Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (7. Kammer) - 7 B 985/17

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Sofortvollzug eines Bescheides, mit welchem eine Verwaltungsgebühr sowie Auslagen für die Überlassung von Akten festgesetzt worden sind.

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Mit Bescheid vom 30.08.2017 setzte die Beklagte gegenüber der … GmbH in F. Kosten für eine technische Hilfeleistung der Freiwilligen Feuerwehr A-Stadt zur Beseitigung von ausgelaufener Flüssigkeit i. H. v. 2.110,91 € fest.

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Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 13.09.2017 namens und in Vollmacht der … GmbH Widerspruch ein. Ferner beantragte die Antragstellerin Akteneinsicht in die gesamte Verfahrensakte sowie in die Satzung über die Erhebung von Kostenersatz und Gebühren bei Einsätzen der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt A-Stadt nebst den Kalkulationsunterlagen. Die Antragstellerin bat darum, die Akte und die anderen Unterlagen in ihre Kanzleiräume zur Ansicht zu übersenden.

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Mit dem hier streitigen Gebührenbescheid vom 18.09.2017 setzte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin für die Überlassung von Akten Verwaltungskosten i. H. v. 39,00 € sowie für Kopien 6,50 € und für Postgebühren für ein Einschreiben mit Rückschein 6,10 € fest, mithin insgesamt 51,60 €. Hinsichtlich der Tarifstelle – Überlassung von Akten – wurde der Stundensatz für einen Beamten der Laufbahngruppe 1 und vergleichbare Angestellte je Stunde i. H. v. 39,00 € angesetzt.

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Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22.09.2017, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 25.09.2017, Widerspruch ein und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides. Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, dass der Gebührenbescheid offensichtlich rechtswidrig und daher aufzuheben sei.

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Unter dem 28.09.2017 lehnte die Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung ab. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass der Antragstellerin mit Bescheid vom 18.09.2017 für die Überlassung der Akten, das Paginieren, den Kopiervorgang für 28 Seiten und die Fristsetzung der Stundensatz für die Bearbeiterin sowie die Kosten für die Fotokopien und das Porto als Auslagen auferlegt worden seien. Rechtsgrundlage sei die Verwaltungskostensatzung der Stadt A-Stadt. Die festgesetzten Gebühren begegneten dem Grunde und der Höhe nach keinen Anlass zu Zweifeln.

7

Am 16.10.2017 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt sie aus, dass sie bereits die falsche Adressatin des Bescheides sei. Adressat eines Bescheides könne derjenige sein, der die begehrte Verwaltungshandlung verursacht habe. Sie sei hier als Vertreterin eines Dritten aufgetreten. Ein Vertreter könne jedoch nicht selbst Kostenschuldner hinsichtlich einer Verfahrenshandlung sein. Denn diese Verfahrenshandlung erfolge, selbst wenn der Bevollmächtigte diese prima facie durch sein Tätigwerden verursacht habe, regelmäßig im Auftrag und den Namen des dahinter stehenden Mandanten. Der Mandant allein sei Beteiligter des Verfahrens. Zudem sei der Bescheid rechtswidrig, da er auf der Grundlage einer unwirksamen, da nichtigen Rechtsgrundlage ergangen sei. Verschiedene Regelungen der Kostensatzung der Antragsgegnerin seien nicht bestimmt genug. Ferner seien die dem Gebührenbescheid zugrundeliegenden Kosten der Höhe nach nicht gerechtfertigt und daher im hilfsweise angefochtenen Umfang rechtswidrig. Wenn die Antragsgegnerin die Originalakte versende und sich für ihre eigenen Arbeiten einen Retent mittels Kopien anfertige, so liege dies in ihrer Sphäre und könne der Antragstellerin nicht entgegengehalten werden. Zudem könne die Antragsgegnerin nicht Postgebühren für ein Einschreiben mit Rückschein i. H. v. 6,10 € beanspruchen. Es möge sein, dass die Antragsgegnerin dadurch, dass sie die Originalakte versandt habe, habe sicherstellen wollen, dass diese nicht verloren gehe und eine solche Versandweise gewählt habe. Dies sei jedoch nicht durch die Antragstellerin veranlasst worden. Denn dieser hätte es genügt, wenn sie zur Bearbeitung die Kopie der Akte bekommen hätte, sofern sichergestellt worden sei, dass diese Kopie den gesamten Verfahrensgang widerspiegele. Diese Kopie hätte ebenso wie die Originalakte auch durch normale Post versandt werden können. Ein solches Verfahren würden auch viele Behörden und Gerichte so handhaben. Es sei auch nicht notwendig und erforderlich, dass ein Beamter der Laufbahngruppe 1 oder ein vergleichbarer Angestellter mit einem Stundensatz von 39,00 € mit für die hinsichtlich der konkreten Akteneinsicht notwendigen und erforderlichen Tätigkeiten für eine Stunde beschäftigt gewesen seien. Für den Fall, dass es tatsächlich notwendig gewesen sei, dass mit dem Versand der Akte ein derart qualifizierter Mitarbeiter der Antragsgegnerin zu beschäftigen gewesen wäre, sei der erhobene Zeitaufwand viel zu hoch. Zugrunde zu legen sei selbst bei einer großzügigen Einschätzung die Dauer von einer halben Stunde.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25.09.2017 gegen den Gebührenbescheid 02/2017 vom 18.09.2017 anzuordnen,

