigen Dienstenthebungen und den teilweisen Einbehalt der Dienstbezüge auf. Mit Beschluss vom 21.05.2015 (10 M 4/15) lehnte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt die Anträge der Beamten (10 M 4/15; 10 M 6/15; 10 M 5/15; 10 M 7/1) ab. Die vorläufigen Dienstenthebungen und der jeweils angeordnete teilweise Einbehalt der Dienstbezüge blieben aufrechterhalten. Noch während des laufenden Beschwerdeverfahrens hatte die Klägerin das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 23.04.2015 u.a. auch auf das Schreiben vom 05.05.2014 ausgedehnt.

15

Mit der Disziplinarklage vom 13.03.2016 (Eingang 16.03.2016) werden die Beklagten angeschuldigt, schuldhaft ein schweres Dienstvergehen begangen zu haben, indem sie ihre beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG und Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG verletzt hätten. Nach § 33 BeamtStG bestehe die Grundpflicht des Beamten darin, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten. Die Äußerungen der Beklagten in den Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 seien substanziell geeignet, ihre beamtenrechtlichen Pflichten zur Verfassungstreue und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes zu verletzen. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass mit den vorgeworfenen Handlungen eine deutliche inner- und außerdienstliche Ansehensschädigung bereits eingetreten sei. Es sei unstreitig, dass Dritte, denen die Dienstverhältnisse bekannt geworden seien, das beamtenrechtlich relevante Verhalten der Polizeibeamten als erheblich störend empfunden hätten. Beim Sozialamt des Landkreises ... handele es sich zudem um jene Organisationseinheit, für die die Beklagten auch dienstlich zuständig seien. Polizeivollzugsbeamte seien als Teil der staatlichen Gewalt der Rechtsordnung in besonderem Maße verpflichtet und hätten im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages entsprechend zu handeln. Dies gelte gerade im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Polizeivollzugsbeamte in der Laufbahngruppe 2., deren Dienstposten regelmäßig mit verantwortungsvollen und Außenwirkung entfaltenden Aufgaben verbunden seien und ein Höchstmaß an Integrität und vertrauensvoller Zusammenarbeit in Kooperation mit Behörden und mit den Organen der Strafrechtspflege erforderten. Das Vertrauen des Dienstherrn zu den Beklagten sei völlig zerstört. Die Verletzung gewichtiger dienstrechtlicher Pflichten überschreite in qualitativer und quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarischer Relevanz erheblich. Die Beklagten hätten gezeigt, dass die Verwaltung sich nicht auf sie verlassen könne, da sie eigene Interessen hinter zwingenden Geboten der Rechtsordnung zurückstehen ließen. Auch das Nachtatverhalten gebe den Anschein, dass die Beklagten zur Reflektion ihres Verhaltens nicht motiviert seien.

16

Anhaltspunkte für verfassungswidrige Bestrebungen seien bei den Beklagten zwar nicht ersichtlich. Im Hinblick auf die Schreiben vom 05.05.2014 und 21.05.2014 könne aber davon ausgegangen werden, dass sich die Beklagten mit den im Internet vorgefundenen Inhalten und deren Rechtsausführungen auseinandergesetzt und unverkennbar identifiziert hätten. Eine Distanzierung im Verhalten sei nicht zu erkennen. Ihre fehlende Reue und Einsicht und das Verhalten nach Einleitung des Disziplinarverfahrens sprächen nicht von der Abkehr der in den Schreiben zum Ausdruck gebrachten Negierung der Geltung des Grundgesetzes.

17

Die Beklagten hätten vorsätzlich gehandelt. Aufgrund ihrer Vertrautheit mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen und dem speziellen Polizeirecht als Teil des Verwaltungsrechts und auch wegen der beruflichen Stellung als Polizeibeamten sei es ihnen möglich gewesen, die besondere Erheblichkeit ihres beamtenunwürdigen Verhaltens in persönlicher und sozialer Angelegenheit einzuschätzen.

18

Milderungs- und Schuldausschließungsgründe seien nicht ersichtlich. Insbesondere hätten die Beklagten die behauptete existenzbedrohende Situation nicht durch Belege nachgewiesen, noch handele es sich um eine einmalige persönlichkeitsfremde Gelegenheitstat oder das Vorliegen einer psychischen Ausnahmesituation. Es sei nicht auszuschließen, dass die Beklagten auf Grund ihrer Persönlichkeit auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen würden.

19

Die Klägerin beantragt,

20

die Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

21

Die Beklagten beantragen jeweils

22

die Disziplinarklage abzuweisen.

23

Zur Begründung führen die Beklagten aus, dass sie kein Dienstvergehen begangen hätten. Ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass die Absendung der aus dem Internet entnommenen Schreiben ein Dienstvergehen darstelle. Die Schreiben seien vielmehr nur ein "Trick" gewesen, um den Forderungen des Sozialamtes, die sich nachträglich auch als unberechtigt herausgestellt hätten, zu entgehen. Zudem bestünden keinerlei Zweifel an ihrer Verfassungstreue. Sie seien sich ihrer Verantwortung als Polizeibeamte bewusst. Ihr Dienst sei seit Jahren tadellos. Sie hätten keinerlei Kontakte zur sog. "Reichsbürgerbewegung". Bei dem hier relevanten außerdienstlichen Verhalten fehle sowohl der funktionale Dienstbezug, noch sei das im Rahmen einer Ansehens- und Vertrauensverletzung erforderliche Tatbestandsmerkmal "in besonderem Maße" gegeben.

