Beschluss vom Verwaltungsgericht München - M 22 E 18.3411

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihnen im Rahmen der Obdachlosenfürsorge eine andere, den besonderen Bedürfnissen der Antragstellerin Rechnung tragende Unterkunft zuzuweisen.

Die Antragsteller sind beide erheblich gehbehindert und benutzen Rollstühle. Beim Antragsteller wurde ein Grad der Behinderung von 80, bei der Antragstellerin von 100 festgestellt. Die Antragstellerin leidet weiter ausweislich eines im Betreuungsverfahren erstellten nervenärztlichen Gutachtens vom 18. April 2017 an einer Angst- bzw. Panikstörung (ICD10: F41.0) und einer Agoraphobie mit Panikstörung (ICD10: F40.01). Darüber hinaus bestehe der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD10: F43.1).

Nach Räumung der bisher von den Antragstellern genutzten Unterkunft (einer nicht behindertengerecht ausgestatteten Ferienwohnung, vgl. dazu den Beschluss der Kammer vom 14.09.2017 im Verfahren M 22 E 17.4078, mit dem ein Antrag auf Wiedereinweisung abgelehnt wurde) wies die Antragsgegnerin den Antragstellern im Rahmen der Obdachlosenfürsorge eine Unterkunft in einer für diese Zwecke von der Antragsgegnerin unterhaltenen Wohncontaineranlage zu. Das Modul mit einer Gesamtfläche von ca. 16 m² ist mit einer Toilette, Strom, Heizung und Warmwasseranschluss ausgestattet. Den Antragstellern wurden weiter ein Kühlschrank und eine Kochplatte zur Verfügung gestellt. Der Zugang zu dem Modul wurde barrierefrei gestaltet und der Innenraum durch die Herausnahme einer Wand den Erfordernissen zum Befahren mit einem Rollstuhl angepasst.

Mit Schreiben vom 15. April 2018 wandte sich der Betreuer der Antragsteller - die Betreuung betrifft u. a. Wohnungsangelegenheiten, insoweit vertritt der Betreuer die Antragsteller gerichtlich und außergerichtlich - an die Antragsgegnerin und beantragte, den Antragstellern eine andere Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Unter Bezugnahme auf ein „formuliertes Ersuchen“ der Antragsteller wurde ausgeführt, ein Wohnen gehe nur noch in Einzellage, entweder als Container oder Mobilheim (Container in Wohnqualität). Die Antragsteller hätten einen „WBS über 95 m²“. Für den Anfang würden zwei Container mit den Maßen 6,00 m x 3,00 m plus einem speziellen Bad- und HWS-Container reichen.

Mit weiterem Schreiben vom 17. Mai 2018 legte der Betreuer der Antragsteller ein nervenärztliches Attest vom selben Tage vor, in dem ausgeführt wird, aufgrund der erhobenen Befunde sei es notwendig, dass die Antragstellerin in einer auf ihre Situation angepassten Containerwohnung wohnen könne. Ein Wohnen in einer Wohnung sei bei der Erkrankung der Patientin aus nervenärztlicher Sicht nicht möglich. Medizinische Einzelheiten hierzu müssten ggf. vom Amtsarzt nach Schweigepflichtentbindung erfragt werden.

Mit E-Mail vom 17. April und Schreiben vom 13. Juli 2018 nahm die Antragsgegnerin zu dem Antrag Stellung und wies darauf hin, dass die Antragsteller für die Suche nach einer geeigneten Wohnung selbst verantwortlich seien. Die Antragsgegnerin stelle lediglich eine Notunterkunft, bei der es sich nicht um eine Wohnung handele. Die Unterbringung entspreche den für Obdachlosenunterkünfte geltenden Standards. Weiter werde darauf hingewiesen, dass die Antragsteller die Unterkunft bereits über Gebühr beanspruchen und nach Kenntnis der Antragsgegnerin auch über genügend eigenes Einkommen verfügen würden, um sich nach einer eigenen Unterkunft umsehen zu können. Die Unterkunft werde daher von der Antragsgegnerin ohne rechtliche Verpflichtung zur Verfügung gestellt. Es werde auch nochmals darauf hingewiesen, dass die Antraggegnerin weder über Wohnungen in fester noch in Containerbauweise, sondern lediglich über Obdachlosenunterkünfte verfüge.

