Urteil vom Verwaltungsgericht Minden - 11 K 2480/13
Tenor
Die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 28. Juni 2013 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen, das bundesweit gewerblich Alttextilien einsammelt und zu diesem Zweck Sammelcontainer auf öffentlichen und privaten Plätzen aufstellt.
3Mit Schreiben vom 25. Juli 2012 zeigte sie gegenüber dem Beklagten an, dass sie auch im Gebiet des Kreises Q. beabsichtige, auf öffentlichen und privaten Flächen Alttextiliensammelcontainer aufzustellen. Die Sammlung werde ständig und flächendeckend durchgeführt, es werde mit einer Abfallmenge von ca. 150 t im Jahr gerechnet. Beigefügt waren dem Antrag ein Entsorgungsfachbetriebsnachweis für die Klägerin vom 21. März 2012 und eine Bestätigung der Anzeige nach § 53 KrWG seitens der Stadt C. vom 16. Juli 2012. Nach der Anzeige sollen die ein-gesammelten Abfälle zunächst bei der Klägerin zwischengelagert und dann von der Firma Vive Textile in Kielce (Polen) zur Weiterverwendung aufbereitet werden. Ein zwischen der Klägerin und dieser Firma geschlossener Vertrag war der Anzeige ebenfalls beigefügt.
4Mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Anzeige unvollständig sei und noch Angaben hinsichtlich der Darlegung der schadlosen und ordnungsgemäßen Verwertung benötigt würden. Ferner sei zu belegen und nachzuweisen, ob die Klägerin bereits im Kreisgebiet vor Inkrafttreten des KrWG Sammlungen durchgeführt habe. Sollte dies so sein, seien Nachweise über die bereits durchgeführten Sammlungen, die Containerstandorte und die Sammlungsmenge vorzulegen und darzulegen, ob in der Vergangenheit eine schadlose und ordnungsgemäße Verwertung für die vor dem 1. Juni 2012 durchgeführten Sammlungen nachgewiesen wurde. Sofern noch keine Sammlung erfolgt sei, sei darzulegen, ob bereits Containerstandorte vorhanden seien und diese zu benennen. Ferner sei festzulegen, in welchen der 10 Städte und Gemeinden des Kreises Q. eine Sammlung erfolgen solle. Die bestehenden bzw. geplanten Containerstandorte seien entsprechend zuzuordnen. Für die Vorlage dieser zusätzlichen Nachweise setzte der Beklagte der Klägerin eine Frist bis zum 10. Januar 2013.
5In einer Stellungnahme vom 08. Januar 2013 erklärte die Klägerin, dass sie den entsprechenden Vorschriften des KrWG keine Rechtspflicht entnehmen könne, derartige Angaben zu machen oder Nachweise vorzulegen.
6Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 17 .Januar 2013 auf die Vorlage entsprechender Nachweise und Angaben beharrte und der Klägerin die Untersagung für den Fall androhte, dass sie diese nicht bis zum 31. März 2013 einreiche, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 31. Januar 2013, dass die in Q. gesammelten Alttextilien in C. gewogen und in Gitterboxen in einer Lagerhalle bis zum Abtransport zur Sortieranlage zwischengelagert würden. Eine Vorsortierung finde vor Ort statt. Textilien und Störstoffe würden getrennt in Sammelcontainern befördert. Die Entsorgung erfolge durch die Fima W. Textile, eine Beschreibung des Verarbeitungsprozesses sei beigefügt. Die Abfrage der Standorte der Sammelcontainer sei vom KrWG nicht gedeckt. Die Sammelcontainer seien im gesamten Kreis Q. verteilt aufgestellt. Sie habe bereits vor dem 1.Juni 2012 Alttextilien im Kreis I. gesammelt. Das könnten ihre Fahrer bestätigen.