24

Zudem liege ein Beweisverwertungsverbot vor, da der Landkreis ... die Schreiben nicht an die Klägerin habe weiterleiten dürfen.

25

Die Beklagten rügen ferner, dass eine gemeinsame Disziplinarklagenerhebung gegen mehrere Beamte unzulässig sei. Dies sehe weder das Bundesdisziplinargesetz (BDG) noch das Disziplinargesetz des Landes Sachsen-Anhalt (DG LSA) vor. Auch sei der Personalrat gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 Personalvertretungsgesetz (PersVertrG) weder im Disziplinarverfahren noch im Rahmen der Durchführung des Disziplinarklageverfahrens beteiligt worden.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.

27

Die gemeinsame Erhebung der Disziplinarklage gegen die Beklagten ist zulässig.

1.

28

Gemäß § 3 DG LSA i.V.m. 64 VwGO i.V.m. § 60 ZPO steht es der Klägerin frei, gegen beide Beklagten nur eine Disziplinarklage zu erheben, da der gegenüber den Beklagten erhobene disziplinarrechtlich relevante Vorwurf gleichartig ist und auf einem gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruht. Die Klägerin bestimmt durch ihre Klageerhebung, wer als Beklagter am Verfahren beteiligt ist (vgl. § 3 DG LSA i.V.m. § 63 Nr. 2 VwGO). Insbesondere steht dem nicht § 93 VwGO entgegen, da dieser nur regelt, dass das Gericht – hier das Disziplinargericht - nach Klageerhebung zur Verfahrensverbindung bzw. -trennung befugt ist und im Umkehrschluss die Klägerin die Verfahrensverbindung bzw. –trennung nach einmal erhobener Klage nicht mehr ohne Weiteres bewirken kann.

29

Dass ihm Rahmen des Disziplinarrechts – insbesondere bei Disziplinarklagen – etwas anderes gelten sollte, d.h. die Disziplinarklage nur jeweils gegen einen Beamten erhoben werden dürfe, ist nicht ersichtlich (a.A. Hummel/Köhler/Mayer: BDG Bundesdisziplinargesetz und materielles Disziplinarrecht, 4. Aufl. 2010, § 52, Rn. 6). Für das Bestehen besonders schutzbedürftiger Belange der Beamten, die auf eine gesondert erhobene Disziplinarklage gerichtet wären, sieht das Disziplinargericht keine Anhaltspunkte. Es ist daher nicht ersichtlich, warum der Klägerin eine gemeinsame Klageerhebung verwehrt werden sollte, wenn das Disziplinargericht eine Verfahrensverbindung hätte beschließen können. Die Voraussetzungen nach § 93 VwGO liegen hier zudem vor, da beide Verfahren den gleichen Gegenstand betreffen und eine Verfahrensverbindung auch sachdienlich wäre. So hat auch das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in den Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebungen und des vorläufigen teilweisen Einbehalts der Dienstbezüge die Verfahren miteinander verbunden (vgl. Beschlüsse vom 21.05.2015 – 10 M 4-7/15).

2.

30

Die von den Beklagten gerügte fehlende Mitwirkung der Personalvertretung greift nicht durch. Nach § 66 PersVG LSA unterliegen die Durchführung von disziplinarrechtlichen Ermittlungen sowie der Erlass der Disziplinarverfügung oder die Erhebung der Disziplinarklage nicht der Mitbestimmung des Personalrats (VG Magdeburg, Urt. v. 13.12.2013, 8 A 17/12 MD; juris; mit Verweis zur anderen Rechtslage im Bund: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; in Baden-Württemberg: VG Stuttgart, Urt. v. 21.04.2010, DL 20 K 2137/09; juris). § 78 Abs. 1 Nr. 3 Personalvertretungsgesetz des Bundes ist auf Beamte des Landes Sachsen-Anhalt nicht anwendbar.

II.

31

Die Disziplinarklagen sind begründet. Die Beklagten haben ein schwerwiegendes Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, welches für jeden Beklagten die Entfernung aus dem Dienst nach sich zieht.

1.

32

Die Klägerin legt den Beklagten zu Recht ein einheitliches Dienstvergehen in Gestalt zweier schuldhafter Dienstpflichtverletzungen durch das jeweilige Versenden der Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 an den Landkreis ... zur Last. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begehen Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, wobei ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen darstellt, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 S. 2 BeamtStG).

33

Das Disziplinargericht ist überzeugt, dass die Beklagten schuldhaft gegen ihre beamtenrechtliche Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten außerhalb des Dienstes (§ 47 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 34 Satz 3 BeamtStG) (a) sowie gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) (b) verstoßen haben. Dabei stellt der Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht eine innerdienstliche Pflichtverletzung dar (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG).

