Beschluss vom Verwaltungsgericht Minden - 11 L 1110/16
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der im Verfahren 11 K 186/16 erhobenen Klagen gegen den der Beigeladenen erteilten Vorbescheid vom 15.12.2015 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 08.02.2016 und den Genehmigungsbescheid vom 18.03.2016 zur Errichtung und zum Betrieb einer Windenergieanlage Senvion/Repower MM 92, Leistung: 2050 kW, Gesamthöhe: 124,75 m, in Q. X. , Gemarkung F1. , Flur 21, Flurstück 26, wird wiederhergestellt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner zur Hälfte sowie der Antragsgegner und die Beigeladene jeweils zu einem Viertel. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig. Zwischen der Beigeladenen und dem Antragsgegner findet eine Kostenerstattung nicht statt.
3. Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der sinngemäße Antrag der Antragsteller,
31. die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 11 K 186/16 erhobenen Klagen wiederherzustellen und
42. den Antragsgegner zu verpflichten, gegenüber der Beigeladenen eine Beseitigung der streitgegenständlichen Windenergieanlage (WEA), hilfsweise eine vorläufige Betriebseinstellung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu verfügen,
5hat im Hinblick auf den Antrag zu 1. Erfolg. Der Antrag ist insoweit zulässig (I.) und begründet (II.). Der Antrag zu 2. ist demgegenüber unbegründet (III.)
6I.
7Soweit die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der am 22.01.2016 bzw. am 02.05.2016 erhobenen Klagen begehrt wird, ist der Antrag zunächst nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehbarkeit des Vorbescheides vom 15.12.2015 und des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides vom 18.03.2016 in den genannten Bescheiden jeweils angeordnet.
8Der Antrag ist auch statthaft, soweit er sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Vorbescheides vom 15.12.2015 richtet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids hat zur Folge, dass sich die Behörde gegenüber dem Adressaten dahingehend bindet, die gemäß § 9 Abs. 1 BImSchG vorweggenommenen Entscheidungen ohne Rücksicht auf ein von Dritten gegen den Vorbescheid anhängig gemachtes Widerspruchs- oder Klageverfahren bei der Prüfung des späteren Genehmigungsantrags zugrunde zu legen. Mit der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, deren gestattender Teil auf der Feststellungswirkung des vorangegangenen Vorbescheids aufbaut, wird dieser – im weiteren Sinne – vollzogen. Gegen diese Bindungswirkung kann ein Rechtsmittelführer im Wege eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgehen, da – wie sich aus § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergibt – ein Widerspruch auch gegen einen feststellenden Verwaltungsakt wie den immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid aufschiebende Wirkung entfalten kann. Eine gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in einem solchen Fall würde zwar die Behörde nicht hindern, gleichwohl die Genehmigung zu erteilen, hätte aber zur Folge, dass die Behörde bis zur Bestandskraft des Vorbescheides nicht an dessen Feststellungen gebunden wäre, sondern diese im Genehmigungsverfahren erneut überprüfen müsste.
9Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.2014 – 8 S 1457/14 –, juris Rn. 4, m.w.N.; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Kommentar, Band III, 71. EL 2014, § 9 BImSchG Rn. 97 ff.
10Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere sind die Antragsteller analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, weil sie in der Hauptsache auch klagebefugt sind. Für die Bejahung der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO genügt es, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen möglich ist. Daran fehlt es nur, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Antragsteller verletzt sein können.
11Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.01.1993 – 4 B 206.92 –, NVwZ 1993, 884, und Urteil vom 07.05.1986 – 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157.
12Soweit es – wie hier – um genehmigungsbedürftige Anlagen nach dem BImSchG geht, ist Anknüpfungspunkt für eine mögliche Rechtsverletzung der Antragsteller zum einen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Danach sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Als „Nachbarn“ sind alle Personen anzusehen, die sich auf Dauer im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten oder Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage sind.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 – 7 C 19.02 –, juris Rn. 12, und Beschluss vom 24.07.2008 – 7 B 19.08 –, juris Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.05.2007– 11 S 83.06 –, juris Rn. 12; Jarass, BImSchG, Kommentar, 11. Aufl. 2015, § 3 Rn. 33 ff.
14Auf eine subjektive Rechtsverletzung i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO können sich die Antragsteller als Eigentümer eines Grundstückes zum anderen auch dann berufen, wenn das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird, weil das Vorhaben eine optisch bedrängende Wirkung entfaltet.
15Diese Voraussetzungen liegen vor. Auf Grund der Entfernung ihres Grundstückes zu der genehmigten WEA 3 – die Entfernung wird in der der Genehmigung zugrunde liegenden Schallimmissionsprognose der plan-GIS vom 08.06.2015 mit 351 Metern angegeben (Bl. 275 d. Beiakte I in 11 K 186/16, im Folgenden: BA I), wohingegen das erkennende Gericht unter Verwendung von TIM-online NRW und der Gauß-Krüger-Koordinaten des Anlagenstandorts einen Abstand von 342 Metern misst – liegt nahe, dass sich dieses innerhalb des Einwirkungsbereiches der streitgegenständlichen Anlage befindet und damit schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auf das Grundstück der Antragsteller nicht von vornherein ausgeschlossen sind.
16Sind die Antragsteller klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO, so können sie auch geltend machen, dass eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung des Einzelfalles nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) oder diese nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG). Denn § 4 Abs. 3 UmwRG erweitert auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO jedenfalls den materiellen Prüfungsumfang.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2013 – 4 A 1.13 –, juris Rn. 41; OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 17.
18Das nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 JustG NRW erforderliche Vorverfahren ist hinsichtlich des Vorbescheids durchgeführt worden. Die Antragsteller haben mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.01.2016, das beim Antragsgegner auch eingegangen ist (vgl. Bl. 312 ff. d.A.), gegen den Vorbescheid vom 15.12.2015 Widerspruch einlegen lassen. Das Schreiben war – obgleich es nicht mit dem Wort „Widerspruch“ überschrieben gewesen ist – bei verständiger Würdigung durch einen objektiven Empfänger unzweifelhaft als Widerspruchseinlegung zu verstehen und nicht etwa, wie der Antragsgegner meint, als bloßer Antrag auf Akteneinsicht. In dem Schreiben ist die Rede davon, dass mit ihm bereits „eine erste Widerspruchsbegründung“ vorgelegt werde, die nach Akteneinsicht noch vertieft werde. Damit ist hinreichend deutlich gemacht worden, dass dieses Schreiben bereits eine unbedingte Widerspruchseinlegung darstellt. Die Klage gegen den Vorbescheid vom 15.12.2015 ist damit gem. § 75 Satz 1 VwGO in der Hauptsache zulässig, da über den Widerspruch vom 11.01.2016 seitens des Antragsgegners bis dato nicht entschieden wurde.
19Demgegenüber bedurfte es der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens auch hinsichtlich des Genehmigungsbescheides vom 18.03.2016 nicht. Wie oben bereits dargestellt, folgt im vorliegenden Verfahren aus der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Vorbescheides vom 15.12.2015, dass sich die Genehmigungsbehörde im Hinblick auf die dortigen Feststellungen für das nachfolgende(Voll-)Genehmigungsverfahren selbst bindet. Sie konnte daher nicht mehr von den Feststellungen bezüglich der bauplanungs-, luftverkehrs- und artenschutzrechtlichen Zulässigkeit des beantragten Vorhabens abweichen. Die Einwendungen der Antragsteller beziehen sich jedoch ausschließlich auf diesen Bereich. Von ihnen zu verlangen, auch ein Vorverfahren in Bezug auf den Genehmigungsbescheid durchführen zu müssen, obwohl in diesem keine weiter relevanten oder vom Vorbescheid abweichenden Regelungen mehr getroffen werden konnten, wäre bloße Förmelei und widerspräche dem Gedanken der Prozessökonomie. Zudem hat auch der Antragsgegner ein Widerspruchsverfahren nicht für statthaft gehalten und sich rügelos auf die entsprechende Klage auch gegen den Genehmigungsbescheid eingelassen. Damit sind mehrere Fallgruppen gegeben, in denen nach der Rechtsprechung von einer Entbehrlichkeit des Vorverfahrens auszugehen ist.
20Vgl. Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 21. Aufl. 2015, § 68 Rn. 22 ff.; Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 68 Rn. 25 ff., jew. m.w.N.
21II.
22Der Antrag zu 1. ist zudem begründet. Zwar hält die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Antragsgegner einer rechtlichen Überprüfung stand (1.), jedoch fällt die vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten der Antragsteller aus (2.).
231.