7Im Rahmen der Anhörung zu einer beabsichtigten Untersagung der Sammlung mit Schreiben vom 25. Februar 2013 spezifizierte der Beklagte seine Forderungen und führte aus, dass die Klägerin zu Vermeidung einer Untersagungsverfügung bis zum 18. März 2013 mindestens zu folgenden Bereichen Angaben machen und ergänzende Anzeigenunterlagen vorlegen müsse:
81. Angaben und Nachweise über bereits durchgeführte Sammlungen von Alttextilien im Kreisgebiet Q. in 2012 und 2013, aus denen Sammlungsdatum, Containerstandort und Sammlungsmenge hervorgehen.
92. Angaben und Nachweise zum Entsorgungsweg der Störstoffe, die aus den gesammelten Alttextilien des Kreises Q. aussortiert werden mit allen Zwischenstationen und Behandlungsschritten. Alle Zwischenlager und Entsorgungsanlagen sind mit dem Namen des Betreibers und der Adresse der Anlage zu benennen. Über die Entsorgung sind Belege für die Jahre 2012 und 2013 beizufügen.
10Nachdem die geforderten ergänzenden Angaben durch die Klägerin nicht erfolgten, untersagte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2013 die Sammlung und führte zur Begründung aus: Er sei als zuständige Abfallbehörde berechtigt, Angaben zu den einzelnen Standorten der Altkleidercontainer zu verlangen. Der Aufforderung, diese Standorte zu benennen, sei die Klägerin nicht nachgekommen. Die Untersagung der Sammlung sei deshalb gerechtfertigt und genüge auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil ohne die Angaben zu den Standorten und zu den Sammlungsorten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht in der Lage seien, zu prüfen, ob überwiegende öffentliche Interessen einer Sammlung entgegenstehen.
11Die Klägerin hat daraufhin am 16. Juli 2013 Klage erhoben und zugleich um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht. Auf den Antrag der Klägerin hat das Gericht mit Beschluss vom 07. August 2013 die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt (Az. 11 L 425/13).
12In der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2014 haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, den der Beklagte innerhalb der Widerrufsfrist widerrufen hat.
13Die Klägerin ist der Auffassung, dass eine Rechtsgrundlage für die geforderten ergänzenden Angaben und Nachweise im KrWG nicht vorhanden sei und sie der Anzeigepflicht vollständig nachgekommen sei. Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 KrWG habe sie lediglich Angaben über Art, Ausmaß und Dauer, insbesondere über den größtmöglichen Umfang und die Mindestdauer der Sammlung, zu machen. Angaben über einzelne Standplätze seien nicht erforderlich. Eine Untersagung hätte lediglich bei Bedenken gegen die betriebsbezogene Zuverlässigkeit der Klägerin oder bei der Störung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers erfolgen dürfen. Weder liege aber eine Unzuverlässigkeit der Klägerin vor, noch eine Störung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers.
14Die Klägerin beantragt,
15die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 28. Juni 2013 aufzuheben.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er nimmt Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und führt ergänzend aus: Er berufe sich nunmehr darauf, dass die Sammlung auch wegen Unzuverlässigkeit der Klägerin zu untersagen sei. Aus anderen Prozessen – u.a. vor dem VG Leipzig und dem VG München – sei ihm bekannt geworden, dass die Klägerin bundesweit in erheblichem Umfang illegal Sammelcontainer, d.h. ohne die erforderlichen Sondernutzungserlaubnisse und privaten Gestattungen, aufgestellt habe. Im Gewerbezentralregister befänden sich zahlreiche Eintragungen betreffend den Geschäftsführer der Klägerin. Unter diesen Umständen sei sie auch berechtigt, Angaben zur Anzahl der Container und den Standorten zu verlangen. Da die Klägerin Angaben hierzu verweigert habe, sei die Untersagung auch aus diesem Grund gerechtfertigt.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
21Über die Klage konnte das Gericht ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten in der Sitzung am 19. Februar 2014 für den Fall des Widerrufes des Vergleiches hierauf verzichtet haben (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
22Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtene Untersagungsverfügung vom 28. Juni 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23Sie findet eine ausreichende Rechtsgrundlage weder in § 18 Abs. 5 KrWG noch in § 62 KrWG. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Beschluss des Gerichts vom 7. August 2013 Bezug genommen.
