Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 E 187/17

Gründe

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Die gemäß §§ 165, 151 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung der Antragsgegnerin und Erinnerungsführerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 12. Januar 2017 ist unbegründet. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat zu Recht auf Antrag des Erinnerungsgegners beschlossen, dass die Erinnerungsführerin dem Erinnerungsgegner für das Verfahren 3 B 52/16 MD Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro nebst Zinsen zu erstatten hat.

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Das Gericht hat mit Beschluss vom 21. April 2016 unter dem Aktenzeichen 3 B 52/16 MD auf Antrag des Erinnerungsgegners nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO seinen Beschluss vom 17. Dezember 2015 (Az. 3 B 525/15 MD) geändert, indem es die aufschiebende Wirkung der vom Erinnerungsgegner in der Hauptsache erhobenen Klage (Az. 3 A 524/15 MD) gegen die im Bescheid der Erinnerungsführerin vom 26. November 2015 angeordnete Abschiebung nach Polen angeordnet hat. Im Beschluss vom 17. Dezember 2015 hatte das Gericht den Antrag des Erinnerungsgegners nach § 80 Abs. 5 VwGO noch abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO hat das Gericht gemäß § 154 Abs. 1 VwGO der in diesem Verfahren unterlegenen Erinnerungsführerin auferlegt. Zu den danach von der Erinnerungsführerin zu tragenden Kosten gehören nach § 162 Abs. 1 und 2 Satz 1 VwGO auch die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts des obsiegenden Beteiligten, hier des Antragstellers und Erinnerungsgegners. Diese sind dem Erinnerungsgegner im vorliegenden Fall ungeachtet des Umstandes zu erstatten, dass der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsgegners diesen auch schon im – erfolglosen – Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vertreten hat.

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Zwar weist die Erinnerungsführerin zutreffend darauf hin, dass nach § 16 Nr. 5 RVG das Verfahren über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren über deren Abänderung oder Aufhebung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit sind und Gebühren in derselben Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG nur einmal gefordert werden dürfen. Daher kann der bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig gewordene Prozessbevollmächtigte für das nachfolgende Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erneut eine Verfahrensgebühr nach Ziffer 3100 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) beanspruchen und eine Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Ziffer 7002 VV-RVG gesondert verlangen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 24. April 2007 - 22 M 07.4006 -, juris; siehe auch BVerwG, Beschl. v. 23. Juli 2003 - 7 KSt 6.03, 7 VR 1.02 -, juris, zur entsprechenden Rechtslage nach den bis zum 30. Juni 2004 geltenden § 114 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 40 Abs. 2 BRAGO). Hintergrund der Regelung des § 16 Nr. 5 RVG ist, dass der Rechtsanwalt, der bereits in einem Verfahren über einen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung tätig war, in einem Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit benötigt, sondern vielmehr ohne Weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann (BayVGH, Beschl. v. 24. April 2007 - 22 M 07.4006 -, a. a. O.).

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Der Umstand, dass ein Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nur einmal eine Vergütung verlangen kann, besagt jedoch nichts darüber, wer diese Gebühren zu erstatten hat. Für die hier allein streitgegenständliche Frage der im Verhältnis der Beteiligten zueinander zu erstattenden Kosten ist vielmehr die in dem jeweiligen Verfahren ergangene gerichtliche Kostengrundentscheidung maßgebend. Denn das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 164 VwGO bildet nur die zahlenmäßige Ergänzung der vorangegangenen Kostenentscheidung auf Antrag eines Beteiligten (vgl. BayVGH, Beschl. v. 3. Juni 2009 - 6 C 07.565 -, juris). Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und nach § 80 Abs. 7 VwGO prozessual zwei selbständige Verfahren mit unterschiedlichen Gegenständen darstellen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25. August 2008 - 2 VR 1.08 -, juris; OVG LSA, Beschl. v. 1. März 2010 - 4 M 223/09 -, juris). Gegenstand des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO ist eine Neuregelung für die Zukunft, nicht aber die Überprüfung der nach § 80 Abs. 5 VwGO getroffenen Entscheidung. In beiden Verfahren können dementsprechend entgegengesetzte Entscheidungen ergehen, die dann auch unterschiedliche Kostenlasten zur Folge haben. Hiervon ausgehend kann jeder aus der für ihn günstigen Entscheidung die Erstattung seiner Kosten verlangen. Dass ein Rechtsanwalt die Gebühren wegen der gebührenrechtlichen Zusammenfassung beider Verfahren in § 16 Nr. 5 RVG als eine Angelegenheit gegenüber seinem Mandanten nach § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG nur einmal geltend machen kann, steht dem nicht entgegen (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13. Februar 2017 - 11 B 769/15.A -, juris, mit Nachweisen zu der gegenteiligen Rspr. einiger Verwaltungsgerichte; VG Halle (Saale), Beschl. vom 11. Januar 2011 - 3 B 128/10 -, zitiert nach juris; VG München, Beschl. v. 12. August 2013 - M 17 M 13.30186 -, juris; VG Stuttgart, Beschl. v. 29. April 2014 - A 7 K 226/14 -, juris). Die Rechtsanwaltsgebühren fallen mit jeder Tätigkeit, die Voraussetzung für ihr Entstehen ist, erneut an. Ob sie tatsächlich auch gegenüber dem Mandanten geltend gemacht werden können oder ob dem etwa der Grundsatz der Einmalvergütung des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG entgegensteht, ist eine hiervon zu trennende Frage und für die Kostenerstattung im Verhältnis der Beteiligten untereinander ohne Belang (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13. Februar 2017 - 11 B 769/15.A -, a. a. O.). Es ist nicht ersichtlich, dass Zweck des § 16 Nr. 5 RVG auch die Freistellung des in einem der beiden Verfahren unterlegenen anderen Beteiligten entgegen der dort gerichtlich getroffenen Kostengrundentscheidung ist.