24Die jeweilige Anordnung der sofortigen Vollziehung im Vorbescheid vom 15.12.2015 und im Genehmigungsbescheid vom 18.03.2016 hat der Antragsgegner zunächst in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO genügenden Weise begründet. Die Anordnung des Sofortvollzuges einer Genehmigung ist bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung auch dann möglich, wenn der Sofortvollzug im überwiegenden wirtschaftlichen Interesse des Genehmigungsinhabers liegt (vgl. §§ 80a Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Der Antragsgegner hat schlüssig, konkret und substantiiert dargelegt, dass ein überwiegendes wirtschaftliches Interesse der Beigeladenen am sofortigen Vollzug der Genehmigungsbescheide bezüglich der streitgegenständlichen WEA besteht. Dies reicht für eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechende Begründung aus. Darauf, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen sowie erschöpfend und zutreffend dargelegt sind, kommt es – entgegen der Auffassung der Antragsteller (Seite 3 ff. der Antragsschrift vom 30.05.2016) – in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Frage ist Bestandteil der eigenständigen gerichtlichen Interessenabwägung,
25vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05.07.2006 – 8 B 379/06.AK –, juris Rn. 11 ff., m.w.N.,
26die nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand zu Gunsten der Antragsteller ausfällt (hierzu unter 2.).
272.
28Nach § 4a Abs. 3 UmwRG ist § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen kann, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Der Anwendungsbereich des UmwRG ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG eröffnet, weil es um einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung geht, bei der i.S.v. § 2 Abs. 3 UVPG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann, was hier aus § 3c Satz 2 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG folgt (dazu nachfolgend unter a.).
29§ 4a Abs. 3 UmwRG ist nicht eindeutig zu entnehmen, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad für das Vorliegen „ernstlicher Zweifel" als Prüfungsmaßstab konkret anzuwenden ist. § 4a Abs. 3 UmwRG macht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, ob die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt wird, von einer Gesamtabwägung abhängig; die erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind lediglich Bestandteil dieser notwendigen Gesamtabwägung. Dabei kommt es nicht auf einen bestimmten, für alle Fälle gleichen Wahrscheinlichkeitsgrad der rechtlichen Bedenken an. Vielmehr kann hier auch ein schwächerer Grad der rechtlichen Bedenken etwa ergänzt oder verstärkt werden durch den Umstand, dass besonders gravierende, möglicherweise nicht reversible Folgen drohen, wenn das Vorhaben vor Unanfechtbarkeit der Genehmigung verwirklicht wird. Insoweit gilt, dass der Sofortvollzug umso eher auszusetzen ist, je berechtigter und gewichtiger die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung sind. Ist ein voraussichtlicher Erfolg in der Hauptsache offensichtlich, wird sich ein privates oder öffentliches Vollzugsinteresse nur ausnahmsweise durchsetzen können. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Aussetzung des Sofortvollzuges nicht stets erst dann in Betracht, wenn das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass die Klage in der Hauptsache begründet ist. Vielmehr können im Rahmen einer Gesamtabwägung begründete Zweifel ausreichen, die die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung in Frage stellen. Insbesondere bei komplexen und komplizierten Verfahren können sich offene Erfolgsaussichten auch ohne detaillierte Prüfungen ergeben.
30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 13 f., m.w.N.; VG Minden, Beschluss vom 09.05.2016 – 11 L 59/16 –, n.v.
31Aufgrund der im vorliegenden Verfahren zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ist jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Antragsteller im Hauptsacheverfahren Erfolg haben werden, weil sie sich darauf berufen können, dass die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach dem UVPG nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügt und sie deshalb eine Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Sätze 1 und 2 UmwRG verlangen können.
32Zwar ist der Antragsgegner – entgegen der Auffassung der Beigeladenen (Seite 8 ff. des Schriftsatzes vom 20.04.2016 im Verfahren 11 K 186/16) – jedenfalls im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass eine standortbezogene UVP-Vorprüfung durchzuführen war (a.). Die vom Antragsgegner durchgeführte Vorprüfung ist jedoch nicht entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden und ihr Ergebnis, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen seien nicht zu erwarten und es bedürfe daher keiner Umweltverträglichkeitsprüfung, ist deshalb nicht nachvollziehbar i.S.d. § 3a Satz 4 UVPG (b.). Die Möglichkeit zur Nachholung der fehlerhaften UVP-Vorprüfung und damit zur nachträglichen Heilung des Verfahrensmangels führt nicht dazu, dass vorläufiger Rechtsschutz zu versagen wäre (c.).
33a.)
34Soweit es – wie hier – die nachträgliche kumulierende Wirkung von Anlagen verschiedener Betreiber betrifft, ist in der Rechtsprechung geklärt, dass insoweit im Gesetz eine Regelungslücke besteht, die durch eine analoge Anwendung der § 3b Abs. 2 Satz 1 und § 3b Abs. 3 Satz 1 und 2 UVPG zu schließen ist.
35Vgl. BVerwG, Urteile vom 17.12.2015 – 4 C 7.14 – und vom 18.06.2015 – 4 C 4.14 –, jew. juris.
36Der Antragsgegner ist im Verwaltungsverfahren – im Ansatz zutreffend – davon ausgegangen, dass die hier streitgegenständliche WEA 3 (F2. Str.) zusammen mit der WEA 1 (A. .) und der WEA 5 (T.-------weg , im Verwaltungsverfahren auch als „WEA Pieper“ bezeichnet) auf Grund ihres Abstandes untereinander und auf Grund kumulierender Wirkungen für Schutzgüter i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG eine Windfarm bilden,
37vgl. zum Begriff der Windfarm: OVG NRW, Beschluss vom 23.07.2014 – 8 B 356/14 –, juris Rn. 69 ff.,
38und hat deshalb im Verwaltungsverfahren eine standortbezogene Vorprüfung nach § 3c Satz 2 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG durchgeführt.
39Eine Windfarm i.S.d. Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG ist dadurch gekennzeichnet, dass sie aus mindestens drei Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 Metern besteht, die – unabhängig von der Zahl der Betreiber – einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Entscheidend für das Vorhandensein einer Windfarm ist der räumliche Zusammenhang der einzelnen Anlagen. Sind die Anlagen so weit voneinander entfernt, dass sich die maßgeblichen Auswirkungen nicht summieren, so behält jede für sich den Charakter einer Einzelanlage. Verbindliche gesetzliche Bewertungsvorgaben etwa in der Form standardisierter Maßstäbe oder Rechenverfahren hinsichtlich der räumlichen Zuordnung von Windkraftanlagen, die eine Windfarm bilden, bestehen nicht. Welche Bewertungskriterien heranzuziehen sind, hängt vielmehr von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab, deren Feststellung und Würdigung dem Tatrichter obliegt. Aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände kann daher eine von typisierenden Bewertungsvorgaben – wie etwa dem Abstellen auf eine Entfernung von weniger als dem 10-fachen des Rotordurchmessers, auf die Anlagenhöhe oder auf den geometrischen Schwerpunkt der von den Anlagen umrissenen Fläche – losgelöste Einzelfallbeurteilung anhand der konkreten Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVP- und Immissionsschutzrechts angebracht sein.
40Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 22, und vom 23.07.2014 – 8 B 356/14 –, a.a.O., jew. m.w.N.
41Ein solcher Zusammenhang ist zwischen der WEA 1 und der WEA 3 schon aufgrund der sich überschneidenden Einwirkungsbereiche ihrer auf das UVP-Schutzgut der menschlichen Gesundheit (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG) einwirkenden Schall- und Schattenwurfimmissionen gegeben. Ausweislich der Schallimmissionsprognose der plan-GIS vom 08.06.2015 (Bl. 245 ff. BA I, dort insbesondere Bl. 296) und der Schattenwurfprognose der plan-GIS vom 10.06.2015 (Bl. 298 ff. BA I, dort insbesondere Bl. 373R) summieren sich die Schall- und Schattenwurfimmissionen der WEA 1 und WEA 3 gegenüber in der Nachbarschaft liegenden Immissionspunkten und wirken gemeinsam insbesondere auf die zwischen den genannten Anlagen befindliche Außenbereichsbebauung. Ob ein entsprechendes „Bindeglied“
42– vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 24 –
43aufgrund gemeinsamer Einwirkungen auf das UVP-Schutzgut „menschliche Gesundheit“ auch zwischen der WEA 1 und der ca. 2,2 km (erneut gemessen mit TIM-online NRW) nordwestlich von dieser gelegenen WEA 5 gegeben ist, hat der Antragsgegner verfahrensfehlerhaft nicht untersucht (s. dazu unten unter b.). Ein entsprechendes „Bindeglied“ besteht aber in jedem Fall zwischen allen drei genannten Anlagen aufgrund ihrer gemeinsamen Einwirkungen auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG), insbesondere auf die Vogelart „Rotmilan“.