34

a) Die Beamten haben eine außerdienstliche Dienstpflichtverletzung gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Satz 3 BeamtStG begangen, indem sie das Schreiben vom 05.05.2014 nebst der Anlage "juristische Aufklärung" und das Schreiben vom 21.05.2014 an den Landkreis ... versendet haben. Für den Tatbestand der Ansehensschädigung als Teil des Wohlverhaltens ist es ausreichend, wenn ein Verhalten zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen geeignet ist, so dass eine tatsächliche Beeinträchtigung nicht erforderlich ist (BVerwG, Urt. v. 08.05.2011, 1 D 20.00; BVerfG, Beschl. v. 05.12.2008, 1 BvR 1318/07; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2010, 10 Sa 308/10; VG Magdeburg, Urt. v. 08.06.2011, 8 A 16/10 MD; alle juris).

35

Das Gericht hat keine Zweifel, dass das Versenden der Schreiben, in denen die Beamten u.a. die Bundesrepublik Deutschland für ungültig und nichtig erklären und auch die auf dem Grundgesetz basierenden Gesetze nicht anerkennen, eine eindeutige und eklatante Verletzung ihrer Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG darstellt. Die Verwendung der beiden Schreiben im Rechtsverkehr ist unvereinbar mit der Treuepflicht eines Polizeibeamten. Ein derartiges Verhalten schädigt das Ansehen der Polizei als einer tragenden Institution des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates.

36

(aa) Ohne Erfolg tragen die Beklagten vor, dass eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht als Teil der Ansehensschädigung nicht in Betracht komme, da das Ansehen des Beamtentums jedenfalls in der Öffentlichkeit gar nicht beschädigt worden sei, da beide Schreiben nur an die Mitarbeiterin des Sozialamtes ... versandt worden und diese nur als Funktionsträgerin einer Behörde und nicht als Öffentlichkeit zu betrachten sei.

37

Die Verwendung der beiden vorgenannten Schreiben erfolgte nicht lediglich im geschützten privaten Bereich der Beklagten, etwa der eigenen Wohnung. Die Beklagten haben vielmehr die Schreiben durch Versenden aus ihrem eigenen Zugriffs- und Machtbereich entlassen und ihr Verhalten damit öffentlich gemacht. Die Öffentlichkeit war spätestens hergestellt, als das Schreiben der Mitarbeiterin des Sozialamtes ... als dessen Funktionsträgerin zuging. Das Tatbestandsmerkmal "öffentlich" erfordert nicht, dass das dienstpflichtverletzende Verhalten einer unbestimmten Anzahl / Gruppe von Personen zugänglich ist. Auch ist in diesem Rahmen nicht relevant, dass die Beklagten nach eigenem Vortrag davon ausgegangen seien, dass die Schreiben aufgrund datenschutzrechtlicher Vorschriften nur im Rahmen ihres privaten Behördenverfahrens verwendet würden. Entscheidend ist, dass auch die Kommunikation zwischen einer Privatperson und einer Behörde Teil des Rechtsverkehrs ist, d.h. andere, dritte Parteien (natürliche und juristische Personen) außerhalb des geschützten privaten Bereichs der Beklagten Kenntnis von dem Verhalten nehmen konnten und sollten.

38

(bb) Die Verletzung ihrer Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten stellt sich dem Gericht als außerdienstliches Verhalten dar. Nach der gebotenen materiellen Betrachtung richtet sich die Bewertung eines Verhaltens als inner- oder außerdienstlich danach, ob es dem dienstlichen Aufgabenbereich des Beamten oder dem Bereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen ist. Außerdienstlich ist ein Verhalten, das sich als dasjenige einer Privatperson darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2011 – 1 D 55.99, juris, Rn. 57). Letzteres ist hier der Fall, weil die Beklagten die Schreiben als Privatpersonen gegenüber dem Sozialamt ... abgesendet haben.

39

(cc) Ein Verhalten außerhalb des Dienstes erfüllt gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den objektiven Tatbestand eines Dienstvergehens, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

40

Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das über eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, 1 D 20.00; juris). Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d. h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten, oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 12.12.2001, 1 D 4.01; Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; Urt. v. 28.07.2011, 2 C 16.10; VG Magdeburg, Urt. v. 27.11.2014, 8 A 5/14 MD; alle juris).

41

Mit der Neuregelung der tatbestandlichen Voraussetzungen des außerdienstlichen Dienstvergehens wollte der Gesetzgeber den Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen über die Stellung der Beamten Rechnung tragen. Demnach werden Beamte nicht mehr als Vorbild in allen Lebenslagen angesehen, die besonderen Anforderungen an Moral und Anstand unterliegen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). In Reaktion auf diese Rechtsprechung erwähnt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den Ansehensverlust nicht mehr. Die Vorstellung, dass der Beamte „niemals Privatmann“ sei, sondern auch außerhalb des Dienstes Beamter, der stets auf seine Amtsstellung Rücksicht zu nehmen habe, hat der Gesetzgeber zum Schutz der Privatsphäre des Beamten bewusst aufgegeben. Der Gesetzgeber wollte durch die gesetzliche Regelung zum Ausdruck bringen, dass von einem Beamten außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem Bürger erwartet wird. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Dienstvergehens im außerdienstlichen Bereich sollten durch besondere tatbestandliche Merkmale verschärft werden. Dies sollte in erster Linie für eine Vielzahl von Straßenverkehrsdelikten gelten (z. B. Trunkenheit im Verkehr; vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Bundesdisziplinarordnung, Schriftlicher Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucksache V/1693, zu Art. 2 § 2 Seite 10; BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 13.10; juris). In der Gesetzesbegründung wird hervorgehoben, dass die vorkonstitutionelle Auffassung, Beamte seien „immer im Dienst“, in dieser Allgemeinheit nicht mehr gelte. Es gehe allein um das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08 mit Verweis auf BT-Drs. 16/4027, S. 34 zu § 48 des Entwurfs; juris). Das Berufsbeamtentum soll eine stabile gesetzestreue Verwaltung sichern, die freiheitlich demokratische Rechtsordnung verteidigen und durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen. Das Vertrauen, dass der Beamte diesem Auftrag gerecht wird und dessen er zur Erfüllung seiner Aufgabe bedarf, darf der Beamte durch sein Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris).