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hilfsweise,

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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25.09.2017 gegen den Gebührenbescheid 02/2017 vom 18.09.2017 insoweit anzuordnen, als die festgesetzte Gebühr einen Betrag von 19,50 € übersteigt.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen.

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Zur Begründung führt sie aus, dass das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht das öffentliche Interesse am Vollzug des Kostenbescheides überwiege. Die festgesetzten Gebühren setzten sich zusammen aus den Personalkosten für 50 Minuten (Stundensatz 39,00 €) für eine mit dieser Aufgabe betraute Angestellte der Entgeltgruppe 6 (Sachbearbeiterin im Ordnungs- und Einwohnermeldeamt, entspreche Laufbahngruppe 1 der Beamten). Die Kosten seien angesetzt worden für folgende Tätigkeiten: Akte paginieren, kopieren, zusammenstellen, Gebührenhöhe anhand Anzahl der Kopien berechnen, Gebührenbescheid nach Anwendung der Satzungsregelungen erstellen, separates Anschreiben fertigen, Kassenanordnung anfertigen, Vorgang zur Mitzeichnung der Amtsleiterin vorlegen und Akte zum Postausgang verbringen. Der Einsatz einer Mitarbeiterin, die als Sachbearbeiterin im Ordnungsamt tätig sei und mit der Entgeltgruppe 6 eingruppiert sei, stelle keine Überqualifikation dar. Im Übrigen liege der Einsatz entsprechend qualifizierter Mitarbeiter in der Personalhoheit des Bürgermeisters. Sowohl der Zeitaufwand als auch die Erhebung der Auslagen seien durch die §§ 2 Abs. 2 i. V. m. § 6 der Verwaltungskostensatzung sowie die Ziffern 4./4.3. und 4.4 der Anlage zur Satzung abgedeckt und stünden in keinem offenkundigen Missverhältnis. Das Anfertigen von Kopien erfolge regelmäßig, um den Verlust von Originalakten, selbst bei versichertem Versand auszuschließen. Der Antragstellerin habe es im Übrigen freigestanden, alternativ Akteneinsicht in den Büroräumen der Stadt A-Stadt zu nehmen. Die Antragstellerin sei auch als Kostenschuldnerin im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung in Anspruch zu nehmen, da sie zur Verwaltungstätigkeit Anlass gegeben habe. Die Ausführungen der Antragstellerin seien nicht überzeugend, da die Antragstellerin als Bevollmächtigte die Kosten für die Akteneinsicht mit den eigenen Kosten an die Mandantschaft regelmäßig weitergebe. Gegen die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Verwaltungskostensatzung der Stadt A-Stadt bestünden keine Bedenken. Die Satzung enthalte alle in § 2 Abs. 1 KAG LSA verlangten Tatbestände. Der Gebührenbescheid sei sowohl formell als auch materiell rechtmäßig und verletze die Antragstellerin daher nicht in ihren Rechten.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und der Gerichtsakte verwiesen.