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Anders als die Erinnerungsführerin meint, wird dem Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsgegners bei dieser Betrachtung auch keine Art Wahlrecht dahingehend eingeräumt, ob er seinen Gebührenanspruch im Ausgangsverfahren seinem Mandanten oder bei einem erfolgreichen Abänderungsantrag ihr – der Erinnerungsführerin – gegenüber geltend macht. Die Erinnerungsführerin verkennt hierbei, dass der Prozessbevollmächtigte die Kostenfestsetzung nicht in eigenem Namen und aus eigenem Recht, sondern für seinen Mandanten beantragt. Dementsprechend findet eine Kostenfestsetzung auch nicht zugunsten des Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsgegners statt. Wie auch unmissverständlich im Tenor des im Wege der Erinnerung angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschlusses zum Ausdruck kommt, sind die Kosten vielmehr „an den Antragsteller“ – hier dem Erinnerungsgegner – zu erstatten.

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Im Rahmen der ggf. in beiden Verfahren zu treffenden Entscheidung nach § 164 VwGO über die im Verhältnis der Beteiligten zueinander zu erstattenden Kosten ist dem Grundsatz der Einmalvergütung aus § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG allerdings zum einen dadurch Rechnung zu tragen, dass eine Kostenfestsetzung hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten insgesamt nur bis zur Höhe des Betrages erfolgt, den der jeweils erstattungsberechtigte Beteiligte im Innenverhältnis seinem Prozessbevollmächtigten schuldet. Zum anderen muss im Rahmen der das Abänderungsverfahren betreffenden Kostenfestsetzung Berücksichtigung finden, ob und inwieweit bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Kostenfestsetzung zugunsten des im Abänderungsverfahren Obsiegenden stattgefunden hat (vgl. VG Halle (Saale), Beschl. vom 11. Januar 2011 - 3 B 128/10 -, a. a. O. [m. w. N.]). Unbeachtlich ist hingegen, ob der eine Kostenerstattung begehrende Beteiligte – etwa im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO mangels für ihn günstiger Kostenentscheidung – an seinen Prozessbevollmächtigten bereits eine Vergütung geleistet hat. Denn dieser Umstand betrifft allein das Innenverhältnis zwischen dem Beteiligten und seinem Prozessbevollmächtigten. Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens ist aber – wie dargestellt – die Frage der Kostenerstattung der Beteiligten untereinander (vgl. hierzu VG Augsburg, Beschl. v. 29. August 2002 - Au 4 S 01.30125 -, juris).

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In Anwendung dieser Maßstäbe hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die vom Erinnerungsgegner für das Abänderungsverfahren geltend gemachten – von der Erinnerungsführerin lediglich dem Grunde, nicht aber der Höhe nach beanstandeten – Rechtsanwaltskosten zutreffend festgesetzt. Eine Kostenfestsetzung zugunsten des Erinnerungsgegners hat im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht stattgefunden, da dessen Antrag zunächst abgelehnt worden ist und er dementsprechend auch die Kosten dieses Verfahrens zu tragen hatte.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 GKG gerichtsgebührenfrei. Im Kostenverzeichnis der Anlage 1 zum GKG ist diesbezüglich ein Ansatz von Gerichtsgebühren nicht vorgesehen. Hiervon ausgehend bedarf es auch keiner Streitwertfestsetzung.


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