Mit Schreiben vom 28. Juni 2018 wandte sich der Betreuer der Antragsteller an den Bezirk Oberbayern und beantragte dort gleichfalls, den Antragstellern eine geeignete Wohnform als Containerlösung zur Verfügung zu stellen. Diesen Antrag leitete der Bezirk „zuständigkeitshalber“ an die Antragsgegnerin weiter.

Mit Schreiben vom 9. und vom 11. Juli 2018, eingegangen bei Gericht jeweils am selben Tage, beantragte der Betreuer der Antragsteller als deren Vertreter,

die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern zwei Container a 3,00 m x 8,50 m sowie einen standardisierten Sanitärcontainer mit Dusche, WC, Waschbecken und Waschmaschine in der Größe abgestimmt auf zwei Rollstuhlfahrer zur Nutzung zuzuweisen.

Gegenstand des Begehrens sei die Herstellung menschenwürdigen Wohnens auf Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention, des Grundgesetzes und der daraus hervorgehenden Gesetze durch Stellung der Container. Die Notwendigkeit ergebe sich aus der Agoraphobie, Klaustrophobie, posttraumatischen Belastungsstörung, Angst- und Panikstörung der Antragstellerin in Verbindung mit den therapeutischen Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Teilhabe. Die Antragstellerin könne den aktuellen Container nicht verlassen, wodurch Arztbesuche ausgeschlossen seien. Weitere Notwendigkeit ergebe sich aus der Anpassungsstörung des Antragstellers.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt vor, die vorübergehende Unterbringung eines von Obdachlosigkeit Bedrohten stelle lediglich eine Notmaßnahme dar, solange der Betroffene keine dauerhafte Wohnmöglichkeit habe, wobei das Obdachlosenrecht keinen Anspruch auf die Einweisung in eine bestimmte Unterkunft gewähre. Die Anforderungen an eine Obdachlosenunterkunft seien demgemäß gering.

Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die Unterbringung der Antragsteller seitens der Antragsgegnerin grundsätzlich als ein Entgegenkommen der Antragsgegnerin gewertet werden müsse, da bei einer engen Betrachtung keine Obdachlosigkeit im Sinne des Sicherheitsrechts gegeben sei. Laut Auskunft des Landratsamtes hätten die Antragsteller ausreichend eigenes Einkommen, um selbst für eine Unterbringung zu sorgen.

Die Antragsgegnerin sei, obwohl schlüssige ärztliche Unterlagen zur Notwendigkeit der Nutzung von Rollstühlen oder den schweren Erkrankungen der Antragstellerin nicht vorgelegt worden seien, bereit gewesen, übergangsweise eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen, bei der sogar eigens der Zugangsbereich barrierefrei gestaltet und eine Trennwand demontiert worden sei, sodass eine Toilettennutzung auch mit Rollstuhl möglich sei. Die Unzumutbarkeit der speziell für die Antragsteller umgestalteten Unterkunft sei somit nicht nachvollziehbar und nicht nachgewiesen. Dies gelte umso mehr, als die Unterkunft bereits seit mehreren Monaten von den Antragstellern tatsächlich genutzt werde.

Weiter sei anzumerken, dass die Antragsteller bisher leider nicht erkennen lassen würden, dass sie genügend unternommen hätten, um eine eigene Unterkunft zu finden.

Zu dem vorgelegten Attest vom 17. Mai 2018 sei festzustellen, dass nicht nachvollzogen werden könne, weshalb ein Wohnen ausschließlich in einer Containerunterkunft und nicht auch in einer herkömmlichen barrierefreien Wohnung möglich sein solle. Im Übrigen beschränke sich die Verpflichtung der Antragsgegnerin als Sicherheitsbehörde auf die Zurverfügungstellung einer Notunterkunft, die Beschaffung einer Wohnung müsse der Eigeninitiative der Antragsteller überlassen bleiben.