24Ergänzend wird lediglich auf folgendes hingewiesen:
251. Die Untersagungsverfügung vom 28.06.2013 kann der Beklagte nicht auf eine mangelnde Zuverlässigkeit (vgl. § 18 Abs. 5 Satz 2 1.Alt. KrWG) der Klägerin stützen.
26Dem steht zwar nicht entgegen, dass der Beklagte sich erst im gerichtlichen Verfahren auf eine Unzuverlässigkeit der Klägerin berufen hat, weil bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung das Nachschieben von Gründen möglich ist. Selbst wenn der Beklagte sich hierauf nicht berufen hätte, hätte das Gericht von Amts wegen prüfen müssen, ob die Untersagungsverfügung auf eine mangelnde Zuverlässigkeit der Klägerin gestützt werden kann, wenn andere Eingriffsgrundlagen nicht zum Tragen kommen.
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Dezember 2013 – 20 B 643/13 –
28Es bedarf keiner Entscheidung dazu, ob es für die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt,
29so wohl OVG NRW, Urteil vom 15. August 2013 – 20 A 3043/11 –, juris Rn. 28; BayVGH, Beschluss vom 11. März 2014 – 20 ZB 13.2510 –, juris Rn. 9; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.10.2013 – 10 S 1202/13 –, juris Rn., OVG Lüneburg, Urteil vom 21.März 2013 – 7 LB 56/11 –, juris Rn. 22,
30oder – mit Blick auf die gewerberechtliche, obergerichtliche Rechtsprechung zu § 35 Abs. 1 und 6 GewO – auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abzustellen ist, soweit diese mit einer Unzuverlässigkeit des Anzeigenden begründet wird.
31Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 10. März 2014 – 8 K 3503/12 –, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG zum maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage bei der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit.
32Denn weder zum Zeitpunkt der behördlichen noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung lagen bzw. liegen ausreichende Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit der Klägerin vor.
33Die Ermächtigungsgrundlage für eine Sammlungsuntersagung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG bedarf von vornherein in gewisser Weise einer einschränkenden Auslegung. Da eine Untersagung auf der zuvor genannten Grundlage bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zwingend ist, d. h. kein Ermessen der Behörde besteht, und eine Untersagung jedenfalls hinsichtlich gewerblicher Sammlungen regelmäßig den Schutzbereich der Art. 12, 14 GG tangiert, reichen beliebige Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nicht für eine Untersagung aus. Vielmehr müssen die Bedenken ein so starkes Gewicht haben, dass sie, gemessen am Rang der Grundrechte und der Schwere des potentiellen Schadens, eine Untersagung rechtfertigen.
34OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2013 – 20 B 476/13 – juris Rn. 21.
35Durchgreifende Bedenken gegen die Zuverlässigkeit im Sinne von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG sind erst dann anzunehmen sein, wenn feststeht, dass systematisch und massiv Sammelbehälter im öffentlichen Verkehrsraum ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis aufgestellt wurden und wenn bei prognostischer Betrachtung die Gefahr besteht, dass es im Fall der Durchführung der Sammlung ebenfalls zu gewichtigen Verstößen gegen straßenrechtliche Vorschriften, also zu unerlaubten Sondernutzungen, kommen wird. Letzteres dürfte allerdings bei systematischen und massiven Verstößen in der Vergangenheit in der Regel angenommen werden können
36OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2013 - 20 B 476/13 – juris Rn. 27.
37Von dieser Regelvermutung eines (auch) zukünftig unzuverlässigen Verhaltens der Klägerin kann allerdings dann nicht ausgegangen werden, wenn diese sich ernsthaft und nachhaltig um eine Beseitigung der geltend gemachten Missstände bemüht hat und ihr Verhalten seit längerer Zeit keinen Anlass zu Beanstandungen mehr gibt.