42

Der somit zu fordernde Dienstbezug ist nicht allein in den Fällen gegeben, in denen der Beamte auf seinem Dienstposten mit gerade denjenigen Aufgaben befasst war, die Gegenstand des ihm zur Last gelegten außerdienstlichen Fehlverhaltens sind (BVerwG, Beschl. v. 21.12.2010 – 2 B 29.10, juris, Rn. 7). Der Bezug zwischen einer außerdienstlichen Pflichtverletzung und dem Dienstposten des Beamten besteht vielmehr, wenn die Pflichtverletzung bei fallbezogener Würdigung nachteilige Rückschlüsse auf die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zulässt oder wenn aufgrund des außerdienstlichen Verhaltens Zweifel bestehen, ob der Beamte seine innerdienstlichen Pflichten beachten wird. Die Dienstausübung ist auch betroffen, wenn zu befürchten ist, dass der Beamte wegen der gegen ihn bestehenden Vorbehalte nicht mehr die Autorität genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zwingend angewiesen ist. Ferner ist ein außerdienstliches Verhalten geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, wenn dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigt werden kann (BVerwG, Beschl. v. 21.12.2010 – 2 B 29.10, vgl. insbesondere zur Abgrenzung: VG Magdeburg, Urt. v. 30.03.2017 – 15 A 17/16; beide zitiert in juris)

43

Hieran gemessen haben die Beklagten dem für die Tätigkeit der Polizei unabdingbaren Vertrauen der Bevölkerung in ihre Bereitschaft, als Polizeibeamte jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten, nachhaltig durch das wiederholte Negieren der Gültigkeit des Grundgesetzes den Boden entzogen und damit unwiderruflich zerstört.

44

Das Leugnen der Existenz der Bundesrepublik als Staat und der davon ausgehenden staatlichen Gewalt schadet dem Ansehen der Polizei und der gesamten staatlichen Ordnung in besonderem Maße und ist mit dem konkret-funktionalen Amt der Beklagten als Polizeivollzugsbeamten nicht ansatzweise in Einklang zu bringen. Dies gilt umso mehr, als dass es sich beim Sozialamt des Landkreises ... um jene Organisationseinheit handelt, in der die Beklagten als Polizeibeamte auch dienstlich zuständig sind. Bei Polizeivollzugsbeamten in der Laufbahngruppe 2., deren Dienstposten regelmäßig mit verantwortungsvollen und Außenwirkung entfaltenden Aufgaben verbunden sind, ist gerade ein Höchstmaß an Integrität und vertrauensvoller Zusammenarbeit in Kooperation mit Behörden und den Organen der Strafrechtspflege erforderlich. Nach dem für das Disziplinargericht nachvollziehbaren Vortrag der Klägerin haben Dritte, nämlich die Mitarbeiter des Landkreises und der Landrat, das beamtenrechtlich relevante Verhalten der Beklagten als erheblich störend empfunden. Allein der Sprachgebrauch und die Wortwahl der Abhandlungen habe die Mitarbeiter derart schockiert, dass sie im Ausgangsverfahren nicht davon ausgehen durften, mit Vertretern des Staates zu kommunizieren. Auch innerhalb der Kollegenschaft gilt die vertrauensvolle Zusammenarbeit als unmöglich und erheblich geschädigt (vgl. Bl. 260 d.B.A.).

45

b) Die Beklagten haben gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Hierbei handelt es sich um eine innerdienstliche Pflichtverletzung (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG), denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (BVerwG. Urt. v. 12.03.1986, 1 D 103.84; Bayr. VGH, Urt. v. 28.11.2001, 16 D 00.2077; VG Berlin, Beschl. v. 05.04.2007, alle juris). Das erkennende Gericht hat bereits in dem Verfahren über die vorläufige Dienstenthebung (Beschl. v. 16.03.2015 - 8 B 2/15 MD; juris) hierzu ausgeführt:

46

"b. b. b.) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 22.05.1975, 2 BvL 13/73; juris) setzt die - für jede Art von Beamtenverhältnis geltende - Verfassungstreue bei Beamten mehr als nur eine formal-korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle sowie innerlich distanzierte Haltung gegenüber den wesentlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes voraus. Vielmehr ist der Beamte zur Aktivität verpflichtet, wie sich aus den Worten „bekennen“ und „eintreten“ ergebe. Demgegenüber stellt das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, keine Verletzung der politischen Treuepflicht dar. Der Tatbestand ist erst erfüllt, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerwG, Beschluss v. 17.05.2001, 1 DB 15/01; VG Münster, Urteil v. 19.02.2013, 13 J 1160/12.O; beide juris). Die daraus resultierende Pflicht umfasst auch die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Anschein zu erwecken, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu teilen oder zu fördern. Dabei darf sich der Beamte nicht passiv verhalten, da dies als stillschweigende Billigung des verfassungsfeindlichen Verhaltens gewertet werden könnte."