44Der Einwirkungsbereich einer Windkraftanlage bestimmt sich insoweit anhand der artspezifischen Empfindlichkeit oder Gefährdung der im Einzelfall konkret betroffenen Arten gegenüber der Errichtung und/oder dem Betrieb von Windkraftanlagen. Neben optischen und akustischen Beeinträchtigungen sind auch andere Nachteile wie etwa ein artbedingtes Kollisionsrisiko oder Meideverhalten, Auswirkungen auf Fortpflanzungs- oder Ruhestätten sowie auf die Nahrungssituation oder eine besondere Empfindlichkeit der jeweiligen Art gegenüber betriebsbedingten Veränderungen der physikalischen Umgebung in den Blick zu nehmen. Bei der Betrachtung der artspezifischen Beeinträchtigungen muss ermittelt werden, bis zu welchem Abstand sie zu erwarten sind. Dabei darf die Prüfung, ob ein Vorhaben überhaupt einer der Nummern der Anlage 1 zum UVPG zuzuordnen ist, weder die Umweltverträglichkeitsprüfung noch die Vorprüfung des Einzelfalls vorwegnehmen; der Prüfungsmaßstab muss vielmehr weiter sein als bei den nachgelagerten Umweltprüfungen. Gegenstand der Vorprüfung des Einzelfalls ist nach § 3c Satz 1 UVPG die überschlägige Prüfung, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Insoweit genügt die konkrete Möglichkeit des Eintritts. Kommt es – wie hier bei der Windfarm – für die Frage der UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens auf dessen nachteilige Auswirkungen an, reicht danach für die Bestimmung der Einwirkbereiche die abstrakte („generelle") Möglichkeit des Eintritts derartiger Auswirkungen aus.
45Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 27, und vom 23.07.2014 – 8 B 356/14 –, a.a.O. Rn. 71 f.
46Die abstrakt-generelle Möglichkeit des Eintritts entsprechender Auswirkungen auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ liegt hier vor. Für die Entscheidung, in welchem räumlichen Umkreis um oder in welchem Abstand zu einer Windkraftanlage abstrakt mit artspezifischen Nachteilen zu rechnen sein kann, bieten entsprechende natur- und artenschutzfachliche Erkenntnisse sachgerechte Anhalte. In Betracht kommen etwa die Abstandsempfehlungen für Windkraftanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW). Die LAG-VSW hat in Ermangelung bundesweit einheitlicher Empfehlungen die aus artenschutzfachlicher Sicht notwendigen Abstandsregelungen für Windkraftanlagen zu avifaunistisch bedeutsamen Gebieten sowie zu Brutplätzen besonders störempfindlicher oder durch Windkraftanlagen besonders gefährdeter Vogelarten definiert. Die Empfehlungen sollen nach der Intention der LAG-VSW unter anderem auch zu sachgerechten Entscheidungen im immissionsrechtlichen Verfahren beitragen. Sie verstehen sich als Mindestforderungen, die abweichende – größere Abstände regelnde – Festlegungen in einzelnen Ländern gegebenenfalls ergänzen und eine erforderliche Einzelfallprüfung nicht ersetzen. Die Empfehlungen unterscheiden zwischen Ausschlussbereichen (= Mindestabstand zwischen dem Brutplatz bzw. Revierzentrum einer bestimmten Art und geplanter Windkraftanlage) und sogenannten Prüfbereichen. Die Prüfbereiche sind Radien um jede einzelne Windkraftanlage, innerhalb derer zu prüfen ist, ob Nahrungshabitate der betreffenden Art vorhanden sind.
47Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 29, und vom 23.07.2014 – 8 B 356/14 –, a.a.O. Rn. 73.
48Die LAG-VSW empfiehlt für in der Umgebung von Windkraftanlagen befindlichen Brutstätten des Rotmilans einen Mindestabstand zwischen Brutplatz und Windkraftanlage im Sinne eines Ausschlussbereichs von 1.500 m. Der Prüfbereich ist mit 4.000 m angegeben.
49Ergänzend herangezogen werden kann der Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitatschutz bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen“ der Fachministerien des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 12.12.2013. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Empfehlungen erst für die – der Umweltverträglichkeitsprüfung nachgehende – Planungsebene der artschutzrechtlichen Prüfung gelten sollen und deshalb nur bedingt auch als Maßstab für die UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens dienen können. Der Leitfaden 2013 orientiert sich in Anhang 2 (Empfehlungen für die Untersuchungsgebiets-Abgrenzung für WEA-empfindliche Vogelarten in Nordrhein-Westfalen) an den Empfehlungen der LAG-VSW. Er stellt zum einen Empfehlungen für den Radius des Untersuchungsgebietes um die geplante Windkraftanlage für eine vertiefende Prüfung (Artenschutzprüfung, Stufe II) sowie für ein erweitertes Untersuchungsgebiet dar. Letzteres werde nur relevant bei Vorliegen ernst zu nehmender Hinweise auf regelmäßig genutzte, essentielle Nahrungshabitate oder Flugkorridore.
50Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 32, und vom 23.07.2014 – 8 B 356/14 –, a.a.O. Rn. 74.
51Der Radius des erweiterten Untersuchungsgebiets für die vertiefende Artenschutzprüfung beträgt nach dem Leitfaden für den Rotmilan 6.000 m.
52Bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Durchführung der UVP-Vorprüfung im November 2015 (vgl. Bl. 115 ff. BA I) lag innerhalb des genannten Mindestradius von 1.500 m um den Vorhabenstandort der WEA 3 und den Standort der Bestandsanlage WEA 1 südlich der Bundesautobahn A2 ein im Jahr 2014 als Brutplatz im Verdacht stehender Rotmilanhorst (ca. 800 m westlich der WEA 3 und ca. 500 m nordöstlich der WEA 1, vgl. Anlage 3 zum Schriftsatz der Beigeladenenvertreter vom 20.04.2016 im Verfahren 11 K 186/16). Der besagte Horst liegt im Prüfbereich von 4.000 m um die Windkraftanlagen WEA 1, WEA 3 und WEA 5. Im Prüfbereich fanden ausweislich von Kartierungen aus den Zeiträumen Oktober 2012 bis März 2013 von Bohrer (Bl. 546 BA I) sowie aus März/April 2015 von Flore (Bl. 443R BA I) Raumnutzungen durch den Rotmilan statt. Laut der aktuellsten zum Zeitpunkt der UVP-Vorprüfung verfügbaren Raumnutzungsanalyse von Flore (Bl. 441 ff. BA I) konnten bei an drei Tagen durchgeführten Kontrollen an zwei Tagen Rotmilane gesichtet werden. Ein Brutstandort konnte im Bereich der hier in Rede stehenden Windkraftanlagen nicht ausgemacht werden, wobei ein späterer Horstbezug durch den Gutachter nicht ausgeschlossen wurde (vgl. Bl. 444R BA I). Im Artenschutzbeitrag vom 03.06.2015 der L. C2. Landschaftsarchitekten heißt es hierzu ab Seite 23 auszugsweise (vgl. Bl. 505 ff. BA I):
53„Im Rahmen einer avifaunistischen Kartierung konnte im Jahr 2012 ein Rotmilan-Brutrevier mit Horststandort in einem Buchenwald nördlich der Autobahnabfahrt W1. nachgewiesen werden. Die Besetzung des Brutreviers brach jedoch Mitte Juni 2012 ab, ein Bruterfolg blieb aus (…). Auch 2013 wurde am Brutplatz Revierverhalten von einem Rotmilanpaar festgestellt. Jedoch konnte nur bis Ende April eine Besetzung des Reviers festgestellt werden (…). Im Jahr 2014 wurde etwa 1.500 m weiter südöstlich eine erneute Besetzung des Brutreviers beobachtet (etwa 780 m zum geplanten WEA-Standort. Neben Revierverhalten konnte auch ein Horststandort im Bereich des Erlenwäldchens westlich der Mühlenhöfe dokumentiert werden, jedoch konnte, wie auch in den beiden Vorjahren kein Bruterfolg festgestellt werden (…). Aus den vorliegenden Untersuchungen geht hervor, dass es sich bei dem 2014 festgestellten Horst um einen Wechselhorst aus dem Jahr 2014 handelt. Aufgrund der geringen Größe des Horstes dürfte es sich zudem um eine erstmalige Besiedlung des Standorts handeln (…). Während der aktuellen Brutperiode wurde das Untersuchungsgebiet erneut auf mögliche Rotmilan-Bruten hin untersucht (Flore, 2015). Es konnten zwar Aktivitäten des Rotmilans im Untersuchungsgebiet ausgemacht werden, ein Revierschwerpunkt bzw. ein Horst des Rotmilans konnte jedoch nicht erfasst werden. Der ehemalige Horst aus 2012 bzw. 2013 wird zurzeit durch einen Mäusebussard besetzt, der Horst aus 2014 ist offenbar unbesetzt und erscheint sturmbedingt in einer rudimentären Form unbrauchbar (…). Die beobachteten Flugrichtungen deuten auf ein Revier westlich bis nordwestlich außerhalb von 1.500 m zum geplanten Anlagenstandort hin (…). In den vergangenen vier Jahren wurde im großräumigen Untersuchungsgebiet keine Rotmilan-Brut begonnen bzw. abgeschlossen. Die Reviere wurden jedoch bis 2014 jährlich wieder durch ein Rotmilanpaar besetzt. Eine gewisse Qualität in Bezug auf einen Rotmilan-Lebensraum ist dem Untersuchungsgebiet demnach zuzusprechen. (…)“.