38Speziell zum Betrieb der Klägerin hat das OVG NRW in dem o.g. Beschluss ausgeführt, dass es zwar eine Vielzahl von Hinweisen auf unerlaubte Sondernutzungen gab, die durchaus die Annahme eines systematischen Fehlverhaltens nahelegen. Allerdings sei bekannt, dass die Klägerin sich in zahlreichen Kommunen um die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zur Aufstellung von Sammelcontainern bemüht habe, was möglicherweise indiziere, dass sie das Erfordernis von Sondernutzungserlaubnissen für die Aufstellung von Sammelcontainern im öffentlichen Straßenraum jedenfalls nicht (mehr) systematisch außer Acht lässt. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin während des Beschwerdeverfahrens ihren Geschäftsführer abberufen habe, so dass dessen (unterstelltes) Fehlverhalten in Gestalt unerlaubter Sondernutzungen jedenfalls zukünftig nicht mehr ohne weiteres der Antragstellerin zugerechnet und entgegengehalten werden könne.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2013 – 20 B 476/13 – juris Rn. 32.
40Nach Auffassung des Gerichts lagen des deshalb schon zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit der Klägerin mehr vor. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten wäre hiervon auch nicht auszugehen, wenn man auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abstellen müsste.
41Aus den vom Beklagten zitierten, die Klägerin betreffenden Entscheidungen,
42vgl. VG München, Urteil vom 24.Oktober 2013 – M 17 K 13.2189 –, juris Rn 47 ff und VG Leipzig, Urteil vom 21. Januar 2013 –1 L 542/12 – juris Rn.
43ergibt sich, dass es sich bei den dort genannten Vorfällen illegaler Aufstellung von Altkleidersammelcontainer um solche handelt, die unter der Regie des ehemaligen, im Jahre 2012 abberufenen Geschäftsführers der Klägerin, N. E. , stattgefunden haben und die zu Eintragungen des Herrn E. im Gewerbezentralregister wegen unerlaubter Sondernutzung geführt haben.
44Die letzten diesbezüglichen Eintragungen resultieren aber – wie das VG München in der o.g. Entscheidung festgestellt hat -,
45vgl. VG München, Urteil vom 24.10.2013 – M 17 K 13.2189 –, juris Rn. 47 ff,
46und sich auch aus dem im Verfahren vorgelegten Gewerbezentralregisterauszug ergibt – aus dem Jahr 2008, nachfolgende Eintragungen betrafen andere Verstöße – z.B. die Eintragungen das Inverkehrbringen pfandpflichtiger Einweggetränkeverpackungen ohne Kennzeichnung und Verstöße gegen das Sozialgesetzbuch – und wiesen keinen unmittelbaren Bezug zur Sammlungstätigkeit auf.
47Der dem Urteil des VG Leipzig zugrunde liegende Sachverhalt,
48vgl. VG Leipzig, Urteil vom 21. Januar 2013 – 1 L 542/12 – juris Rn. 30,
49betraf massive Verstöße gegen das Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis in den Städten Leipzig, Dessau-Roßlau und Gera (insgesamt ca. 760 illegale Container), die sämtlich bis 2012 festgestellt wurden. Für das Jahr 2013 wird in der o.g. Entscheidung nur noch ein Fall illegaler Sondernutzung erwähnt.
50Ebenso wenig ergeben sich aus den vom Beklagten im Schriftsatz vom 26. März 2014 zitierten zwei Presseberichten ausreichende Anhaltspunkte, die die Prognose der Unzuverlässigkeit rechtfertigen. Der Bericht der Freien Presse vom 22. Februar 2014 nimmt offensichtlich auf die o.g. Entscheidung des VG Leipzig Bezug und damit ebenfalls auf Vorfälle aus dem Jahre 2012, der Bericht in der Thüringer Allgemeinen vom 11. September 2013 erwähnt (nur) einen Container in Neuhausen. Verglichen mit der im Jahre 2012 noch festgestellten Anzahl illegaler Container allein in Sachsen (s.o.) reicht dies für die Annahme eines (fortdauernden) massiven Fehlverhaltens nicht aus.
51Anhaltspunkte für ein illegales Aufstellen von Containern hat der Beklagte auch in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich nicht benennen können.