47

Nichts anderes gilt auch für das Disziplinarklageverfahren. Das Disziplinargericht hat keinen Zweifel, dass die Beklagten durch das Absenden der beiden Schreiben den deutlichen und eindeutigen Schein dafür gesetzt haben, dass sie sich zu einem Gedankengut bekennen, das der Bundesrepublik Deutschland als freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegensteht.

2.

48

Die Beklagten haben die Dienstvergehen vorsätzlich und schuldhaft begangen, wobei bereits Fahrlässigkeit genügt. Zur Überzeugung des Gerichts muss ihnen bewusst gewesen sein, dass ihr Verhalten, die Negierung der Bundesrepublik Deutschland und der mit ihr einhergehenden staatlichen Ordnung, ein schwerwiegendes Dienstvergehen darstellt. Beide Beklagten haben anlässlich ihrer beamtenrechtlichen Vereidigung folgende Eidesformel nachgesprochen:

49

"Ich schwöre, meine Kraft dem Volk und dem Land Sachsen-Anhalt zu widmen, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu wahren und zu verteidigen …"

50

Beide Beklagte sind Polizeikommissare mit langjähriger Dienst- und Berufserfahrung. Sie haben an der Fachhochschule in Aschersleben breit gefächerte Rechtskenntnisse in einem sechsmonatigen Lehrgang vermittelt bekommen, der insbesondere die Rechtsgebiete Verwaltungs- und Polizeirecht, sowie Staats- und Verfassungsrecht und öffentliches Dienstrecht enthielt. Ihnen muss daher die Verbindlichkeit der staatlichen Ordnung unter der Geltung des Grundgesetzes, und dass ihr Verhalten all dem entgegensteht, in besonderer Weise präsent gewesen sein.

51

Die Beklagten können sich auch nicht erfolgreich auf einen Verbotsirrtum berufen, indem sie im Wesentlichen übereinstimmend vortragen, der Zweck der Schreiben habe allein darin bestanden, den Landkreis ... von seinem rechtswidrigen Verhalten abzubringen, und dass sie sich – tatsächlich - in keiner Form Gedanken darüber gemacht hätten, dass die Versendung der Schreiben sie in den Verdacht bringen könnte, nicht für den Dienstherrn einzustehen ggf. sich nicht verfassungstreu zu verhalten.

52

Ein Verbotsirrtum liegt vor, wenn der Beamte zwar zutreffend den von ihm verursachten Geschehensablauf, der objektiv einen Dienstvergehenstatbestand erfüllt, erkennt, er jedoch glaubt, nicht pflichtwidrig gehandelt zu haben. Ein solcher Rechtsirrtum kann zwar das Unrechtsbewusstsein – und damit die Schuld – ausschließen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn er vermeidbar war. Die Vermeidbarkeit bestimmt sich nach der von dem Beamten nach seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten. Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt in der Regel keine juristisch genaue Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften und Verwaltungsanordnungen voraus. Es genügt, wenn der Beamte Umfang und Inhalt seiner auf diesen Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 01.04.2014 – OVG 81 D 2.12, juris, Rn. 47).

53

Unter Zugrundelegung dessen befanden sich die Beklagten nicht in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum. Das Gericht hat keinen Zweifel, dass angesichts des eindeutigen Inhalts der beiden Schreiben bereits für jeden Laien, und erst Recht für die Beklagten als langjährige Polizeivollzugsbeamte mit entsprechender Ausbildung, offensichtlich erkennbar sein musste, dass dieses Verhalten disziplinarrechtlich nicht folgenlos bleiben kann. Nichts anderes gilt im Hinblick auf ihren Vortrag, dass das vorgeworfene Verhalten Privatsache sei und nur ein "Trick", um sich der Inanspruchnahme durch das Sozialamt zu entziehen. Auch insoweit durften die Beklagten bei gehöriger Gewissensanstrengung nicht davon ausgehen, dass dieser "Trick" disziplinarrechtlich bei Entdeckung nicht geahndet werde. Die persönliche Vorstellung, dass das Verhalten und damit das Dienstvergehen nicht vom Dienstherrn entdeckt werde, steht einer schuldhaften Begehung nicht entgegen.

3.

54

Soweit sich die Beklagten auf ein Beweisverwertungsverbot berufen und unter Bezugnahme auf ein an sie gerichtetes Schreiben des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 17.06.2015 (vgl. Bl. 327 – 330 d. B.A.) vortragen, dass der Landkreis ... die Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 nicht hätte an den Dienstherrn weiterleiten dürfen, folgt das Disziplinargericht dem nicht. Das Disziplinargericht schließt sich insoweit den Ausführungen des OVG Sachsen-Anhalt im Beschluss vom 30.07.2015 (10 M 4/15) an. Darin heißt es:

55

"Soweit es die Weitergabe der Namen der Antragsteller an ihren Dienstherrn betrifft, ist bereits zweifelhaft, ob es sich insoweit um Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X handelte; selbst wenn man dies aber mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz so sähe und auch eine Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 SGB X ausschlösse, wäre sowohl die Übermittlung der Namen als auch diejenige der streitgegenständlichen Schreiben in Wahrnehmung eines berechtigten Interesses in Anlehnung an die Vorgaben des § 34 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 2013 -, zit. nach JURIS) gerechtfertigt.