II.

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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – auf Anordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Erhebung einer Verwaltungsgebühr und Auslagen für die Überlassung von Verwaltungsakten ist zulässig und begründet.

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In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO obliegt dem Gericht eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Diese Interessenabwägung ist, da der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung kraft Gesetzes besteht, in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO vorzunehmen. Danach ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn dessen Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

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Gemessen an diesen Maßstäben hat der Antrag Erfolg. Der angegriffene Kostenbescheid der Antragsgegnerin vom 18.09.2017 erweist sich nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

19

Als Rechtsgrundlage für die Erhebung der Verwaltungsgebühr und Auslagen können nur die §§ 1, 2 Abs. 1 und 2, 6 und 7 der Verwaltungskostensatzung der Antragsgegnerin vom 24.02.2010 in der Fassung der Änderungssatzung vom 21.04.2010 herangezogen werden.

20

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es dabei zunächst nicht ausgeschlossen, dass sie als Veranlasser der hier streitigen Amtshandlung angesehen werden kann. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ist derjenige zur Zahlung der Kosten verpflichtet, der die Amtshandlung veranlasst hat.

21

Für die hier allein maßgebliche Amtshandlung der Übersendung des Verwaltungsvorganges kommt es zunächst nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Akteneinsicht als solche gewährt wurde. Denn Akteneinsichtsrechte als solche schließen die Aktenzusendung grundsätzlich nicht ein. Das Akteneinsichtsrecht beschränkt sich auf die Einsichtnahme bei der zur Gewährung von Akteneinsicht verpflichteten Stelle. § 29 Abs. 3 VwVfG enthält diesen allgemein geltenden Grundsatz für das Verwaltungsverfahren. Danach erfolgt die Akteneinsicht bei der Behörde, die die Akten führt. Für über die Akteneinsicht bei der Behörde hinausgehende zusätzliche Leistungen enthält die Vorschrift damit keine Grundlage.

22

Wird zur Gewährung von Akteneinsicht die Versendung der Akten beantragt und gewährt, erfolgt diese als zusätzliche Leistung der Behörde (oder des Gerichts). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Anspruch auf die beantragte Akteneinsicht auf einer Regelung beruht, die - wie §§ 147 StPO, § 100 VwGO - die Aktenzusendung weder ausdrücklich als Ausnahme von der Akteneinsicht bei der Behörde vorsieht, noch die zur Gewährung der Akteneinsicht verpflichtete Stelle dazu ermächtigt, Ausnahmen zuzulassen. In solchen Fällen handelt es sich bei einer dennoch erfolgten Zusendung der Akten um eine, von der Akteneinsicht als solche zu unterscheidende und von der gesetzlichen Regelung nicht umfasste zusätzliche Leistung. Diese Leistung kann - unabhängig davon, ob die Akteneinsicht als solche kostenfrei ist - immer auch Grundlage eines eigenständigen Gebührentatbestandes sein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.03.2016 – 5 S 2450/12 –, juris zu § 28 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffer 9003 des Kostenverzeichnisses zum GKG; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.10.2013 – 11 S 1720/13 –, juris zu § 29 VwVfG, jeweils m. w. N.).