522. Die Untersagungsverfügung findet auch keine ausreichende Grundlage in § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG. Wie das Gericht bereits im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des OVG NRW ausgeführt hat,
53vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2013 – 20 B 476/13 – juris Rn. 5; ebenso VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Januar 2014 – 10 S 2273/13 –, juris Rn. 8
54ist diese Vorschrift im Falle einer unvollständigen Anzeige nicht einschlägig, weil eine Untersagung auf der Grundlage von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG die (positive) Feststellung durch die zuständige Behörde voraussetzt, dass ohne die Untersagung die Erfüllung oder Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen nicht gewährleistet ist, also bei Durchführung der Sammlung entweder keine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung erfolgt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Hs. 1 KrWG) oder überwiegende öffentliche Interessen der Sammlung entgegenstehen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Hs. 2 KrWG). Kann eine solche Feststellung mangels unvollständiger Anzeige nicht getroffen werden, kommt eine (zwingende) Untersagung nicht in Betracht, weil die Nichtprüfbarkeit des Vorliegens der genannten Voraussetzungen nicht mit dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen gleichgesetzt werden kann. Von einer derartigen Sachlage geht aber selbst der Beklagte aus. Denn zur Begründung der Ordnungsverfügung vom 28. Juni 2013 hat er ausgeführt (Seite 3), dass ohne die geforderten zusätzlichen Angaben, die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht in der Lage seien, zu prüfen, ob überwiegende öffentliche Interessen i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 4 KrWG der Sammlung entgegenstehen. Damit kommt eine Untersagungsverfügung auf der Grundlage des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG nicht in Betracht.
553. Eine Untersagungsverfügung wegen unvollständiger Angaben und Unterlagen findet hier auch keine ausreichende Rechtsgrundlage in § 62 KrWG.
56§ 62 KrWG als Ermächtigungsgrundlage für eine Sammlungsuntersagung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn das Anzeigeverfahren nach § 18 Abs. 1 und 2 KrWG seinen Zweck gerade aufgrund unvollständiger Angaben des Anzeigenden nicht erfüllen kann. Denn eine Sammlungsuntersagung als möglicher Inhalt einer Anordnung gemäß § 62 KrWG scheidet unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten von vornherein aus, wenn eine Anzeige zwar (formal) nicht den Anforderungen des § 18 Abs. 2 KrWG genügt, die Mängel (Unvollständigkeiten) den Zweck des Anzeigeverfahrens aber nicht tangieren. Sinn und Zweck des Anzeigeverfahrens nach § 18 Abs. 1 und 2 KrWG, der insoweit zuständigen unteren Umweltschutzbehörde die Prüfung zu ermöglichen, ob eine gewerbliche Sammlung im Einklang mit geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht, insbesondere, wie zuvor bereits erläutert, ob die Abfälle einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden und ob der Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Die zuletzt genannten öffentlichen Interessen (im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Hs. 2 KrWG) werden durch den nachfolgenden § 17 Abs. 3 KrWG näher konkretisiert. Den dortigen Regelungen kann zusammengefasst entnommen werden, dass mit den entgegenstehenden (überwiegenden) öffentlichen Interessen der Schutz des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder eines von diesem beauftragten Dritten bezweckt ist. Dementsprechend muss die Behörde anhand der Angaben des Anzeigenden – gegebenenfalls unter Einbeziehung der gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 KrWG abgegebenen Stellungnahme des öffentlich- rechtlichen Entsorgungsträgers, die jedoch, was § 18 Abs. 4 Satz 2 KrWG zeigt, nicht zwingend ist – prüfen können, ob eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung erfolgt und ob die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder eines von diesem beauftragten Dritten gefährdet ist.
57vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2013 – 20 B 476/13 – juris Rn. 9.
58Gemessen an diesen Voraussetzungen erweist sich die Untersagungsverfügung als rechtswidrig, weil die im Schreiben vom 25. Februar 2013 geforderten Angaben und Nachweise – auf die die Ordnungsverfügung vom 28. Juni 2013 Bezug nimmt – nach dem Sinn und Zweck des Anzeigeverfahrens nicht erforderlich sind.