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Im Gegensatz zur Auffassung des Landesbeauftragten für den Datenschutz begründeten die Schreiben durchaus eine gegenwärtige Gefahr für überragende Rechtsgüter der Allgemeinheit, mithin für solche, welche die im konkreten Fall anzunehmenden Persönlichkeitsinteressen der Antragsteller ganz erheblich überwiegen. Wie der Senat im Beschluss vom 21. Mai 2015 ausgeführt hat, haben beide Antragsteller mit ihren an das Sozialamt des Landkreises ... gerichteten Schreiben massiv gegen die beamtenrechtliche Grundpflicht zur Beachtung und zum Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verstoßen. Das dadurch gefährdete Rechtsgut der Allgemeinheit, nämlich das Vertrauen in die Integrität von Polizeibeamten und deren jederzeitiges Eintreten für die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes im Sinne des Art. 20 GG, hat deutlichen Vorrang vor dem Singularinteresse einzelner Beamter, dass von ihm an eine Verwaltungsbehörde gerichtete Schreiben mit der Negierung der Geltung des Grundgesetzes sowie der Existenz der Bundesrepublik Deutschland überhaupt der Kenntnisnahme durch seinen Dienstherrn vorenthalten werden.

57

Selbst wenn man aber von einem Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen ausgehen sollte, so würde dieser nicht gleichsam automatisch zu dem von den Antragstellern behaupteten Beweisverwertungsverbot führen. Es ist im Bereich des – hier über § 3 DG LSA anwendbaren – allgemeinen Verwaltungsrechts anerkannt, dass zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter auch die Verwertung etwa rechtswidrig erhobener Beweise zulässig sein kann. Dabei ist jeweils eine Güterabwägung vorzunehmen, die vor allem dann zu einer Verwertbarkeit der Beweise führen kann, wenn dies aus überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls geboten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. § 98 Rdn. 3). Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist nicht erkennbar, dass die Übermittlung der hier zugrunde liegenden Schreiben der Antragsteller an ihren Dienstherrn angesichts des im Raum stehenden Vorwurfs einer ganz erheblichen Verletzung von beamtenrechtlichen Kernpflichten – Negieren der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der darauf basierenden staatlichen Institutionen – unverhältnismäßig in deren Persönlichkeitsrechte eingegriffen hätten."

4.

58

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie dem Umfang der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist regelmäßig dann auszusprechen, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen, das für die weitere dienstliche Tätigkeit notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit endgültig zerstört hat (vgl. nur: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; beide juris).

59

Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarkammer die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts als einem Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Die Disziplinargerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urt. v. 27.10.2011, 8 A 2/11 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urt. v. 29.03.2012, 2 A 11/10, OVG Lüneburg, Urt. v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; zuletzt ausführlich; VG Magdeburg, Urt. v. 17.10.2013, 8 A 6/13 und Urt. v. 30.03.2017 – 15 A 17/16, alle juris).

60

Haben die Beklagten – wie hier – mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen - bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung. Eine derartige Abstufung kann im vorliegenden Falle nicht vorgenommen werden, weil die zwei Pflichtenverstöße, d.h. das Schreiben vom 05.05.2014 und das Schreiben vom 21.05.2014 vergleichbar schwer wiegen (vgl. zur Abgrenzung: VG Magdeburg, Urt. v. 30.03.2017, 15 A 17/16; juris).

61

An diesen Vorgaben gemessen wiegen die von den Beklagten begangenen Dienstvergehen so schwer, dass die disziplinare Höchstmaßnahme jeweils indiziert ist.

62

Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten haben angesichts dessen, dass die Grundfeste der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch die Beklagten in sprachlich eindeutiger Weise negiert werden, ein immenses Gewicht. Die Beklagten haben mit ihrem Verhalten für einen objektiven Betrachter zweifelsfrei und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass in ihren Augen das Grundgesetz ungesetzlich und die darauf basierenden Gesetzte nichtig seien. Mit diesem Verhalten haben sie zur Überzeugung des Gerichts sowohl das Vertrauen der Allgemeinheit als auch das Vertrauen des Dienstherrn in eine künftige ordnungsgemäße Pflichtenerfüllung ihrerseits vollständig, eklatant und unwiderruflich zerstört. Hierbei ist zu beachten, dass Polizeibeamte – wie die Beklagten – der Öffentlichkeit gegenüber besonders augenfällig als Vertreter des Staates auftreten und insoweit eine Negation der Grundordnung durch diese auch besonders schwer wiegt. Dies gilt umso mehr, als dass es sich nicht um eine einmalige Verfehlung handelt, sondern die Beklagten im Abstand von circa zweieinhalb Wochen in vergleichbar schwerwiegender Weise vorsätzlich und schuldhaft gegen ihre Pflichten verstoßen haben.