Der Antragsteller hat sich im Verlaufe des Verfahrens wiederholt an das Gericht gewandt und dabei sowohl zur Sache (benötigt würden Container in Rautenform) wie auch dazu vorgetragen, dass der bestellte Betreuer ungeeignet sei, weshalb die Korrespondenz künftig über die Antragsteller abgewickelt werden solle. Mit Beschluss vom 17. September 2018 (vorgelegt vom Antragsteller als Anlage zum Schreiben vom 14. Oktober 2018) lehnte das Amtsgericht Laufen einen vom Antragsteller gestellten Antrag auf Betreuerwechsel ab.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vortrag der Beteiligten wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Vorab ist zu den Einlassungen des Antragstellers, die wohl dahin zu verstehen sind, dass er die weitere Verfahrensführung durch seinen Betreuer als Vertreter ablehnt, darauf hinzuweisen, dass die Betreuung bislang nicht aufgehoben wurde und bei der vorliegenden Fallgestaltung - die Betreuung umfasst auch Wohnungsangelegenheiten und insoweit die gerichtliche Vertretung - gemäß § 62 Abs. 4 VwGO i.V.m. § 53 ZPO die Antragsteller in diesem Verfahren nicht prozessfähigen Person gleichstehen, die Verfahrensführung daher ungeachtet des Vorbringens des Antragstellers alleine dem Betreuer obliegt (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2017, § 62 Rn. 12).

Zur Sache selbst ist festzustellen, dass der Antrag zulässig, aber nicht begründet ist.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl den aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anordnungsanspruch) wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Der Antrag kann danach keinen Erfolg haben, da die Antragsteller einen Anordnungsanspruch des Inhalts, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wäre, ihnen eine Unterkunft entsprechend den Vorgaben des Antrags zuzuweisen, nicht glaubhaft gemacht haben.

Die Antragsgegnerin hat als örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Hierzu zählt auch die Beseitigung einer unfreiwilligen Obdachlosigkeit (vgl. BayVGH, B. v. 26.4.1995 - 4 CE 951023 -, BayVBl 1995, 729). Aus dieser gesetzlichen Verpflichtung ergibt sich ein Anspruch des Betroffenen auf ermessenfehlerfreie Entscheidung über die Unterbringung durch die Behörde. Ein solcher Anspruch besteht allerdings nur, soweit und solange der Betroffene die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Hilfe der Sozialleistungsträger beheben kann (vgl. BayVGH, B. v. 21.9.2006 - 4 CE 06.2465 - BayVBl 2007, 439).

Die von der Sicherheitsbehörde zu leistende Obdachlosenfürsorge dient dabei nicht der wohnungsmäßigen Versorgung - der Obdachlose hat also keinen Anspruch darauf, dass ihm die Obdachlosenbehörde eine Wohnung zur Verfügung stellt oder vermittelt -, sondern allein der Verschaffung lediglich einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art. Auch unter Berücksichtigung der humanitären Zielsetzung des Grundgesetzes ist es ausreichend, wenn obdachlosen Personen eine Unterkunft zugewiesen wird, die vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt. Obdachlose müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, daher eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen, wobei die Grenze der zumutbaren Einschränkungen dort liegt, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung nicht mehr eingehalten sind (BayVGH, B. v. 10.10.2008 - 4 CE 08.2647 - juris Rn. 4). Weiter ist darauf hinzuweisen, dass Problemlagen, die über die Gewährung eines Obdachs, das Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt, hinausgehen - insbesondere auch die Erfüllung spezieller Unterbringungs- und Sorgeerfordernisse -, nicht von der Obdachlosenbehörde, sondern gegebenenfalls von den Sozialleistungsträgern, der zuständigen Kranken- oder Pflegeversicherung bzw. unter Umständen auch unter Einsetzung eines Betreuers zu bewältigen wären (vgl. VG München, B. v. 22.1.2008 - M 22 E 08.282 -; Schenk in Bengel/Werner/Emmerling, LStVG, Art. 7. Rn. 187 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist festzustellen, dass den Antragstellern der behauptete Anordnungsanspruch nicht zusteht.