59a.) Dies gilt zum einen schon, soweit der Beklagte insoweit „Nachweise“ fordert. Das Gesetz geht davon aus, dass im Anzeigeverfahren zu den in § 18 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 KrWG genannten Voraussetzungen „Angaben“ zu machen bzw. „Darlegungen“ erfolgen müssen. Darlegung erfordert insoweit einen in sich schlüssigen, widerspruchsfreien und vollständigen Vortrag, aber nicht die Vorlage von Belegen zum Beweis des behaupteten Vortrages. Hätte der Gesetzgeber im Anzeigeverfahren „Nachweise“ verlangt, hätte er dies auch für das Anzeigeverfahren – wie an anderen Stellen des Gesetzes (§§ 10, 12, 25, 26, 50, 51, 52, 53, 54, 57, 69 KrWG) geschehen – gefordert.
60Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. August 2013 – 7 Me 62/13 –, juris Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2014, – 20 B 331/13 –, juris Rn. 44.
61b) Ebenso wenig kann eine Untersagung auf der Grundlage des § 62 KrWG damit begründet werden, dass die Klägerin sich weigert, Angaben zu einer bereits vor dem 1. Juni 2012 durchgeführten Sammlung zu machen. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 14.März 2014 (Bl. 70 GA) erklärt, dass sie sich auf einen Vertrauensschutz nach § 18 Abs. 7 KrWG nicht mehr berufen will und deshalb diesbezügliche Angaben unterlässt. Unterlassene Angaben gehen zu Lasten der Klägerin, mit der Folge, dass ein Vertrauensschutz nach § 18 Abs. 7 KrWG nicht mehr zu prüfen ist.
62Vgl. OVG NW, Beschluss vom 9. Dezember 2013 – 20 B 869/13 –, juris Rn.14.
63Kann und will die Klägerin sich nicht (mehr) auf einen Vertrauensschutz berufen, ist nicht ersichtlich, dass diesbezügliche Angaben nach Sinn und Zweck des Anzeigeverfahrens benötigt werden, weil ohne diese Angaben die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 17 Abs. 3 KrWG nicht geprüft werden können. Die Frage, ob überwiegende öffentliche Interessen einer Sammlung entgegenstehen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 KrWG), ist systematisch vorrangig vor der Frage eines etwaigen Bestandsschutzes zu klären, weil ein Bestandschutz ohnehin nur dazu dient, entgegenstehende öffentliche Interessen zu überwinden.
64Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. März 2014
65– 20 B 577/13 –.
66Demzufolge beziehen sich die in § 18 Abs. 2 KrWG geforderten Abgaben und Darlegungen, insbesondere zu Art und Umfang der Sammlung, auf die angezeigte, m.a.W. zukünftig beabsichtigte Sammlung, und nicht für eine vor dem 1. Juni 2012 durchgeführte Sammlung. Denn deren Zulässigkeit ist nicht mehr im Streit und wäre allenfalls für einen hier nicht mehr in Betracht zu ziehenden (s.o.) Bestandsschutz von Bedeutung.
67c.) Schließlich kann eine Untersagung auf der Grundlage des § 62 KrWG auch nicht damit begründet werden (vgl. Schriftsätze des Beklagten vom 26. März 2014 und 16.April 2014) die Klägerin habe notwendige Angaben zu Art und Umfang der Sammlung (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 KrWG) unterlassen.
68Es ist zwar zutreffend, dass zu den erforderlichen Angaben hinsichtlich Art und Umfang i.S.d. § 18 Abs. 2 Nr. 2 KrWG auch Angaben dazu gehören, wieviel Container im Zuständigkeitsbereich der hier betroffenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger aufgestellt, in welchen Zeitabständen diese geleert werden sollen und welche Entsorgungsmengen prognostiziert werden.
69Vgl. VG Minden, Urteil vom 02. April 2014 – 11 K 1671/13 – unter Bezugnahme auf OVG NRW, Beschlüsse vom 11.Dezember 2013 – 20 B 643/13 – und vom 09.12.2013 – 20 B 869/13 –.