54Mit Blick auf den oben erwähnten Maßstab zur Bestimmung der UVP-Vorprüfungspflichtigkeit eines Vorhabens reicht dieser Befund aus, um eine abstrakte („generelle") Möglichkeit des Eintritts erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ zu bejahen.
55Aus Vorstehendem folgt, dass entgegen der Auffassung der Beigeladenen (Seite 8 ff. des Schriftsatzes vom 20.04.2016 im Verfahren 11 K 186/16) die WEA 5 („Pieper“, T.-------weg ) in die Betrachtung, ob analog § 3b Abs. 3 Satz 1 UVPG ein „Hineinwachsen“ in zumindest eine UVP-Vorprüfungspflicht vorliegt, einzubeziehen war. Dem steht nicht entgegen, dass der Betreiberin der WEA 5 den Darlegungen der Beigeladenen zufolge erst am 30.08.2012 die formale Vollständigkeitsbescheinigung ihrer Antragsunterlagen gem. § 7 der 9. BImSchV erteilt worden ist, während dies für die streitgegenständliche WEA 3 bereits im Februar 2012 erfolgt sei (zutreffend indes: März 2012, vgl. Bl. 2 BA I). Soweit sich die Beigeladene auf eine Entscheidung des
56OVG Thüringen, Beschluss vom 02.09.2008 – 1 EO 448/08 –, juris Rn. 67 ff.,
57beruft, verfängt dies im vorliegenden Fall nicht. Der genannten Entscheidung zufolge muss ein Anlagenbetreiber, der mit seinem Vorhaben bewusst unter der maßgeblichen Schwelle zur UVP-Pflichtigkeit geblieben ist, aus Gründen des Vertrauensschutzes davor bewahrt werden, dass der von ihm betriebene Aufwand, um seinen Antrag entscheidungsreif zu machen, durch das Verhalten eines Konkurrenten entwertet wird. Das OVG Thüringen sieht diese Gefahr der „Entwertung“ etwa darin, dass ein Konkurrent nur deshalb einen Genehmigungsantrag stellt, um einen bewusst unter der maßgeblichen Grenze liegenden konkurrierenden Antrag in die UVP-Pflicht zu bringen. Das Gericht löst dieses Problem über eine Auslegung des Begriffs des „bestehenden Vorhabens“ i.S.d. § 3b Abs. 3 Satz 1 UVPG dahingehend, dass nur solche Vorhaben als „bestehend“ zu verstehen seien, die einen verfahrensrechtlich verfestigten Status erreicht hätten, der Antragsteller also alles zur Erteilung der Genehmigung seinerseits Erforderliche getan habe. Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren biete sich hierfür der Zeitpunkt der Feststellung an, dass die eingereichten Unterlagen vollständig seien.
58Vgl. hierzu auch Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG Kommentar, 4. Aufl. 2012, § 3b Rn. 35.3.
59Im vorliegenden Verfahren kann jedoch keine Rede davon sein, dass die Betreiberin der WEA 5 ihren Genehmigungsantrag allein mit Blick darauf gestellt habe, das Vorhaben der Beigeladenen in die UVP-Pflicht zu bringen. Bezogen auf den Zeitpunkt der UVP-Vorprüfung durch den Antragsgegner war der WEA 5 nicht nur bereits die Vollgenehmigung erteilt, sondern sie war auch schon errichtet worden. Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass diese Anlage im Rahmen der Prüfung der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens der Beigeladenen als „bestehendes Vorhaben“ i.S.d. § 3b Abs. 3 Satz 1 UVPG zu berücksichtigen war. Selbst wenn man hier der Argumentation der Beigeladenen folgte und als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der UVP-Pflichtigkeit ihres Vorhabens den Februar oder März 2012 annähme und nachträgliche Änderungen im Genehmigungsverfahren außer Acht ließe, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Die Beigeladene übersieht, dass sie am 09.02.2012 – zeitgleich mit dem Vorbescheidsantrag für die WEA 3 – auch einen Antrag auf Erlass eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids für die bislang nicht errichtete WEA 2 (Schwatten Paul) gestellt hat und ihr Vorhaben damit bezogen auf den Zeitpunkt Februar/März 2012 jedenfalls zusammen mit der von ihr beantragten WEA 1 (Vorbescheidsantrag vom 19.12.2011) und der WEA 2 für sich genommen bereits eine vorprüfungspflichtige, aus drei Anlagen bestehende Windfarm gebildet hätte. Die Beigeladene wäre mit ihrem Vorhaben damit auch im Februar oder März 2012 nicht unter der maßgeblichen Schwelle zur UVP-Pflichtigkeit geblieben.
60b.)
61Die vom Antragsgegner durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls ist nicht entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden und ihr Ergebnis, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen seien nicht zu erwarten und es bedürfe daher keiner Umweltverträglichkeitsprüfung, ist nicht nachvollziehbar i.S.d. § 3a Satz 4 UVPG.
62Die gerichtliche Kontrolle der Vorprüfung hat dabei am Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG i.V.m. § 4a Abs. 2 UmwRG zu erfolgen und ist auf die soeben getroffenen Feststellungen beschränkt.
63Gemäß § 3a Satz 4 UVPG ist die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens in einem gerichtlichen Verfahren nur darauf zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass § 3c UVPG der zuständigen Behörde mit der Formulierung „nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung" einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumt. Nachvollziehbarkeit im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass das Ergebnis der behördlichen Prognose nach § 3c UVPG durch ein Gericht nicht auf materielle Richtigkeit, sondern lediglich auf Plausibilität zu überprüfen ist.
64Vgl. OVG NRW, Urteil vom 03.12.2008 – 8 D 14/07. AK –, juris Rn. 66; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.07.2010 – 11 S 45.09 –, juris Rn. 9; VGH Hessen, Beschluss vom 19.03.2012 – 9 B 1916/11 –, juris Rn. 42.
65Ist – wie hier im Rahmen des § 3a Satz 4 UVPG – der Verwaltungsbehörde bei der Anwendung umweltrechtlicher Vorschriften eine Beurteilungsermächtigung eingeräumt, ist eine behördliche Entscheidung im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob 1. der Sachverhalt vollständig und zutreffend erfasst wurde, 2. die Verfahrensregeln und die rechtlichen Bewertungsgrundsätze eingehalten wurden, 3. das anzuwendende Recht nicht verkannt wurde und 4. keine sachfremden Erwägungen vorliegen (§ 4a Abs. 2 UmwRG).
66An diesen rechtlichen Maßstäben gemessen ist das Ergebnis der Vorprüfung, wie es sich aufgrund der vom Antragsgegner gegebenen, maßgeblichen Begründung des Prüfergebnisses,
67vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 40, m.w.N.,
68in der Dokumentation vom 18.11.2015 darstellt, nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht nachvollziehbar.
69(1.)
70Der Sachverhalt ist bereits nicht vollständig und zutreffend erfasst worden (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 UmwRG). Die zutreffende Erfassung des Sachverhalts setzt u.a. voraus, dass die geographische Ausdehnung des Gebietes, in dem die Auswirkung des Vorhabens bezogen auf ein UVP-Schutzgut zu betrachten sind, korrekt bestimmt worden ist.
71Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 42, m.w.N.
72Hieran fehlt es. Gegenstand der standortbezogenen Vorprüfung sind vorliegend nicht nur die Umweltauswirkungen des streitgegenständlichen Erweiterungsvorhabens, sondern die Umweltauswirkungen sowohl des Erweiterungsvorhabens als auch der Bestandsanlagen. Die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls wird diesem umfassenden Prüfungsgegenstand nicht gerecht, weil sie ausweislich der Dokumentation vom 18.11.2015 nur das Erweiterungsvorhaben WEA 3 in den Blick genommen hat, nicht jedoch die Bestandsanlagen WEA 1 und WEA 5.
73Prüfungsgegenstand der standortbezogenen Vorprüfung nach § 3c Satz 2 UVPG ist wie bei der allgemeinen Vorprüfung nach § 3c Satz 1 UVPG bei erstmaligem Erreichen und weiterem Überschreiten der Prüfwerte der Anlage 1 zum UVPG das geänderte oder erweiterte Vorhaben.
74Vgl. zur allgemeinen Vorprüfung OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 45, m.w.N.
75Den – in der vorliegenden Fallkonstellation des „Hineinwachsens in Prüfwerte“ bzw. des „Hineinwachsens in die UVP-Pflicht“ maßgeblichen – Vorschriften der § 3c Sätze 1, 2 und 5 i.V.m. § 3b Abs. 3 UVPG ist eine Begrenzung der Vorprüfung auf das Erweiterungsvorhaben nicht zu entnehmen. Im Gegenteil folgt aus § 3b Abs. 3 Satz 1 UVPG, dass auch im Fall des „Hineinwachsens in die UVP-Pflicht“ bei der Umweltverträglichkeitsprüfung die Umweltauswirkungen gerade auch des bestehenden Vorhabens zu berücksichtigen sind. Dasselbe gilt für die nachträgliche Kumulation i.S.d. § 3b Abs. 3 Satz 2 UVPG und die kumulierenden Vorhaben im Sinne des § 3b Abs. 2 UVPG. Ein Unterschied besteht (nur) insoweit, als im Fall der Kumulation nach § 3b Abs. 2 UVPG alle zusammenhängenden Vorhaben der UVP-Pflicht unterliegen, während in den Fällen des § 3b Abs. 3 Sätze 1 und 2 UVPG nur das Änderungs- oder Erweiterungsvorhaben bzw. das Neuvorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Dies ändert jedoch nichts am Prüfungsumfang der eigentlichen UVP-Vorprüfung.
76Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 47 f., m.w.N.
77Etwas anderes folgt auch nicht aus § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG. Die Vorschrift regelt Fälle der allgemeinen Vorprüfung für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht. § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG setzt im Regelfall voraus, dass für das bestehende Grundvorhaben im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung schon eine umfassende Prüfung zu erwartender Umweltauswirkungen durchgeführt worden ist. Eine vergleichbare Situation ist weder in den Fällen des § 3b Abs. 2 oder 3 UVPG noch in denen des § 3c Satz 5 UVPG – hier jedenfalls im Fall des erstmaligen Überscheitens der Prüfwerte – gegeben. Wurde für frühere Änderungen oder Erweiterungen des UVP-pflichtigen Vorhabens noch keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, sieht schließlich auch § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG in Halbsatz 2 vor, dass sie in die Vorprüfung mit einzubeziehen sind. Das Erfordernis einer umfassenden, sich auf alle Vorhaben bzw. deren Teile erstreckende Betrachtungsweise soll verhindern, dass die UVP- bzw. Vorprüfungspflicht durch Aufspaltung größerer Vorhaben in kleinere Einheiten umgangen wird.
78Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 51 ff., m.w.N.
79Die danach erforderliche Gesamtbetrachtung aller Anlagen der Windfarm nimmt die standortbezogene Vorprüfung nicht vor.
80Ausweislich der Dokumentation vom 18.11.2015 bezieht sich die standortbezogene Vorprüfung allein auf die WEA 3. Nur insoweit werden Umweltauswirkungen durch Schallimmissionen, Schattenwurf, Eisabwurf sowie Eingriffe in Natur und Landschaftsbild erörtert; die Bestandsanlagen WEA 1 und WEA 5 (WEA Pieper) werden nicht in den Blick genommen. Zwar ist in der Dokumentation die Rede davon, dass die streitgegenständliche Anlage zusammen mit zwei bereits betriebenen Anlagen eine Windfarm bilde. Welche anderen Anlagen hier konkret gemeint sind und betrachtet wurden, ergibt sich jedoch erst im Zusammenhang mit dem zwischen dem Antragsgegner und den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen ab August 2015 geführten Schriftwechsel. In einer Email vom 14.08.2015 (Bl. 94 BA I) führt der Antragsgegner aus, dass zusätzlich zu den WEA 1, WEA 3 und WEA 5 auch die zum damaligen Zeitpunkt beantragte WEA N. mit zu berücksichtigen sei und daher eine aus vier Anlagen bestehende Windfarm vorliege. Mit Schreiben vom 03.09.2015 (Bl. 108 f. BA I) relativierte die Genehmigungsbehörde diese Auffassung und forderte von der Beigeladenen die Einreichung von UVP-Vorprüfungsunterlagen bezogen auf eine aus den Anlagen WEA 1, WEA 3 und WEA 5 bestehende Windfarm. Genau über diese Anlagen verhält sich dementsprechend die Vorprüfungsunterlage der L. C2. Landschaftsarchitekten vom 30.09.2015 (Bl. 405 ff. BA I).
81Die Vorprüfungsunterlage beschreibt das Untersuchungsgebiet der UVP-Vorprüfung als 3 km-Umfeld um die beantragte WEA 3 (vgl. Bl. 415 BA I). Die Bestandsanlagen WEA 1 und WEA 5 sind in der Kartendarstellung des Untersuchungsgebiets vermerkt, um diese ist jedoch kein Untersuchungsgebiet festgelegt und im Rahmen der Vorprüfung betrachtet worden. Schutzgutbezogen festzulegende Untersuchungsräume um die Bestandsanlagen werden nur insoweit erfasst, als sich diese mit dem jeweils um die WEA 3 gezogenen Untersuchungsgebiet decken. Im Übrigen bleiben die Untersuchungsgebiete um die Bestandsanlagen unberücksichtigt.
82Diese Fehlerhaftigkeit der Vorprüfung betrifft alle untersuchten Schutzgüter. Hinsichtlich der Avifauna nimmt die Vorprüfungsunterlage u.a. Bezug (Bl. 421 ff. BA I) auf die bereits erwähnten Raumnutzungskartierungen des Rotmilans aus den Zeiträumen Oktober 2012 bis März 2013 von Bohrer (Bl. 546 BA I) sowie aus März/April 2015 von Flore (Bl. 443R BA I). Das von der Gutachterin C3. gewählte Untersuchungsgebiet ist um die Standorte der Anlagen WEA 1, WEA 2 und WEA 3 zentriert und beschränkt sich auf einen Bereich südlich der Bundesautobahn A 2 (Bl. 545 BA I). Das Umfeld der WEA 5 wird auch hier nicht untersucht. Zwar wurden auch Sichtungen außerhalb des Untersuchungsgebiets dokumentiert, der Standort der WEA 5 befindet sich jedoch nicht auf der Kartendarstellung (Bl. 546 BA I). Gleiches gilt für die weiteren Betrachtungen windkraftsensibler Vogelarten durch die Gutachterin C3. und für die Raumnutzungskartierung des Gutachters Flore, dessen Untersuchungsgebiet ein 1,5 km-Umkreis um die Standorte der WEA 2 und WEA 3 ist (Bl. 442R BA I). Der Standort der WEA 5 liegt hier am äußersten westlichen Rand der Kartendarstellung. Um die WEA 1 und WEA 5 fanden wiederum keine Untersuchungen statt.
83An entsprechenden Mängeln leiden auch die Schallimmissionsprognose vom 08.06.2015 (Bl. 245 ff. BA I), die Schattenwurfprognose vom 10.06.2015 (Bl. 298 ff. BA I), der landschaftspflegerische Begleitplan vom 21.07.2015 (Bl. 456 ff. BA I), der Artenschutzbeitrag vom 03.06.2015 (Bl. 491 ff. BA I) sowie die Artenschutzprüfung „Fledermäuse“ aus November 2012 (Bl. 566 ff. BA I), mithin alle maßgeblichen Bezugnahmequellen der UVP-Vorprüfungsunterlage vom 30.09.2015 und der UVP-Vorprüfung vom 18.11.2015.
84(2.)
85Der Sachverhalt ist ferner nicht nur in Bezug auf die räumliche Ausdehnung des Untersuchungsgebiets unvollständig und unzutreffend erfasst worden, sondern auch in Bezug auf eine weitere, möglicherweise in die UVP-Vorprüfung einzubeziehende Windkraftanlage.
86Bei der im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung spricht einiges dafür, dass der Antragsgegner die ebenfalls im Genehmigungsverfahren befindliche, aber noch nicht errichtete, ca. 1,3 km südlich der WEA 5 und ca. 2,4 km westlich der WEA 1 gelegene WEA N. rechtsfehlerhaft nicht daraufhin untersucht hat, ob diese mit den Anlagen WEA 1, WEA 3 und WEA 5 zusammen eine Windfarm bildet.
87Gemessen an den oben (vgl. unter II. 2. a.) bereits ausführlich dargelegten Maßstäben zur Beurteilung, ob mehrere Anlagen eine Windfarm bilden, dürften sich überschneidende Einwirkungsbereiche der WEA 1, WEA 3 und WEA 5 mit der WEA N. bereits im Hinblick auf das Schutzgut „Tiere“ gegeben sein. Zieht man im Sinne des von der LAG-VSW empfohlenen Prüfbereichs hinsichtlich des Rotmilans von 4.000 m einen entsprechenden Kreis um die WEA N. , liegen sich überschneidende Einwirkungsbereiche dieser Anlage mit den Einwirkungsbereichen der Anlagen WEA 1, WEA 3 und WEA 5 vor. Der Antragsgegner hätte deshalb zu prüfen gehabt, ob innerhalb der sich jeweils überschneidenden Einwirkungsbereiche essentielle Nahrungshabitate oder Flugkorridore windkraftsensibler Arten vorhanden sind. Wenn dies von vornherein nicht der Fall ist, dürfte die abstrakte („generelle") Möglichkeit des Eintritts erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen zu verneinen sein und eine auch die WEA N. einschließende Windfarm nicht gegeben sein. Bejahendenfalls wären auch diese Anlagen in die Vorprüfung des Einzelfalls einzubeziehen und überschlägig auf erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu untersuchen.
88Entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners (vgl. Schriftsatz vom 20.10.2016) stehen der Einbeziehung der WEA N. keine durchgreifenden verfahrensrechtlichen Gesichtspunkte entgegen. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob das Genehmigungsverfahren der WEA N. einen „verfestigten Status“ erreicht hat oder nicht. Den Rechtsbegriff des „verfestigten Status“ kennt das UVPG in dieser Form nicht. Zum Zeitpunkt der Durchführung der UVP-Vorprüfung im November 2015 war ein Genehmigungsantrag hinsichtlich der WEA N. anhängig und nicht länger ruhend gestellt. Bereits anhand der Antragsunterlagen wird der Antragsgegner in der Lage gewesen sein, Art, Höhe und genauen Standort der Anlage zu bestimmen. Damit hatte er alle Informationen, um prüfen zu können, ob das Vorhaben unter die Nr. 1.6. der Anlage 1 zum UVPG fällt. Fällt die Anlage darunter, muss eine Prüfung durch die Behörde erfolgen, ob die abstrakte („generelle") Möglichkeit des Eintritts erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen gegeben ist, da ansonsten Vorhabenträgern über die Möglichkeit des Ruhendstellens von Anträgen eine Möglichkeit eröffnet würde, Umweltverträglichkeitsprüfungen bzw. die Einbeziehung bestimmter Anlagen in eine solche zu umgehen.
89Nicht zu beanstanden sein dürfte bei summarischer Prüfung hingegen die Nichteinbeziehung der WEA 2 (Schwatten Paul). Der auf diese Anlage bezogene Genehmigungsantrag war durch die Beigeladene bereits am 22.04.2015 zurückgenommen worden (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 20.10.2016). Daher bestand aus Sicht des Antragsgegners kein Anlass mehr für die Prüfung möglicher nachteiliger Umwelteinwirkungen durch dieses Vorhaben. Die Zurücknahme eines Genehmigungsantrags bzw. eines Antrags auf Erteilung eines Vorbescheides ist grundsätzlich von der Dispositionsfreiheit des Vorhabenträgers umfasst, jedenfalls soweit die Grenze des Rechtsmissbrauchs hierdurch nicht überschritten wird. Hierfür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Insbesondere stand die Zurücknahme des Antrags bezüglich der WEA 2 durch die Beigeladene nicht in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der UVP-Vorprüfung. Im Falle einer ggf. beabsichtigten Nachholung der standortbezogenen Vorprüfung gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UmwRG i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG dürfte sich die Frage der Einbeziehung der WEA 2 aufgrund der mittlerweile erfolgen Neubeantragung am 17.12.2015 ohnehin neu stellen. Etwaigen rechtlichen Unsicherheiten im Hinblick auf eine der Beigeladenen von Seiten der Antragsteller unterstellte Umgehung der UVP-Pflicht kann dann im Genehmigungsverfahren der WEA 2 wirksam begegnet werden.
90Die ca. 4 km südwestlich der WEA 5 gelegene WEA 4 (U.--------straße ) konnte ebenfalls außer Betracht bleiben. Am dortigen Anlagenstandort war nach der unwidersprochen gebliebenen Auskunft des Antragsgegners (Schriftsatz vom 27.10.2016) eine Bestandsanlage mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern bislang nicht betrieben worden. Ein entsprechender Neuantrag datiert vom 17.12.2015 (Schriftsatz des Antragsgegners vom 20.10.2016) und brauchte deshalb nicht berücksichtigt zu werden.
91(3.)
92Der Antragsgegner hat des Weiteren bei der standortbezogenen Vorprüfung rechtliche Bewertungsgrundsätze nicht eingehalten (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 UmwRG).
93Die Vorprüfung muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen. In diesem Zusammenhang darf die Genehmigungsbehörde auch auf vom Vorhabenträger eingeholte Fachgutachten zurückgreifen, die gegebenenfalls durch zusätzliche Ermittlungen der Behörde ergänzt werden können. Bei der Frage, welche Unterlagen und Informationen als geeignete Grundlage einer überschlägigen Prüfung benötigt werden, kommt der Behörde ein Einschätzungsspielraum zu.
94Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.2014 – 4 C 36.13 –, juris Rn. 29; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.02.2016 – 3 S 2225/15 –, juris Rn.18 ff.
95Soweit es die Bewertung des Schutzgutes „Tier“ betrifft, ist das Ergebnis dann nicht nachvollziehbar, wenn die der Vorprüfung zugrundeliegenden Feststellungen im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag in ihrem methodischen Vorgehen oder in ihrer Ermittlungstiefe im Gesamtergebnis unzureichend sind und eine sachgerechte Prüfung, ob artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände erfüllt sind, nicht zulassen.
96Vgl. zur artenschutzrechtlichen Einschätzungsprärogative: BVerwG, Urteile vom 09.07.2008 – 9 C 14.07 –, juris Rn. 65 ff. und vom 21.11.2013 – 7 C 40.11 –, juris Rn. 20.
97So liegt der Fall hier. In Bezug auf den Rotmilan zitiert der Antragsgegner in der UVP-Dokumentation vom 18.11.2015 wörtlich aus den Feststellungen der UVP-Vorprüfungsunterlage vom 30.09.2015 (vgl. dort Seite 21 f., Bl. 434 f. BA I). Dies ist für sich genommen nicht zu beanstanden. Jedoch fußt die dort vorgenommene Schlussfolgerung der „eher untergeordneten Bedeutung“ des geplanten WEA-Standorts als Rotmilan-Lebensraum auf den Raumnutzungskartierungen von C3. (2012/2013) und Flore (2015), wobei der aus dem Jahr 2015 stammenden Kartierung von Flore für die UVP-Vorprüfung und die ihr zugrunde liegende naturschutzfachliche Einschätzung aufgrund ihrer Aktualität besondere Bedeutung zukommt. Diese Kartierung war jedoch unzureichend. Der Gutachter Flore hat das 992 ha große Untersuchungsgebiet im Zeitraum März/April 2015 genau dreimal jeweils für etwa 6 Stunden begangen und bei zwei Begehungen Rotmilan-Flugbewegungen festgestellt (Bl. 443 f. BA I). Bereits die Anzahl der Begehungen war nicht ausreichend, um eine belastbare Aussage über die Eignung des Untersuchungsgebiets als Rotmilan-Habitat zu treffen. Gem. Ziffer 6.1 des Leitfadens „Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen“ des MKULNV und LANUV vom 12.11.2013 sind bei der Revierkartierung 6 bis 10 Begehungen erforderlich, die spätestens zum Sonnenaufgang beginnen sollen. Der Gutachter Flore begann seine Betrachtungen dagegen stets um 11.25 Uhr (Bl. 443 BA I). Gezielte Horstkontrollen sind laut Leitfaden im Zeitraum vom 01.06. bis 10.07. durchzuführen. Solche sind nicht erfolgt.
98Der Gutachter G. führt darüber hinaus wörtlich im Hinblick auf seine Feststellungen aus (Bl. 443R ff. BA I):
99„17.04.2015: (…) Von 12:23-12:43 Uhr konnte ein Rotmilan über dem Südwesten des Gebiets länger verfolgt werden. Der bestehenden WEA (WEA 1, Anmerkung d. Gerichts) näherte er sich dabei bis auf etwa 60 m an. Der Rotmilan flog etwa 50-150 m hoch (…). Während der beiden Tage mit 4 beobachteten Rotmilan-Flügen wurden Annäherungen zum (westlichen) geplanten WEA-Standort (der WEA 3, Anmerkung d. Gerichts) bis minimal etwa 500 m beobachtet. Da die Vögel ‚irgendwann‘ während ihres Fluges entdeckt wurden, ist die Aussagekraft jedoch gering. Nahe dem östlich geplanten Standort fielen Rotmilane im Rahmen der Beobachtungen nicht auf (…). Beim Rotmilan kann sich der Brutbeginn von Ende März bis Anfang Mai erstrecken, vor allem erfolgt dieser im April. Mit der Belaubung wird es vielfach schwierig, besetzte Horste zu entdecken, insbesondere neu gebaute oder Instand gesetzte (…). Im hiesigen Gebiet hielten sich Rotmilane auf: Bei 3 Kontrollen gelangen an 2 Tagen insgesamt 4 Sichtungen (…). Wo diese Vögel gebrütet haben könnten, blieb unklar, beobachtete Flugrichtungen deuten eher auf westliche bis nordwestliche Richtungen hin, eventuell auch in südlicher Richtung. Bis zum 17.04.2015 konnte ein Revierschwerpunkt bzw. eine besetztes Nest im hiesigen (…) UG (…) nicht festgestellt werden. Gleichwohl kann nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eventuell später noch ein Nestbezug erfolgte. Etwa nach Verlust eines früher avisierten Horstes (…) anderen Ortes, kann ein solcher Wechsel mitunter wohl schnell erfolgen.“
100Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, wie der Antragsgegner sich im November 2015 ohne weitere Ermittlungen der Feststellung anschließen konnte, eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos für den Rotmilan sei ausgeschlossen bzw. einem Tötungsrisiko könne mit umfangreichen Nebenbestimmungen im Vorbescheid vom 15.12.2015 begegnet werden, zumal der im Jahr 2014 besetzte Rotmilanhorst sturmbedingt unbrauchbar war und damit mit einem Horstwechsel gerechnet werden musste, der nach den eigenen Ausführungen des Gutachters auch noch bis Mai 2015 hätte erfolgen können.