63

Hierbei verkennt das Disziplinargericht keinesfalls, dass bei den Beklagten über den disziplinarrechtlich relevanten Anschein der Verfassungsuntreue hinaus verfassungswidrige Tendenzen tatsächlich nicht festgestellt werden konnten und auch diese von der Klägerin nicht behauptet worden sind. Es ist weder bekannt, dass die Beklagten in den Kreisen der sogenannten "Reichsbürgerbewegung" verkehren, worauf der Inhalt und die Wortwahl der Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 zunächst schließen lassen könnten, noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagten das in den Schreiben zum Ausdruck kommende verfassungsfeindliche Gedankengut sonst an anderer Stelle geäußert hätten oder dies an anderer Stelle oder zu anderer Zeit verbreitet hätten. Zwar mag es fraglich bleiben, wie die Beklagten im Internet gerade auf die einschlägigen Vordrucke, die das Gericht eindeutig dem Kreis der sog. "Reichsbürgerbewegung" zuordnet, aufmerksam geworden sein wollen, wenn sie diesen Kreisen nach eigenen Angaben nicht angehören und mit diesen vorher – nach eigenen Angaben – auch keine eigenen Erfahrungen gemacht haben wollen. Dass sie hierauf durch schlichtes "googeln" gestoßen seien, wobei sie dem Gericht in der mündlichen Verhandlung weder Suchstichworte noch andere valide Anhaltspunkte für ihre Suche nennen konnten, hält das Gericht zumindest für fraglich. Dessen ungeachtet ist für das Gericht die Zuordnung der Beklagten in die sog. "Reichsbürgerbewegung" aber auch nicht erforderlich, um die Entfernung aus dem Dienst zu rechtfertigen.

64

Vielmehr ist für das Disziplinargericht entscheidend, dass die Beklagten als Polizeibeamte, deren Kernaufgabe gerade der Schutz und die Gewähr der freiheitlich demokratischen Grundordnung – insbesondere des Grundgesetzes – ist, diese freiheitlich demokratische Grundordnung in ihr persönliches Belieben gestellt und eigenen, privaten Zwecken (Entziehung der Inanspruchnahme durch das Sozialamtes) untergeordnet haben. Es lässt auf eklatante Persönlichkeitsmängel schließen, wenn – wie hier - gut ausgebildete in der Laufbahngruppe 2 befindliche Polizeikommissare mit einem breiten Maß an Lebens- und Berufserfahrung sich entscheiden, der Verpflichtung zur Zahlung von Elternunterhalt durch einen unseriösen "Trick" zu entziehen und dies nicht, indem sie ihre verwaltungsrechtlichen Erfahrungen und ihre fachlichen Kompetenzen auf einem geläufigen Rechtsweg beschreiten, sondern freiwillig eine Lösung favorisieren, die unverkennbar außerhalb der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik liegt.

65

Gewichtige Milderungsgründe, die zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen sind und den Schluss rechtfertigen, dass das ihnen vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig verloren ist und daher (noch) eine Disziplinarmaßnahme "unterhalb" der Entfernung gerechtfertigt ist, liegen nicht vor.

66

Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschläge bedingten Lebensphase. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall wie ein besonderes Nachtatverhalten die Schwere der Verfehlung mildern. Zeitlich überlange Disziplinarverfahren können wegen des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes und der mit dem Disziplinarverfahren verbundenen persönlichen Belastungen jedenfalls bei Maßnahmen der Pflichtenmahnung berücksichtigt werden. Entlastungsgründe können sich aber zum anderen auch aus allen Besonderheiten ergeben, die es im Einzelfall wegen der persönlichkeitsbedingten an § 13 DG LSA zu orientierenden Prognoseentscheidung gebieten, von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen Abstand zu nehmen. Auch eine dienstliche Überlastung kann einen Milderungsgrund darstellen (VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; juris).

67

Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris). Diese müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11, v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; alle juris).

68

In diesem Sinne durchgreifende besondere Umstände, die ein Absehen von der schwerwiegendsten und eine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen würden, vermag das Disziplinargericht vorliegend nicht zu erkennen.

69

Anders als sich die Situation dem Disziplinargericht im Rahmen des erstinstanzlichen Eilverfahrens darstellte, haben die Beklagten auch nicht lediglich einmalig, sondern wiederholt – nämlich mit Schreiben vom 21.05.2015 und vom 05.05.2014 – ihre verfassungswidrige Auffassung nach außen vertreten. Zur Überzeugung des Gerichts kann daher nicht entlastend von einer einmaligen Kurzschlusshandlung ausgegangen werden oder davon, dass sich die Beklagten nicht auch intensiv (genug) mit den verwendeten Vordrucken beschäftig hätten und daher die Tragweite ihrer Äußerungen nicht vor Augen gehabt hätten. Denn dagegen spricht nicht nur die Absendung zweier entsprechend offenkundig einschlägiger Schreiben, sondern auch, dass dies nicht kurz hintereinander, sondern zeitversetzt über zweieinhalb Wochen erfolgte. Zudem spricht dagegen, dass die Beklagten die im Schreiben vom 05.05.2014 verwendete "juristische Aufklärung" an besonders relevanter Stelle händisch unterstrichen ("verwaltungsrechtlich … gerichtsverfassungsrechtlich NICHT der BRD untersteht") und den Vordruck für das Schreiben vom 21.05.2014 inhaltlich verändert haben. So haben sie im Vordruck die Adress- und Betreffzeile individualisiert und die Subjekte "ich" durch "wir" ersetzt. Auch wenn es sich hierbei um keine materiellen Änderungen des Inhaltes handelt, ist dennoch zweifelsfrei erkennbar, dass sie – um die Änderungen konsequent durch das gesamte Dokument vorzunehmen – das gesamte Dokument gewissenhaft gelesen, durchdacht und sich damit identifiziert haben mussten. Auch hat der Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er beide Schreiben zusammen aus dem Internet "gezogen" habe und nicht etwa zuerst nur den Vordruck aus dem Schreiben vom 05.05.2014 und dann zweieinhalb Wochen später den Vordruck für das Schreiben vom 21.05.2014. Die Beklagten mussten daher bereits beim Abfassen des Schreibens vom 05.05.2014 eine Abwägung getroffen haben, welchen Vordruck sie als erstes verwenden würden. Der Beklagte zu 2) gab zudem in der mündlichen Verhandlung an, dass er den Vordruck für das Schreiben vom 21.05.2014 auch gerade im Hinblick für eine spätere Verwendung abgelegt hatte. Auch insoweit ist daher keinesfalls von einer Kurzschlussreaktion auszugehen.