70Eine Untersagungsverfügung wegen fehlender Unterlagen kann der Beklagte aber allenfalls auf das Fehlen solcher Unterlagen stützten, die er zuvor von der Klägerin vergeblich eingefordert hat. Mit Schreiben vom 25. Februar 2013 (BA Bl. 46 ff.), auf das die angefochtene Ordnungsverfügung maßgeblich abstellt (Seite 2 der Verfügung), sind von der Klägerin Angaben lediglich zu den „bereits durchgeführten Sammlungen“ (Ziffer 1) und zum Entsorgungsweg der Störstoffe (Ziffer 2) verlangt worden, jedoch keine Angaben dazu, in welchen Städten und Kreisen zukünftig Altkleidercontainer aufgestellt und geleert werden sollen. Insofern fehlt es schon an einer hinreichenden Konkretisierung der für die anzeigte Sammlung erforderlichen Angaben, sodass dies nicht den Erlass einer Untersagungsverfügung rechtfertigt.
71d.) Ebenso wenig kann sich der Beklagte darauf berufen, die Klägerin haben notwendige Darlegungen zum Verwertungsweg (§ 18 Abs. 2 Nr. 4 KrWG) und zur ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung (§ 18 Abs. 2 Nr. 5 KrWG) unterlassen. Hierzu hat die Klägerin bereits im Schreiben vom 31.Januar 2013 Angaben gemacht und diese durch weitere Angaben im Schriftsatz vom 14.März 2014 (Bl. 70 ff. GA) ergänzt. Nach den Angaben der Klägerin werden die Störstoffe vor Ort aussortiert, im Sammelfahrzeug getrennt aufbewahrt und am Servicestandort der Klägerin in C. in einen bereit stehenden Container der Fa. E1. Recyclingcentrum verladen. Die Entsorgung der aussortierten Störstoffe erfolgt dann – wie von der Klägerin bereits im Schreiben vom 31.Januar 2013 dargelegt – durch die USB, der Umweltservice C. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (USB GmbH), die in C. die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wahrnimmt. Durch diese Angaben ist der Verbleib der Störstoffe und der Verwertungsweg (§ 18 Abs. 2 Nr. 4 KrWG) ausreichend dargelegt. Für das Gericht ist auch nicht ersichtlich, dass weitere Angaben zur Darlegung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung (§ 18 Abs. 2 Nr. 5 KrWG) benötigt werden, wenn dies durch einen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erfolgt. Der Beklagte hat auch insoweit nicht dargelegt, warum überhaupt und welche zusätzlichen Angaben aus seiner Sicht jetzt noch erforderlich sind. Mit Schriftsatz vom 26.März 2014 hat er im Übrigen erklärt, dass er die diesbezüglichen Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 14.März 2014 nunmehr als ausreichend ansehe.
72e.) Ungeachtet dessen wäre die Untersagungsverfügung auf der Grundlage des § 62 KrWG auch dann rechtswidrig, wenn die streitigen Angaben und Nachweise zu Recht von der Klägerin verlangt werden könnten. Der Erlass einer Untersagungsverfügung nach § 62 KrWG steht im Ermessen des Beklagten. insoweit kommt die Untersagungsverfügung aber nur als ultima ratio in Betracht. Bevor die Behörde von der Unzuverlässigkeit des Betroffenen wegen Nichterfüllung seiner Anzeigepflichten ausgehen darf, hat sie mildere Mittel zu ergreifen, um auf die Erfüllung der Anzeigepflichten hinzuwirken. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt deshalb der behördlichen Durchsetzung der Anzeigepflicht durch Erlass einer hierauf gerichteten Ordnungsverfügung, gegebenenfalls unter Androhung von Zwangsmitteln in Betracht.
73VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.Oktober 2013
74– 10 S 1202/13 –, juris Rn. 35; OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2013 – 20 B 476/13 –, juris Rn. 9.
75Notwendige Angaben zu Art und Umfang der Sammlung (s.o.) kann der Beklagte deshalb durch Auflagen zur Anzeige oder eine hierauf gerichtete Ordnungsverfügung durchsetzen.
76Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
77Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 i.V.m. 711 ZPO.
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