101(4.)
102Das Ergebnis der Vorprüfung ist ferner deshalb nicht nachvollziehbar, weil das im Vorbescheid vom 15.12.2015 angeordnete Rotmilan-Monitoring in seiner konkreten Ausgestaltung ungeeignet ist, um eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos für den Rotmilan auszuschließen.
103Der Antragsgegner hat im Vorbescheid vom 15.12.2015 ab Seite 13 unter III. C) Untere Landschaftsbehörde 13) (Bl. 186 f. BA I) für die ersten drei Jahre nach Inbetriebnahme u.a. ein vorsorgliches Monitoring des Rotmilans im 1,5 km Radius „um die Anlagen“ angeordnet.
104Zwar ist höchstrichterlich anerkannt, dass ein Monitoring angeordnet werden kann, um nicht behebbaren naturschutzrechtlichen Erkenntnislücken oder Unsicherheiten Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Unsicherheiten über die Wirksamkeit von Schutz- oder Kompensationsmaßnahmen bestehen, die für den Fall, dass sich diese Maßnahmen als unzureichend erweisen, durch weitere Maßnahmen ergänzt werden sollen.
105Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 06.11.2012 – 8 B 441/12 –, juris Rn. 43 unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 14.07.2011 – 9 A 12.10 –, juris Rn. 105, vom 12.08.2009 – 9 A 64.07 –, juris Rn. 91, und vom 17.01.2007 – 9 A 20.05 –, juris Rn. 55; VG Minden, Urteil vom 28.04.2016 – 11 K 1565/14 –, n.v.
106Dient das Monitoring dagegen – als Ergebnis einer UVP-Vorprüfung – vorrangig der Behebung bestehender Unsicherheiten hinsichtlich der Frage, ob ein signifikantes Tötungsrisiko i.S.d. § 44 BNatSchG besteht, und nicht nur der Überprüfung der Notwendigkeit verfügter Abschaltalgorithmen, kann es in aller Regel nicht ohne vorherige Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung angeordnet werden.
107Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.07.2015 – 8 S 534/15 –, juris Rn. 84 ff.; VGH Hessen, Beschluss vom 03.11.2015 – 9 B 1051/15 –, juris Rn. 71; ebenso wohl auch OVG NRW, Urteil vom 25.02.2015 – 8 A 959/10 –, juris Rn. 172 ff.
108Ein Monitoring stellt kein zulässiges Mittel dar, um behördliche Ermittlungsdefizite und Bewertungsmängel zu kompensieren; dies umso weniger, wenn offen bleibt, mit welchen Mitteln nachträglich zu Tage tretenden Gefahren begegnet werden soll. Führt die Vorprüfung des Einzelfalls dazu, dass der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach Auffassung der Behörde wesentliche umweltbezogene Nebenbestimmungen i.S.v. § 12 Abs. 1 BImSchG beigefügt werden müssen, kann dies ein Indiz dafür sein, dass das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann.
109Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.02.2015 – 8 A 959/10 –, a.a.O. Rn. 172, 179.
110So liegt der Fall hier. Ausweislich der Dokumentation vom 18.11.2015 (Bl. 118 BA I) und der Begründung der entsprechenden Nebenbestimmung im Vorbescheid vom 15.12.2015 hat der Antragsgegner das Rotmilan-Monitoring angeordnet, „um artenschutzrechtliche Konflikte während des Betriebes der WEA 3 ausschließen zu können“. Er hat damit die naturschutzfachliche Einschätzung der UVP-Vorprüfungsunterlage vom 30.09.2015, dass eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos für die Art Rotmilan ausgeschlossen sei (Bl. 435 BA I), nicht ohne weiteres geteilt, sondern zusätzlichen Aufklärungsbedarf gesehen. Hierfür spricht auch, dass im Vorbescheid vom 15.12.2015 zunächst keine umfangreichen Abschaltzeiten im Hinblick auf die Rotmilan-Population festgelegt wurden. Abschaltzeiten wurden nur angeordnet für die Zeit der Ernte der unmittelbar unterliegenden Ackerfläche, „falls im Rahmen des Monitorings ein Vorkommen des Rotmilans oder anderer Greifvögel im Untersuchungsgebiet bestätigt wird“ (vgl. Bl. 186 BA I); ferner für die Zeit vom 31.03. bis 31.07. tagsüber (Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang) während der im Falle eines Brutnachweises durchzuführenden Raumnutzungskartierung. Der Antragsgegner hat damit jedenfalls als ein Ergebnis der UVP-Vorprüfung angenommen, dass das Rotmilan-Vorkommen weiterer Aufklärung bedurfte. Diese hätte er dann aber vor Vorbescheiderteilung selbst veranlassen oder aber der Beigeladenen auferlegen müssen. Wenn der Antragsgegner – wie vorliegend – davon absieht, hätte das Ergebnis der Vorprüfung nachvollziehbarerweise sein müssen, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
111(5.)
112Das Ergebnis der Vorprüfung ist darüber hinaus nicht nachvollziehbar im Hinblick auf die Ausführungen des Antragsgegners hinsichtlich des Rotmilan-Zugverhaltens.
113Gemäß den Abstandsempfehlungen der LAG-VSW sind überregional bedeutsame Zugkonzentrationskorridore von Windenergieanlagen freizuhalten.
114Hinweise auf einen solchen Zugkonzentrationskorridor liegen vor.
115In dem den Antragsunterlagen beigefügten Dokument „Erfassung der Avifauna: Zug- und Rastvögel“ der Gutachterin C3. vom 27.03.2013 (Bl. 535 ff. BA I) heißt es auf Seite 23 f. auszugsweise (Bl. 560 f. BA I):
116„Das dokumentierte Beispiel des Rotmilan-Zugs legt die Vermutung nahe, dass der Bereich zwischen Weser und Wiehengebirge während des Frühjahrszugs zum Zugkorridor der Weser gehört. Auf dem Herbstzug ziehen die Vögel von Norden und Nordosten in südliche und südwestliche Richtung. Die Weser wirkt als Vogelzug-Leitlinie, wie auch die Einstufung des Vogelschutzgebiets Weserstaustufe Schlüsselburg als Gebiet mit für Rast- und Zugvögel internationaler Bedeutung bestätigt. Eigene Beobachtungen im Raum Petershagen und Minden im Oktober 2012 lassen vermuten, dass die Weseraue auch für den Rotmilan-Zug bündelt (…). Möglicherweise kommt dem Weserdurchbruch bei Hausberge eine Art Trichterwirkung zu. Auf dem Frühjahrszug, bei dem die Vögel aus südlicher Richtung kommen, konnte für den Rotmilan ein verstärktes Zuggeschehen südlich des Wiehengebirges in westlicher Richtung festgestellt werden (…).“
117Im Artenschutzbeitrag vom 03.06.2015 (Bl. 491 ff. BA I) heißt es hierzu auf Seite 26 auszugsweise (Bl. 506 R BA I):
118„Die Zug- und Rastvogelkartierung legt daneben die Vermutung nahe, dass der Bereich zwischen Weser und Wiehengebirge während des Frühjahrszugs zum Zugkorridor des Rotmilans gehört. Auf dem Herbstzug ziehen die Vögel von Norden und Nordosten in südliche und südwestliche Richtung (…). Dem Weserdurchbruch bei Hausberge wird hierbei eine Art Trichterwirkung zugeschrieben. Der Zugkorridor hat im Bereich der geplanten Anlage eine Breite von etwa 4 km. Die drei geplanten Anlagen sind im Gebiet so angeordnet, dass sie mit etwa 200 m möglichst schmal in den Zugkorridor eingepasst wurden. (…) Ein signifikante Erhöhung des Kollisionsrisikos und ein damit verbundener Tötungstatbestand werden daher für die Art Rotmilan ausgeschlossen. In Bezug auf das Zugvorkommen lässt sich ebenfalls anhand der vorliegenden Daten keine signifikante Erhöhung des Kollisionsrisikos erkennen.“
119Vor dem Hintergrund dieser Darstellungen und den erwähnten Abstandsempfehlungen der LAG-VSW ist nicht nachvollziehbar, wie der Antragsgegner zu der Auffassung gelangen konnte, ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko sei auch in Bezug auf das Zugverhalten des Rotmilans ausgeschlossen (vgl. Bl. 118 BA I). Es ist nicht ersichtlich, aus welchen avifaunistischen Fachquellen sich die Erkenntnis des Antragsgegners ergibt, dass Rotmilane ausschließlich in Höhen von 150 m bis 200 m ziehen. Selbst wenn dem so wäre, läge gleichwohl ein Kollisionsrisiko jedenfalls im Hinblick auf die in die Prüfung mit einzubeziehende WEA 1 (Nabenhöhe 93 m, Gesamthöhe: 150 m) und die WEA 5 (Nabenhöhe: 140 m, Gesamthöhe: 200 m) nahe. Soweit der Antragsgegner die Auffassung vertritt, am geplanten Standort sei kein gebündeltes Zuggeschehen beobachtet worden, ist festzuhalten, dass weder der Gutachter G. im Jahr 2015 noch die Gutachterin C3. in den Jahren 2013/2014 das Untersuchungsgebiet während der Rotmilan-Zugzeiten über einen längeren Zeitraum und mit der nötigen Kontinuität beobachtet haben.