70

Entlastend kann zur Überzeugung des Gerichts auch nicht berücksichtigt werden, dass die Beklagten nach eigenen – und unbestrittenen – Angaben wirtschaftlich und psychisch aufgrund der Inanspruchnahme durch das Sozialamt, der Pflege der Mutter der Beklagten zu 1) und auch einer beruflich angespannten Situation der Beklagten zu 1) stark belastet waren und insofern eine psychische Ausnahmesituation vorgelegen hätte. Dieser Milderungsgrund greift dann, wenn für den Betreffenden eine schockartig ausgelöste vorübergehende psychische Ausnahmesituation bestanden hat. Eine solche Situation wird in aller Regel hervorgerufen durch den plötzlichen, unvorhergesehenen Eintritt eines Ereignisses, das gemäß seiner Bedeutung für die besonderen Lebensverhältnisse des Betroffenen bei diesem einen seelischen Schock auslöst, der zu einem für einen derartigen Schockzustand typischen Fehlverhalten des Betroffenen führen kann und der den Beamten so aus der Bahn wirft, dass er nicht mehr in der Lage ist, entsprechend den sonst gegebenen Wertvorstellungen und Hemmschwellen zu handeln (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 10.12.2003 – 14 A 3222/04, juris m.w.N.) Für eine derartige plötzliche Schocksituation sind vorliegend keinerlei Gesichtspunkte erkennbar. Die Heranziehung zur Nachzahlung des Elternunterhaltes war den Beklagten bereits lange vor dem relevanten Schriftverkehr im Mai 2014 bekannt und kam somit nicht plötzlich.

71

Entlastend kann auch nicht das Nachtatverhalten der Beklagten herangezogen werden. Diese haben zwar im Nachgang der Tat vorgetragen, dass sie verfassungstreu seien und ihnen die Verwendung der Formblätter "leid tue". Auch in der mündlichen Verhandlung haben sie geäußert, dass ihr Verhalten ein Fehler gewesen sei. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs haben sie diese Einsicht und Reue jedoch zum einen nicht unmittelbar nach der Tat gezeigt, sondern erst als absehbar war, dass ihr Verhalten disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. So hat die Beklagte zu 1) im Rahmen eines anlassbezogenen Gesprächs mit dem Revierleiter, Herrn POR G…, vom 05.09.2014, d.h. circa ein viertel Jahr später, ausgeführt, dass die Angelegenheit Privatsache sei. Die Ausführungen, welche seit 2006 rechtlich abgesichert seien, habe sie aus dem Internet. Die verwendeten Darstellungen habe sie als "Trick" benutzt, um den Forderungen des Sozialamtes nicht nachkommen zu müssen. Zudem sehe sie nicht ein, dass ihr Mann für die Schulden ihres Vaters aufkommen solle (Bl. 15 f. d. B.A.).

72

Entlastend kann ferner nicht berücksichtigt werden, dass den Beklagten die Tragweite der disziplinarrechtlichen Konsequenzen nicht bewusst gewesen sei. Denn relevant ist insoweit nur, dass ihnen (wie oben ausgeführt) bewusst sein musste, dass sie ein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten ausüben. Nicht relevant ist hingegen, dass sie das Ausmaß der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme (Entfernung aus dem Dienst als Höchstmaßnahme) nicht in Betracht gezogen haben.

73

Somit kann entlastend nur berücksichtigt werden, dass die Beklagten disziplinarrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten sind. Dies genügt jedoch nicht, um das zerstörte Vertrauen zum Dienstherrn wiederherzustellen und deshalb von der Höchstmaßnahme abzusehen.

74

In der Gesamtschau ist durch das schwere Dienstvergehen ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten, der die Beklagten im Beamtenverhältnis als untragbar erscheinen lässt.

75

Die nach alledem dienstrechtlich notwendige Entfernung aus dem Dienst verstößt nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Denn diese disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist die einzige Möglichkeit, die durch den Dienstherrn sonst nicht lösbaren Dienstverhältnisse einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für die Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf einem ihnen zurechenbaren Verhalten (BVerwG, Urt. v. 21.06.2000, 1 D 49.99; juris).

III.

76

Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 1 Satz 1 DG LSA. Das Verfahren ist gem. § 73 Abs. 1 Satz 1 gebührenfrei.


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