Ein Anordnungsanpruch ist vorliegend schon deshalb nicht glaubhaft gemacht, weil es an einem hinreichenden Vortrag sowie Belegen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Antragsteller fehlt und im Hinblick auf zumutbare Selbsthilfebemühungen - zumal die Antragsteller mittlerweile auch einen Betreuer haben - nicht dargetan ist, dass diese tatsächlich (weiterhin) der Hilfe der Antragsgegnerin zur Abwehr der Obdachlosigkeit bedürfen.

Unabhängig hiervon ist ein Anordnungsanspruch aber jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil das Begehren der Antragssteller auf eine Leistung abzielt, zu deren Erbringung die Antragsgegnerin im Rahmen der Obdachlosenfürsorge nicht verpflichtet ist.

Das von den Antragstellern vorgelegte Attest vom 17. Mai 2018 (das keine fachliche Begründung, keine Ausführungen zu etwaigen Alternativen und weiter auch keine konkreten Angaben zu der Art und Weise der vorgeschlagenen Unterbringung beinhaltet) ist ersichtlich dahin zu verstehen, dass nach Auffassung des Verfassers die Antragstellerin (das Attest bezieht sich nicht auf den Antragsteller) nicht in einer „Normalwohnung“ wohnen kann und sie daher auf Dauer oder jedenfalls längerfristig der Zurverfügungstellung einer auf ihre gesundheitliche Situation angepassten Containerwohnung bedürfe. Die Bereitstellung einer solchen Unterkunft würde aber, wenn denn insoweit tatsächlich aus fachlicher Sicht eine entsprechende Notwendigkeit anzuerkennen wäre, was mit dem Attest gerade nicht belegt wird, nicht der Antragsgegnerin obliegen, da die Obdachlosenfürsorge wie ausgeführt nicht der Wohnungsversorgung dient und insoweit auch die Befriedigung spezieller Unterbringungs- und Vorsorgeerfordernisse, die über die bloße Zurverfügungstellung einer den Mindestanforderungen genügenden vorübergehenden Notunterkunft hinausgehen, nicht beansprucht werden kann.

Die Antragsteller sind, sollten sie eine solche Wohnform tatsächlich ernsthaft anstreben, darauf zu verweisen, mit Hilfe ihres Betreuers zu versuchen, abzuklären, ob sich dies realisieren lässt, wobei gegebenenfalls nach entsprechender fachlicher Abklärung auch geprüft werden sollte, ob sozialrechtliche Hilfestellungen gewährt werden können.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass sich nach Auffassung der Kammer die zur Verfügung gestellte Unterkunft im Grundsatz für ein Ehepaar, das auf die Nutzung von Rollstühlen angewiesen ist, mit Blick auf die niedrigen Standards bei einer Obdachlosenunterbring noch als zumutbar darstellt. In diesem Zusammenhang ist schließlich noch in Bezug auf die Situation der Antragstellerin anzumerken, dass sich aus dem vorgelegten Attest - das sich ohne Plausibilisierung und Substantiierung auf die Konstatierung einer aus Sicht des Verfassers notwendigen künftigen Gestaltung der Wohnverhältnisse in allgemeiner Form beschränkt - auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Antragsgegnerin gehalten sein könnte, zu prüfen, ob hinsichtlich der Art und Weise der Unterbringung der Antragsteller irgendwelche Modifizierungen in Betracht zu ziehen wären, deren Realisierung im Rahmen der regulären Obdachlosenfürsorge verlangt werden könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GVG unter Berücksichtigung der Empfehlungen in Nr. 5 und 35.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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