120(6.)
121Ferner hat der Antragsgegner das anzuwendende Recht verkannt (§ 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG), weil im Rahmen der Vorprüfung vom 18.11.2015 die Betroffenheit der unterschiedlichen UVP-Schutzgüter nur unvollständig untersucht worden ist.
122Die Behörde hat bei einer überschlägigen Vorprüfung nach § 3c Satz 1 und Satz 2 UVPG anhand der in Nr. 2 der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen mit Blick auf alle in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 UVPG genannten Schutzgüter zu bewerten.
123Nachteilige Umweltauswirkungen sind i.S.d. § 3c Satz 1 und Satz 2 UVPG erheblich, wenn sie nach Maßgabe des § 12 UVPG bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens zu berücksichtigen wären. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG sind die Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt (Nr. 1), auf Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft (Nr. 2), Kulturgüter und sonstige Sachgüter (Nr. 3) sowie die Wechselwirkungen zwischen den vorgenannten Schutzgütern für die Umweltverträglichkeitsprüfung und damit auch für die Vorprüfung des Einzelfalls maßgeblich.
124Die Prüfung ist bereits hinsichtlich der Auswirkungen auf das Schutzgut „Mensch“ und „menschliche Gesundheit“ (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG) nicht nachvollziehbar, insbesondere im Hinblick auf eine möglicherweise gegebene optisch bedrängende Wirkung des Vorhabens. Auf Seite 19 der Vorprüfungsunterlage (Bl. 432 BA I) heißt es hierzu:
125„Eine bedrängende Wirkung der WEA kann insbesondere im Umfeld der 2 bis 3-fachen Anlagenhöhe entstehen. Unter Berücksichtigung der geplanten Gesamtanlagenhöhe von 124,5 m würde der kritische Abstand, bei dessen Unterschreitung eine erdrückende Wirkung zu erwarten wäre, 373,50 m betragen. Innerhalb einer Entfernung zwischen 330 m und 373,50 m liegen insgesamt 4 Immissionsorte, demnach also in einem Bereich zwischen der 2,5 – 3 fachen Anlagenhöhe.“
126Ausweislich der Vorprüfungsdokumentation vom 18.11.2015 ist seitens des Antragsgegners keiner dieser Immissionsorte im Rahmen der UVP-Vorprüfung überschlägig auf eine optisch bedrängende Wirkung und damit auf eine schädliche Umwelteinwirkung auf das Schutzgut „Mensch“ hin überprüft worden. Ebenso wenig wurden entsprechende Immissionsorte im Umfeld der Anlagen WEA 1 und WEA 5 überprüft. Es fehlt zudem an einer Überprüfung möglicher kumulierender Wirkungen von Schall- und Schattenwurfimmissionen der WEA 1 und WEA 5 auf den Bereich der Bebauung an der W2. Straße (L 865). Gleiches gilt bezogen auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ hinsichtlich möglicher kumulierender Wirkungen der WEA 1 und WEA 5 auf die nachgewiesenen sieben Balzquartiere der Fledermausart „Großer Abendsegler“ im Wäldchen an der Autobahnabfahrt W1. , das etwa mittig zwischen den genannten Anlagen liegt (vgl. Bl. 584 BA I).
127c.)
128Allein die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UmwRG i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG bestehende Möglichkeit, die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls noch nachzuholen, führt nicht dazu, dass die Erfolgsaussichten der Klagen im Ergebnis als offen zu bezeichnen sind. Es kann schon mangels ausreichender Tatsachengrundlagen nicht hinreichend sicher prognostiziert werden, dass eine erneute standortbezogene Vorprüfung zu dem Ergebnis kommt, es bedürfe keiner Umweltverträglichkeitsprüfung. Darüber hinaus sind die Vorgaben des Unionsrechts zu berücksichtigen. Zwar ist die Möglichkeit der Nachholung einer UVP-Vorprüfung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UmwRG i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG mit Unionsrecht grundsätzlich vereinbar. Insbesondere liegt in der Nachholung keine Legalisierung von Projekten, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätten unterzogen werden müssen. Das gilt jedenfalls, wenn die nachgeholte UVP-Vorprüfung zu dem Ergebnis kommt, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedurfte. Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften, die unter bestimmten Umständen die Legalisierung unionsrechtswidriger Vorgänge oder Handlungen zulassen, nicht grundsätzlich entgegen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie ein Vorhaben ohne – ggf. nachgeholte – Durchführung einer UVP bzw. Vorprüfung nach Unionsrecht nicht durchgeführt werden darf. Aufgrund des unionsrechtlichen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht zu beheben. Es ist daher Aufgabe der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit die Projekte im Hinblick darauf überprüft werden, ob bei ihnen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen sind, und damit sie bejahendenfalls auf diese Auswirkungen hin untersucht werden. In diesem Zusammenhang ist es Sache der nationalen Gerichte festzustellen, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder jedenfalls auszusetzen, um dieses Projekt einer Prüfung gemäß den Anforderungen der UVP-Richtlinie zu unterziehen. Ist – wie im vorliegenden Fall – die erforderliche Vorprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden und können somit die zu erwartenden Auswirkungen auf die Schutzgüter nicht hinreichend sicher beurteilt werden, hat das Gericht den Widerspruch dieses Zustands zum Unionsrecht zu berücksichtigen.
129Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. Rn. 64 ff. m.w.N; VG Minden, Beschluss vom 09.05.2016 – 11 L 59/16 –, n.v.
130Aus den vorgenannten Gründen kann auch der Umstand, dass die WEA 3 bereits weitgehend errichtet ist und die Beigeladene aus ihr zeitnah finanzielle Einnahmen zu erwirtschaften beabsichtigt, nicht zu ihren Gunsten streiten. Liegen Rechtsbehelfe von Dritten gegen Genehmigungsbescheide vor, trägt der Betreiber das finanzielle Risiko der Errichtung von Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren.
131Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.01.2013 – 8 B 1130/12 –, juris Rn. 37.
132III.
133Die von den Antragstellern darüber hinaus begehrte Verpflichtung des Antragsgegners, gegenüber der Beigeladenen eine Beseitigungsanordnung, hilfsweise eine vorläufige Betriebseinstellungsverfügung zu erlassen, hat keinen Erfolg.
134Für die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen entsprechend § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist kein Raum, wenn – wie hier – keine Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Antragsgegner oder die Beigeladene eine wiederhergestellte aufschiebende Wirkung der Klagen der Antragsteller missachten werden oder dass der Antragsgegner bei einer Missachtung der aufschiebenden Wirkung der Klagen nicht von sich aus Sicherungsmaßahmen anordnen wird.
135Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2015 – 8 B 1108/15 –, juris Rn. 38 ff.
136Der geforderte Rückbau stellt im Übrigen schon keine vorläufige Sicherungsmaßnahme dar.
137IV.
138Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene hat einen Sachantrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt, weswegen es der Billigkeit entsprach, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
139Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 19.2 und 2.2.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Da Verfahrensgegenstand hier eine Nachbarklage gegen eine einzelne Windkraftanlage ist, wäre im Hauptsacheverfahren ein Streitwert von 15.000,- € festzusetzen, wobei hier jedoch zu beachten ist, dass die Antragsteller in der Hauptsache in zwei zunächst getrennten Verfahren Klage jeweils gegen den Vorbescheid vom 15.12.2015 und den Genehmigungsbescheid vom 18.03.2016 erhoben haben. Die beiden Verfahren 11 K 186/16 und 11 K 2029/16, die jeweils für sich einen Streitwert von 15.000,- € haben, sind durch Beschluss des Gerichts vom 18.10.2016 unter Führung des Verfahrens 11 K 186/16 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Die Verbindung bewirkt, dass die Streitwerte der Verfahren gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 5 ZPO zu addieren sind.
140Vgl. Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, a.a.O., § 93 Rn. 8.
141Der danach im Hauptsacheverfahren festzusetzende Streitwert beträgt 30.000,- €. Dieser ist auch für das vorliegende Verfahren zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes maßgeblich. Von einer Reduzierung des Streitwertes in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs aufgrund der Vorläufigkeit der erstrebten Regelung hat das Gericht vor dem Hintergrund des im Eilverfahren gestellten Antrags zu 2. abgesehen.
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Referenzen
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- § 3a Satz 4 UVPG 5x (nicht zugeordnet)
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- VwGO § 155 1x
- § 4a Abs. 3 UmwRG 1x (nicht zugeordnet)
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- § 3c Satz 2 UVPG 1x (nicht zugeordnet)
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