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Der Gebührenansatz dürfte nach summarischer Prüfung jedoch überhöht sein, da behördliche Handlungen wie das Herstellen einer Aktenkopie und das Paginieren der Verwaltungsakte nicht in die Bemessung des Verwaltungsaufwandes eingestellt werden dürfen, da es sich jeweils nicht um der Antragstellerin zurechenbare öffentliche Leistungen i. S. d. § 1 Abs. 1 der Verwaltungskostensatzung der Antragsgegnerin handelt, sondern um solche, die ohne Weiteres und ohne Veranlassung von der Behörde vorzunehmen sind. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. §§ 29, 79 VwVfG ist - mittelbar - eine Verpflichtung zum Führen der Akten zu entnehmen. Diese Pflicht gewährleistet das durch Art. 19 Abs. 4 GG geschützte rechtliche Gehör, indem ein Beteiligter eines Verwaltungsverfahren anhand der zu führenden Verwaltungsakte durch Akteneinsicht sich davon überzeugen kann, ob die gegen ihn angestrebten Maßnahmen rechtmäßig sind. Er wird in die Lage versetzt, seine Sichtweise geltend machen und die Erfolgsaussicht von Rechtsbehelfen prüfen zu können. Das Gebot der Aktenmäßigkeit, also die Verpflichtung zum Führen von Akten, umfasst daher auch das Gebot der Vollständigkeit der Akten und der Aktenerhaltung sowie das Verbot der Aktenverfälschung (zu alledem Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl., § 29 Rdnr. 29f.). Letzteres soll eine wahrheitsgetreue Aktenführung gewährleisten. Hierzu gehört auch das fortlaufende Paginieren der Behördenakten. Es stellt u. a. sicher, dass die Akte nicht vor einer Akteneinsicht verändert werden kann, indem unpaginierte Bestandteile der Akte entfernt oder hinzugefügt werden. Folglich kann das Paginieren nicht über Gebühren abgegolten werden (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 26.07.2011 – 6 K 2797/10 –, juris).

24

Weiterhin kann auch der geltend gemachte Aufwand für die Herstellung eines Aktenretentes nicht über Gebühren bzw. Auslagen abgegolten werden. Das Kopieren von für eine Versendung vorgesehenen Verwaltungsvorgängen, in die Akteneinsicht beantragt worden ist, um den Akteninhalt zu sichern und ihn ggf. während des Versandzeitraumes für weitere Verwaltungstätigkeiten zur Verfügung zu haben, stellt keine gebührenfähige Amtshandlung dar. Aus der bereits oben angeführten Verpflichtung zur Führung vollständiger und wahrheitsgemäßer Akten folgt nicht nur das grundsätzliche Verbot der nachträglichen Entfernung und Verfälschung von rechtmäßig erlangten Erkenntnissen und Unterlagen aus den vorhandenen Akten, sondern auch das Gebot, den Aktenbestand langfristig zu sichern und nach dem Stand der Technik bestmögliche Vorsorge dafür zu treffen, dass der Aktenbestand erhalten bleibt. Nimmt die Antragsgegnerin mithin mit der Anfertigung von Kopien von zur Versendung anstehenden Verwaltungsvorgängen eine ihr als Behörde allein obliegende Verpflichtung zur Aktensicherung wahr, ist sie auch nicht befugt, hierfür Verwaltungsgebühren zu erheben (vgl. VG Aachen, Urt. v. 03.07.2012 – 7 K 1445/11 –, juris m. w. N.).

25

Abschließend ist auch fraglich, ob die geltend gemachten Auslagen für die Übersendung der Verfahrensakte per Einschreiben mit Rückschein als erforderlich anzusehen sind. Bei der Versandform „Einschreiben Rückschein“ handelt es sich nicht um eine besonders gesicherte Form der Versendung. Eine Online-Sendungsverfolgung ist auch mit der kostengünstigeren Sendungsvariante „Einschreiben“ möglich.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 3 GKG, wobei in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 1.5) in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Abgabensachen regelmäßig ¼ des Abgabenbetrages zugrunde zu legen ist.


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